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Hitler 1 und Hitler 2: Führers Miltärgeheimnisse
Hitler 1 und Hitler 2: Führers Miltärgeheimnisse
Hitler 1 und Hitler 2: Führers Miltärgeheimnisse
eBook1.475 Seiten46 Stunden

Hitler 1 und Hitler 2: Führers Miltärgeheimnisse

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Über dieses E-Book

Pilgrims Formel vom "Serienkiller" Hitler zieht Kreise. Wie alle Serienkiller verschaffte sich Hitler Befriedigung aus dem Morden, von ihm in ungeheuerlichen Ausmaßen initiiert. Was zunächst nur ein Anfangsverdacht war, konnte im ersten und zweiten Buch von Hitler 1 und Hitler 2 bewiesen werden: Die "normale" Sexualität Hitlers war infolge des genetischen Schadens der Serienkiller "low". Die Untersuchung der Frage, ob Hitler ein Frauenliebhaber gewesen ist, endete mit dem Fazit und Titel des ersten Buches Das sexuelle Niemandsland. Im zweiten Buch gelangte der Autor zu dem Ergebnis: Der junge Hitler bis Ende 1918 liebte Männer, ohne dabei wirkliche Befriedigung zu finden. Und so wandte er sich Deutschland zu, wo sich das gesamte Volk in einem einzigartigen Spektakel von Hitler 2 einfangen ließ. Was jedoch alle übersahen, ihr Jubel musste zurückbezahlt werden in einer bestimmten Münze, seiner Lust am Töten.
Es geht in diesem dritten Buch von Hitler 1 und Hitler 2 um die vier Schlüssel-Wege, die Hitler hin zum Massenmörder zurücklegen musste und die sich um seine Militärzeit im Ersten Weltkrieg ranken. Alle erweisen sich als Geheimnisse, werden hier erstmalig entschlüsselt. Erstens, Hitlers Gang von Wien nach München zwischen 24. und 26. Mai 1913 war illegal. Zweitens, gezielt verschaffte sich der Österreicher Hitler im August 1914 Zugang zum bayerischen Regiment List. Drittens, Mitte Oktober 1918 wurde er bei einem britischen Angriff gasvergiftet, doch war er nicht blind, wie er die Nachwelt glauben ließ, sondern stumm. Dieser Schritt beschreibt den verschlungenen Weg ins Reservelazarett der pommerschen Stadt Pasewalk. Auch zu Hitlers vierter Bewegung von Pasewalk über München nach Berlin werden Wissenslöcher gestopft: seine Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft 1916/1919 (nicht erst 1932) und die wichtige Rolle, die Justizminister Franz Gürtner für Hitlers Wesensveränderung vom stillen zum tatkräftigen Serienkiller gespielt hat.
SpracheDeutsch
HerausgeberOsburg Verlag
Erscheinungsdatum17. Jan. 2019
ISBN9783955101756
Hitler 1 und Hitler 2: Führers Miltärgeheimnisse

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    Buchvorschau

    Hitler 1 und Hitler 2 - Volker Elis Pilgrim

    Tod)

    1. BEWEGUNG:

    VON WIEN

    NACH MÜNCHEN

    Der am 20. April 1889 im österreichischen Braunau geborene, gerade 24 Jahre alt gewordene Österreicher Adolf Hitler verließ Ende Mai 1913 sein Land, um ab dem 26. Mai in Deutschland zu leben. Sein Übergang von Wien nach München zwischen dem 24. und dem 26. Mai 1913 war illegal.

    Es gibt zwei Dokumente, die Hitlers Landwechsel belegen, seine polizeiliche Abmeldung am 24. Mai 1913 aus seinem dreijährigen Domizil im Wiener Männerheim, Meldemannstraße 27, mit der Bemerkung des »unbekannten« »Wohin«. (Bleibtreu 52/53, Nr. 44 v. 1. 11. 52, S. 37, Joachimsthaler 2000, S. 48) Und ebenso liegt seine polizeiliche Anmeldung in München am 29. Mai 1913 vor – mit seinem registrierten Einzug am 26. Mai in die im Norden von Schwabing gelegene Schleißheimer Straße 34, dritter Stock, als Untermieter bei dem jungen Schneidermeister-Ehepaar Josef und Anna Popp. Unter der Rubrik »Nationalität« hatte Hitler »staatenlos« eintragen lassen, (Bleibtreu 52/53, Nr. 45 v. 8. 11. 52, S. 38, Joachimsthaler 89, S. 17) was gelogen war, da er seit seiner Geburt den Rechten und Pflichten eines österreichischen Staatsbürgers unterstand.

    Mit dem Eintrag »staatenlos« hat Hitler mit Dokumenten nachweisbar die Illegalität seines Grenzgangs zugegeben. Denn er war auch im Mai 1913 keineswegs staatenlos.

    Gegenüber den bayrischen Behörden das zu behaupten, hatte bestimmte Gründe.

    Zu den Pflichten eines männlichen Österreichers gehörte es, sich ab seinem 20. Lebensjahr der Musterung zu unterziehen und je nach Tauglichkeit den Militärdienst oder die Ersatzdienste zu leisten. Hitler hätte das ab dem Jahre 1909/10 tun müssen. (Jetzinger, S. 209)

    Dass und wie Hitler sich den Militärdiensten entzog, ist von Jetzinger, Smith, Bavendamm und Sigmund (06) zur Genüge vorgeführt worden. Hitler war zwar 1908/09 in der Wiener Stumpergasse, der Felber- und der Sechshauser Straße polizeilich gemeldet, dann ab Februar 1910 in der Meldemannstraße für sein Wohnen im Männerheim im Stadtteil Brigittenau, aber seine Pflicht wäre es gewesen, nicht zu warten, bis die Militärbehörden ihn im unübersichtlichen Babylon Wien finden, sondern er hätte sich ab 1909 in seiner Heimatstadt Linz, die für ihn zuständig und zu der er zugehörig war, von selbst melden müssen.

    Hitlers Umzug von Österreich nach Deutschland war endgültig. Er betrat Österreich nur noch einmal am Sonnabend, dem 26. September 1931, aus Anlass seines Anstands-Show-Auftritts in Wien am Grabe seiner von ihm zehn Tage zuvor in München ermordeten Nichte Angela Raubal jr. (zweites Buch, SERIO). Das war eine für ein paar Stunden von den österreichischen Autoritäten genehmigte Ausnahme. Dem bereits seit 1919 naturalisierten Deutschen A. H. (4. BEWEGUNG: VON PASEWALK ÜBER MÜNCHEN NACH BERLIN) war nach seinem Münchener Putschversuch im November 1923 von den Österreichern generell die Einreise in sein ehemaliges Heimatland verwehrt worden.

    Eine echte Rückkehr nach Österreich geschah erst im März 1938, als der damalige deutsche Reichskanzler dem Einmarsch seiner Armee in Österreich zur Absolvierung seiner Massenauftritte in Wien und anderen Orten gefolgt war.

    An Hitlers Wechsel von Österreich nach Deutschland 1913 interessiert nicht so sehr das Warum dieser Illegalität, die er mit seiner Lüge von seiner Staatenlosigkeit sogar zugegeben hat. Eine Beschäftigung mit dem Warum glitte nur in den Sumpf des Vermutens ab: War es die Künstler-Identität des frühen Hitler 1, die ihn bis zum Umbruch zu seiner Soldaten-Identität ab dem 25. Lebensjahr charakterisierte? Schon Hitlers dritter Freund, August Kubizek, spricht davon, dass der 16- bis 20-jährige Hitler generell Soldaten nicht mochte. Er hätte eine allgemeine Aversion gegen Militärs gehabt. (Kubizek, 75/02, S. 93) Hinzugekommen sein kann Hitlers Scham vor dem Publik-Werden seiner Genital-Gebrechen. Militär hat etwas mit dem Öffentlich-Machen des Männerkörpers zu tun, der bei dutzenden Gelegenheiten vor Autoritäten und Kameraden nackt gezeigt werden muss. Hitlers Ein-Hoden-Syndrom und möglicherweise seine über Hanfstaengl in Bezug auf Maurice und Hasselbach übermittelte Penis-Reduktion haben Hitler Männer-Kollektiv-scheu gemacht. (Hanfstaengl 51, Hasselbach 52)

    Doch 1 ¼ Jahr später war bei Hitler alles Anti-Militärische verflogen, als er sich im August 1914 um die Aufnahme in ein bayerisches Regiment nach dem Startschuss zum Ersten Weltkrieg bemühte (2. BEWEGUNG: VON MÜNCHEN AN DIE WESTFRONT).

    Historisch belangvoll ist das noch nicht geklärte Verfahrenstechnische bei Hitlers Wechsel von Österreich nach Deutschland. Es gibt dazu in der Hitler-Biografik zwei unbeantwortete Fragen:

    Erstens. Wie glückte Hitler ohne Militär-Pass seine Reise von Wien nach München über die Grenze ins Nichts? Er hatte nicht einmal eine Bleibe in München, die er sich erst nach seiner Ankunft suchen musste. Ohne Militärpass bedeutete sein Verlassen Österreichs Fahnenflucht. Er hätte an der Grenze festgehalten und zurückgeschickt, ja zwangsweise zurücktransportiert werden können.

    Zweitens. Warum unternahm Hitler 2 lebenslang Verrenkungen, seinen realen Grenzgang zwischen 24. und 26. Mai 1913 zu vertuschen, immer an allen diesbezüglichen biografischen Stellen von seinem Länderwechsel ein Jahr früher zu reden: Frühjahr 1912. An diesen, um ein Jahr früheren Termin wird teilweise in der Hitler-Biografik sogar geglaubt, wie es gegenüber Lothar Machtan kritisiert wurde (zweites Buch, HOMO, 7. Rudolf Häusler). Auch Anna Maria Sigmund schlingert hier, indem sie von Hitlers »Vergesslichkeit« spricht, als hätte er sich bei der Ein-Jahres-Rückverlegung seines Umzugs von Wien nach München regelmäßig »geirrt«. (Sigmund 06, S. 139) Sie realisiert nicht, dass der Zeitpunkt für Hitlers Gang nach Deutschland für ihn eine propagandistisch extreme Bedeutung hatte. Die Zurückdatierung seiner deutschen Stunde Null von 1913 auf 1912 gehörte zu Hitlers Ultras bei seiner Imagepflege. Vergleichbares gibt es nur noch mit der Nach-vorn-Verschiebung vom Jahr des Todes seiner Mutter (von 1907 auf 1908 – zweites Buch, Exkurs, Die Mutti-Reklame).

    Zu Erstens: Das doppelte Dolfchen

    Seit den Recherchen von Renato Bleibtreu alias Thomas Orr für seine Hitler-Dokumentation 1952, 40 Jahre später den Entdeckungen von Anton Joachimsthaler für seine Sensation Korrektur einer Biographie 1989 und ein weiteres Jahrzehnt danach von Brigitte Hamann für ihr Buch Hitlers Wien 1996 ist es erwiesen, dass Hitler und Rudolf Häusler seit Anfang 1913 miteinander befreundet waren, dass sie bis Ende Mai 1913 nebeneinander im Wiener Brigittenau-Männerheim gelebt haben, zwischen 24. und 26. Mai 1913 gemeinsam nach München übersiedelten und dort monatelang bei dem Schneidermeister-Ehepaar Popp zusammenlebten (zweites Buch, HOMO, 7. Rudolf Häusler).

    Es gibt jenseits des Homo-Bezüglichen einige Auffälligkeiten, die der Annahme Vorschub leisten: Bei der Häusler-Hitler-Beziehung sollte im Dritten Reich etwas Spezielles verdeckt werden. Diese Auffälligkeiten müssen unabhängig von der Homo-Frage vorgenommen werden, weil mit ihnen deutlich wird, dass es sich dabei um viel mehr handelt als nur um die Kaschierung einer Lebensgemeinschaft zwischen den zwei österreichischen jungen Männern Adolf Hitler und Rudolf Häusler.

    Zwecks Rekapitulation die Basis des Verhältnisses von Adolf und Rudolf:

    Die beiden »Dolferls« lebten in Wien vor ihrer Reise nach Deutschland am 24./25. Mai 1913 drei bis vier Monate ab Februar 1913 nebeneinander in Zimmern des Männerheims in der Meldemannstrasse. Häusler war zu dieser Zeit 19 Jahre alt, geboren am 5. Dezember 1893. Sein Vater hatte ihn aus dem Haus geworfen, weil der Sohn sich in der Schule quergelegt hatte. Häusler arbeitete danach als Drogerie-Lehrling und suchte im Männerheim »Anschluss«. Der 23/24-jährige Hitler wurde so etwas wie ein »väterlicher Freund« für Häusler. Die beiden »Dolfis« kamen sich so nahe, dass Rudolf dem Adolf Ende Mai 1913 nach München folgte. (Hamann 96, S. 515 f., 566 ff., Machtan, S. 67 ff.)

    Hitler hatte schon lange nach Deutschland auswandern wollen. Er wartete das Flüssigwerden seines väterlichen Erbes ab, das ihm nach seinem 24. Geburtstag am 20. April 1913 von der Stadt Linz ausgezahlt wurde. Mit den in seine Hände gelangten über 800 österreichischen Kronen war Hitler wieder mal – wie nach dem Erbe seiner Mutter 1908 und der Unterstützung durch seine »Hanitante« 1909/10 und ihrem Erbe 1911 – so beweglich, dass er sich diesmal nach Deutschland transferieren und sogar auch noch einen von ihm finanzierten Freund mitnehmen konnte. (Ullrich, S. 60. Eine Krone entspricht ungefähr dem heutigen Wert von 10 Euro. [Sigmund 06, S. 244, Anm. 4])

    Die Bahnfahrt von Österreich nach Deutschland gelang Hitler, »obwohl er weder das für die Ausreise notwendige Dokument besaß noch eine Adresse [bei seiner Abmeldung in Wien] hinterließ. Wie er die Grenzkontrollen umging, ist unbekannt.« (Sigmund 06, S. 140)

    Das war wegen der Reisegemeinschaft Häusler-Hitler ziemlich einfach. Adolf ließ seinen mit den »notwendigen Dokumenten« ausgestatteten 19-jährigen, noch nicht wehrpflichtigen Intimus Rudolf plus Hitlers Gepäck die Grenze per Zugfahrt rechtmäßig passieren und auf dem ersten Bahnhof in Deutschland aussteigen. Derweil verließ Hitler den Zug am letzten österreichischen Bahnhof, an dem es noch keine Grenzkontrollen gab. Danach schlug er sich unrechtmäßig zwischen Österreich und Deutschland, die nicht mit einem Stacheldraht und schießenden Soldaten voneinander getrennt waren, durch »Wald, Feld und Wiesen«. Das muss einem Sohn von gebürtigen Bauern mit der Fähigkeit, sich in Gegenden zurechtzufinden, leicht gefallen sein.

    Der noch nicht stellungspflichtige 19-jährige Rudolf Häusler, der im Besitz eines gültigen Passes mit dem Zug reisen durfte, wohin er wollte, war Hitlers leibhaftiger Grenzpassier-Garant. Nachdem Adolf am Ende seiner Wanderung am ersten deutschen Bahnhof angekommen war und den dort wartenden Rudolf mit dem Gepäck der Freunde angetroffen hatte, setzten sie ihre Reise nach München im nächstmöglichen Zug fort. Ankunft in München am 25./26. Mai, einen Tag nach ihrer Abreise von Wien am 24./25.Mai 1913. Normalerweise hätte eine nicht unterbrochene Reise zwischen Wien und München an einem einzigen Tag absolviert werden können. Wegen Hitlers Fußmarsch durch die Büsche hatten die Freunde auf dem ersten unkontrollierten deutschen Bahnhof einmal übernachten müssen.

    Hitler musste »auf diese Tour« Österreich verlassen, weil er seit seinem 20./21. Lebensjahr 1909/10 Wehrpflicht- = »Stellungs-flüchtig« war. Schon dreimal hatte er zwischen 1910 und 1912 seine Stellungspflicht verletzt. (a. a. O., S. 133 ff.) Er wäre zu dieser Zeit als junger Mann nicht fähig gewesen, bei österreichischen Behörden wegen des Erhalts von Reisedokumenten vorzusprechen, weil er dadurch sofort seinen »Einzug« riskiert hätte – plus allerhand Strafen für seine dreijährigen Versäumnisse. (Kershaw 98 I, S. 85) Vor allem war Stellungspflichtigen das Reisen ins Ausland sieben Jahre lang nur mit einem »Militärpass« »bzw. einem Befreiungsschein« erlaubt. »Zu diesem Zweck hatte man auch jede Adressenänderung bekannt zu geben.« (Sigmund 06, S. 140) Hitler verschwand ohne »alles« nach Deutschland.

    Sein erster Biograf, Ernst Hanfstaengl, teilte über Hitlers erstes Zimmer in Deutschland bei den Münchener Schneidermeisters Popp eine Einzelheit mit, die er in seiner, unter dem Pseudonym »Heinz A. Heinz« für die Anglo-Öffentlichkeit vorgesehenen Propaganda-Schrift Germany’s Hitler 1934 erstmals verriet. Das Zimmer war von der Vermieterin Anna Popp in ihrem Interview mit Hanfstaengl 1933 so beschrieben worden, dass zum Inventar ein Bett und ein Sofa gehörten, auf dem der von Hitler mitgebrachte, noch sehr junge Freund schlafen konnte, (Hanfstaengl 38, S. 50) ohne dass die hier schon wieder sich aufdrängende »Vermutung« von Homosexualität wegen des Schlafens der jungen Männer Adolf und Rudolf in ein und demselben Bett hätte »hochkochen« müssen.

    Zu den näheren Umständen des Lebens der Freunde bei den Popps alsbald in zwei Zimmern gibt es Einzelheiten im zweiten Buch, HOMO, 7. Rudolf Häusler.

    Für die erste Bewegung Hitlers, die von Wien nach München, tritt jetzt die Homo-Frage gänzlich in den Hintergrund gegenüber der Bedeutung, die Rudolf Häusler für Hitler als eine Art Geheim-Kutscher hatte, der das Gepäck des Freundes von Österreich nach Deutschland befördern sollte. Kubizek spricht davon, dass Hitler schon von Linz nach Wien mit vier Koffern voller Bücher umgezogen wäre. Das war im Februar 1908. (Kubizek, 75/02, S. 153) Selbstverständlich waren in Hitlers fünf Wiener Jahren noch einige Dinge hinzugekommen, die sein Gepäck vermehrt hatten, wofür er einen hütenden Transport-Kumpel gebraucht hat. Hätte er nichts weiter als ein Rucksäckchen bei sich gehabt, dann hätte er auch allein von Österreich nach Deutschland über die Grenze »machen« können. Doch ein solcher Transfer war unmöglich für die Leseratte »Adi« mit ihren mindestens vier Bücherkoffern.

    Hitlers Eintreffen in München am 25./26. Mai 1913 ist fünffach belegbar:

    Erstens durch seine Abmeldung aus dem Wiener Männerheim in der Meldemannstrasse 27 im XX. Bezirk am 24. Mai 1913, (Sigmund 06, S. 141, 245, Anm. 20),

    zweitens aus dem »Meldebogen« in München vom 29. Mai 1913 mit der Datierung seiner Ankunft in München am 26. Mai 1913, (Joachimsthaler 89, S. 17),

    drittens durch das Erbverfahren beim Linzer Bezirksgericht. Dieses Verfahren galt einem im April/Mai 1913 noch in Wien lebenden Adolf Hitler, dem gegenüber die Auszahlung des väterlichen Erbes von über 800 Kronen am 16. Mai 1913 verfügt wurde, weil dieses Erbe ab Hitlers 24. Geburtstag am 20. April 1913 fällig geworden war. (Hamann 96, S. 568) Im Einklang mit dem Erbverfahren musste sich Hitler bis Mitte Mai 1913 in einer österreichischen Stadt aufhalten, was er laut Meldebestätigung in Wien getan hat.

    Viertens: 1912 bestand noch keine Freundschaft zwischen Hitler und seinem Kumpan Rudolf Häusler, den er dringend für seine »illegale Auswanderung« aus Österreich benötigte, der mit ihm am 24./25. Mai 1913 nach München gereist war und mehrere Monate in Wohngemeinschaft mit ihm bei den Popps zusammenlebte.

    Im ganzen Jahr 1912 war der damals 18-jährige Häusler Gymnasiast bzw. Drogist, lebte an verschiedenen Orten in Wien, wie Brigitte Hamann nachweist. Erst ab Februar 1913 wohnte er im Männerheim neben Hitler. Und vor dem 16. Mai 1913 hatte Hitler noch kein Geld, um einen Zwei-Mann-Umzug von Wien nach München finanzieren zu können. (Hamann 96, S. 566 ff., Machtan, S. 67 ff.)

    Fünftens. Auf ihrer Verfolgung des Militärdienst-flüchtigen Hitlers hatten die Linzer Behörden Nachforschungen bei seiner letzten, über seine Schwester Angela ausgekundschafteten Wiener Adresse unternommen, aus der er sich ohne Angabe eines »Wohin« am 24. Mai 1913 abgemeldet hatte. Insassen des Wiener Männerheims konnten zu Auskünften darüber gebracht werden, dass Hitler nicht allein weggezogen war, sondern zusammen mit dem gleichfalls ehemaligen Bewohner Rudolf Häusler. Und Hitler hätte früher oft davon gesprochen, nach München auswandern zu wollen, wo der seit über drei Jahren Wehrpflicht-Flüchtige am 18. Januar 1914 vom österreichischen Staat per bayerischer Amtshilfe schließlich »erreicht« werden konnte. (Sigmund 06, S. 141, 245, Anm. 21, zweite Bewegung, Von München an die Westfront)

    Zu Zweitens:

    Die fünf Lügen gegen das deutsche Anfangsjahr 1913

    In Hitlers Erwähnungen vom Start seines Lebens in München heißt es immer: »Beginn Frühjahr 1912«. (Jetzinger, S. 332) Historisch folgen der Reihe nach die wichtigsten vier:

    1. Am 29. November 1921 in Hitlers Brief »an einen Unbekannten«, den Anton Joachimsthaler 1989 als einen Spendeneintreiber, den Berliner Siemens-Chemiker Dr. Emil Gansser, »enttarnt« hat. (Joachimsthaler 2000, S. 369 f.) Gansser wurde ein eifriger NSDAP-Förderer, der Durchstöße für Hitler zur Großindustrie und zu Geldgebern in der Schweiz unternommen hatte. Gansser wollte von Hitler, den er zwei Jahre lang beobachtet hatte, (Ullrich, S. 140, 871, Anm. 140) eine Darstellung von dessen Werdegang haben. Dadurch war Hitler genötigt, schon vier Jahre vor seiner Teil-Autobiografie Mein Kampf eine frühe Frisierung seiner Entwicklung zum Führer der NSDAP abzufassen, die er am 29. November 1921 an Gansser schickte: »Ich wurde Architektur-Zeichner und Architektur-Maler und war praktisch mit meinem 21. Lebensjahr vollkommen selbständig. 1912 ging ich in dieser Eigenschaft dauernd nach München …« (Hitler 80 I, S. 525 f.)

    Alles gelogen, wie die Hitler-Biografik inzwischen weiß: 1910, mit 21 Jahren, lebte Hitler als Postkartenmotiv-Abzeichner und -Abmaler im Wiener Männerheim und ließ seine Bilder in Arbeitsteilung von seinem vierten Freund, Reinhold Hanisch, verkaufen (zweites Buch, 4. Reinhold Hanisch).

    2. Am 26. Februar 1924 bei seinem Verhör am ersten Verhandlungstag im Hitler-Putsch-Prozess vor dem Münchener »Volksgericht« lügt Hitler sogar dem Vorsitzenden Richter Georg Neithardt ins Gesicht und verbreitet die Fälschung seiner Ankunft in München damit sogleich weltweit über alle im Gerichtssaal anwesenden Korrespondenten: »Als ich im Jahre 1912 nach München kam, …« (a. a. O., S. 1062) Anschließend folgt in Hitlers Aussage wieder die Lüge vom »Architekturzeichner« während Hitlers angeblicher Ausbildung »zum Baumeister.«

    Es gibt kein einziges Zeugnis oder einen Fetzen von Bemerkung eines Zeugen darüber, dass Hitler 1 jemals bloß als Hilfsarbeiter auf dem Bau tätig gewesen wäre, nicht in Linz, nicht in Wien und auch nicht in München vor Beginn des Ersten Weltkrieges. (Hamann 96, S. 206 ff.) Was er in Mein Kampf über sein »erstes Zusammentreffen mit Sozialdemokraten« »am Bau« in die Lettern träufelte, ist – wie so vieles in seiner Propaganda-Schwarte – ebenfalls gelogen, wobei Hitler sich mit der falschen Redewendung, er habe »am Bau« gearbeitet, als Lügner selbst enttarnt. (Hitler 25, S. 40 ff.) Echte Bauarbeiter sagen »auf dem Bau«. »Am Bau« arbeitet keiner.

    Das vom hohen Ross tönende Wort »Baumeister«, das Hitler 2 immer wieder benutzte, um seine Vergangenheit als »Drop-Out« Hitler 1 (Kershaw 98 I, S. 27 ff.) zu umwölken, war für die von ihm »eingeseiften« Zeitgenossen aus allen Gesellschaftsschichten brillant geeignet, weil Hitler sich damit politisch als »Baumeister« eines neuen Deutschlands präsentieren und so ins Unterbewusste seiner Zuhörer einschleichen konnte.

    3. Am 7. April 1925 richtete Hitler ein Gesuch an den Magistrat der Stadt Linz. Auch den österreichischen Behörden gegenüber wagte er es jetzt, die Unwahrheit zu schreiben: Sein endgültiger Gang nach Deutschland sei schon im Jahre 1912 gewesen. (Sigmund 06, S. 139, 244, Anm. 12) Diese Lüge unternahm nur Hitler 2. Hitler 1 tat das nie. Ein Jahrzehnt zuvor steht in seinem Rechtfertigungsschreiben vom 21. Januar 1914 an den Magistrat der Stadt Linz, der ihn endlich in München wegen seiner versäumten Musterung dingfest machen konnte, nichts vom falschen Auswanderungsjahr 1912. (Hitler 80 I, S. 53 ff.)

    4. »Im Frühjahr 1912 kam ich endgültig nach München«, heißt es im ersten Band von Mein Kampf, (Hitler 25, S. 138) erschienen am 18. Juli 1925 (Ullrich, S. 200) Das Buch brachte in Deutschland Auflagen mit Millionen von Exemplaren, wurde in die damals einflussreichsten Fremdsprachen übersetzt und ebenfalls massenhaft gelesen. Hitler wusste, was er mit seiner 1912-Lüge tat. Es handelte sich bei seiner ständig Wahrheits-ungemäß einjährigen Zurückdatierung seines Anfangs in Deutschland nicht um einen »Irrtum«, (Sigmund 06, S. 139) sondern um Methode.

    Was für »kurze Beine« »Lügen« immer wieder »haben« können, demonstriert Hitler selbst. Er passt bei seinem eigenen Text einmal nicht auf. Plötzlich sagt er die Wahrheit: »In den Jahren 1913 und 1914 habe ich denn auch zum ersten Male in verschiedenen Kreisen …[in München] die Überzeugung ausgesprochen …« (Hitler 25, S. 171) Er vergaß, dass er sein Kapitel München mit seiner »Frühjahr-1912«-Ankunfts-Lüge begonnen hatte, 33 Buchseiten zuvor, und lässt jetzt die Realität seines Münchener Anfangsjahres 1913/1914 heraus.

    In Hitlers erstem publiziertem »Selbstzeugnis« vom Oktober 1923, seiner mit Adolf-Viktor [von] Koerber zusammengestellten Schrift Adolf Hitler. Sein Leben und seine Reden kommt sein Münchener Anfangsjahr 1913/14 nicht vor. Die autobiografische Skizze springt von Hitler als Wiener »Bauarbeiter« zu Hitler als Meldegänger im deutschen Heer an der Westfront im Ersten Weltkrieg. (Hitler 23 II, S. 3 ff., 6 f.)

    5. Von Ernst Hanfstaengl, dem Arrangeur der ersten Hitler-Biografie Germany’s Hitler von 1934, wurde Hitlers erste Münchener Zimmervermieterin Anna Popp interviewt. Es versteht sich von selbst, dass Hitler mit Hanfstaengl den Zeitpunkt seines Eintreffens in München abgesprochen und seine deutsche Ankunft mit der Marschroute 1912 auch für Germany’s Hitler in Einklang gebracht hat. Niemand in England hätte damals die Stimmigkeit in deutschen Polizeiunterlagen nachprüfen können. Bei Anna Popp heißt es deshalb lapidar: »Als Hitler 1912 zu uns kam, …« (Popp 38, S. 51 f.) Die Lüge fällt hier insofern leicht auf, als Popp die Wahrheit sogar durch Dokumente gesichert auf den Tag genau vor Augen gehabt hatte. Hitler war ab dem 26. Mai 1913 bei ihr in München als Untermieter gemeldet und dorthin direkt aus Wien angereist gekommen. Popp hatte ihm die Meldeformulare vorlegen müssen. Und sie selbst war es, die die Papiere an die Münchener Polizei weiterreichen musste. (Jetzinger, S. 254 ff., Joachimsthaler 89, S. 25 f.)

    Hitler-Intimus fehlt im Hauptarchiv der NSDAP

    Bei der Marschroute »Hitlers Einwanderung nach Deutschland geschah 1912« gibt es zwei weitere Auffälligkeiten. Der eigentliche »Hammer« bei dieser Marschroute: Das gesamte Häusler-Hitler-Verhältnis wurde Nazi-zielgerecht nicht nur 30 Jahre, sondern über das Ziel hinausschießend 75 Jahre lang verborgen.

    Wegen der allgemeinen Hitler-forscherischen Aussparung der frühen Dokumentation des ehemaligen Insiders Bleibtreu [»Orr«] in der Münchener Hausfrauen-Illustrierten Revue (1952) wusste die Hitler-Biografik nichts von Häusler, bis 1989 ein Diplom-Ingenieur der Deutschen Bundesbahn, des inzwischen illustren Anton Joachimsthaler, sich die Münchener Meldeunterlagen vornahm, darin das unausradierbare Datum von Hitlers erster Münchener Meldung am 29. Mai 1913 fand und Hitlers Reisegenossen und anschließenden Lebensgefährten für eineinviertel Jahr, den bis dato versteckten Rudolf Häusler, entdeckte. (Joachimsthaler 89, S. 15, 257 f.)

    Unbekannter Hitler-Intimus Häusler in München 1913/14? Liegt da vielleicht ein Behörden-Irrtum vor? Auch Amts-Bescheinigungen müssen auf ihren Wahrheitsgehalt gedreht und gewendet werden. Ehe es nur ein Wimpernzucken von Zweifeln an der Häusler-Hitler-Beziehung 1913/14 hätte geben können, stieß die Hitler-Forscherin Brigitte Hamann nach. Im Zusammenhang mit ihrem ersten Buch Hitlers Wien musste sie solch eine nahe Person Hitlers, die genau an der Wende der Zeiten zwischen Wien und München mit Hitler engst denkbar befreundet war, »niet- und nagelfest« machen. (Hamann 96, S. 515 f., 566 ff.) Hamann fand Häuslers Tochter Marianne Häusler-Koppler und stellte ihr gegenüber nicht nur die »Homofrage«, sondern – noch viel wichtiger – beantwortete damit auch die Frage der Existenz der ganzen Beziehung Häusler-Hitler. Wenn es daran irgendetwas zu zweifeln gegeben hätte, hätte die Häusler-Tochter entgegnet: »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen! Mein Vater hat überhaupt keine Beziehung mit Hitler gehabt!«

    Zwischen 1914 und 1938 vergehen 24 Jahre, die weltgeschichtlich bekannt sind.

    Rudolf Häuslers ehemaliger Zimmergenosse A. H. ist »ein anderer geworden«, wie sich sein militärischer Vorgesetzter im Ersten Weltkrieg, der Feldwebel Max Amann, über seine erste Wahrnehmung von Hitler 2 in München nach November 1918 geäußert hat. (Horstmann, S. 10 f.) Der Einmarsch der deutschen Armee unter »Führer und Reichskanzler« Adolf Hitler im März 1938 in Österreich, genannt »Anschluss«, hat Rudolf Häusler nun auch politisch und verwaltungstechnisch unter die Herrschaft seines früheren Kumpels gestellt. Er tritt am 1. Mai 1938 in die NSDAP ein.

    Dazu entdeckte der distanziert und dadurch oftmals besonders scharf auf die deutsch-österreichischen Verhältnisse schauende, englische Geschichtsprofessor Ian Kershaw eine befremdliche Besonderheit und landete den nächsten »Hammer« in der Häusler-Hitler-Beziehung: Kershaw fand im Bundesarchiv Berlin – vor 1998 noch neutral »Berlin Document Center« betitelt – Häuslers erhalten gebliebene Partei-Eintrittsformulare. In typisch englischem Unterstatement verbarg Kershaw seinen Fund in einer Fußnote, anstatt sie an die »große Glocke« einer Neuheit zu hängen: »Seltsamerweise erwähnt Häusler im Antrag auf Eintritt in die österreichische NSDAP vom 1. Mai 1938 nicht seine frühere Verbindung mit Hitler (Parteikorrespondenz, Rudolf Häusler, geboren am 3. Dezember 1893. Personal-Fragebogen vom 1. Mai 1938).« (Kershaw 98 I, S. 632, Anm. 54)

    Nunmehr wird die NS-Marschroute in Sachen »Häusler« unzweifelhaft deutlich: Das ganze Verhältnis Häusler-Hitler sollte versteckt werden.

    Die zusätzliche Entdeckung nach dem Kershaw-Fund: Auch die Kontakt-Stellen der NSDAP registrierten nur den Antrag auf Partei-Mitgliedschaft Häuslers, verschwiegen aber sonst alles um Häusler. Es gibt nicht einmal einen Amtsvermerk von jemandem, auf dass auch niemand Untergeordnetes »aus Versehen« auf die Häusler-Hitler-Beziehung hätte stoßen und mit ihrer versehentlichen Publikation »Unheil« anrichten können.

    Dieses Vorgehen ist extrem auffällig, denn sofort nach dem »Anschluss« waren die Mitarbeiter des Hauptarchivs der NSDAP in die österreichischen Herkunftsgebiete ihres Chefs ausgeschwärmt und hatten die Gegenden nach Zeugnissen zu Jugend und Vorfahren Adolf Hitlers durchgegrast. Unter der Führung des stellvertretenden Parteivorsitzenden Rudolf Heß sollte alles Erreichbare zusammengetragen werden, um Material für eine mehrbändige Hitler-Enzyklopädie anzuhäufen. Jeder, der oder die den Weg Adolf Hitlers nur flüchtig gestreift hatte, fand Eingang in die »Führer«-Materialien: ein Schulfreund, das letzte Dienstmädchen von Hitlers Eltern, eine Mitmieterin und ein Nachbar, eine Café-Besitzerin, ein Klavierlehrer, ein Pensionsgast bei Hitlers Mutter … Auch der ehemalige Vormund wird angegangen, der wegen des frühen Todes von Hitlers Vater über die noch unmündigen Kinder eingesetzt worden war. Von den vielen Hitler-Bilder-Käufern, die dem armen Kunstmaler begegneten, nicht zu reden, erst recht nicht von den Soldaten um Hitler 1 im Ersten Weltkrieg, die für mündliche oder schriftliche Fixierungen ihrer Erlebnisse mit dem Gefreiten und Meldegänger Adolf Hitler gewonnen werden konnten.

    Die Mitarbeiter des HA der NSDAP bedrängten alle Personen aus Hitlers Vergangenheit, denen sie habhaft werden konnten, für das Enzyklopädie-Unternehmen Erinnerungen an Hitler zu verfassen und der ideologischen Nazi-Zentrale ebenfalls Erinnerungsstücke zu veräußern oder zum Fotografiertwerden oder Original-Bilder für kurze Zeit zwecks Anfertigung von Kopien zu überlassen.

    Hitlers Kriegskamerad Johann Raab bekam mehrere Briefe hintereinander mit der Bitte um die Lieferung seiner Erlebnisse. Er zierte sich eine Weile, bis er sie aufschrieb und einsandte (3. Bewegung, Von der Westfront nach Pasewalk).

    Ja, sogar der Linzer jüdische Krebsarzt von Hitlers Mutter Klara, Dr. Eduard Bloch, wurde nicht ausgespart. Auch er musste mehrmals angegangen werden. Von Antisemitismus im Umgang mit ihm in Sachen »Erinnerungen an Hitler« keine Spur. Bloch hinterließ ein Schreiben in meisterhafter Doppelbödigkeit, die noch heute seine Schmerzen durchscheinen lässt, die seinen Leidensgefährten in Österreich nach dem »Anschluss« widerfuhren und auch ihm jederzeit bereitet werden konnten. Trotzdem befindet sich seine Erzählung über den jungen Hitler unter den HA-Beständen. (Bloch 38 I, II – alle anderen Belege im ersten Buch, Von klein auf kein »Standbild« fürs Weibliche hinterlassen [S. 80 ff.] und durchlaufend im zweiten Buch, HOMO und INZESTO)

    Besonders auffällig wird die Abwesenheit von Rudolf Häusler aus der Sammlung der »Zehntausend« des Hauptarchivs der NSDAP im Vergleich damit, wie mit dem dritten Hitler-Intimus, August Kubizek, umgegangen wurde. Kubizek ist die einzige außerfamiliäre nahe Person Hitlers zwischen 1907 und 1908. Die Jünglinge hatten sich November 1905 in Linz auf dem Stehrang in der Oper kennengelernt.

    Es geschah im Laufe der Freundschaft Ähnliches wie mit Häusler. Hitler motivierte Kubizek 1907/08, mit ihm nach Wien in ein Zimmer zu ziehen, wie er es später mit Häusler Anfang 1913 für München tun würde. Kubizek studierte in Wien Musik, Hitler fiel zweimal durch die Prüfung der Kunstakademie durch und fantasierte sich als »Baumeister« und Städtebauer ausbildungslos in seine nebulöse Zukunft, komponierte eine Oper. (Kubizek 75/02, S. 97 ff., 182 ff., 200 ff.)

    30 Jahre später setzte Kubizek sich einer Wiederbegegnung mit seinem alten Freunde aus, der als Usurpator und Österreich-Annektierer im April 1938 offiziell in Linz weilte. Was dabei geschah, steht in schärfstem Widerspruch zu Hitlers Umgang mit seiner Beziehung zu seinem siebten Freund, Rudolf Häusler, die viereinhalb Jahre nach dem Ende der Zimmergemeinschaft zwischen Hitler und Kubizek begann und die die Jünglinge Häusler und Hitler doppelt so lange mit- und nebeneinander wohnen ließ. Hitler zeigte sich mit Kubizek mehrmals sogar öffentlich, ja er baute ihn 1939 in seinen Bayreuth-Besuch für das gemeinsame Erleben von Wagner-Opern ein. In einem Mengenbad rief Hitler aus seinem offenen Wagen allen hörbar einen Gruß dem am Rande des Spaliers stehenden Kubizek zu, den die verzückt Huldigenden danach neugierig bestürmten. (a. a. O., S. 272 ff.)

    Und es kam heraus, dass Hitler schon früher, wenn seine enzyklopädistische Entourage etwas aus seiner Linz/Wiener Zeit wissen wollte, immer gesagt haben soll: »Fragt den Kubizek!« Nun war Kubizek endlich aufgetaucht und wurde umgehend viermal von Nazi-Höchststellen kontaktiert, ja belästigt, seine Erinnerungen zu notieren und seine Erinnerungsstücke »rauszurücken«. Unter den Kubizek-»Kontaktern« befinden sich Bormann, Goebbels und Heß, die ihn angerufen und ihm geschrieben haben. (a. a. O., S. 272 ff.) Im Hauptarchiv der NSDAP gibt es sogar einen Nachweis dafür, dass der ehemalige Hitler-Intimus wegen der Verfassung seiner Erinnerungen an den jungen Hitler 1938 extra besucht wurde. (Bleibtreu 38 III – alles Nähere zur Beziehung Hitler-Kubizek im zweiten Buch, HOMO, 3. August Kubizek ff.)

    Nichts dergleichen geschieht mit und gegenüber Rudolf Häusler. Kein Sterbenswörtchen über ihn befindet sich unter den pingelig genau fixierten Vorgängen der Einholung von »Führer«-Vorlebens-Nachrichten, außer dem erwähnten Partei-Aufnahmeantrag Häuslers vom 1. Mai 1938.

    Eliminierung der deutschen »Führer«-Wiege

    Und schon türmt sich die nächste Auffälligkeit auf den Haufen des Absonderlichen – eine weitere Minus-Entdeckung im Hauptarchiv der NSDAP:

    Entgegen der Einheimsungs-Praktik gegenüber allen österreichischen Personen, die Hitler in seiner Jugend vor 1913 berührt haben, und allen seinen Kriegskameraden an der Westfront in Belgien/Nordfrankreich zwischen 1914 und 1918, wird nicht nur Rudolf Häusler ausgespart, sondern bleiben auch Hitlers erste deutsche Vermieter Anna und Josepf Popp »draußen« aus den Beständen des Hauptarchivs der NSDAP, die darin schon seit Jahren hätten Eingang gefunden haben müssen. Mehr als ein Jahr mit Hitler auf »Du und Du« in derselben Wohnung während Hitlers deutscher »Geburtszeit« in München 1913/14, doch nichts darüber im HA vorhanden. Welch ein Stoff für eine Nazi-Gartenlaube ging da in den Mülleimer der Hauptarchiv-Enzyklopädisten! Das Foto der gealterten Popps von 1933 vor Hitlers Staffelei, die er ihnen bei seinem Auszug überlassen hat, existiert nicht in der Sammlung des Hauptarchivs. Werner Maser, der es erstmals 1973 publizierte, muss es in anderen, von ihm nicht preisgegebenen Kontingenten gefunden haben. (Maser 73, S. 134)

    Noch verdächtiger: Es gibt in der Sammlung des Hauptarchivs der NSDAP von den Popps weder Statements noch Original-Hitler-Briefe an die Eheleute. Keines der fünf heute noch erhalten gebliebenen Schreiben landete im HA.

    Gab es andere Briefe und wurden die später »zu bestimmten Zwecken« vernichtet? Denn dass der Briefverkehr zwischen Hitler und seiner »Münchener Zelle« nach dem 26. Januar 1915 plötzlich abgebrochen sein soll, darüber findet sich in den erhalten gebliebenen Texten keine Ankündigung, kein Hauch eines Verdachts. Die Korrespondenz zwischen Hitler und den Popps muss für eine Weile im Voranschreiten des Ersten Weltkrieges fortgeführt worden sein. Weitere Briefe sind jedoch spurlos verschwunden. Und die fünf erhalten gebliebenen an die Popps gehören heute namentlich nicht genannten »Privatbesitzern«, (Hitler 80 I, S. 58 ff.) haben weder als Original noch als Kopie Aufnahme im Hauptarchiv gefunden.

    Es fehlt im Zusammenhang mit den Popps dreierlei im HA der NSDAP: Erstens fehlen Originalbriefe Hitlers an das Schneidermeister-Ehepaar plus gemalte Bilder von ihm oder andere Erinnerungsstücke, die er Freunden gern hinterließ, zweitens gibt es keine Interviews mit den Popps oder Erinnerungsnotizen von ihnen und drittens »glänzt« jeder »Haus-eigene« Archiv-Vermerk über die Popps und ihre eminent bedeutende Funktion für Hitlers erste Zeit in Deutschland 1913/14 »durch Abwesenheit«.

    Derart wie das Hauptarchiv der NSDAP nach Unterlagen zum frühen Hitler gelechzt und alle erreichbaren Originale zusammengetragen hat, hätten Hitlers fünf erhalten gebliebene Popp-Briefe einen Ehrenplatz in der HA-Sammlung einnehmen müssen, wie es zum Beispiel mit den beiden Hitler-Briefen an Assessor Ernst Hepp geschehen ist, die in derselben Zeit wie seine Briefe an die Popps verfasst wurden. (BAB NS 26/4, Bl. 19 ff., Hitler 80 I, S. 61, Anm. 2, S. 64, Anm. 2) Doch Hitlers Popp-Schreiben existieren auch nicht in Form von »undatierten Abschriften auf Briefpapier der Reichsleitung der NSDAP« oder als »Reproduktion« [im HA], wie es für Originale bei den Herausgebern von Hitlers Frühschriften, Eberhard Jäckel und Axel Kuhn, immer wieder heißt. (Hitler 80 I, S. 58, 61, 64, 69, 76, 78, 83 f.)

    Haben die Hauptarchivler nichts gewusst von den Popps? Das kann unmöglich sein, denn seit 1934 gab es die englische Hitler-»Schmiere« über »Deutschlands Hitler« vom Auslandspressechef Ernst Hanfstaengl, worin Anna Popp ihren international zur Kenntnis nehmbaren Auftritt hatte. (Popp 34, S. 50 ff.)

    Endgültig kann das Hauptarchiv in seiner Popp-Vertuschungs-Praxis daran dingfest gemacht werden, dass Hitlers Meldebeleg bei den Popps in den HA-Unterlagen fehlt. Weder Original noch Abschrift/ Kopie fanden in das Hauptarchiv Eingang, das nicht zimperlich war, sogar Originale aus Behörden-Archiven in die eigenen Bestände zu »überführen«, wie es den Ermittlungen des ehemaligen bayerischen Innenministers Franz Xaver Schweyer über die frühe NSDAP ergangen war (3. und 4. Bewegung). Doch der Münchener »Meldebogen« vom 29. Mai 1913, der ebenfalls in einem Archiv »um die Ecke« der ideologischen Gestapo lag, wurde verschmäht, ausgerechnet der Beleg für die deutsche »Führer«-Wiege. Er blieb verborgen an seinem Platz, bis Anton Joachimsthaler ihn für seine Korrektur einer Biographie 1989 aufspürte. (Joachimsthaler 89, S. 15, 257 f.)

    Das Hauptarchiv der NSDAP ließ die Original-Archive sogar systematisch von Hitler betreffenden Stücken plündern. Seine Akte NS 26/17a im heutigen Bundesarchiv birst von Hitler-Meldezetteln seiner Aufenthalte vor den Popps in Wien und nach den Popps in München und auf Reisen bei Hitlers Hotel-Unterkünften. (BAB NS 26/17a, Bl. 174 ff.) Hitlers Wohnen in der Schleißheimer Straße 34 kommt nur indirekt vor – als Rückverweis bei der Meldung seines Münchener Zimmers in der Thierschstraße 41 ab 1. Mai 1920. Doch auch dieser Rekurs ist eine Verschleierung von Hitlers deutschem Einstieg bei den Popps. Denn es heißt auf dem Meldezettel für die Thierschstraße nur »frühere Wohnung«, als ob er von der Schleißheimer Straße direkt in die Thierschstraße umgezogen wäre, was nicht der Fall war, weil zwischen beiden Zimmern die vierjährige Soldaten- und anschließende Münchener Kasernenzeit Hitlers gelegen hat. Das steht sogar deutlich auf dem von Joachimsthaler gehobenen Meldezettel zur Schleißheimer Straße unter der Rubrik: »Ausgezogen – Wohin?« Antwortender Eintrag: »Feld«! (Joachimsthaler, a. a. O.)

    Was im Hauptarchiv fehlt, ist eine Kopie oder das Original von Hitlers erster deutscher Meldung Ende Mai 1913 bei den Popps in München. Mit Hitlers Wiener Zimmern machte es das Hauptarchiv genauso Geschichts-klitternd. Groß und breit werden seine Meldebelege für seine Zimmer in der Felber- und der Sechshauser Straße archiviert, sogar mit Nennung der Namen der Vermieterinnen Helene Riedl und Antonia Oberlechner. (BAB, NS 26/17a, Bl. 176 [n. Z.], Nr. 2./3.) Aber es fehlt Hitlers Wiener Zimmerbeginn in der Stumpergasse bei Maria Zakreys. Dieser Beleg wäre Hitlers Mutti-Reklame quergelaufen, da er mitten im Siechen und Sterben seiner Mutter schon ab September 1907 für immer nach Wien gezogen war (zweites Buch, Exkurs).

    Keine Berührungsängste gegenüber Hitler-Feinden

    Warum denn das erste deutsche Nest des »Führers« aus den Materialien der ideologischen Gestapo aussparen – seine »Wahleltern« Anna und Josef Popp und seinen »Zwillingsbruder«-Zimmergenossen Rudolf Häusler? Die zwei erhalten gebliebenen Kriegsbriefe Hitlers an Assessor Ernst Hepp aus derselben Zeit wurden kultisch behandelt. Es gab vom berühmt gewordenen 12-Seiten-Brief Hitlers an Hepp (5. 2. 1915) sogar »Textabdrucke schon in nationalsozialistischen Zeitungen zwischen 1937 und 1945«. (Hitler 80 I, S. 64, Anm. 2)

    Ganz verrückt wird es, wenn dieses Fehlen von Häusler und den Popps im Gral der Hitler-Sammlungen mit dortigen Lagerungen von Hitler-unliebsamen Leuten verglichen wird: Das Hauptarchiv hofierte Reinhold Hanisch, mit dem Hitler sich noch in Wien wegen der Einbehaltung eines seiner Bilder überworfen hatte und gegen den er prozessieren ließ. Macht nichts! Jetzt Erinnerungen her! Hanisch schickte sie über einen Mittelsmann, die in seiner Handschrift im HA überdauerten (Hanisch 33 II) und nicht identisch sind mit seinem Erfahrungsbericht I Was Hitler’s Buddy, den Konrad Heiden in der US-Zeitschrift New Republic im April 1939 publizierte. (Hanisch 39) Das Hauptarchiv sammelte gewohnt ordentlich, wie es sich für ein Archiv gehört, den Schriftverkehr mit Hanisch. (BAB, NS 26/64, Bl. 31 ff. [n. Z.])

    Noch extremer ist der Widerspruch zwischen dem harmlosen Partei-Aspiranten Rudolf Häusler und einer anderen Querfigur in Hitlers Leben – Hans Mend.

    Häusler hatte im Gegensatz zu Hans Mend nichts Anstößiges, in den Augen der NSDAP-Auguren »Führer«-Negatives, gar Ruf-Gefährdendes verbrochen. Doch Häusler wird am 1. Mai 1938 mit seinem Parteieintritt nahezu wortlos nur registriert und alles andere über ihn und Hitler verschwiegen. Demgegenüber nimmt die Korrespondenz des HAs mit Mend, der inzwischen wegen privaten Fehlverhaltens im Gefängnis saß, breiten Raum in den Archiv-Materialien ein. (a. a. O.)

    Zunächst hatte Hans Mend 1931 sein Hitler-Hymnen-Buch Adolf Hitler im Felde publiziert. (Mend) Jahre später »beging« er eine Distanzierung von Hitler. Er verbündete sich mit Hitler-Gegnern, berichtete denen etwas über Homosexuelles zwischen Hitler und Ernst Schmidt, das während einer Feuerpause in einer Scheune stattgefunden habe. (Machtan 03, S. 84, Weber 12, S. 185 ff.) Dann widerrief Mend seine Kehrtwendung. Hitler schrieb ihn schließlich ab. Trotzdem bleibt Mend mit seinen Briefen und Zeugnissen im NS-Gral verewigt. Näheres zur Widersprüchlichkeit von Mend als Zeuge im zweiten Buch, HOMO, 8. Ernst Schmidt. Schon Anton Joachimsthaler hat ausführlich die Zickzack-Kurse Mends in dessen Verhältnis zu Hitler dokumentiert. Vieles dazu wurde im Hauptarchiv der NSDAP gespeichert. (Joachimsthaler 89, S. 113 ff., Joachimsthaler 2000, S. 74 f., 110 f., 142 f., 160, 333 f.)

    Demnach bestand kein Problem, Kriminelle und Hitler-Dissidenten im HA zu lagern. Häusler jedoch, das einfache Parteimitglied, musste draußen bleiben, als ob er Kommunist, Sozialdemokrat oder Pazifist, ja ein Hitler-Attentäter gewesen wäre.

    Rudolf Häuslers Schweigen bis über den Tod hinaus

    Zu dem gespenstischen Verschwinden Häuslers aus Adolf Hitlers Frühzeit gehört auch Häuslers eigenes Verhalten nach 1945. Vor 1945 soll er sich ausgerechnet am Eingang der Reichskanzlei einmal als ehemaliger Freund Hitlers vorgestellt haben und zurückgewiesen worden sein. (Hamann 96, S. 274 f., Machtan, S. 68) Doch nach 1945 weist Häusler Hitler zurück, indem er der Welt über den »Führer« und vor allem Häuslers Zusammenleben mit ihm in dessen erster Münchener Zeit nichts verrät.

    Hunderte Journalisten aus aller Welt hätten ihn begierig gehört und seine Kommentare notiert und publiziert, falls er zur Feder nicht mächtig gewesen sein sollte. Aber wegen des Hitler-forscherisch unzugänglichen Info-Verstecks von 1952 bei Bleibtreu [»Orr«] in der Hausfrauen-Illustrierten Revue wusste bis zu Joachimsthalers Buch Korrektur einer Biographie (1989) niemand etwas von Häusler. Er selbst hätte sich melden müssen, um Gehör zu finden. Er lebte noch fast 30 Jahre nach dem Untergang des Dritten Reiches. Die Welt dürstete nach Antworten auf die Frage, »warum« das alles geschah.

    Kubizeks Buch über seine Jugendfreundschaft mit Adolf Hitler wurde ein Weltrenner, vor allem in den USA, und avancierte unter Hitler-Forschern zu der wesentlichen Quelle über den frühen Hitler, an der niemand vorbeischreiben kann.

    Auch »Häuslers Hitler« ist ja noch ein »früher«, der »Täufling« in Deutschland. Was für eine wesentliche deutsche Anfangszeit sind Hitlers erste, gemeinsam mit Häusler verbrachten fast eineinhalb Jahre in München! Dutzende Ghostwriter hätten sich Häusler vor die Füße gelegt, um seinen Hitler-Klartext auf diverse Papiere zu bringen. Welche Chance, weltberühmt zu werden, ließ Häusler verstreichen! Und welche Verantwortungslosigkeit beging er, über seine monatelange Zimmer-»Zwillingsschaft« mit Hitler in München und zuvor über die Gemeinschaft im Wiener Männerheim der Welt 30 Jahre lang nichts mitzuteilen, keine Aufzeichnungen zu hinterlassen, die nach seinem Tod oder auch später hätten gedruckt werden können.

    Das weiterhin Befremdliche, dass auch Häuslers Tochter Marianne Häusler-Koppler ihrem Vater keine Erinnerungen an Hitler abgelauscht, als Erwachsene ihn nicht Tag um Tag getriezt hat, Einzelheiten rauszulassen! Keine Seltenheit, dass erst die nächste Generation das Schweigen von Betroffenen bricht und die Bruchstücke des Erlebten nach dem Tod der Zeitzeugen veröffentlicht.

    Kein Kommentar von Häusler unter dem Zeugenschrifttum im Münchener Institut für Zeitgeschichte! Kein Nachlass Häuslers in einer der deutschen oder österreichischen Aufbewahrungsstellen für historische Erheblichkeiten! Häuslers Nachlass hätte von Historikern nach Zeugnis-Spänen durchsucht und einiges hätte gefunden werden können, wenn es denn irgendwelche Schnipsel von Hinterlassenschaften gegeben hätte.

    Das Top Secret galt nicht der »Schwulenfrage«

    Es wird bei so viel komplett Ungewöhnlichem mit der Beantwortung der »Schwulenfrage« immer auswegloser. Homosexualität wäre nämlich äußerst einfach im Nachhinein zu verbergen gewesen. Man musste sie nur verschweigen. Häusler hätte reden und reden und die »Schwulenfrage« aussparen können. Und auf dreiste Fragen hätte ein knappes »Nein!« zu antworten genügt, wie seine Tochter es gegenüber der Historikerin Brigitte Hamann bekundet hat. Das Leichteste wäre gewesen: Das Thema überhaupt nicht zu erwähnen. Ende der Vermutungen!

    Da geklärt werden konnte, dass nicht nur Rudolf Häusler aus den Materialien zu Hitlers deutscher Wiege ausgespart wurde, sondern auch beide Popps aus der Archivierung von Hitlers deutscher Einstiegszeit draußen bleiben mussten, braucht der »Schwulenfrage« als Begründung für Hitlers Top-Secret gegenüber Häusler nicht weiter nachgegangen zu werden. Die Popps hatten mit ihr ja sowieso nichts zu tun.

    Österreichischer »Bruder« und deutsche »Eltern« wurden gemeinsam von den ideologischen Produzenten des Hitler-Bildes ausgelöscht. Von den Popps hätte man auch nichts gewusst, wenn nicht Anna schon in Germany’s Hitler 1934 zu Wort gekommen wäre. Aber diese Ausnahme bestand nur für den englischen Markt. In Deutschland blieben Häusler und die Popps in der Nazizeit top secret.

    Eine solche, auch innerparteiliche Anstrengung, zentrale Personen aus der deutschen »Frühgeschichte« Adolf Hitlers ungesehen zu machen, galt nicht der Ausradierung der »Schwulenfrage«. In der SA war sozusagen alles schwul. Hitlers sichtbarster Mann an seiner frühen Seite war der sich offen homosexuell darstellende SA-Führer Ernst Röhm. Nebbich, wenn auch über Hitler selbst gemunkelt worden wäre, er sei vielleicht und er habe vielleicht – wegen seiner Münchener Zimmerpartnerschaft mit Rudolf Häusler! Denn Hitlers Homosexualität aus nichts anderem als aus einer ein paar Wochen währenden Zimmergemeinschaft zweier Burschen zu entnehmen, wäre vom maskulogischen Standpunkt aus sowieso unhistorisch gewesen. Junge Männer lebten massenweise um 1900 als Arbeiter, Lehrlinge, Studenten, Soldaten, Matrosen, Internatsschüler und auf Reisen zeitweilig in einem Zimmer zusammen. Daraus wurde damals nichts sexuell »Abartiges« abgeleitet. Geschlechtsteil-Kontakt fand zwischen Zimmer«teilern« nicht statt oder wurde als kein echter Verstoß gegen den Paragrafen 175 angesehen, sondern »höchstens« als »Verlegenheits-Abreaktion« eingestuft, ähnlich wie sich auch junge Hunde, Schweine und Stiere ab und an bespringen. Aus diesen Jugend-»Sprüngen« allein war kein sittenpolitisches Geschütz zu konstruieren, mit dem man ab zehn Jahre später retrospektiv einen Gegner hätte treffen können.

    Außerdem war Hitler 2 lässig im Sich-Zeigen mit zwei seiner Engst-Freunden aus seiner Hitler-1-Zeit, mit dem Dritten, August Kubizek, und dem Achten, Ernst Schmidt (zweites Buch, HOMO).

    Mit seinem Weltkrieg-I-Kameraden Ernst Schmidt ließ sich viel eher als mit Rudolf Häusler Homosexuelles assoziieren. Denn Regiments-Mitsoldat Hans Mend hatte, wie schon berichtet, 1939 nach seinem Abfall von Hitler behauptet, Schmidt und Hitler hätten 1915 im Westfront-Quartier auf ihrem Heu-Lager des Nachts »geraschelt«, wozu von den in der Nähe schlafenden Soldaten genitales »Rascheln« inklusive angenommen und darüber auch Verächtliches verlautbart worden war. (Machtan, S. 84, Weber 12, S. 185 ff.) Solch ein »Inklusive-Rascheln« kommt unter Soldaten in allen Kriegen andauernd vor. Das war ebenfalls nichts, aus dem man nach dem Ersten Weltkrieg jemandem hätte einen Strick drehen können und »Partner« Schmidt deswegen aus allen Zeugnis-Sammlungen zur »Führer«-Jugend hätte eliminiert werden müssen. Das Gegenteil geschah mit Schmidt. Er war mehrmals »drin« – in Germany’s Hitler und der Adolf-Hitler-Sonder-Nummer des Illustrierten Beobachters.

    Doch das Wichtigste: Hitler wurde nicht müde, mit Schmidt fortzufahren, traf ihn ab Ende 1918 regelmäßig in München, (Schmidt 38, S. 89) auch noch später zur Eva-Braun-Zeit Anfang der 1930er für Abendessen zu dritt. (Machtan 03, S. 116)

    Das Signifikante: Bei Schmidt hatte es sich um einen allein lebenden jungen und später »jüngeren« Mann immer noch ohne »Frau an seiner Seite« gehandelt, dieser Umstand notorisch die »Schwulenfrage« auf sich zog, die Hitler egal war. Er zeigte sich mit Schmidt nach dem Überfall auf Frankreich sogar öffentlich an den alten belgisch-französischen Westfront-Regimentsstellungen, gerade dort, wo das ehemalige »Heu-Rascheln inklusive« hat stattgefunden haben können. Jetzt, 1940, ließ Hitler sich mit Ernst Schmidt wieder wie mehrmals im Ersten Weltkrieg fotografieren und das Foto in einem weit verbreiteten »Sieg-Heil«-Propaganda-Buch publizieren. (Weber 12, S. 288, B. 7, 8)

    Im Gegensatz zum Junggesellen Schmidt hatte die unsichtbar gemachte, für ein Jahr naheste Person in Hitlers frühem deutschem Leben, Rudolf Häusler, als »reifer Mann« geheiratet und mit seiner Frau eine Tochter gezeugt.

    Mit einem weiteren Argument kann die »Schwulenfrage« als Grund für das Häusler-Verschwinden aus Hitlers deutscher Wiege »auf ewig« eliminiert werden: Das Münchener Häusler-Hitler-Intimus-Jahr kam erst 1989 heraus, nach Aufhebung des Paragrafen 175, der im deutschen Strafgesetzbuch die homosexuelle Beziehung unter Männern unter Strafe gestellt hatte.

    Gab es vor 1970/80 während der Zeit der 175er-Existenz eine Menge von diesbezüglichen »Unter-der-Hand«-Geschehnissen, die in der Gesellschaft jedoch kaum ein Aufsehen provozierten – man musste sich nur nicht erwischen lassen –, so wurde nach 1970/80 plötzlich alles auch von fern »Verdächtige« unter dem Stichwort »Homosexualität« diskutiert, was viel zu weit ging und das Kind mit dem Bade ausschüttete. Vor 1970 gab es nur die »Homosexuellen-Skandale« wie die beiden vor dem Ersten Weltkrieg um den Liebhaber Kaiser Wilhelms II., Philipp Fürst Eulenburg, und den österreichischen Obersten Alfred Redl.

    Doch um eine solche Verwicklung von Homosexualität und Politik handelte es sich bei der Nazi-Zerstäubung der Person Häuslers ins vollständige Out der Hitler-Biografie keineswegs. Eine derartige Person-Unterdrückung, die Hitler und seine ideologischen Wächter mit Häusler und dem Ehepaar Popp betrieben, hatte viel spezifischere, rein politische Gründe als die in Hitlers »Bewegung« praktisch immer nebenherlaufende »Schwulenfrage«. Diese wurde beim »Röhm-Putsch« nur dazu benutzt, um dem hundertfachen Mord einen »sittlichen Nachstoß« zu verpassen. Auch in der Auseinandersetzung Hitlers mit Röhm und der SA hatte die »Schwulenfrage« nicht die Hauptrolle gespielt. Sie war ein Deckmantel für die Liquidierung von über 90 militärpolitisch der Reichswehr-Stabilisierung im Staat gefährlich werdenden SA-Männern. (Gallo, Gossweiler, Gritschneder 93)

    Der Umgang Hitlers und seiner ideologischen Gestapo mit seinem ehemaligen Lebenskamerad Rudolf Häusler gehört in die Reihe der größten Fälschungs-Manöver, vergleichbar dem Feldzug gegen die Wahrheiten von Hitlers »Gasvergiftung« im Oktober 1918.

    Das Manöver gegen die Tatsache von Hitlers Fahnenflucht

    Bei Hitlers Grundsatz-Lüge zu seiner deutschen Wiege ab Frühjahr 1912 handelte es sich um Staatsräson von hoher Priorität, die für Hitler die Homofrage nie hatte. Er war Ende Mai 1913 bei seinem realen Gang nach München noch österreichischer Staatsbürger, hatte gemäß den österreichischen Gesetzen das Land als Straftäter verlassen. Und das geschah auch noch auf dem heikelsten Gebiet, um das es Hitler 2 bei seiner Machtentfaltung als deutsches Staatsoberhaupt und seinem 14-jährigen Anmarsch dorthin gegangen war – seine Glaubwürdigkeit und Eignungsfähigkeit als militärischer Führer.

    Dank der drei Jahrtausendwende-Expertisen in der zeitlichen Reihenfolge von Thomas Weber (2010/12), Othmar Plöckinger (2013) und Henrik Eberle (2014) muss Hitler zumindest gleichbedeutend als Militär wie als Politiker gesehen werden, wenn nicht sogar vor dem Politiker der Soldatenführer und später der Heerführer stand, auf den er als Hitler 2 sofort nach seiner serienkillerischen »Kreation« im Lazarett von Pasewalk hingelebt hat.

    Sämtliche Lügen, Täuschungen, Retuschen und Verschweigungen Hitlers lassen sich viel besser verstehen, wenn sie im Zusammenhang mit seinem Selbstbewusstsein als Soldat gesehen werden. Wenn Hitler 2 sich kurz nach seiner psychischen Umoperation im Lazarett Pasewalk überhaupt schon zu etwas entschlossen haben kann, dann dazu, Soldat zu bleiben, möglicherweise Berufssoldat zu werden. Er zeigte sich jedenfalls mit allen zutage beförderten Quellen durch Bleibtreu [»Orr«], Deuerlein, Joachimsthaler, Weber, Plöckinger und Eberle als früher Heerführer, zunächst erst einmal als Soldaten-Schulungsleiter, dann nach seiner Kombination im Selbstverständnis von Offizier und Politiker mit seinem Eintritt in die Deutsche Arbeiterpartei und schließlich sehr bald danach mit den von ihm gegründeten »Stoßtrupps«, »Sturmabteilungen« und »Schutzstaffeln« – mit Männern, die sämtlich auf ihn eingeschworen sein mussten.

    Für diesen »Heerführer« Hitler waren zum Teil andere Dinge wichtig als für den Parteiführer. Politiker sind mehr Interessen-Vertreter. Denen ist im Gesellschaftsverständnis von dieser Tätigkeit her sogar erlaubt, heute dieses zu sagen und morgen jenes, was sich mit dem gestrigen »diesen« nicht zu decken braucht – entsprechend dem Politiker-geflügelten Wort von Konrad Adenauer, dem ersten deutschen Kanzler der Bundesrepublik Bonn: »Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?« Auch die durch Politik gemanagten Bürger scheint das Politiker-»Wort von gestern« nicht sonderlich zu interessieren.

    Bei führenden Soldaten ist alles ganz anders. Wegen der schärfsten Axt-Ruten-Formation des Militärs, des Weihnachtsbaum-Prinzips »alles läuft auf eine Spitze zu«, kommt es bei Heerführern darauf an, immer derselbe zu sein und immer dasselbe zu sagen. Ein Offizier muss nicht nur »hart wie Kruppstahl« (Hitler), sondern auch durchsichtig wie ein Bergsee und fest, einfach und gerade wie eine Tischplatte sein.

    Dem genau diente Hitlers Permanenz-Fälschung »Einwanderung von Wien nach München schon im Frühjahr 1912«.

    Drei Fakten mussten er und seine ideologische Gestapo mit tödlicher Sicherheit verbergen, die alle drei sein Anfangsjahr 1913/14 in München betreffen:

    Erstens. Hitler hatte sich zwischen 1910 und 1913 viermal der österreichischen Wehrpflicht entzogen, wofür er Geld- und Gefängnisstrafen riskierte.

    Zweitens. Seine Ausreise aus Wien ohne Hinterlassen einer Adresse war eine Fahnenflucht, eine Desertion, auf die Gefängnisstrafe stand. Hitler, der als oberster deutscher Feldherr in seinem zweiten Krieg Tausende Todesurteile gegen Deserteure unterschrieb, (Eberle/Uhl, S. 205) der niemals »Gnade vor Recht« walten ließ, genau dieser Mann war in seiner noch Militär-aversiven Formation Hitler 1 als Deserteur nach Deutschland gekommen.

    Drittens. Als die österreichischen Behörden Januar/Februar 1914 ihn endlich zur Musterung zwingen konnten, kam heraus: Hitler 1 war komplett »untauglich« – auch kein »Ruhmesblatt«, das Hitler 2 propagandistisch vor sich »herführen« wollte, dass »Hitler ›Zum Waffen- und Hilfsdienste untauglich, zu schwach‹ befunden worden ist und der Beschluss auf ›Waffenunfähig‹ gefällt wurde.« (Jetzinger, S. 265 – Näheres in der 2. Bewegung, Von München an die Westfront)

    Alle drei Umstände für jemanden, der Deutschland und dessen Armee führen wollte, tödlich! Wenn diese Fakten aus seiner ersten deutschen Phase 1913/14 schon zu Zeiten seiner Münchener Bierkeller-Agitationen, seiner militanten Scharfmacherei ab 1919 nur als Gerücht durchgesickert wären, wäre das für Hitler als extremen »Nationalisten«, ja als Kriegstreiber und wirklichen Kriegsvorbereiter das politische Aus gewesen.

    Erneut ist es der Hitler-Forscherin Anna Maria Sigmund gelungen (wie bei der Belebung von Hitlers väterlicher Großmutter Mariana Schicklgruber [zweites Buch, INZESTO]), in die österreichischen Archive zu steigen und Hintergrunds-Nachrichten ans Licht zu befördern, mit denen Hitlers deutsche Anfangszeit in München nunmehr konturiert werden kann. (Sigmund 06, S. 133 ff., 244 ff.) Sigmund zeigt sich in diesem Punkt als zünftige Nachfolgerin von Franz Jetzinger, der die ersten Coups zur Enttarnung Hitlers als österreichischer Deserteur gelandet hatte, indem er Hitlers österreichische Militärakte vor den Gestapo-Zugriffen bewahrte und die wesentlichen Inhalte daraus in seinem Buch Hitlers Jugend veröffentlichte. (Jetzinger 53, 56) Ohne Jetzinger kein Wissen von Hitlers Fahnenflucht aus Österreich und Hitlers totale Untauglichkeit zu jedem Dienst.

    Eine der wichtigsten Einzelheiten von Sigmunds Bekanntmachungen mit der damaligen österreichischen Gesetzessituation: Das österreichische »Wehrgesetz« war am »5. 7. 12« »im k. und k. Reichsgesetzblatt Nr. 128« »verlautbart« worden. (Sigmund 06, S. 245, Anm. 17) Mit dieser Information wurde erhellt, warum Hitler unbedingt schon »Frühjahr 1912« nach Deutschland gekommen sein wollte. Er musste vor dem 5. Juli 1912 nach Deutschland ausgereist sein, denn zu dieser Zeit galt das neue österreichische »Deserteurs«-Gesetz noch nicht:

    »Wer die österreichisch-ungarische Monarchie verlässt oder zur Zeit, in der er seiner Stellungspflicht entsprechen soll, sich außerhalb der Monarchie aufhält, um sich der Stellungspflicht zu entziehen, wird wegen Vergehens mit strengem Arrest von vier Wochen bis zu einem Jahr bestraft. Neben der Freiheitsstrafe kann Geldstrafe bis zu 2000 Kronen verhängt werden.« (a. a. O., S. 140 f., 245, Anm. 17)

    Mit der Kenntnis von diesem »Anti-Auswanderungs«-Gesetz für junge stellungspflichtige österreichische Männer wird zugleich deutlich, warum Rudolf Häusler lebenslang schwieg. Er war Mittäter bzw. Gehilfe bei Hitlers Fahnenflucht. Häuslers Tatanteil kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolg von Hitlers Desertion nach Deutschland entfiele. Häuslers Tatbeitrag betrifft Transport und Bewachung von Hitlers Gepäck auf der Flucht nach München.

    Es ist nicht auszuschließen, dass »diskrete Herren« der ideologischen Gestapo Hauptarchiv der NSDAP sich Häusler genähert und ihm die damalige Rechtslage klargemacht haben, was zur Konsequenz hatte: Schweigen für immer! Wie lange Häuslers mitwirkende Bestrafbarkeit bei Hitlers Desertion angehalten hat, mag er sich nicht so genau vergegenwärtigt haben. Schwieg er lieber ein für alle Male.

    Treffsichere Abwendungs-Technik der Hitler-Biografik

    Hitlers prekäre Situation als Militärführer springt erst ins Auge, wenn das wesentliche Zeugnis aus seiner Militärakte, behandelnd seine österreichische Jungmann-Zeit als wehrpflichtiger Ab-20-Jähriger, noch einmal in Umlauf gebracht wird. Das ist von Renato Bleibtreu 1952 und Franz Jetzinger 1956 zwar schon gemacht worden, aber die Hitler-Biografik hat sich herausgenommen, dieses wichtige Zeugnis in die gesellschaftliche Vergessenheit geraten zu lassen – aus zwei Geschichts-forschenden Unmöglichkeiten: Einmal den Text in der Münchener Hausfrauen-Illustrierten Revue gar nicht zur Kenntnis zu nehmen und zum Zweiten Franz Jetzinger als ernstzunehmenden, Dokumenten-trächtigen frühen Groß-Sturmläufer gegen Adolf Hitler bis heute nicht seinen ihm gebührenden Platz einzuräumen, ihn einfach selbst als ganzen mehr oder weniger zu vergessen.

    Jetzinger hat sein vor den SS-Schergen gerettetes Militärakten-Material Hitlers schon vier Jahre vor seiner eigenen Publikation an Bleibtreu für dessen Vorveröffentlichung in Revue zur Verfügung gestellt. Nichts hat genützt. Das Material blieb in der Hitler-Biografik ohne nennenswerten Widerhall.

    Gemäß dieser horrenden militärischen Sündenkartei des österreichischen Deserteurs A. H. und gemäß Bleibtreus Informationen zu Hitlers Reise- und Münchener Lebens-Partnerschaft mit Rudolf Häusler hätte noch zu Lebzeiten Häuslers 20 Jahre lang eine andere Basisarbeit zu Hitlers Einstieg ins Deutschsein geleistet werden können – die Planierung von Hitlers Fundament in Deutschland nicht als »Bauarbeiter«, »Architekturzeichner und -maler« bis »Baumeister«, sondern die Enttarnung der 25 Jahre anhaltenden Umnebelung der Deutschen mit »Lüge, Täuschung, Hinterlist«. Stattdessen geschah genau das, wovor der neueste Hitler-Biograf, Peter Longerich, gewarnt hat: Die Nachkriegs-Hitler-Biografik blieb bis heute bei dem Thema von Hitlers deutschem Anfang das Opfer seiner Propaganda.

    Nach Zurkenntnisnahme von Hitlers Jung-Männer-Paarschafts-Start in Deutschland und als schon in Wien vier Jahre lang praktizierender österreichischer Deserteur hätte mit dem Lockermachen von ein paar Hunderttausenden der schweigsame Rudolf Häusler zum Reden oder Schreiben gebracht und das Dunkel über München erhellt werden können. So etwas geschah ja auch und vor allem von englisch-amerikanischer Seite mit Hitlers Leibdiener Heinz Linge nach dessen Entlassung aus sowjetischen Kriegsgefangenschaft 1955 (erstes Buch, AMORO und S. 898).

    Berührungsängste darf es in keinem Wissensgebiete geben. Die Hitler-Biografik ist so voll davon, dass sie dem »Ring des Volkstribunen«, Hitler 1 und Hitler 2 einen nicht endenden Vorschub leistete: Hitler 2 = a-penis, nie einen phallischen intercourse praktizierendes sexuelles Niemandsland (erstes Buch), Hitler 1 = ein homosexuell Orientierter, ein Opfer dichter Inzucht, und Hitler 2 = der eigenhändige Mörder seiner Nichte (zweites Buch), Hitler 1 = ein militärdienstlicher österreichischer Deserteur und mit Münchener Juristen-»Bund«-Hilfe Prompt-Deutscher schon ab 1916/1919, am Ende des Ersten Weltkriegs gasvergiftet nicht blind, sondern stumm … (drittes Buch), Hitler nicht einheitlich, sondern gespalten in die zwei Ich-Aggregatzustände des stillen und des in Pasewalk gezündeten aktual delegierend befehlenden, Staats-terroristisch praktizierenden Serienkillers (viertes Buch).

    Für Militärführer Hitler vernichtende Tatsachen

    »Das österreichische Wehrgesetz vom 11. April 1889 – Gesetzblatt Nr. 41, abgeändert im Jahre 1912 [5. Juli, siehe oben Sigmund] – enthielt die Bestimmung, dass ein junger Mann mit 20 Jahren wehrpflichtig wurde und dass er sich zu melden hatte. Hitler hat später in seinem eigenen Wehrgesetz (in Paragraf 8) genau dasselbe bestimmt. Danach musste sich Hitler als Angehöriger des Geburtsjahrgangs 1889 im November 1909 zur Verzeichnung im ›militärischen Stellungsregister‹ zum erstenmal melden, und er musste im Frühjahr 1910 zur ›Hauptstellung‹ erscheinen. So oder ähnlich ist das Verfahren in allen Ländern mit allgemeiner Wehrpflicht. – Unauffindbarer Rekrut Hitler, der in den Jahren 1909 und 1910 in Wien lebte, hat sich weder zu dieser gesetzlich vorgeschriebenen ›Verzeichnung‹ gemeldet, noch ist er zur ›Hauptstellung‹ erschienen, geschweige denn zu den beiden ›Nachstellungen‹, die ebenfalls vorgeschrieben waren. – Durch öffentlichen Plakatanschlag, sowie in allen Zeitungen wurden die Jahrgänge aufgefordert, sich zu stellen, sodass kein Zweifel daran bestehen kann, dass Hitler, der damals in Wien lebte, dreimal – von Jahr zu Jahr erneut – den Entschluss gefasst hat, dem öffentlichen Gestellungsbefehl nicht nachzukommen und sich dem Wehrdienst zu entziehen. – In dem schon mehrfach erwähnten Aktenstück – in den ›Militärakten Adolf Hietler, geb. in Braunau am 20. 4. 1889‹ – liegt obenauf die amtliche ›Stellungsliste‹, in die in drei aufeinanderfolgenden Jahren dreimal eingetragen wurde: ›Konnte nicht ausgeforscht werden. Ungerechtfertigt abwesend‹. – Bei der dritten Eintragung über das Nichterscheinen Hitlers wurde in Spalte 15 der Aktenvermerk aufgenommen: ›Abwesend der III. Klasse. Ungerechtfertigt abwesend‹. Diese Eintragung bedeutete beim Linzer Magistrat, Abt. II [so auch seine Adressierung in seinem Rechtfertigungsschreiben von Mittwoch, dem 21. 1. 1914] als polizeilicher Behörde erster Instanz gleichsam die ›Alarmstufe III‹. Diese letzte Eintragung: ›Abwesend der III. Klasse, ungerechtfertigt abwesend‹, bedeutet nach dem österreichischen Militärgesetz, dass nunmehr ein sehr ernst zu nehmendes Strafverfahren anlaufen musste, über das die Akten klare Auskunft geben. Nach den Stempeln lief am 11. August 1913 beim Magistrat Linz eine behördliche Anfrage ein: ›An Abteilung III – Zur Ausforschung‹. Unter dem 22. August 1913 findet sich die folgende handschriftliche Notiz: ›Adolf Hietler scheint weder hierorts noch in Urfahr polizeilich gemeldet und war dessen Aufenthalt auch in anderweitiger Richtung nicht eruierbar: Anton Zauner – Sicherheits-Wachtmeister‹.« (Bleibtreu 52/53, Nr. 45 v. 8. 11. 52, S. 37 f.)

    Es beginnt nun eine Odyssee der Linzer Behörden zu den Verwandten. Zuerst will man es bei der »Hanitante« versuchen, die jedoch aus Linz weggezogen und im März 1911 in Spital verstorben war. Für die Verfolgung des stellungsflüchtigen Hitlers ist als nächstes aufschlussreich das Schreiben des Magistrats von Linz an die Münchener Behörden, A. H. auszuliefern, falls er dem Stellungsbefehl zum 20. Januar 1914 nach Linz nicht Folge leisten sollte. Ein »Dringend«-Stempel liegt schräg über dem handschriftlich notierten Datum. Oben der Briefkopf-Stempel: »Magistrat Linz, eingel[eitet]. [am] 10. Jan[uar]. 1914« mit Beilagen. Dieses Schreiben trifft kurz danach beim Generalkonsul in München ein. Der Untertext lautet: »Hitlers Auslieferung an die nächste österreichische Grenzbehörde wird in diesem Schreiben des Linzer Magistrats vom 12. Januar [und noch einmal auf einem zuunterst gemeinsam mit einem Stempel handschriftlich gegengezeichnet 13. 1. 14] 1914 an das k. u. k. Generalkonsulat in München gefordert, ›im Falle Adolf Hietler (in Österreich häufige Schreibweise des Namens, d[ie]. Red[aktion]. [Inzwischen falsch, da Sigmund 55 Jahre später darauf hinwies, dass Hitler sich absichtlich an seinen Adressen mit etwas anderer Schreibweise seines Namens polizeilich anmeldete, um das Behörden-Nachfassen zu verzögern, wenn nicht zu vereiteln. (Sigmund 06, S. 136, 141) bis 20. Januar 1914 dieser Vorladung nicht Folge leisten sollte‹. Dieses Dokument ist ein schlagender Beweis dafür, dass der bereits 24-jährige Hitler durch seine jahrelange Flucht vor dem Wehrdienst effektiv straffällig geworden war.« (Bleibtreu a. a. O., S. 37)

    Bleibtreu publiziert nun alle sechs Schritte der Linzer Militärbehörden, den Stellungsflüchtigen zu finden. Man versuchte es bei den Tanten, dem Vormund Josef Mayrhofer und bei den Schwestern. (a. a. O., S. 37 ff.) Schließlich führte in der zweiten Hälfte des Jahres 1913 – Hitler lebt schon längst heimlich in München bei den Popps – eine Anfrage bei Hitlers älterer Halbschwester Angela Raubal senior in Linz zum Erfolg … »Auf dem Formular findet sich die Auskunft des Zentralmeldeamtes Wien vom 19. 10. 1913: ›Aus Meldemannstraße. 27 am 24. Mai 1913 unbekannt ab – und bisher nicht neu [an]gemeldet.‹« (a. a. O., S. 38)

    Diese Nachricht war der Start zum Wissen der Linzer Militärbehörden. Man begab sich zum Wiener Männerheim und konnte aus jemandem herausbekommen, dass Hitler sich nach München abgesetzt hatte. Die »dienstfreundlichste« Zusammenarbeit zwischen den Militärstellen in Linz und München begann (2. Bewegung).

    2. BEWEGUNG:

    VON MÜNCHEN

    AN DIE WESTFRONT

    In Mein Kampf schreibt A. H. folgenden völkerrechtlichen Stuss:

    »Am 3. August [1914] reichte ich ein Immediat[Eil]gesuch an Seine Majestät König Ludwig III. ein mit der Bitte, in ein bayerisches Regiment eintreten zu dürfen. Die Kabinettskanzlei hatte in diesen Tagen sicherlich nicht wenig zu tun; umso größer war meine Freude, als ich schon am Tage darauf [4. August 1914] die Erledigung meines Ansuchens erhielt. Als ich mit zitternden Händen das Schreiben [der bayerischen Kabinettskanzlei] geöffnet hatte und die Genehmigung meiner Bitte mit der Aufforderung las, mich bei einem bayerischen Regiment zu melden, kannte[n] Jubel und Dankbarkeit keine Grenze.« (Hitler 25, S. 179)

    An diese international-militär-rechtliche Abwegigkeit glaubt kein Hitler-Biograf mehr, vor allem nicht, seit Anton Joachimsthaler Archiv-Klarheiten geschaffen hat. Er wies nach, dass es Untersuchungen von bayerischen Behörden aus dem Jahre 1924 gab, die in der Staatskanzlei keine auch nur skizzierten Reste von Unterlagen zu Hitlers Behauptung vorfanden.

    1924 befand er sich nach seinem Putschversuch vom November 1923 in seiner Landsberger Festungs-Ehrenhaft, die ihm weiter kein Haar krümmte. Zwischen Februar und April 1924 war vor dem »Volksgericht München I« sein von der Weltpresse beobachteter Schauprozess über die Bühne gegangen, für dessen Hintergrundmaterialien jedoch Hitlers zehn Jahre zuvor stattgefundener Einstieg als Österreicher in das deutsche Heer untersucht worden war. Man fand nichts, was Hitlers ein Jahr später publizierte Behauptung hätte bestätigen können. (Joachimsthaler 89, S. 102 ff.)

    Wegen Nicht- oder nur Grobkenntnis von Hitlers erster [in Englisch abgefasster] Biografie Germany’s Hitler (1934) verbreitete sich in der Hitler-Biografik nun jedoch ein anderer Stuss: »Im Durcheinander der ersten Mobilmachungstage, als viele Kriegsbegeisterte freiwillig zu den Meldestellen strömten, hat offenbar niemand daran gedacht, Hitlers Staatsangehörigkeit zu überprüfen, denn sonst hätte er gar nicht beim bayerischen Heer dienen dürfen. So meldete sich Hitler um den 5. August als Freiwilliger, …« (Ullrich, S. 67 f., Eberle 14, S. 24 f.) »Im Trubel der ersten Mobilmachungsphase gelang es ihm [Hitler], als Freiwilliger beim 2. Infanterie-Regiment angenommen zu werden, wobei die Tatsache, dass er österreichischer Staatsbürger war und als solcher eigentlich nicht in die Bayerische Armee hätte aufgenommen werden dürfen, ignoriert wurde. Auch der Umstand, dass er erst kurz zuvor als ›waffenunfähig‹ ausgemustert worden war, spielte nun keine Rolle.« (Longerich 17, S. 43) Der Franzose Bernard Plouvier lässt das Problem der österreichischen Staatsbürgerschaft weg. Bei ihm tritt Hitler einfach von heut auf morgen in ein bayerisches Regiment ein, als seien die beiden deutschsprachigen Länder Deutschland und Österreich staatsund militärrechtlich ein und dasselbe. (Plouvier I, S. 121)

    Othmar Plöckinger, der Germany’s Hitler mehrmals zitiert, versteigt sich nicht in den »Stuss« von Hitlers Aufnahme in das bayerische Heer wegen »Durcheinanders der ersten Mobilmachungstage«, untersucht Hitlers Umstände des Eintritts in das bayerische Regiment List jedoch nicht extra, was er auch nicht muss, da das große Thema seines Buches Unter Soldaten und Agitatoren. Hitlers prägende Jahre im deutschen Militär 1918–1920 Hitlers Zeit als Soldat nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ist. (Plöckinger 13)

    Überraschenderweise verbreitet schon seit 2010 weltweit Thomas Weber, der Spezialist des Weltkrieg-I-Hitlers, in seinem Buch Hitlers erster Krieg. Der Gefreite Hitler im Weltkrieg – Mythos und Wahrheit den aus Ullrichs und Longerichs neuesten Hitler-Gesamt-Biografien von 2013/17 und 2015/17 zitierten »Stuss« mit anderen Worten. Weber glaubt zwar nicht an Hitlers Mär vom Ja-Wort des Bayerischen Königs zu dem Anliegen des Österreichers, ein deutscher Soldat zu werden, aber Weber kolportiert die inzwischen Hitler-Biografie-fähige Gegen-Mär: »Wahrscheinlich wurde Hitler in das bayerische Heer aufgenommen, weil ihn bei seiner freiwilligen Meldung einfach niemand fragte, ob er deutscher Staatsbürger war oder weil die Rekrutierungsbehörden jeden Freiwilligen bereitwillig akzeptierten und sich nicht um Hitlers

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