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Paul Barsch erzählt: Über der Scholle Gedichte von Paul Barsch
Paul Barsch erzählt: Über der Scholle Gedichte von Paul Barsch
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eBook211 Seiten2 Stunden

Paul Barsch erzählt: Über der Scholle Gedichte von Paul Barsch

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Über dieses E-Book

"Paul Barsch hat zwar nur eine einfache Dorfschule besucht, aber doch für sein Dichtertum sehr instruktive Lektionen genossen, in Werkstätten, in Schänken und Spelunken, auf der Landstraße, in den Winkeln und Gassen kleinerer Städte, auf dem Lande, bei Schifferleuten, im Zigeunerlager, in kalten Scheuern und bei lustigen Festen hat er studier. (Paul Keller)

Wie waren und wie lebten die Menschen um 1870 in Schlesien und in Bayern.
Die Kindheit der damaligen Zeit. Wie gestaltete die Jugend ihr Leben damals.
"Die Mütter" die berühmte Dichtung von Paul Barsch.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum21. Sept. 2015
ISBN9783738040647
Paul Barsch erzählt: Über der Scholle Gedichte von Paul Barsch
Autor

Paul Barsch

Paul Barsch geb. 1860 in Niederhermsdorf bei Neiße (Schlesien), gest. 1931 in Schieferstein am Zobten. Dann kam er in die Lehre nach Neisse, um seines Vaters Beruf ergreifen zu können, und ging, noch fast ein Kind, auf die Walze: Von Schlesien nach dem Westen und Süden Deutschlands, bis in die Schweiz. Oft saß der Hunger neben ihm am Wegrande. Oft deckte niemand den Wandermüden zu als die mütterliche Nacht.

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    Buchvorschau

    Paul Barsch erzählt - Paul Barsch

    Vorwort von Paul Keller

    Der Dichter Paul Barsch, einer der edelsten Schlesier, entschlief Anfang August 1931. Ein wunderliches Leben ging mit ihm zu Ende, arm an äußeren Gütern, prangend von innerem Reichtum. Die Allmacht Gottes gab ihm, ihrem Kinde, einen Vorzug: Liebe zur Mitwelt in ungewöhnlichem Maß, und sie ließ ihn über die hemmende Not der Jugend hinweg aus eigenen Kräften zu Wissen und Weisheit gelangen, ohne die alle menschliche Güte kein Wert hat.

    In der düsteren, dürftigen Behausung eines oberschlesischen Dorftischlers wuchs er unter Entbehrungen und Krankheit auf, nur fähig, zwei Jahre lang die Volksschule zu besuchen. Dann kam er in die Lehre nach Neisse, um seines Vaters Beruf ergreifen zu können, und ging, noch fast ein Kind, auf die Walze: Von Schlesien nach dem Westen und Süden Deutschlands, bis in die Schweiz. Oft saß der Hunger neben ihm am Wegrande. Oft deckte niemand den Wandermüde zu als die mütterliche Nacht.

    In Breslau bestand damals ein literarischer Verein. Er nannte sich Dichterschule und übte strenge Kritik. Von Lothringen aus schickte der arme Handwerksbursche Paul Barsch seine Gedichte nach Breslau. Die kritischen Herren waren erstaunt und fassten Neigung zu dem Dichter. Sie riefen ihn nach Schlesien zurück. Seltsame Fügungen versetzten ihn einige Jahre darauf in die Redaktionsstube der Breslauer Gerichtszeitung, mit der er bis zum letzten Tage in treuer Freundschaft verbunden blieb. Wer das herrliche Büchlein „Über die Scholle liest, empfindet, dass Paul Barsch als Lyriker zu den Besten seiner Nation gehört. Sein großer autobiografischer Roman „Von Einem, der auszog bestätigt ihn als Epiker. Nie hat ein deutscher Dichter die Poesie der Landstraße, die Seele des staubüberwölkten, obdachlosen Gesellen so echt erfasst wie dieser. Er konnte viel erzählen, weil er viel erlebte. Er konnte viel erleben, hundertfältig mehr ins Weite und Breite und in der Berührung mit den großen Zeitgenossen, als sein Roman und diese seine Geschichten aus Jugend und Kindheit bezeugen, er konnte viel erleben, weil er Leben in sich trug.

    Wer dem Erzähler folgt, sieht einen breiten, stillen Strom, ohne reißende Bewegung, ohne blendende Wasserfälle, ohne romantische Burgen und blinkende Schlösser an den Gestanden! Armes Gelichter treibt auf selbstgezimmertem, brüchigem Fahrzeug. An den Ankerplätzen weht der Sturm, der jedes Schiff bald wieder losreißt. Aber siehe, der Fluss hat Schönheit, er ist tief wie das Meer, und eben, weil er so tief ist, geht seine Strömung so ruhig. Wenn der Himmel grau über ihm hängt, dann schleichen im gespenstischen Zwielicht durch seien Ufergebüsche die bösen Geister des Elends, der Verkennung, der Verzweiflung. Auf einmal lacht der Schiffer im Kahn und stimmt ein Lied von seiner großen Freude an. Ihr begreift ihn nicht. Boch ehe sich ein Streifen Sonne durch die Wolken stehlen konnte, hat ihn der Schiffer gefühlt und geschaut. Und seht, ihm lodert die Erde von Reichtum und Glück. Paul Keller.

    Der Alte

    Als meine Mutter noch ein Mädel und sechzehnjährig war, diente sie in ihrem Heimatdorfe bei einem Kleinbauern als Magd. Sie musste sehr fleißig sein und hatte mehr als manche Großmagd des Ortes zu tun. Nach der Ernte jedoch begann für sie eine stille Zeit, da sie an schönen Tagen nachmittags die Kühe zur Weide treiben und sich, wenn ihre kleine Herde folgsam war, ausruhen durfte. Der Wiesengrund, auf dem sie die Freuden der Freiheit auskostete, lag zwischen den Dörfern Mogwitz und Waltdorf in einer oberschlesischen Flachlandschaft.

    Von der Bäuerin war ihr verboten worden, beim Hüten zu singen, damit sie nicht vom alten, närrischen Mann bedroht werde. Sie versprach, zu gehorchen, ließ sich jedoch durch ihre Liederlust verleiten, wortbrüchig zu werden. Vor dem alten närrischen Manne war sie auch von erfahrenen Freundinnen gewarnt worden. Er war ihr nie zu Gesicht gekommen, doch sie hatte gehört, dass er fremd in der Gegen sei, verwildert aussehe und sich oft in schlimmer Absicht auf den Feldern umhertreibe. Die Freundinnen wussten genau, was er im Schilde führte, und sie erzählten Geschichten von Mädchen und jungen Frauen, an die er sich herangeschlichen hatte, um sie durch sonderbare Redensarten zu betölpeln. Das Beste sei, ihm weit aus dem Wege zu gehen. Er verlange von ihnen, dass sie ihm Lieder vorsängen, so dumm aber sei keine, auf solchen Kalmus zu beißen.

    Die kleine Hirtin war wissbegierig und tapfer. Sie sehnte sich heimlich nach einer Begegnung mit dem viel verschrienen Fremdling. Ihre Füße waren flink, und so fürchtete sie keine Gefahr.

    Eines Nachmittags saß sie im Weidengebüsch am Graben, bewachte die Rinder und ergötzte sich an dem lustigen Liede von der Schalaster und dem Nussknacker, die Hochzeit machen wollten. Auf einmal erstarb ihr der Ton auf den Lippen.

    Er kam – er war’s, der Schreckliche. Am Graben daher schritt er langsam auf sie zu und griff grüßend nach der Mütze. Sie erhob sich fluchtbereit.

    „Ei, ei, du liebes Maidlein, wie fein du singen kannst!" rief er und lächelte freundlich.

    Was er weiter sprach, überhörte sie in der Verwirrtheit ihrer Gedanken. Fremdartig und wild genug sah er aus, doch gar nicht so alt und nicht so hässlich, als sie es nach den Berichten der Freundinnen vermutet hatte. Schnell wich ihre Scheu, und nun vernahm sie, dass er Lieder von ihr begehre. Das Lied von der Vogelhochzeit besäße er schon, von andern jedoch, die er ebenfalls gern haben möchte, seien ihm nur Teile bekannt.

    Er zog ein Büchel aus der Manteltasche und las daraus einige Liedanfänge.

    „Die kenn ich alle", sagte sie.

    „Die kennst du? fragte er freudig. „Du bist ja nicht mit Golde zu bezahlen. Sage mir doch, bitte, das Gedicht vom Strahler und den schönen Jungfräulein!

    Da regte sich in ihr ein Misstrauen. Ihr war eingefallen, dass er das gleiche Lied auch von andern Hirtinnen verlangt hatte. Sie hielt es für garstig, weil darin die schönen Jungfräulein faule Hunde genannt wurden.

    „Das sag ich nicht", entgegnete sie gereizt.

    „Wenn ich dich aber herzlich bitte?"

    „Wozu wollen Sie‘s den wissen?"

    „Wozu? . . . Ach, du kleine Maid, das verstehst du nicht! Aber sagen will ich dir‘s. Ich mache Jagd auf alle Lieder, die nirgends gedruckt zu finden sind. Die will ich einsammeln, damit sie nicht verloren gehen. Kannst du das begreifen?"

    „Müssen es denn gerade solche sein?"

    „Aha, du verstehst mich! Dir hab ich gleich angesehen, dass du klüger als die andern bist. Du wirst mir sammeln helfen. Im Vertrauen sollst du wissen, dass ich selber ein dichter bin und schon viele Lieder erdacht habe. Ein ganzes Buch voll schnke ich dir, wenn ich durch sich erfahre, was die Leute hier singen . . . Wie fängt doch das mir dem Strahler an? Ich glaube, so:

    Wir wissens nicht, wo Strahler leit

    Strahler leit im Grunde . . .

    Und wie geht’s weiter?"

    Sie gab sich einen Ruck und sagte die Fortsetzung laut vor sich hin.

    Er bedankte sich, meinte, dass der arme Strahler, dem seine Jungfräulein durch ihre Faulheit das Leben verbittern, zu bedauern sei, und fügte hinzu, dass der Urheber dieser Reimerei wohl an die Stadt Strehlen oder Strahlen, nicht aber an einen Mann namens Strahler, gedacht habe. Es stecke nur Rohheit drin, weiter nichts. Neugierig sei er auf ihre anderen Lieder.

    „Da müsst ich erst nachdenken", erwiderte sie.

    „Denke nach, und trage mir alles vor, was du weißt!"

    Sie redeten noch eine gute Weile miteinander, und zum Schluss Vereinbarten sie ein Wiedersehen für den übernächsten Nachmittag.

    Die Hirtin blickt ihm nach, bis er fern am Dorfe hinter den Gärten verschwand. Sie wusste, dass es Dichter gab, hatte sich aber nie vorstellen können, was das für Leute seien. Nun war ihr einer begegnet, und sie dachte sich, dass er trotz seiner altmodischen Kleidung und feiner sonderbaren Redeweise ein feiner Herr sei. An dem Lobe, das er ihr gespendet, berauschte sie sich, und immer aufs Neue klangen ihr seine Worte durch den Sinn: „Du verstehst mich! . . . Dir hab ich’s gleich angesehen, dass du klüger als die andern bist . . . Du bist nicht mit Golde zu bezahlen . . ." Süß wie Honig schmeckt das. Und wie vornehm er sich betragen hatte! Den hielten ihre Freundinnen für närrisch? Ach, wie dumm waren sie!

    Sie lachte und sprang vor Vergnügen umher und fühlte dabei unklar, dass diese Begegnung ein großes Erlebnis für sie sei. Der Dichter sollte bei seiner Jagd nach Liedern nicht umsonst auf sie gerechnet haben.

    Abends kaufte sie beim Krämer ein Schreibheft und einen Bleistift, machte von dort einen Sprung ins Elternhaus und verabredete mit ihrer jüngsten Schwester ein Zusammensein auf der Wiese. Tags darauf konnte sie ungestört im Weidengebüsch sitzen, sich nach Liedern aushorchen und immerfort schreiben. Ihr Schwesterchen sorgte, dass die Kühe nicht zu Schaden gingen. Viel zu zeitig war das Heft vollgeschrieben, und sie grämte sich, dass sie den Liedern, die ihr verspätet durch den Kopf summten, nicht gerecht werden konnte. Den erarbeiteten Schatz verbarg sie behutsam im Futter ihres Unterrocks.

    Die Zeit erfüllte sich, und wieder wanderte die Hirtin mit ihrer Herde zum Dorfe hinaus, diesmal ohne die kleine Gefährtin. Draußen auf der stillen Flur erwartete sie, frohen Banges voll, den Dichter. Lange hielt sie Umschau, und endlich erspähte sie ihn. Auf dem Waltdofer Wege kam er langsam daher. Inbrünstig flehte sie zum lieben Gott, dass er ihn schütze vor den Blicken des alten Kringel, der drüben am Rande der Wiesen ackerte. Kringel war ein Lästermaul, und sie fürchtete Spott und böses Getratsch. An einem Busche setzt sie sich nieder, und als der Gast herankam und grüßend seine Mütze schwenkte, breitete sie hurtig ihr Kopftüchlein neben sich hin und lud ihn zum Ausruhen ein. Das fiel ihr schrecklich schwer, doch es musste geschehen, weil sie ihn auf andere Art vor Späheraugen nicht verbergen konnte. Sie bildete sich ein, er werde garstig von ihr denken, und sie schämte sich bis in den Hals hinab. Ein wenig leichter ums Herz war ihr, als er bei ihr saß und so wie bei der ersten Begegnung beteuerte, dass er nie zuvor ein verständigeres Jungfräulein gesehen habe. Gern ließ sie sich’s gefallen, dass er ihr die Wangen streichelte, und gern hätte sie ihm stundenlang gelauscht, wenn nur der Kringel nicht auf dem Felde gewesen wäre. Zaghaft reicht sie ihm ihr Schreibheft und bat ihn, es einzustecken und zu Hause zu lesen. Ihr kam es darauf an, ihn so rasch als möglich loszuwerden, er jedoch merkte das nicht, und zu ihrem Schrecken fiel er gierig über das Buch her, las Gedicht auf Gedicht und achtete nicht auf ihr Bitten, nicht auf das Gestammel von der Unleserlichkeit ihrer Handschrift. Bei einem der Lieder griff er nach ihrer Hand und drückte sie so fest, dass es wehtat. Dabei sprach er, ihr in die Augen blicken, sie verdiene, dass sie einst den besten uns schönsten Jüngling zum Manne bekomme. Von ihm selber sei dieses Lied gedichtet worden, und er freue sich, dass sie es lieb habe und wohl auch fleißig singe. Die andern seien ihm ebenfalls gut bekannt, und wenn sich auch kleines von denen darunter befinde, die er suche, kein richtiges Volkslied, so hoffe er doch, dass sie ihm helfen könne, sobald sie ihn verstanden habe.

    Sie ertrug‘s nicht länger. Mit dem Ausrufe, sie müsse zu den Kühen, flog sie davon, jagte den friedlich weidenden Geschöpfen einen Schrick ein und trieb sie sinnlos auf engem Plan umher. Ihre Lieder konnten dem Dichter nichts nützen. Dumm was sie, dumm wie ein Kalb, sonst hätte sie ihn nicht falsch verstanden.

    Er kam ihr nach. Er brachte das Schreibheft, er belehrte sie mit lauter Stimme, was er unter einem Volkslied verstehe. Kringel hielt staunen beim Ackern inne, schielte herüber und horchte. Sie entriss dem Dichter das Heft.

    „Ich schreib andre auf!" rief sie ihm zu, und das sollte heißen, dass er sich ihrer erbarmen und fortgehen möge.

    Wann er wiederkommen dürfe?

    „Montag", anteortete sie aufs Geratewohl.

    Eine ganze Weile noch redete er, und als er endlich ging, grämte sie sich bitter, weil sie die Grüße, die er ihr mit der Hand zuwinkte, nicht erwidern konnte. Was er nur von ihr denken mochte! Sie hatte zwar in ihrer Verwirrung und in ihrer Todesangst nicht gehört, was er vor dem Scheiden zu ihr sagte, zuletzt aber gefühlt, dass es lieb und lobend und schön gewesen war. In Gedanken flüchtete sie zur Muttergottes und suchte sich wegen ihres ungezogenen Betragens vor ihr zu rechtfertigen. Der Kringel, der allein war schuld daran, dass sie dem Dichter wehgetan hatte. „Morgen schandfleckt er über

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