MAGALOUN: Roman einer Reise zu den Wurzeln
Von Herbert Beyertz
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Über dieses E-Book
Delphin-Schule eingerichtet, worin sie es leidenden
Menschen (an Hundert Jahren Naturzerstörung leidend), ermöglicht, mit den wie Menschenkinder verspielten
Fischen zusammenzusein. Noch spät erinnerte Magaloun einen Bildhauer, den sie nach ihrem letzten Australienflug kennenlernte. Dieser Berliner habe dort, nach Entzug und zwei Suizidversuchen, einen neuen Anfang – obschon über Fünfzig – gefunden:
"Das Schwimmen mit den Delphinen war für mich eine Wiedergeburt."
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Buchvorschau
MAGALOUN - Herbert Beyertz
I
Herbert Beyertz
Herbert Beyertz • Magaloun
Herbert Beyertz
Inhalt
genfedern verliert, soll er dann ruhiger werden…
Singvogelrufe mischen sich besänftigend hinein, ver- nehmlicher stets mit der Dämmerung – Dämmerung wandernder Wolken, die nicht lange währen kann.
Merkwürdig die Schwalben! Wo auf dem Lavaweg die Gänse lagern, tummeln sie sich und sitzen auch ein- mal nieder, als wären sie hier wie die Graugefiederten zu haus. Von ihren Federn wird ihnen eine plötzlich zum Spielzeug. Dicht überm Boden, mit bewundernswerten Zirkelschlägen, setzen sie der Feder nach. Nicht dass sie sie ernsthaft erbeuten wollten, denn dann hätte man sie längst davongetragen! Als aber die Feder endlich zur Ruhe kommt, ist auch die mittägliche Helligkeit wie eine Ernüchterung wieder da und sind die Rauchschwal- ben verschwunden. Folgen sie den Wolken – nutzen sie die Wolken, um Erdenkindern ihre zärtliche Botschaft zu bringen, und werden wir diese Noten des Himmels nun auch zu spielen verstehen?
tentörchen: „Sind wir heute auf dem Damm? Oder –
perdu dans le forêt?"
Sie hatte schon den asphaltierten Weg in Richtung des südlichen Hochwaldes eingeschlagen, als ich sie ein- holte und wir uns einer Koppel mit zwei rappendunklen Pferden näherten.
„Das sind herrliche Tiere! Wem gehören die?"
Ich selbst kannte den Besitzer nicht, der etwas abseits vom Dorf wohnte, kinderlos seit vierzig Jahren mit einer Frau aus wallonischem Adel. Wie Philemon und Baucis – hörte ich Richard, Josts Vetter, erzählen, der mir zweimal im Jahr seine beiden kaukasischen Hunde bringt.
„Hast du schon von Philemon und Baucis gehört, Magaloun?"
„Nein. Oder nur ungefähr… Ein Bild von Rembrandt."
„Genau! Das Paar einer dreissigjährigen unverletz- baren Zweisamkeit, dem schliesslich ein Besuch der Himmlischen zu Teil wird."
„Ich habe das Bild in Amerika in einer Galerie gese- hen. Mein Gott, es war nicht mehr viel darauf zu erken- nen, es muss mit der Zeit furchtbar nachgedunkelt sein."
„I wo, Magaloun! Und wenn schon: sollte der Meister es nicht vorausgesehen haben – Rembrandt, den die Amsterdamer die Eule nannten? Einige der von ihm Portätierten müssen sich geradezu gefürchtet haben, sich in seinen Bildern wiederzufinden."
Am Zaun blieben wir eine Weile stehen, die Rösser kamen kauend auf uns zugeschritten. Magaloun tät- schelte dem ersten den glänzenden Hals. Darauf zückte sie ihr Handy und, nach einigem Drücken:
„Gott sei Dank, noch keine Mails."
„Wenn mich nicht alles täuscht, habe ich auf einem dieser edlen Rösser letzthin die Tierärztin gesehen, als ich mit zwei Hunden, die ich hin und wieder einige Wochen zu betreuen habe, durch ein Waldtal zog."
„Du meinst Leslie Kaper? Das kann nicht sein, sie ist doch… Du musst dich getäuscht haben."
„Es war allerdings schon dämmrig. Sonst wüsstest du doch auch von den Besitzern…"
„Von Philemon und Baucis? Ich kenne nur das Bild der Eule." Sie lachte, einen Moment berührten sich un- sere Hände.
„Symons van Porst ist sicher ein grosser Liebhaber der niederländischen Kunst: denke ich nur an meinen Besuch in seinem Turm vor zwei Jahren. Was wird der erst in seiner Villa am Rhein für Schätze bergen."
Sie nickte nur, ihre linke Hand näherte sich den Nüs- tern des Pferdes, das noch im Kauen schnupperte.
„Und mit dem Denkmal in den Eifel-Ardennen für Sam und Ronnie hat er sich ja auch selbst ein Denkmal gesetzt."
Verwundert blickte sie hoch, wandte sich mir voll zu:
„Wie meinst du das?"
„Ein Zauberkünstler, Magaloun! Mit der einen Hand lässt er Ronnie und Sam verschwinden, mit der andern holt er sie, in Stein geformt, wieder hervor."
Die beiden Pferde, drei Schritt vor uns am Zaun, die Ohren vorgestellt, und – wie in Fechterhaltung vor mir Magaloun. Ihre slawisch runden Wangen rundeten sich eine Spur mehr, ohne doch schon ein Lächeln zu bedeuten.
„Aha, so ist das. Leslie Kaper meinte übrigens, dich
bei der Denkmal-Enthüllung gesehen zu haben, aber hinter Leuten versteckt."
Einen Fussbreit ihr näher rückend: „Das ist noch we- niger möglich, das kann höchstens der Andere gewesen sein."
„Der Andere? Ja, der Jonah!" Da küssten wir uns.
Botschaft. Seinen Namen mag ich nicht in den Mund
nehmen, nennen wir in Sphinx.
Sphinx – älter als Dodi – war reich vom Öl, das am Persischen Golf gefördert wird. Er lud mich auf seine Yacht am Mittelmeer ein, warum ich zusagte, das kann nur meine Mutter Anna verstehen. Darum nicht mehr als dies: Ich war Gefangene einen Sommer lang dieses kranken Scheichs. Adam verdanke ich meine Befreiung. Staune nur, es gibt eben auch diesen Adam, den du, aus welchen Gründen immer, so wenig zu schätzen weisst. Oder er muss sich doch sehr verändert haben, Leslie Kaper deutete es wenigstens an.
Als ich, noch unfähig meinen Beruf als Stewardess wieder aufzunehmen, ein halbes Jahr bei Mutter und ihrem liebenswerten Japaner verlebte, machte ich öfters Ausflüge durch Ardennen und Eifel, allein, im geleasten Wagen. Ich glaube, ich lernte auf diese Weise deine wei- tere Heimat kaum weniger gut kennen als du selbst. Es waren das Fahrten einer Rekonvaleszentin – stille Fahr- ten, jeden Kontakt vermeidend, der über einen small talk hinaus gehen könnte. Ich war wie ein Boot, das durch ein Wunder nicht zerbrochen war und sich nun von einem unsichtbaren Steuermann geführt wusste. Ich besuchte alle Maare, auch die Kapellen, von denen es so viele in der Eifel gibt. Am Dürren Maar, auf meiner ersten Fahrt, habe ich sogar einen Brief in ein Novenen- buch gelegt, einen Brief – dir kann ich so etwas sagen
– an die Muttergottes."
Sie lächelte nun endlich wieder, wir standen auf, und so schloss sie:
„Der Brief müsste eigentlich noch in dem Buch zu
finden sein. Nun denn, am Ende meines langen Erho- lungsurlaubs fühlte ich mich besser, beinah geheilt, ich lernte Leslie kennen. Und im November schickte ich dir wieder ein Lebenszeichen…"
„Im Auftrag Zentas – war es so?"
Sie nickte. „Ein Lebenszeichen, nachdem ich in Frankfurt für meine Neueinstellung die nötigen Unter- lagen vorlegen konnte."
Wir sprachen dann noch kurz am Gartentor miteinan- der, kaum länger als die Gänse bis zu uns brauchten, die so wachsamen wie geselligen.
„Sobald ich von Sri Lanka zurück und in Remagen bin, melde ich mich – in etwa zwei Wochen."
„Von Symons van Porst aus."
„Adam wird zwar noch in Amerika sein, am Yukon, vermute ich, aber Pieter ist auch ein Schatz. Der wiegt beinah eine Tonne, einer von denen, die sich vom Com- puter am liebsten nur noch zum Schlafen mal wegbewe- gen… Warum lächelst du nicht, kennst du ihn?"
„Nie gesehen. Sein jüngerer Bruder, Jan, soll, wie ich damals von Leslie hörte, ein bedauernswerter Junge sein. Drogen, und so…"
„Oh Pieter nicht, der ist der geborene Nachfolger von
Adams Imperium."
„Braucht Mister Symons mit Achtundfünfzig einen Nachfolger?" Ich fragte es mit einer gewissen Schärfe. Sie aber legte ihre Hand auf meinen Arm und schaute an mir vorbei auf die leise Schnatternden zu meinen Füssen. Da haben meine stummen Lippen noch einmal ihre Wange berührt.
„In Vierzehn Tagen," wiederholte sie mit einem bezau-
bernden Lächeln, „im Cassiusgarten, einverstanden?" Das war der Abschied.
ich im Schnee des hinteren Hofes, den Arm voll Birken-
scheite für den kalt gewordenen Kachelofen.
Eine Woche später erzählte Nachbar Jost mir dann, weshalb ich seiner hier gedenke.
Als er seine Stelle in dem Internat endlich antreten konnte, wartete man vergebens auf ihn, er landete viel- mehr völlig verwirrt in einer Anstalt am Rhein. Jost, der ihn einige Male besuchen ging (eine Schwiegertochter war dort bedienstet), meinte, einen vernünftigen Grund seines Fernbleibens könne der nicht angeben, „das kannst du von ihm nicht mehr erwarten." Wer ihn aber fragte – Besucher oder Josts Schwiegertochter –, dann hatte Jean Henle stets nur die eine Antwort:
„Man hat mir meine Lieder gestohlen."-
Was heisst das nun. Heisst das: grundlos überge- schnappt? Oder bezeichnet es vielmehr das genaue Elend für so manchen und weshalb er es nicht mehr aus- hält in seiner Haut?
So wie ein jeder seinen Stern hat, mit dem er geboren, und so lange er ihm folgt auch seinen Weg weiss: wenn es in ihm zu klingen anfängt, nennt er es vielleicht Glück, Lebenssinn, Liebe… Und er meint damit auch nur, was ein Menschenherz erst richtig und gesund schlagen lässt: „Mein Lied."
in Ankara oder Damaskus. Sie ginge jetzt wieder an
Bord, würde in Köln-Wahn zum Frühstück landen und sich riesig freuen auf ein opulentes Mahl Ein Uhr Drei-