Einmal wird alles gut: Der Bergpfarrer 233 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Über dieses E-Book
Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
»Du kommst schon heim, Papa?« Anna streckte ihren blondlockigen Kopf aus der Küchentür und spähte auf den Flur hinaus. Als sie ihren Vater an der Garderobe sah, leuchtete es in ihren Augen auf. Auch auf das Gesicht des Vaters trat beim Anblick seiner knapp achtjährigen Tochter ein Lächeln. »Ja, Feierabend für heute«, erwiderte er. »Freust du dich?« Anna nickte heftig, dann rannte sie auf den Vater zu und flog in seine Arme. Er hielt sie fest und wirbelte sie, so gut es in dem engen Flur der kleinen Mietswohnung ging, herum, bis er keine Luft mehr bekam und sie wieder absetzen musste. »Und? Wie war's in der Schule?«, fragte er schnaufend. Die Kleine zuckte die Schultern. »Geht so«, meinte sie leichthin. »Nichts Besonderes los gewesen. Ziemlich langweilig. Und bei dir?« Lars Waldner sagte sich, dass er Anna ihr Ablenkungsmanöver eigentlich nicht durchgehen lassen sollte, entschied sich dann aber, für diesmal eine Ausnahme zu machen. »Bei mir?«
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Der Bergpfarrer (ab 375)
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Buchvorschau
Einmal wird alles gut - Toni Waidacher
Leseprobe:
Neuanfang
LeseprobeAuf dem kleinen Flugplatz herrschte emsiges Treiben. Viele Hobbypiloten waren gekommen, um das Wochenende und das schöne Wetter für ein paar Flugstunden zu nutzen oder um die Maschinen zu pflegen und durchzuchecken. Soeben wurde ein motorloser Segelflieger von einem Schleppflugzeug in die Höhe gezogen. Wenke Hellström beobachtete fasziniert, wie sich die Fahrwerke der beiden Flugzeuge von der Startpiste lösten und ihren Flug nach oben aufnahmen; der leichte Segler durch ein Schleppseil mit seinem größeren, motorisierten Bruder verbunden. Irgendwann würde er sich von ihm trennen und in ein hinreißendes Wechselspiel aus elegantem Gleitflug und dem Steigen im Aufwind eintauchen. Als begeisterte Seglerin wusste Wenke einen guten Wind zu schätzen und liebte das Spiel mit ihm – allerdings auf dem Wasser und nicht in der Luft. Schon als kleines Kind war das Segelboot ihr zweites Zuhause gewesen. Diese Leidenschaft hatte sie nie verloren, auch wenn man das nach den jüngsten Ereignissen vermuten dürfte. Es waren fast zwei Wochen vergangen, seit sie zusammen mit Lars bei einem schweren Unwetter in Seenot geraten war. Während es ihm gelang, am gekenterten Boot zu bleiben, wurde sie abgetrieben und galt vier endlos lange Tage als vermisst. Seit etwas mehr als einer Woche war Wenke nun zurück. Lars, ihr Lars hatte sie gerettet! Aus den Händen des merkwürdigen Karl Aresson, der Strandgut sammelte und sie nicht von seinem Hof hatte fortlassen wollen. Nein, verständlicherweise hatte Wenke bislang noch keinen großen Drang verspürt, wieder eine Segeltour zu unternehmen. Seit sie wieder in Lündbjorg war, fühlte sie sich wie in einem Kokon eingesponnen, aus dem sie nicht richtig herauskam. Obwohl sie sich bemühte, es niemanden merken zu lassen. Die Ereignisse auf der abgelegenen Landzunge auf dem Hof von Karl Aresson hatte sie tief in sich verschlossen. Etwas in ihr weigerte sich, darüber zu sprechen. Selbst mit Lars konnte sie darüber nicht reden. Ihr Wiedersehen mit ihm war unaussprechlich und innig gewesen.
Der Bergpfarrer
– 233 –
Einmal wird alles gut
Wenn die Liebe einem Flügel verleiht ...
Toni Waidacher
»Du kommst schon heim, Papa?«
Anna streckte ihren blondlockigen Kopf aus der Küchentür und spähte auf den Flur hinaus. Als sie ihren Vater an der Garderobe sah, leuchtete es in ihren Augen auf.
Auch auf das Gesicht des Vaters trat beim Anblick seiner knapp achtjährigen Tochter ein Lächeln.
»Ja, Feierabend für heute«, erwiderte er. »Freust du dich?«
Anna nickte heftig, dann rannte sie auf den Vater zu und flog in seine Arme.
Er hielt sie fest und wirbelte sie, so gut es in dem engen Flur der kleinen Mietswohnung ging, herum, bis er keine Luft mehr bekam und sie wieder absetzen musste.
»Und? Wie war’s in der Schule?«, fragte er schnaufend.
Die Kleine zuckte die Schultern.
»Geht so«, meinte sie leichthin. »Nichts Besonderes los gewesen. Ziemlich langweilig. Und bei dir?«
Lars Waldner sagte sich, dass er Anna ihr Ablenkungsmanöver eigentlich nicht durchgehen lassen sollte, entschied sich dann aber, für diesmal eine Ausnahme zu machen.
»Bei mir?«, echote er. »Dreimal darfst du raten.«
Anna sah ihren Vater mit schief gelegtem Kopf an.
»Du hast einen neuen Auftrag?«, fragte sie nach ein paar Augenblicken des Überlegens.
»Ja«, nickte Lars. »Und wenn du jetzt auch noch ganz alleine dahinterkommst, welche Tiere ich filmen soll und wo, spendiere ich dir ein riesiges Eis.«
Anna kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe herum.
»Eisbären. Ich hab’s. Wir reisen in die Antarktis, um Eisbären zu filmen«, schlug sie vor.
Lars Waldner schüttelte den Kopf.
»Leider falsch. Völlig daneben«, meinte er bedauernd. »Womit eine der drei Möglichkeiten, heute noch zu einem Eisbecher zu kommen, schon vertan wäre. Zwei hast du aber noch.«
Man sah Anna förmlich an, wie es in ihrem Kopf arbeitete.
»Delfine«, riet sie als nächstes. »Wir beobachten Delfine. Oder Walfische. Oder vielleicht Robben. Jedenfalls auf irgendwelche Tiere, die mit dem Meer zu tun haben. Von einem Forschungsschiff aus. Das stelle ich mir toll vor. Oder noch besser von einem Boot aus, in dem nur wir beide sitzen. Du und ich ganz allein. Und niemand sonst. Ist es das?«
Lars Waldner hatte sich gefreut, seiner Tochter die Botschaft von seinem neuen Auftrag zu überbringen, aber nun … Bei den abenteuerlichen Vorstellungen, die Anna sich machte, schien ihm mit einem Mal eine Enttäuschung so gut wie vorprogrammiert.
»Nein, das ist es leider auch net«, räumte er beinahe kleinlaut ein. »Der …, der Drehort ist diesmal net halb so weit entfernt, wie du glaubst. Er …, er ist, wenn man so will, fast vor unserer Haustür.«
»Ach so.« Anna gab sich Mühe, ihre Enttäuschung nicht zu zeigen. Sie versuchte ein schiefes Grinsen. »Vor unserer Haustür ist …, ist der Hofoldinger Forst. Mit Rehen, Hasen und Wildschweinen. Oder der Ammersee. Vielleicht geht es um Enten, Schwäne, Kraniche, Möwen. Um Wasservögel eben.«
Lars Waldner schüttelte wieder den Kopf.
»Ein bissel weiter weg fahren wir schon«, erklärte er. »Wenn du auch mit den Vögeln gar net so schlecht getippt hast. Aber …, aber Wasservögel sind es trotzdem net. Sondern … Steinadler.«
Einen Moment lang herrschte Schweigen.
»Steinadler? Richtige Steinadler?«, wunderte sich Anna.
Ihre Augen wurden groß vor Erstaunen. Lars fiel ein Stein vom Herzen.
Er nickte zustimmend.
»Ja, Steinadler«, bestätigte er. »Mein Chef schickt uns für eine Produktion des Bayerischen Fernsehens über Steinadler und ihr Brutverhalten nach St. Johann im Wachnertal. Das ist ein kleiner, sehr idyllisch gelegener Ort mitten in den bayerischen Alpen. Net allzu weit von der Grenze zu Österreich.«
Der verständnislose Ausdruck auf Annas Gesicht machte Lars auf einen Schlag bewusst, dass das Kind zwar die Nordseeküste, die Ostsee und die Bretagne kannte, nicht aber die höchstens eine Autostunde entfernten Alpen. Was natürlich kein Wunder war. Schließlich waren sie, als Sandra, seine Frau, noch gelebt hatte, fast immer an die See gefahren. Egal ob es sich um berufliche oder private Reisen gehandelt hatte.
Für einen Moment versank Lars in Erinnerungen.
Sandra hatte das Meer über alles geliebt: seine unermessliche Weite und seine Ursprünglichkeit, seinen wilden, unbezähmbaren Drang nach Freiheit. Und natürlich seinen unverkennbaren Geruch nach Salz und Seetang.
Sowohl Sandras Gedichte als auch ihre Romane hatten fast ausschließlich vom Meer gehandelt. Vom Meer und von den Menschen, die dort lebten und deren Schicksalen es seinen Stempel aufdrückte.
»Als Mama noch bei uns war, waren wir nie in den Bergen«, sagte in diesem Moment Anna, als hätte sie die Gedanken ihres Vaters erraten. »Du hast damals immer nur am Meer gefilmt. Deshalb habe ich auch diesmal zuerst an Eisbären und Delfine gedacht. Ein einziges Mal hast du einen Dokumentarfilm über Elefanten in Afrika gedreht. Weißt du noch? Aber nach Afrika hast du mich und Mama leider net mitgenommen.«
Lars presste die Lippen aufeinander.
Er und Sandra waren überzeugt gewesen, noch so viel Zeit zu haben.
Und jetzt …, jetzt war Sandra schon über ein Jahr tot.
Es kam Lars vor, als wäre alles erst gestern gewesen. Als müsse Sandra im nächsten Moment zur Tür hereinkommen. Als könne er jeden Augenblick wieder den Duft ihrer Haut riechen und ihre fröhliche Stimme hören.
»Steinadler hätten Mama interessiert«, redete Anna weiter. »Ganz bestimmt. Sie hätten ihr gefallen.«
Lars zuckte traurig die Schultern.
»Schon möglich«, murmelte er nur, obwohl er sich ziemlich sicher war, dass seine Tochter Recht hatte.
Sandra hätte sich wirklich für Steinadler begeistern können.
Für die Treue, mit der ein Paar, das sich einmal gefunden hatte, ein Leben lang zusammenhielt. Und für die fürsorgliche Liebe, die