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Hawaiianische Träume
Hawaiianische Träume
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eBook235 Seiten3 Stunden

Hawaiianische Träume

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Über dieses E-Book

Die attraktive Freddie hofft, bei einem Urlaub auf Hawaii ihren zukünftigen Ex-Mann endlich zu vergessen. Unter dem Sternenhimmel der Südsee lässt Freddie ihr altes Leben hinter sich. Hals über Kopf stürzt sie sich in eine heftige Liebesbeziehung mit der Fotografin Stephanie. Doch nach dem ersten Liebestaumel drohen Zweifel und Konflikte: Freddie hat Probleme mit ihrem Coming-out und weiß nicht, ob sie ihre lesbische Liebe leben kann und will. Und trotz allem Verständnis für die Geliebte stößt auch Stephanie irgendwann an die Grenzen ihrer Geduld ...
SpracheDeutsch
Herausgeberédition eles
Erscheinungsdatum29. Apr. 2013
ISBN9783941598966
Hawaiianische Träume

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    Buchvorschau

    Hawaiianische Träume - Shari J. Berman

    Shari J. Berman

    Hawaiianische Träume

    Aus dem Amerikanischen übersetzt von

    Anja Hansen-Schmidt

    Originalausgabe:

    © 2000

    ePUB-Edition:

    © 2013

    édition el!es

    www.elles.de

    info@elles.de

    Alle Rechte vorbehalten.

    ISBN 978-3-941598-96-6

    Coverfoto:

    © Stefanie Prager/PIXELIO

    Freddie

    »Ich sag’s dir, Freddie«, Sue unterstrich die kleine Pause mit einem hörbaren Gähnen, »du könntest wirklich gut eine Frau vertragen!« Die Sorgen und Kümmernisse, die das Liebesleben ihrer Kusine mit sich brachte, waren inzwischen vorhersehbar und langweilig geworden, darum tat Sue ihr Möglichstes, um die Unterhaltung in eine andere Richtung zu lenken.

    »Das hast du jetzt schon ein paar Mal gesagt. Was soll das werden? Eine ›Wir-konvertieren-eine-Hete-Woche‹?« Freddies unverhohlener Unmut war deutlich zu spüren.

    »Meine Güte, da muss ich erst noch in meinem Kalender nachschauen . . .« Ein weiteres Gähnen folgte.

    »Was soll ich denn deiner Meinung nach tun? Eine Anzeige aufgeben: ›Frustrierte Fred sucht willige Wilma‹?« So leicht wollte Freddie sich von ihrer Kusine nicht abspeisen lassen.

    »Klingt nicht schlecht, finde ich.« Sue gähnte ein drittes Mal.

    »Schon gut, ich hab verstanden.« Freddie seufzte resigniert. »Ich bin entsetzlich langweilig. Ich sitze hier auf Big Island, der Hauptinsel Hawaiis, einem der schönsten Plätze dieser Welt, und hänge nur in meinem Hotelzimmer rum und quatsche mit dir.« Freddie konnte sehen, wie sich die Sonne dem Horizont näherte. Ein weiterer romantischer hawaiianischer Sonnenuntergang stand schon vor der Tür. Vielleicht war es wirklich eine schlechte Idee gewesen, Sue anzurufen.

    »Bist du noch da?« fragte Sue. Sie bemühte sich halbherzig, ein weiteres Gähnen zu unterdrücken, was in einer Mischung aus Gähnen, Schnupfen und Husten endete.

    »Ja, aber ich möchte diese Symphonie von missbilligenden Tönen nicht stören . . .« Jetzt fragte Freddie sich wirklich, warum sie Sue angerufen hatte. Sie hatte sich entschieden mehr Hilfe erwartet.

    »Gönn mir eine Pause, hier ist es fast Mitternacht.« Sue setzte sich auf und schüttelte den Kopf. Ihre Stimme nahm einen strengeren Tonfall an. »Schau mal, du rufst mitten in der Nacht bei deiner mittelständischen lesbischen Kusine an, damit sie dir aus der Patsche hilft. Du redest in einem fort über das Desaster deiner zweiten Ehe, du sagst, du hast keinen Bock mehr auf Männer, erzählst mir, du kannst den Schweinen nicht mehr trauen. Was erwartest du, was ich darauf sagen soll? So ist das eben . . . Nicki meckert schon die ganze Zeit, dass ich auflegen soll. Ich habe um acht Uhr dreißig eine Anhörung, die für einen Gerichtsfall in einem anderen Staat aufgezeichnet wird, und brauche meinen Schönheitsschlaf.«

    »Tut mir leid, dass ich dich aufhalte, gnädige Ratgeberin«, wehrte sich Freddie bissig und ironisch, denn ob Sue überhaupt psychologische Talente hatte, bezweifelte sie im Moment sehr, obwohl sie wusste, dass das ungerecht war. »Aber die beste Ratgeberin bist du sowieso nicht«, fügte sie in einer Anwandlung von Bösartigkeit hinzu, die doch nichts weiter bewirken sollte als Sues Aufmerksamkeit zu erregen, das wusste Freddie selbst. »Vielleicht sollte ich einfach bei unserem Cousin Artie anrufen, um einen klaren Kopf zu kriegen.« Würde das Sue provozieren, sie mehr zu unterstützen? Sie bezweifelte es. Freddie stand auf und ging mit dem Telefon zum Fenster, um den Sonnenuntergang besser sehen zu können, der sich mittlerweile über das Städtchen Kona, die Costa Dorada, die Goldküste des Archipels, senkte.

    »Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist«, erwiderte Sue müde und überhaupt nicht provoziert. »Ich konnte es noch nie ganz verstehen, warum die Welt ausgerechnet Artie ihre Sorgen anvertraut. Ich glaube, ich sehe in ihm immer noch das kleine sadistische Schwein, das Frösche an einem Bein in die Luft hält und zuguckt, wie sie sich winden und drehen«, sagte sie.

    »Hast du jemals eine Therapie gemacht?« entgegnete Freddie. »Ich glaube, das hat ’ne Menge mit Drehen und Winden zu tun, während dich irgendein Idiot an einem Bein festhält.«

    »Der war gut.« Sue lachte leicht. »Ruf mich wieder an, wenn du jemanden brauchst, der die Scheidung regelt.«

    »Ich dachte, du machst keine Scheidungen.« Freddie war erstaunt. Kannte sie ihre Kusine so schlecht?

    »Tu ich auch nicht, aber ich kenne da eine sehr fitte Anwältin, die sich manchmal anbietet und Fragen auf unserer Rechtsberatungsseite im Internet beantwortet«, erklärte Sue geduldig. »Sie ist hauptsächlich auf Scheidungsrecht spezialisiert. Ich glaube, sie war mal in einen Fall verwickelt, in dem ein homosexueller Elternteil wegen schlechten Lebenswandels das Sorgerecht verlieren sollte. Sie heißt Betty und lebt in Südkalifornien – um genau zu sein, wohnt sie praktisch bei dir um die Ecke. Wir haben uns eine Menge E-Mails hin und her geschickt. Wir lesbischen Anwältinnen versuchen immer, miteinander in Kontakt zu bleiben. Ich habe ein paar von den Ratschlägen, die sie Leuten gegeben hat, die in Schwierigkeiten steckten, im Internet gelesen. Sie ist wirklich gut. Ich denke, du würdest sie mögen. Außerdem ist ihre eigene Geschichte auch sehr spannend«, fügte Sue noch hinzu. »Wenn ich mich recht erinnere, lebte sie in einer beschissenen Ehe. Sie wollte sich scheiden lassen und hat sich in die Verteidigerin ihres Mannes verliebt! Nachdem sich der Wind gelegt hatte, kamen sie zusammen, und Betty fing an, ebenfalls Jura zu studieren. Ist das nicht was?«

    »Das klingt nicht schlecht«, stimmte Freddie zu. Obwohl sie sich kaum von ihren eigenen Sorgen lösen konnte, war eine Runde Klatsch und Tratsch mit Sue nicht das schlechteste, um sich abzulenken. Danach, als sie sich von Sue verabschiedet hatte, um jene ihrem wohlverdienten Restschlaf zu überlassen, was sie dankbar annahm, saß Freddie wieder allein in der Stille ihres Hotelzimmers. Sue war sicherlich eine der glücklichsten Menschen, die Freddie kannte, und sie fragte sich manchmal, ob das daran lag, dass sie lesbisch war und sich deshalb nicht mit Männern herumschlagen musste. Männer! Wenn sie nicht so gut erzogen gewesen wäre, hätte sie ausgespuckt.

    Freddie dachte über die Geschichte dieser Betty nach, die sich in die Anwältin ihres Mannes verliebt hatte. Die jedenfalls hatte das Kapitel ›Männer‹ tatkräftig abgeschlossen und redete nicht nur davon. Sie hatte einfach zur anderen Seite gewechselt. Freddie hatte es nie jemandem erzählt, dass auch sie sich schon darüber Gedanken gemacht hatte, wie es wohl wäre, eine Frau zu lieben. War das so ungewöhnlich? Hatte nicht jeder mal abwegige Gedanken? Sue hatte ihr erzählt, fast jeder, dem sie von ihrem Coming-out berichtete, habe ihr sofort eigene Erfahrungen, Geschichten von Verwandten oder Ähnliches in dieser Richtung aufgetischt.

    Freddie ließ sich diesen Gedanken noch eine Weile durch den Kopf gehen. Gedankenspiele machten irgendwie Spaß. Sie erinnerte sich an eine Szene mit zwei Frauen, die sich am Strand liebten, aus einem erotischen Film ohne Handlung, den sie mal mit Steve ausgeliehen hatte. Sie hatten beide darin übereingestimmt, dass diese Szene die erotischste des ganzen Filmes gewesen war, und hinterher, nachdem sie den Videorecorder ausgemacht hatten und sich auf dem Parkett im Wohnzimmer liebten, hatte Steve ihren Bedürfnissen besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Es kam ihr vor, als wäre das schon eine Ewigkeit her.

    Sie stand auf und öffnete die Türen, die hinaus auf die Terrasse, eine echt hawaiianische Lanai, führten. Das Paradies betrat ihr Zimmer. Passatwinde bewegten die Vorhänge, und der Pazifik schien allein deswegen zu kommen und zu gehen, um sie zu unterhalten. Sie holte tief Luft und fühlte einen jähen Schmerz. Solche Schönheit war dazu gedacht, geteilt zu werden, und hier stand sie, allein, wie aus einem Werbeprospekt für schlechte Beziehungen.

    Sie fühlte einen weiteren Schmerzensstich in der Magengegend. Anscheinend brauchten auch die Ungeliebten Nahrung. Sie war schon am Abend zuvor in einem der traditionellen Luau-Restaurants gewesen. Dort hatte sie nicht nur eins der im Erdofen gebackenen, köstlichen Kalua-Schweine verspeist, sondern auch die ständige Erinnerung daran, dass sie weder auf Hochzeitsreise noch zu einem bedeutenden Jahrestag hier war, verdauen müssen. Sie entschied sich, die für den Abend vorgeschlagenen Gruppenaktivitäten der Reisegruppe zu ignorieren. Sie hatte ein nettes kleines mexikanisches Restaurant mit Blick auf das Meer entdeckt. Vielleicht waren ja all die anderen Touristen der Meinung, hoffte sie, sie seien nicht deswegen nach Hawaii gekommen, um mexikanisch zu essen – das konnten sie schließlich auch zu Hause haben –, so dass sie, Freddie, ein bisschen Ruhe und Frieden unter Einheimischen genießen könnte. Sie zog ein geblümtes Sommerkleid an, fuhr sich mit dem Kamm durch die Haare, griff nach ihrer Tasche und dem Zimmerschlüssel und bereitete sich darauf vor, der Welt zu begegnen.

    Stephanie

    Stephanie hievte das Paket über den Schalter. Der Beamte wog es und teilte ihr mit, dass sie es für einen Aufpreis von fünf Cents als Expressgut aufgeben könnte. Der Gedanke, Jill für die paar Cents ein paar Tage länger warten zu lassen, versprach zweifelsohne ein Gefühl der Befriedigung. Schließlich entschied sie sich aber doch dagegen, ihr Karmakonto mit Minuspunkten zu belasten, und schickte das Päckchen per Express ab. Als sie das Postamt neben dem Lanihau-Center verließ, wurde ihr klar, dass sie Jill Foster soeben effektiv aus ihrem Leben befördert hatte. Sie lehnte an ihrem Wagen und schloss die Augen. Der Spätnachmittag wärmte auf eine Art und Weise, die es nur in Hawaii gab.

    Ihre Gedanken kreisten nach wie vor ständig um Jill, obwohl es nicht angenehm war, an Jill zu denken. Sie hatten gehofft, mit dem Umzug nach Hawaii neues Leben in ihre zur Routine gewordene Beziehung zu bringen, aber während Stephanie sich dem unbeschwerten Aloha-Geist der Hawaiianer wie ein Fisch im Wasser angepasst hatte, litt Jill unter furchtbarem Heimweh nach New York. Das hatte den sprichwörtlich letzten Nagel in den Sarg ihrer Beziehung getrieben. Stephanie hatte mit Freundinnen darüber gewitzelt, dass jemand, der den Schmutz und Dreck New Yorks der Ruhe und Reinheit Big Islands vorzog, nicht heimwehkrank war, sondern einfach nur krank. Jill hatte einen wütenden Zischlaut von sich gegeben, als sie von dem Kommentar Wind bekommen hatte. Stephanie hatte den Punkt hinter sich gelassen, an dem Jills Meinung ihr noch wichtig war, und sie verbrachten ihre letzten gemeinsamen Wochen in offener Feindseligkeit. Schließlich hatte Stephanie, die immer schon die praktisch Veranlagte in der Familie gewesen war, sich bereit erklärt, ein paar Kartons zu packen und Jill in ihr Refugium an der Ostküste zurückkehren zu lassen, um im Gegenzug dafür das Haus behalten zu können.

    Eine ihrer Psychologieprofessorinnen hatte einmal gesagt, dass das menschliche Gedächtnis wie ein Pez-Bonbon-Schieber funktioniere – das letzte, was hineinkäme, verschwände als erstes wieder. Mit Erinnerungen an Beziehungen verhielt es sich wohl genauso. Sie konnte sich sehr gut an die süßen, romantischen Augenblicke der ersten gemeinsamen Jahre erinnern, was ihr sehr zusetzte, während die Erinnerung an ihre Streits über Nichtigkeiten und wie sie sich stetig voneinander entfernt hatten, bereits verblasste.

    Bis auf diese unerfreuliche Episode der jüngsten Vergangenheit war die Küste bei Kona für Stephanie in jeder Hinsicht perfekt. Sie hatte grandiose Aufnahmen gemacht. Für eins ihrer Fotos hatte sie sogar einen Preis erhalten. Und auch ihre immer wiederkehrenden Bronchitisanfälle waren mittlerweile zu einer blassen Erinnerung geworden. Sie hatte zwar durch Jills Wegzug all die netten kleinen Kunstobjekte und das schicke Geschirr ihrer Insel-Behausung verloren, dafür behielt sie jedoch Pepper, ihre fünf Jahre alte Seidenterrierhündin, so hatten Jill und Stephanie sich geeinigt. Der einzige Haken daran war, dass Pepper Stephanie momentan auch als einzige nachts wärmte.

    Der anbrechende Abend brachte einen Hauch von Melancholie mit sich. Sie trauerte weniger um die Trennung als vielmehr um den Verlust eines »Wir-Gefühls«. Sie kannte nur ein paar andere Lesben – Nancy und Mary Ellen, Deb und Wendy. Es handelte sich jedoch ausnahmslos um feste Paare, die weiter ostwärts im Landesinneren in Hilo lebten, und ihr war nicht oft danach, die zweieinhalbstündige Fahrt auf sich zu nehmen. – Sie seufzte ein wenig, als ob sie den Wind, der ständig wehte, imitieren wollte. Ihr Magen erinnerte sie daran, dass die Zeit des Abendessens nahte, aber sie hatte schon seit Tagen keine Lebensmittel mehr eingekauft. Darum spielte sie mit dem Gedanken an ein Fast-Food-Menü, entschied sich dann aber doch für ein richtiges Restaurant. Ihr war nach etwas Aufregendem, Würzigem zumute.

    Auf dem Weg zu ihrem Wagen auf dem Parkplatz wurde sie wie schon so oft von den wunderbaren Gerüchen und Geräuschen auf Hawaii noch mehr gefangen genommen. Sie blieb einen Moment stehen und schloss die Augen in dem Versuch, sich noch mehr auf diese beiden Sinne des Hörens und Riechens zu konzentrieren, indem sie einen anderen, das Sehen, abschaltete. Wie sanfte Engelsflügel berührte sie die milde Süße der Luft, und die Geräusche des Meeres drangen beruhigend an ihr Ohr. In einem solchen Augenblick allein zu sein, schien fast ein Vergehen gegen die Gesetze der Idylle. Sie öffnete die Augen wieder, um in die Realität zurückzukehren. Als sie den Autoschlüssel ins Schlüsselloch stecken wollte, entdeckte sie eine auffällig schöne Lei, die auf der niedrigen Steinmauer am Rande des Parkplatzes lag. Inselkenner liebten diese für Hawaii so typischen farbenprächtigen Blumenketten aus Hibiskus- und Orchideenblüten. Die wunderbare blaue Lei faszinierte sie. Sie ging hinüber, um sie aufzuheben. Dabei lösten sich in ihrer Hand ein paar Blütenblätter. Sie nahm diese Blätter und spielte eine Runde »Sie liebt mich, sie liebt mich nicht« damit. Während sie die Blätter abzupfte, sprach sie abwechselnd die Worte »Mexikanisch, Thai, Mexikanisch, Thai« vor sich hin. Das letzte Blütenblatt fiel auf Mexikanisch. Sie ging zurück zu ihrem Wagen und fuhr in Richtung Zentrum zum Abendessen.

    Ich glaube, sie hat mir zugezwinkert

    In Kona zu parken war, wie immer, kein Vergnügen. Stephanie fuhr die Reihen entlang und wartete auf jemanden, der gerade etwas in seinen Wagen einlud und den Anstand hatte, sie nicht gleich weiterzuschicken. In der Zwischenzeit lief der Typ, der nach ihr gekommen war, bereits gemütlich zur Uferpromenade. Sie drehte noch ein paar Runden, bis sie schließlich einen Parkplatz für »Honda-Honey« fand, wie sie ihren 1994er Honda Accord liebevoll nannte. Die Notwendigkeit von Parkplätzen hartnäckig zu ignorieren, war einer der wenigen Nachteile des sonst so angenehm unbekümmerten Aloha-Geistes ihrer neu erwählten Heimatstadt. Sie drehte den Kopf hin und her, bewegte die Schultern leicht, um die Spannung abzuschütteln und überlegte sich, was es wohl heute als Tagesessen gab, während sie die Treppen der Cantina hinaufstieg.

    Drinnen ging Stephanie durch die Bar in den Essensraum. »Hey Steph!« Eine langhaarige und vollbusige Insulanerin winkte ihr mit einer Hand zu, das Tablett in der anderen haltend. So viel zum Thema, niemanden zu kennen . . . Momis Vater war der Manager der einheimischen Honda-Händler. Er hatte ihr Honda-Honey für einen phantastischen Preis gegeben, und in den letzten achtzehn Monaten in Kona war sie fast der kompletten Familie vorgestellt worden. Sie wartete auf die Frage, die kommen musste. Sie kam in Momis stärkstem Pidgin-Akzent: »Wo issen deine Freundin? Ihr Leut kommt’s doch immer z’samme?« So liebenswert ihre einheimischen Bekannten auch sein mochten, für ihr Taktgefühl waren sie nicht bekannt.

    Stephanie brachte ein gequältes Grinsen zustande, das ihre Verlegenheit verriet. Sie überlegte, ob sie die Frage einfach übergehen sollte, entschied sich dann aber dafür, mögliche Wiederholungsdramen gleich im Keim zu ersticken. »Jill ist zurück aufs Festland gegangen . . . für immer.« Der Satz hatte eine beruhigende Endgültigkeit. Sie bemühte sich darum, das nervös gequälte Grinsen von vorher mit einem belanglosen ›Wen juckt’s‹-Lächeln zu überspielen, aber sie spürte, wie sich ihre Gesichtsmuskeln vor Schmerz verspannten.

    Momi schürzte die Lippen und runzelte die Stirn besorgt wegen Stephanies traurigem Gesichtsausdruck. Stephanies Gedanken überschlugen sich, während sie sich ausmalte, was Momi jetzt denken musste. Schließlich hatten sie und Jill eines Abends, kurz nachdem sie in Kona angekommen waren, ein paar Margaritas in der Cantina gekippt und sich dann in eine Nische verkrümelt, Händchen gehalten und darüber gesprochen, was sie für das neue Haus besorgen wollten. Vor den Bedienungen des Restaurants hatten sie aus ihrer Beziehung nie ein Geheimnis gemacht. Momi brach das Schweigen: »Ich glaube, du bist besser dran so. Wie sagt man doch gleich? Da gibt’s ’ne Menge Fische im Meer!« Sie gab ihr einen freundschaftlich-verschwörerischen Stups, und Stephanie schloss sich der Analyse einmütig an. Vielleicht nicht gerade in diesen Gewässern, aber grundsätzlich gab es sicher viele Fische im Meer. »Was du jetzt brauchst, ist eine Margarita!« Momi war zu ihrem normalen Bedienungsslang zurückgekehrt, der dem Standardenglisch wesentlich näher kam. »Frozen Margarita?« fragte sie, während Stephanie nach einem freien Tisch Ausschau hielt.

    »Ja, bitte.«

    »Kannst du haben.«

    »Mahalo.« Stephanie wählte einen kleinen Tisch an der Längsseite, um weitere Ausflüge im Erinnerungsfahrwasser zu vermeiden. Das Lokal war voller als sonst unter der Woche. Sie lächelte einer einheimischen Familie zu. Dann entdeckte sie Doug Spears, einen Apotheker aus dem mittleren Westen, und Sumiko, seine japanische Frau. Sumiko hatte bei

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