Eine handvoll Kurzgeschichten
Von Dirk Mengwaßer
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Über dieses E-Book
Dirk Mengwaßer
Dirk Mengwaßer wurde 1977 in Köln geboren und arbeitet als kaufmännischer Angestellter. Seine Leidenschaft für Science-Fiction wurde bereits im Kindesalter geweckt. In den 1990ern entstand die erste Idee zu einer eigenen Science-Fiction-Geschichte. Doch erst durch den Impuls einer persönlichen Lebenskrise brachte er sein erstes Buch "Desturia" zu Papier. Gegenwärtig arbeitet er an seinem zweiten Roman.
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Buchvorschau
Eine handvoll Kurzgeschichten - Dirk Mengwaßer
Inhaltsverzeichnis
Der Fluss
Der Menschenfresserkaktus
Das kann ich morgen auch noch machen
Dusty Stars
Lukretia
Der Fluss
In der Ferne hörte Judith einen Raben krächzen. Er musste irgendwo dort in den Bäumen am Ufer sitzen, dachte sie, während sie schwungvoll das Paddel ins tiefblaue Wasser stieß. Ein Schwarm kleiner Fische stob hastig zu beiden Seiten aus, nur um sich gleich darauf wieder ums Boot herum zu tummeln. Gemächlich fuhr sie in der Mitte des breiten Flusses dahin, frei von all ihren Sorgen, die sie daheim gelassen hatte. Die Sonne lachte ihr entgegen und versprach, dass dies ein schöner Tag werden sollte. Wie lange sie schon unterwegs war, wusste Judith mittlerweile gar nicht mehr, so sehr genoss sie die Ruhe und schwelgte in ihren Erinnerungen.
Bereits als Kind hatte sie es geliebt, gemeinsam mit ihrem Vater stundenlang über Flüsse und Seen zu paddeln. Vor ihrem inneren Auge tauchte sein Bild aus längst vergangenen Tagen auf. Das lockige, schwarze Haar wüst und zerzaust, darunter die tiefen, blauen Augen, die sie sanft und liebevoll anschauten und dazu seine stets zu einem Lächeln geformten Lippen. Selbst auf dem Sterbebett hatte er Judith noch sanft angelächelt. Von plötzlichem Schmerz durchbohrt wischte sie sich die Tränen mit dem Ärmel ihrer Strickjacke aus den Augen. Dieser verdammte Krebs
, schluchzte sie leise vor sich hin und ihr lief ein eisiger Schauer den Rücken herunter, als sie sich an ihren eigenen, bösartigen Tumor erinnerte. Die letzten Monate waren für sie die reinste Qual gewesen. Aber die Schmerzen, die Chemotherapie, die ständige Übelkeit und der sterile Geruch von Krankenhäusern zählten jetzt nicht mehr, nicht bei dem atemberaubenden Anblick, den dieser Fluss ihr bot. Judith atmete dreimal tief durch. Wie friedlich es hier doch war. Sie fühle sich so lebendig und ausgeglichen wie lange nicht mehr.
Vorne an der Flussbiegung konnte Judith eine Gestalt am Ufer sehen. War es ein Reh, das seinen Durst am Strom stillte, oder ein Angler? Sie war noch zu weit entfernt, um es mit Gewissheit sagen zu können. Judith fühlte sich ein wenig erschöpft und unterdrückte ein leichtes Gähnen. Sie legte das Paddel neben sich ins Boot, um sich ein Stück mit dem Strom treiben zu lassen.
Ein leichter Windstoß ließ die Blätter der großen Trauerweiden am Ufer rascheln und fuhr Judith hauchzart durch ihr langes, blondes Haar. Irritiert zwirbelte sie eine Haarsträhne zwischen Daumen und Zeigefinger. Dabei wanderte Ihr Blick erneut zur Flussbiegung. Der Schatten war verschwunden.
Judith schloss die Augen und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen. Kraftvoll und heiß brannte sie auf Judiths Haut. Die Strahlen durchdrangen ihre geschlossenen Lieder und hinterließen ein wirres, von Rottönen geprägtes, Farbenspiel auf der Netzhaut. Fast unmerklich glitt ihr rechter Arm ins eiskalte Wasser und Judith begann verträumt damit kleine Kreise im Wasser zu ziehen. Das letzte mal, als sie sich so unbeschwert gefühlt hatte, tanzte sie, vom warmen Sommerregen durchnässt, mit Thomas auf einer Bergwiese in den Alpen. Die Kühe auf der Weide schienen sich nicht weiter an diesen beiden Verrückten zu stören, viel zu saftig schmeckte doch das frisch duftende Gras. Wie lange mochte dieser letzte gemeinsame Urlaub nun zurückliegen? Drei Jahre, oder doch schon Vier? Judith konnte es nicht mehr mit Gewissheit sagen, wann sie sich getrennt hatten, aber dieser letzte Augenblick des Glücks hatte sich fest in ihr Gedächtnis gebrannt.
Judith senkte ihren Kopf und öffnete die Augen. Sie bemerkte, dass sie der Flussbiegung schon ein gutes Stück näher gekommen war und nun konnte sie auch die Gestalt von vorhin wieder sehen. Es hatte den Anschein,