Innere Dialoge an den Rändern: 2016-2021
Von Peter Handke
()
Über dieses E-Book
Peter Handke
Geboren 1942 in Griffen, Kärnten, lebt in der Nähe von Paris. Er hat mehr als siebzig Erzählungen und Prosawerke sowie knapp zwei Dutzend Stücke verfasst. Für sein Schaffen ist Peter Handke mit zahlreichen internationalen Preisen geehrt worden.
Mehr von Peter Handke lesen
Ein Jahr aus der Nacht gesprochen Bewertung: 2 von 5 Sternen2/5"Verwandeln allein durch Erzählen": Peter Handke im Spannungsfeld von Theologie und Literaturwissenschaft Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEmmanuel Bove: Eine Biographie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVor der Baumschattenwand nachts: Zeichen und Anflüge von der Peripherie 2007-2015 Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5
Ähnlich wie Innere Dialoge an den Rändern
Ähnliche E-Books
Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGeneration 9/11: Die verhinderte Aufklärung des 11. Septembers im Zeitalter der Desinformation Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie hartnäckige Illusion des Ich's: Philosophie für Anfänger Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDinge zurechtrücken: Gespräche aus vierzig Jahren Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Eigentliche ist unsichtbar: Der Kleine Prinz tiefenpsychologisch gedeutet Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMit den Ohren sehen: Die Methode des gestischen Sprechens an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenZwischen neun und neun Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Verehrte Denker: Porträts nach Begegnungen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEs ist alles in dir: Wie du deine Antworten auf die Fragen des Lebens findest Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVier Jahre ohne dich: Liebesroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBernd Stegemann - Kritik des Theaters Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBrief an meine Mutter Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2 (Golden Deer Classics) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGezählte Tage: Als John Lennon seine Seele verkaufte Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Spiel des Lebens und wie man es spielt (übersetzt) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWer bin ich, wenn ich spiele?: Fragen an eine moderne Schauspielausbildung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAngst verstehen: Tiefer als alle Angst liegt Urvertrauen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenChristian Morgenstern: Leben und Werk Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSpiele der Tiere: Fabeln für Erwachsene zur Spiele-Theorie der Transaktionsanalyse Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie 7 größten Irrtümer über Frauen, die denken Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMänner.Worte: Charmant, frivol, zynisch. Sprüche für jede Moment Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLow Fidelity: Hans E. Plattes Briefe gegen den Mainstream Bewertung: 2 von 5 Sternen2/5Die berühmtesten Liebesbriefe bekannter Künstler Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenErniedrigte und Beleidigte Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Corona – Des Rätsels Lösung?: Faktencheck einer Pandemie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenRüpel in Roben: Ein Insiderbericht über die jüngste chinesisch-tibetische Intrige in der Karma Kagyü Linie des Diamantweg-Buddhismus Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenParadoxien des Zuschauens: Die Rolle des Publikums im zeitgenössischen Theater Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Theater leben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Spektakel der Gewalt - die Gewalt des Spektakels: Angriff und Flucht in deutschsprachigen Theatertexten zwischen 9/11 und Flüchtlingsdrama Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Fluch des Guten: Wenn der fromme Wunsch regiert – eine Schadensbilanz Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Fiktion für Sie
Radetzkymarsch Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Die Jakobsbücher Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Das gute Buch zu jeder Stunde Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBriefe an Milena: Ausgewählte Briefe an Kafkas große Liebe Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAusweitung der Kampfzone Bewertung: 3 von 5 Sternen3/5Ehrlich & Söhne (eBook) Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Der große Gatsby Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Heiße Sexgeschichten: Ich liebe Sex: Sex und Erotik ab 18 Jahre Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Intimes Geständnis: Erotik-Geschichten ab 18 unzensiert deutsch Hardcore Sex-Geschichten Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Duft von Schokolade (eBook) Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Arturos Insel Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5I Love Dick Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Anal Genial Sex-Geschichten: Erotik-Geschichten ab 18 unzensiert deutsch Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEin fliegender Vogel blickt nie zurück: Die Freiheit nach dem Loslassen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAmerika Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Das Reich Gottes Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSpätestens morgen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTabu: Sexgeschichten - Heiss und Obszön: Erotik-Geschichten ab 18 unzensiert deutsch Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWo die Liebe ist, da ist auch Gott: Erzählungen Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Das Verlorene Paradies (Illustriert) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Tagebuch des Verführers Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie wichtigsten Werke von Dostojewski: 5 Klassiker der russischen Literatur in einem Buch Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Katze und der General Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBe Dirty! - erotische Sexgeschichten: Erotikroman für Erwachsene ab 18 Jahren | unzensiert | deutsch Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Das achte Leben (Für Brilka) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKarl Kraus lernt Dummdeutsch: Oder Neue Worte für eine neue Welt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenReckless 4. Auf silberner Fährte Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenUnrast Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDresden: Roman einer Familie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEin Zimmer für sich allein Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Rezensionen für Innere Dialoge an den Rändern
0 Bewertungen0 Rezensionen
Buchvorschau
Innere Dialoge an den Rändern - Peter Handke
2016
»Und du bist meinem Geiste, was er sich selbst ist – / Immer als wenn meine Seele spräche zu sich selbst / … / Und mitgeborene Harmonien / In ihr erklängen aus sich selbst« (Prometheus zu Pallas Athene »Minerva«, in des jungen Goethe Worten [1773?], und ich am 6. Januar 2016 lesend als alter Prometheus, Προμηθεύς, »Vor- wie Nach-Sinner, -spinner«, sitzend auf einem Thron zerschlissener Kissen)
Der Dreikönigstag, das Fest der Epiphanie heute, als der Tag der Besinnung, an die winterliche Rückkehr vom Dorf seinerzeit, vor über sechzig Jahren, in die Fremde der Fremden, des Internats; verzehrt von Heimweh? Eher aufgezehrt vom In-der-Fremde-Sein – eine Auszehrung lebenslänglich, bis jetzt, am 6. Januar 2016, nachwirkend – lebenslänglich ausgezehrt (Ch., Haus, Dunkel; Nachwehen jener Auszehrung)
Zu dem, der seine Untaten, oder sein Ungutsein rechtfertigt mit dem »So bin ich eben!«: »Du lügst. So, wie du bist und tust, ist es nicht wahr!« (Zu »dem, der …«? – Ebenso zu »mir, der …«)
Ein Tagwerden im Tag, ein »Tagen« im Tag (oft erst gegen Abend): Sowie ich mich selber einhole, und verdoppele. – Und ein Doppelter werde? – Nein, ein Ganzer Jeder wirklich epische Traum gibt eine Lehre: über Orte-Erzählen, ein Ausschwingen, eine Entdeckung unbekannter, nie zuvor gesehener, unversehens geöffneter Räume, Rhythmus, die Überraschung ungeheurer Liebe, grenzenlosen Begehrens (Einfache Fahrt ins Landesinnere)
»Ein Gebet, das allein im Lassen besteht – weht – ergeht«
»Sich in Geduld fassen«: Ja, die rechte Geduld ist eine Art des Sichfassens – was sich aber so oft als Geduld gibt, aufspielt, sich sehen lässt, ist ohne jede Fassung(skraft)
»Was ist Ihr Beruf?« – »Ich habe viele Berufe, unter anderen den des Liebhabers.« – »Liebhaber von was?« – »Zum Beispiel von alten Hemden«
Ist nicht bei all der Überinformiertheit und Überkommunikation eine zunehmende Scheu in der Menschheit, wenn auch nicht die »gute alte«, vielmehr eine neue, wie böse – eine Scheu mit zugleich blicklos machenden Scheuklappen gegen den je Andern, vor allem an öffentlichen Orten, und nicht bloß in Wartezimmern und Aufzügen?
Das Licht einzuatmen: Gibt es das? Geht das? Zieht das? – Ja. »Aide-la retrouver la lumière!« (im Bittbuch der Kirche)
Ideal: die Souveränität eines, der von niemandem etwas will, von niemandem etwas fordert, von niemandem etwas erwartet
»Das Wort ›Verrat‹ hat seinen Sinn verloren« (»Aus der Nacht gesprochen«)
Ein Dichter erkennt den Anderen: Erkennen als eine Art wie Weise des Umarmens
»Leere« und »Leere«: Nur wenn die Leere sich als eine Frucht zeigt, in Fülle wie Form, ist sie »richtig«; Frucht Leere; fruchtige Leere
Von Zeit zu Zeit – zu allen heiligen wie unheiligen Zeiten – aufs Ganze gehen! – Ja, doch dabei nie selber das Ganze geben; dieses wird, oder kann, vielleicht, sich »von sich aus« dazugeben
Die Obstdiebin stiehlt nur Wertloses?
Schöpfer-Gott? Lasser-Gott? – Kein Widerspruch
»Denken«? Gültig, geltend, wirkend, schaffend, vor allem im Wegdenken
Ein anderes Tagwerden im Tag: Sowie ich ins Hören komme (wie »ins Gehen kommen«); »endlich höre ich« (auch nichts als das ferne Rauschen der Autobahn, daherkommend durch die Winterwälder); »ich bin im Hören«
Meine Art »Freiheitskampf«: Ich kämpfe, auf daß ich, kraft meiner Beschränkungen wie meiner Bedingtheit, sagen kann: »Ich bin so frei!« Und das wäre meine Art wie Weise der Freiheit
Tagen im Tag: Der Andere kommt mir in den Sinn (ins Sinnen). – Der Andere? – Mein Anderer
Deinen Ernst dem anderen nicht aufhalsen, auflasten, aufbrummen – vielmehr ihn ausspielen, hin zum andern. – Ausspielen? – Ja, aber nicht vollends, und das gilt für Schreiber wie für Schauspieler
»Sprachwitz«? Die Sprache selber, sowie sie Sprache wird – ihren »Namen verdient« – ist Witz
Daß du ein »schweres Leben« gehabt hast, gibt dir keine Ermächtigung, das Leben eines andern, gleichwie es dir erscheint, geringzuschätzen
So viele Witwer und Witwen in Goethes Erzählungen (»Mann von fünfzig …«): So war es eben seinerzeit?
Die Mädchenheldin der »Einfachen Fahrt …«: Es drängt sie, die Generationen vorher zu ENTSÜHNEN
Ja, »Reue« ist nur jene, die tätig wird, die »tätige«. Aber ist nicht auch schon das Ausdrücken und Aussprechen der Reue, insbesondere vor demjenigen welchen »tätige Reue«?
Das Gegenteil von Zufriedenheit ist nicht Unzufriedenheit. – Sondern was? – Weiß nicht. Wer sagt es mir? Wer singt es mir?
Auf daß ich nie vergesse, wie ich mein Leben lang gezittert habe um die Meinen. – Die Deinen? – Ja. – Gezittert? – Ja, alles sonst wurde da schändlich nichtig
So lange schon die ungeschaukelt hängenden Schaukeln im Nachbargarten. – Die Kinder von einst sind eben keine Kinder mehr. – Ja, es hat sich ausgeschaukelt
Aufschwung der Trauer, universell
Immer wollte ich retten. – Und wen oder was hast du gerettet? – Niemand und nichts
»Ich muß draußen bleiben!« (Auf andere Weise als zum Beispiel die Hunde)
Da tat ich das Einzige, was in meiner Macht stand: Ich bog ab zu meinem Kind« (»Aus der Nacht gesprochen«)
Eine Unvergleichlichkeit: Wie eine Spinne, angeblasen vom Wind oder sonstwem, sich einrollt
Künstler: Bei dem der Staub der Welt, der angewehte, der Flugstaub, sich transformiert und Gestalt annimmt
Es gibt keine Nebenerscheinungen. Oder so: Gerade an den Nebenerscheinungen, da erscheint’s – Was erscheint? – Es
Seltsames Paradox: Die Freude, die für mich zählt – die »sich auszahlt«, »sich rechnet«, ist Freude über nichts und wieder nichts. Paradox, oder auch nicht?
Das Mondlicht auf der Erde im Rauhreif: eine Harmonie, wo nichts Einzelnes mehr unterscheidbar ist – und so beinahe »dräuend« –; nichts mehr zu entziffern, nichts zu umzureißen – als ob das Chaos, die Chaos-Formen im Gegensatz zu diesem Mondlicht im Rauhreif eine Art von Vis-à-vis sein könnten, ein fruchtbares, etwas zu Erforschendes
Manchmal im Aufblick das »Erbarme dich meiner!« als Gebet um Jetzt
»Er wird immer weniger!« – »Respekt!«
»Wo ziehst du’s vor: auf der Sieger- oder Verliererstraße?« – »Wenn möglich, auf keiner von beiden. Aber wenn’s anders nicht geht, auf der Verliererstraße«
Mein Animismus: zu unterscheiden zwischen »gutmütigen« und »bösartigen« Zwirnfäden
Das Eislaufen zu Goethes Zeit vor 200 Jahren, und das jetzt: ziemlich anders und genau gleich. Und in 100 Jahren? Ebenso. – Und die Welt? – Ziemlich anders und genau gleich
»Dorfheimat« – wie? – »Es war dort ein schönes Reden«
»Sorge dich nicht!« sagte die sorgende Mutter zum ewig sich sorgenden Sohn
Ruhe: mein Auge als Auge der Wasserwaage, genau in der Mitte
»Heute hab’ ich was Liebes gelesen. Heute ist mein Tag!« (Gasthaus)
»Ja, meine Lieben, jetzt geh’ ich heim zu meinem Hund, der ist schon lang allein.« – »Einen Hund kann man fünf Stunden alleinlassen« (Gasthaus)
»Du verstehst keinen Spaß.« – »Ich bin halt ein unguter Mensch« (Gasthaus)
Daß ich den Schmerz, den mir eigenen, den so fruchtbaren, so wenig, so kurz nur halten und fruchten lassen kann, und gar zu bald, zu voreilig, mit ihm, meinem Schmerz, ostentativ werde …
Philosophie, philosophische Haltung, ist allein die, welche mich zur Besinnung bringt – ob das die epikuräische Haltung ist (»die Freundschaft umtanzt den Erdkreis«), die platonisch fragende, die aristotelisch analysierende, usw. – Auch die kynische, zynische? – Auch sie, gerade die! (»Geh mir aus der Sonne!« Jetzt!)
Rechtes Lesen: Die Rahmen, die vergoldeten, der Bilder im »Leseraum« beginnen zu leuchten – auch wenn sie gar nicht vergoldet sind. – Rechtes Lesen? – Ich bin, jetzt, rechtens, ich bin der Leser!
Prototyp des unbegabten Menschen: der Fraglose
»Die schweren Schritte der Prinzessin Marja«: wie wenig Tolstoi braucht für eine Tiefengestalt
Gewissenserforschung im Erwachen: »Wen habe ich gestern gekränkt?« – »Niemanden – außer den einen im Traum«
»Bist du Mitglied einer Sekte?« – »I wo. Oder doch: der Blue-Mountain-Sekte. Nur bin ich bis heute noch keinem anderen Mitglied begegnet«
Leo Tolstoj: ein Mann wie nur je einer, und zugleich war Tolstoj eine Frau
Der Vaterlose: Seine bleibende Vorstellung, oder Einbildung, alles, was ihm vorschwebt, werde sich erfüllen, soll sich erfüllen
Was wartest du auf das Blühen? Jetzt blüht es, jetzt ist das Blühen, die Blütezeit, auch wenn nichts blüht (außer den Haselkätzchen)
Immer noch ist zeitweise alles in mir Schuld, Schuld am gekrümmten Daliegen meiner Mutter auf der Küchencouch bis zur Schuld jetzt am Außersichgeraten, dem hilflosen, meines Kindes
»Für mich wird alles zum Problem.« – »Des freue dich!«
Schreiben auf Kriegspapier in Friedenszeiten / Schreiben auf Friedenspapier in Kriegszeichen (Einfache Fahrt …)
Ein anderer Mondrian: das Nachbild des Fensterkaros, dunkel-helles Rechtecke-Muster, farblos
Variante: Die Träume haben mich noch jedesmal gerettet (geborgen) aus dem Malstrom des Todesschlafs. – Auch die Alpträume? – Ja, indem sie mich aus dem Malstrom des Todesschlafs jählings ans Land warfen – ans Land des Erwachens. – Achtung, Genitivmetaphern. – Und wenn?
Verb zu den Nachbildern (siehe das mondrianische der Fensterkreuzsprossen): Sie »begütigen«, auch noch im Schwinden und Verblassen, vor allem da
Der Rückwärtsgeher (Gestalt »Einfache Fahrt«)
»Aber hie und da auch Kleinigkeiten / Außerhalb des Gesetzes« (W-Ö Diwan)
Die regionale Geschichte (Vexin/Picardie) studieren? – Ja, aber um etwas ganz anderes, grundanderes zu erzählen (Krieg im Frieden, Frieden im Krieg). »Die Wahrheit zu erzählen, ist sehr schwer« (nach Tolstoj) – vor allem im Krieg – und so erzählt Rostow, ohne es zu beabsichtigen, das Falsche zur Schlacht von Schöngrabern
Morgengruß, an gleich wen: »Wie schaut’s aus?« – Und französisch? – »Comment ça se présente?« (»Wie gestaltet sich’s?«)
Die blassen Gedanken, die farblosen, sind keine – sind nicht. Aber sowie sie sich färben, röten, blauen, grünen, unterlegt selbst mit Sichschwärzen und Grauen: Willkommen, Gedanke!
»Energisch schlug er mit den Flügeln, bis er merkte, daß er keine hatte. Hilflos schlug er weiter« (So »Einfache Fahrt …«)
Rein in der Gegenwart leben, ganz ge(gen)wärtig sein – und mithilfe der Gegenwart und des Gewärtigseins erzählen von jenem »ganz anderen«. – Ganz anderen?
An den Nachbildern entdecken und erforschen, erst an ihnen, was im einzelnen, in den einzelnen FORMEN, Bild war, und ist (anderes »Blow up«)
»Es war zu merken, daß sie das, was sie jetzt sagte, schon früher gesagt hatte, unter Tränen« (Krieg und Frieden)
Vergleich für nichts Vergleichbares bei Tolstoj: »Wie ein Hase, von Hunden umringt, mit angelegten Ohren in seinem Lager liegen bleibt«
Pierre und Marja in »Krieg und Frieden«: Sie sind die Ungeschickten, die »Danebenstehenden«, als die wahren Helden (und so möge es auch bei der »Einfachen Fahrt …« zugehen: die »Unselbstverständlichen«)
Steigerung: Gerechter Mensch → rechtlicher Mensch (Erfüllung und Verwirklichung des Gerechten)
»Tertium non datur« der Logiker? Nichts ist gegeben, auch nicht das »Primum«, auch nicht das »Sekundum«, höchstens, dann und wann, eine »Sonderzahl« (im Blick auf die Zeder im Wind: Sie ist mir nicht gegeben, ist nicht »meins« – samt Mahlen im Wind ist sie mir keine »Gegebenheit«)
Eine meiner täglichen Ansprachen an mich selber: »Und jetzt sag du!« Oder: »Und was meinst du?« Oder einfach: »Und du?«
Bei Tolstoj sind alle seine Helden mehr als sie erscheinen, tönen, sagen, handeln – oder jedenfalls auch noch ganz andere – und darauf ist Verlaß – und das ist das natürlich Epische
Bei manchen Weißhaarigen: »gerettet«. Aber wozu? Wohin? (»Die sinnlos Geretteten«)
Islamisten, vor allem junge: »Busy being born to kill«
Manchmal, etwas im Stillen Gedachtes aussprechend, ihm eine Stimme gebend, geht mir auf … – Daß es nicht »stimmig« ist? – Nein, nicht »stimmt«
Ich, jetzt Anteil habend an meinem Licht, jetzt Teil meiner Finsternis – jetzt neu Teil meines Lichts – jetzt Rückfall in meine Finsternis – und so vergeht meine Zeit auf Erden (14. Febr. 2016, 1. Fastensonntag)
»Und«: Werfen und (Er-)messen. Wirf so, daß du zugleich (den Raum) ermißt; »zärtlich will geworfen sein«
Gibt’s denn das: einem Strauß von Gänseblümchen in einem Marmeladeglas zu salutieren? – Das gibt es, denn ich habe es erlebt (für Heimito von Doderer)
»Wortbild entzündet, Liebe schürt zu« (Rustan und Rodawu)
Ich habe zu lesen, ich bin, fürs erste, in Sicherheit (nur so ist Lesen)
Verb zu den ersten frischgrünen Grashalmen im Vorfrühlingswind: sie »flügeln«
Noch einmal »Gänseblümchen«: Jede der Blüten ist zugleich eine Rose
Eine andere Heimat: in der Schneeflockenkurvenkonstante; mich mit Leib und Seele in diese Kurve, diese Konstante legen – schmiegen
»Was ist dein nächstes Projekt?« – »Vorösterliches Fensterputzen«
Eins der Elften Gebote: »Tagtäglich übers Land gehen!« (Picardie)
»Flughafenluft«: Oxymoron
Er schaute, schaute, und schaute, und dachte dann: »Eigentlich müsste man viel mehr schauen«
Einsamkeit: etwas so anderes als das (in allen Sprachen) klingende Wort. Einsamkeit heißt Verstoßen sein, Verlassenheit, Weltverlust – ohne daß jemand Zweiter oder Dritter den Vereinsamten eigens verlassen oder verstoßen hätte. Einsamkeit ist kein Gefühl, ist ein Un-Gefühl, eine (unumstößliche) Tatsache
Manchmal in »Krieg und Frieden« verwandelt sich Diogenes, der Kyniker, in den Erzähler T. – Und dazu fragte ich mich gerade: »Wie kann ein Mensch solch ein Werk bloß alleine schaffen?« Und gab mir dann die Antwort: »Solch ein Werk kann ein Mensch nur alleine schaffen«
Die Gedanken »einen«? – Nein, sie »umspannen«
Der Heimatlose: Alle haben ihn aus den Augen verloren – recht so
In »Krieg und Frieden« wird viel geschrien (und gekreischt), vor allem im Frieden
»In diesem Buch kann ich nicht zu lesen aufhören.« – »Kein gutes Zeichen«
»Wenn der Soldat auf Urlaub nach Haus kommt, trägt er das Hemd wieder über den Hosen« (Krieg und Frieden)
Die nächtlichen Reden, die so klar artikulierten wie unverständlichen, seinerzeit des Knechts allein in seinem Verschlag, der etwas von einem Baumhaus hatte, vor bald siebzig Jahren, quer durch das ganze, sonst schlafstille Dorf, selbst die Tiere in den Ställen still schlafend, ein Schallen, das dabei ganz für sich blieb; jetzt noch, hier im anderen Land, im innersten Ohr weiterschallend, als Nachhall Jakob Böhmes und dessen Hall Gottes (Einfache Fahrt)
Die mich am tiefsten ergreifenden, die universellsten Passagen in »Krieg und Frieden«: Wenn Tolstoj erzählt, auf welche Weise jemand anderer erzählt, redet, stottert, stammelt
»Als [dem Sterbenden] gesagt wurde, er möchte den Knaben doch auch noch segnen [nach dem Küssen], da tat er auch dies noch, und blickte dann um sich, als wollte er fragen, ob es vielleicht noch etwas zu tun gäbe«
Der Kindesentführer vor Gericht: »Das erste, was ich dachte bei seinem Anblick: ›Es ist ein Kind, und das wird mir wenigstens nichts Böses tun!‹«
»Den Gruß des Unbekannten ehre ja! Er sei dir wert als alten Freundes Gruß … / Drum grüße freundlich jeden der begrüßt« (G.)
Zwei Arten von Reue: die Reue über etwas, das ich gesagt / getan habe – und die Reue über etwas, das ich nicht gesagt / getan habe
Beim Lesen von »Krieg und Frieden« geht mir auf, daß Kafkas »Schloß« und »Prozeß« die bislang ersten und letzten Darstellungen der universellen Menschengeschichte sind – und nicht die Geschichte von mir und dir, von uns je einzelnen (→ Einfache Fahrt …)
Brechendes Herz – guter Tod; »mein Herz bricht.« – »Guter Tod«
»Frage nicht, durch welche Pforte / Du in Gottes Stadt gekommen, / Sondern bleib am stillen Orte, / wo du einmal Platz genommen«
»Ich kam zu den Meinen, aber die Meinen haben mich nicht erkannt!« – Gilt für mich jedoch nicht eher, wenigstens zeitweise: »Ich kam zu den Meinen, und ich habe die Meinen nicht erkannt!«?
Tagwerden im Tag: Eine Sorge-für-nichts-und-wieder-nichts erkennen
Die Geheimnisse und Abenteuer der Nähe, der Dinge, Winkel, Wesen in der Nachbarschaft
»Malte Laurids Brigge« lesend: Auf Rilke trifft besonders zu, was ich einmal von falscher Prosa dachte, und jetzt wieder denke: »Es gibt keine wahren Sätze inmitten von falschen« (auch wenn, bei Rilke, dann und wann ein Satz als »wahr« frappiert)
Nichts geht über einen Feldweg, kein Zöllnerpfad auf Klippen hoch überm Meer, kein Gipfelsteig in Himmelhöhen
»El cuerpo busca otro cuerpo desconocido« (María Zambrano) (Der Körper sucht einen anderen unbekannten Körper)
Ausruf: »Ein neuer Weg!«
Andrerseits doch Rilke: »Junger Mensch irgendwo, in dem etwas aufsteigt, was ihn erschauern macht, nütz es, daß dich keiner kennt« (ich, ≈ 1962 an der Mur; an den Peripherien)
»Du gehst mit jedem um, du sprichst mit