Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Rüpel in Roben: Ein Insiderbericht über die jüngste chinesisch-tibetische Intrige in der Karma Kagyü Linie des Diamantweg-Buddhismus
Rüpel in Roben: Ein Insiderbericht über die jüngste chinesisch-tibetische Intrige in der Karma Kagyü Linie des Diamantweg-Buddhismus
Rüpel in Roben: Ein Insiderbericht über die jüngste chinesisch-tibetische Intrige in der Karma Kagyü Linie des Diamantweg-Buddhismus
eBook503 Seiten8 Stunden

Rüpel in Roben: Ein Insiderbericht über die jüngste chinesisch-tibetische Intrige in der Karma Kagyü Linie des Diamantweg-Buddhismus

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Wenn ein spiritueller Führer/Meister des tibetischen Buddhismus stirbt, hinterlässt er oftmals hinweise über seine nächste Inkarnation, damit diese gefunden und ausgebildet werden kann, seine Aufgaben/Pflichten wieder aufzunehmen. Als der sechzehnte Karmapa, das Oberhaupt der Karma Kaygü Linie, 1981 starb, begann unmittelbar die Suche nach seinem Nachfolger. Dies ist die Geschichte der politischen Verworrenheiten/Einflüssen und Intrigen, die mit seiner Auffindung in Zusammenhang standen. Daher sollte es (das Wiederfinden) keine leichte Aufgabe werden, wie es aus der Sicht eines westlichen Betrachters erzählt wird.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum19. Okt. 2015
ISBN9783737570336
Rüpel in Roben: Ein Insiderbericht über die jüngste chinesisch-tibetische Intrige in der Karma Kagyü Linie des Diamantweg-Buddhismus

Ähnlich wie Rüpel in Roben

Ähnliche E-Books

Buddhismus für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Rüpel in Roben

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Rüpel in Roben - Tomek Lehnert

    Title.jpg

    Impressum

    Verlag

    Buddhismus Heute des Buddhistischen Dachverbands Deutschlands (KKD) e.V.

    Heinkelstr. 27, 42285 Wuppertal

    Copyright 1998 © Tomek Lehnert

    Veröffentlicht bei: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.co.uk

    ISBN 978-3-7375-7033-6

    Die englische Originalausgabe erschien 1998 bei

    Blue Dolphin Publishing, Nevada City, California, USA

    Übersetzung: Erik Weiss, Daniel Johnson, Peter Speier und Susi Steed

    Gesamtgestaltung, Satz: MAC

    Druck: Clausen & Bosse, Leck

    Vorwort

    Am Morgen des 13. Dezember 1981 wachte Polen - mein Heimatland - in einer bestürzenden Realität auf. Wenige Stunden zuvor, um Mitternacht, hatte die kommunistische Regierung die Nation mit der Ausrufung des Ausnahmezustandes überrascht. Gespenstische Fernsehsprecher in Polizeiuniformen grüßten die fassungslosen Zuschauer mit Androhungen von langen Gefängnisstrafen und sogar dem Tod für all jene, die es wagen sollten, den neuen Militärgesetze Widerstand entgegenzusetzen. Die einfachsten Grundrechte unserer Landsleute wurden außer Kraft gesetzt. Die Regierung hatte vor, die „Bewegung Solidarität" zu vernichten und so das Land wieder in eine sowjetische Umlaufbahn zu befördern.

    Trotz der bedrohlichen Nachrichten, die in allen staatlichen Massenmedien auftauchten, gingen am nächsten Tag Tausende auf die Straßen, um gegen das rigorose Durchgreifen der Kommunisten zu protestieren. Fabriken schlossen ihre Tore und Studenten besetzten die Universitäten. Als wir uns in Danzig (Gdansk), meiner Heimatstadt und der Geburtsstätte der „Solidarität, mit der berühmt-berüchtigten Bereitschaftspolizei „Zomo Straßenschlachten lieferten, hatten wir - vielleicht etwas naiv - die Hoffnung, daß unsere frisch erworbene Freiheit siegen könnte.

    Zehn Tage später rollten Panzer in die Danziger Leninwerft, die letzte Festung der Protestierer. Die paar hundert Arbeiter, die das Werk noch besetzt hielten, wurden zusammengetrieben, geschlagen und verhaftet. Eine Handvoll Studenten, meine Freunde, die sich innerhalb des Werksgeländes verbarrikadiert hatten, teilten das Schicksal der Arbeiter. Die Regierung verkündete triumphierend, daß die anti-sozialistischen Elemente ausgemerzt worden seien und somit die „Gewerkschaft Solidarität" - die Wiege des Imperialismus - abgeschafft sei. Eine dunkle Wolke zog sich über Polen zusammen und wir sahen wie sich unsere Träume in Nichts auflösten.

    Wenn ich heute auf diese Tage zurückblicke, so erinnere ich mich an die Gefühle der Frustration und des Zorns, die die meisten von uns in Polen hatten. Für unsere Gruppe von Freunden in Danzig sollte aber die bittere Stimmung des Landes bald einer freundlicheren Denkweise weichen. Die trostlose und unruhige Realität mit der wir konfrontiert waren, löste eine gründliche Selbstbeobachtung und die Suche nach bleibenden Werten aus. Anfänglich noch scheu, streckten wir unsere Hände nach einer uralten östlichen Philosophie aus. Sechs Monate Ausnahmezustand später - als ob er auf unser neu gefundenes spirituelles Interesse antworten wollte - erreichte ein buddhistischer Lama unsere aufrührerische Stadt. Für uns ergab sich damals in dem abgeschotteten Land eine einmalige Gelegenheit. Uns war bewußt, daß das kommunistische Polen nicht gerade der ideale Nährboden für religiöse Lehrer war und so eilten wir zur Akademie der Künste um den buddhistischen Meister Ole Nydahl zu treffen.

    Der athletische Däne der auf die Bühne sprang und den paar hundert Zuschauern ein breites Lächeln zuwarf zerstreute sogleich jedermanns Vorstellung von einem Guru. Er riß Witze, machte sich über die verachtete Obrigkeit lustig und - nicht im geringsten von den Geheimpolizisten eingeschüchtert, die sich unter die Menge gemischt hatten - ließ keinen Zweifel aufkommen, was er über die kommunistische Diktatur dachte. Sofort sahen meine Freunde und ich jemanden, mit dem wir uns identifizieren konnten. Aber als der westliche Lama zum Kern seines Vortrages kam, wurde sein persönliches Erscheinungsbild noch hundertfach von seiner Botschaft übertroffen. Die Logik, Klarheit und Weisheit des Buddhismus beeindruckte uns zutiefst. Hier wurde uns ein einzigartiges Werkzeug angeboten, um das Leben zu meistern, ein System, das die Störungen des Bewußtseins in Vollkommenheit umwandelte. Und was noch wichtiger war, wir konnten jeden Aspekt unserer Aktivität in das Streben nach Befreiung und Erleuchtung mit einbeziehen. Nun konnten wir das Unrecht bekämpfen, ohne dabei die Unterdrücker hassen zu müssen. Der Lama betonte, daß man seinen Alltag meistern kann, wenn man frei von den blendenden Emotionen ist, „die verhindern, daß wir sehen was wirklich da ist". Völlig überzeugt nahmen wir den Buddhismus wie enthusiastische Idealisten an, die einen noblen Kampf verloren hatten, nur um statt dessen eine andere wertvolle Aufgabe zu finden.

    Dies war der Beginn meiner spirituellen Reise, die mich an der Seite von Lama Ole auf die vielbevölkerten Wege mehrerer Kontinente bringen sollte. Ich begleitete Ole und seine Frau Hannah auf ihrer Odyssee, den tibetischen Buddhismus in die moderne Welt zu bringen. Es war eine faszinierende Herausforderung, ein Wettlauf gegen die Zeit, um das unvergleichliche Wissen Tibets zu retten, bevor die kommunistischen Chinesen es endgültig zerstören würden. Es war ein Unternehmen das nicht nur ein tiefes Vertrauen in das buddhistische System, sondern auch ein unerschütterliches Vertrauen in die hohen tibetischen Lamas mit sich brachte, die dieses System übertrugen. Die Rinpoches - so der Name der ehrwürdigen Lehrer - waren Beispiele einer großen Verwirklichung. Auch wenn sie noch nicht ganz die endgültige Erleuchtung erreicht hatten, so waren sie dennoch auf dem besten Weg dort hin. Zumindest dachten wir das.

    Dann kam das Jahr 1992, ein Jahr, an das man sich noch lange in den Annalen des tibetischen Buddhismus erinnern wird. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel brach eine peinliche und unerbittliche Fehde zwischen den Lamas unserer Karma Kagyü-Linie aus. Während die ganze buddhistische Welt ihren Atem anhielt, konnte man beobachten, wie eine Gruppe von Kagyü-Meistern bedenkliche Vorwürfe erhob. Es tauchten Beweise auf, die auf eine heimliche Verschwörung die Kagyü Schule zu übernehmen hindeuteten. Eine bedeutende Persönlichkeit der Linie wurde mit dem kommunistischen China in Verbindung gebracht. Verrat war das Wort, das einem in den Sinn kam.

    Es war mehr, als viele im Westen vertragen konnten. Wir hatten das Gefühl, daß unser Idealismus verraten worden war. Und wieder sah ich Panzer, die durch die Tore der Danziger Werft ratterten. Es gab keine Alternative, man mußte sich gegen diesen Mißstand auflehnen. Schon von Beginn an protestierten und kämpften Lama Ole und Hannah gegen diese Manipulation. Während der nächsten Jahre stellten sie sich gegen Regierungen, Würdenträger und mächtige Organisationen und versuchten, die Verschwörer zu entlarven und die Kagyü Schule zu schützen - ein Unterfangen, das mit hohen Risiken und Schwierigkeiten verbunden war.

    Dieses Buch ist eine Chronik unserer Suche nach der Wahrheit. Es entstand aus einem unwiderstehlichen Verlangen, sich nicht dem Betrug und der Tyrannei zu beugen, etwas wofür die Menschen in Polen äußerst empfindsam gewesen waren. Es ist auch ein Versuch Tibet zu entmystifizieren und den Konflikt unter einer historischen Perspektive zu betrachten. Vielleicht schockiert dieses Buch einige wegen dem kompromißlosen Stil und den herben Schlußfolgerungen, aber die dargelegten Fakten verlangen nach einer rigorosen Analyse und ebensolcher Kritik. Zur selben Zeit ist dieses Werk aber auch eine Einladung, die wahren Schätze die Tibet bewachte zu ergründen: die Belehrungen Buddhas, die immer vollkommen sind. Es gibt sehr viel Eisen, aber nur wenig Gold und das Königreich im Himalaya bildete da keine Ausnahme. Der Leser dieser Seiten ist aufgefordert, das Gold vom Eisen zu trennen und der Zukunft des Buddhismus eine reine und unerschütterliche Form zu geben.

    La Jolla, Kalifornien

    21. Mai 1998

    Danksagung

    Dieses Buch wäre nicht ohne die unschätzbare Hilfe von Freunden rund um die Welt möglich gewesen. Während viele zur endgültigen Fassung beitrugen, mochte ich vier Leute erwähnen, die mir wertvollen Rat gaben, Mut machten und meinen ersten literarischen Versuch in eine lesbare Form brachten. Einen ganz herzlichen Dank an Euch, Stephen james, Don Marshall, Brooke Webb und Lara Brainstein aus Cambridge (England), Sydney (Australien), San Francisco (USA) und Montreal (Kanada).

    Fur die ausgezeichnete Übersetzungsarbeit möchte ich meinen deutschen und österreichischen Freuden Erik Weiss, Daniel Johnson, Peter Speier und Susi Steed danken. Speziellen Dank an Mac für seine Wichtige Unterstützung seit Beginn dieses Projekts.

    Besetzung der Darsteller

    img-001.jpg

    Rangjung Rigpe Dorje, der 16. Karmapa,

    Oberhaupt der Karma Kagyü Schule des Tibetischen Buddhismus

    img-002.jpg

    Shamar Rinpoche oder Künzig Shamarpa oder Shamarpa,

    Hauptschüler Karmapas

    img-003.jpg

    Tenzin Gyatso, der 14. Dalai Lama,

    hoher spiritueller Führer und König Tibets

    img-004.jpg

    Thaye Dorje, der 17. Karmapa,

    von Shamar Rinpoche anerkannt

    img-005.jpg

    Tai Situ Rinpoche oder Situ Rinpoche oder Situpa,

    zweithöchster Schüler Karmapas

    (hier zusammen mit Urgyen Trinley)

    img-006.jpg

    Urgyen Trinley,

    von Tai Situ Rinpoche und vom

    kommunistischen China als 17. Karmapa

    anerkannt und bestätigt durch den Dalai Lama

    img-007.jpg

    Jamgön Kongtrul Rinpoche oder Jamgön Rinpoche oder Jamgön Kongtrul,

    hoher Kagyü-Lama und enger Schüler Karmapas

    img-008.jpg

    Goshir Gyaltsab Rinpoche

    oder Gyaltsab Rinpoche oder Gyaltsabpa,

    hoher Kagyü-Lama und enger Schüler Karmapas

    img-009.jpg

    Topga Yulgyal order Tobga Rinpoche oder Tobgala,

    Generalsekretär von Rumtek

    und vom Karmapa Charitable Trust

    img-010.jpg

    Lopön Tsechu Rinpoche order Tsechu Rinpoche,

    hoher Lama und Vertrauter des 16. Karmapa

    img-012.jpg

    Akong Tulku,

    Kagyü-Lama, der in Schottland lebt; Situ Rinpoches Abgesandter zu den kommunistischen Chinesen

    img-013.jpg

    Tenga Rinpoche,

    bekannter Kagyü-Lama, der in Kathmandu lebt

    img-011.jpg

    Lama Ole Nydahl,

    erster westlicher Schüler des 16. Karmapa, Gründer von

    über 600 buddhistischen Zentren im Westen

    Einführung

    Als das Telefon auf der Insel Kauai klingelte, ahnten wir nicht, daß dies der Beginn eines gewaltigen Sturmes sein würde - ein Sturm, der durch die Karma Kagyü-Linie des Tibetischen Buddhismus fegen, ihre Grundmauern erschüttern und der Politik des mittelalterlichen Tibet einen letzten Stoß versetzen sollte. Ein tropischer Strand war wohl kaum der richtige Schauplatz für ein Drama mit Hintergrund im Himalaya, dennoch rollte eine größere Krise auf die Küsten Hawaiis zu. Mitten in einer von Oles arbeitsreichen Belehrungstouren, eingelullt von der Schönheit der Pazifikinsel, waren wir nicht wirklich auf die Neuigkeiten vorbereitet, die da kommen sollten.

    Elf Zeitzonen entfernt in Deutschland schlug Sys - Oles Sekretärin - Alarm. Ein mysteriöser Brief aus Asien war in allen unseren Zentren in Europa angekommen. Mit einer bunten Marke aus Nepal und einer kaum leserlichen Adresse, sah der Brief nach einem weiteren höflichen Kontaktversuch tibetischer Mönche mit dem Westen aus. Als aber die Leute in unseren Zentren den Text genauer studierten, wurde ihre Überraschung nur noch von ihrem Mißfallen übertroffen. Der Brief entbehrte jeder Höflichkeit und der Kontakt den er suchte, beinhaltete politische Intrigen und sektiererische Kämpfe.

    Die Autoren, eine obskure Gruppe tibetischer Händler aus dem Kathmandu-Tal namens Derge Association nahmen sich kein Blatt vor den Mund. Was sie zu sagen hatten, sollte den tibetischen Buddhismus in ein noch nie dagewesenes Durcheinander stürzen. Mit Drohungen und unverschämten Forderungen wollten sie die Aufhebung einer Jahrhunderte alten Tradition erzwingen, die dazu gedient hatte, die aufeinanderfolgenden Inkarnationen des Gyalwa Karmapa - des geistigen Oberhaupts der Karma Kagyü-Linie Tibets - anzuerkennen.

    Unsere Freunde in Europa, die mit dem korrupten Einfluß von Politik auf die Religion noch nicht vertraut waren, rannten erstaunt an ihre Telefone. Sys erreichte uns als erste. Ihr Berichte glich einer Wortkaskade und sie machte kaum eine Pause um Luft zu holen. Als sie fertig war, schauten wir uns ungläubig an. Überhaupt nicht an solch zwielichtigen Affären gewöhnt, die seit Jahrhunderten einen wesentlicher Bestandteil des Himalaya-Königreiches darstellten, glaubten wir der Himmel bräche über uns zusammen. Das heilige Tibet benahm sich auf einmal gar nicht mehr so heilig.

    Lama Ole Nydahl schien als einziger die wahre Bedeutung zu erfassen. Irgend jemand, der sich hinter dieser Gruppe nepalesischer Händlern verbarg, versuchte die Karma-Kagyü-Linie zu spalten. Dieser Brief war nur der erste sichtbare Schuß. Das, was eigentlich auf dem Spiel stand und zwischen den Zeilen dieser Nachricht lauerte, war viel bedeutsamer als die Identität der Angreifer. Ihr Angriff traf die Linie mitten ins Herzen. Ihr heimliches Ziel, das bis zu diesem Zeitpunkt nur einem kleinen Kreis von Verschwörern bekannt war, war die Kontrolle über den nächsten Gyalwa Karmapa, den König der tibetischen Yogis.

    Als erster wiedergeborener Lama Tibets, war Karmapa einzigartig unter den vielen Inkarnationen, die sich im Land des Schnees manifestiert hatten. Er wurde von seinem Volk als Buddha verehrt und hatte die Herrschaft über den ganzen östlichen Teil des Landes. In einer ununterbrochenen Folge von mehr als 900 Jahren besaß jede seiner Inkarnationen die vollständige Mittel Buddhas, um mit dem Geist zu arbeiten und es war nicht ungewöhnlich, daß Karmapa vor seinem Tod Anweisungen über die Umstände seiner nächsten Wiedergeburt hinterließ. Diese schriftlichen, manchmal auch mündlichen Hinweise beschrieben mit erstaunlicher Genauigkeit die Umstände seiner zukünftigen Wiederkehr.

    Historisch gesehen spielten zwei notwendige Komponenten eine Rolle in dem heiklen Prozeß der Anerkennung des nächsten Karmapa: Die Taten der jungen Inkarnation und die Anweisungen, die sein Vorgänger hinterlassen hatte. Nachdem der 16. Karmapa 1981 gestorben war, glaubten also seine Schüler, daß auch er traditionsgemäß eine Reihe von Anweisungen hinterlassen hatte. Die brennende Frage nach seinem Tod war somit die Entdeckung seines spirituellen Testaments gewesen. Bei einem allgemeinen Kagyü-Treffen nach der Feuerbestattung im Jahre 1981 hatten seine engsten Schüler - vier hochgestellte Lamas - gemeinsam die verantwortungsvolle Aufgabe übernommen, den Vorhersagebrief ihres Lehrers und seine nächste Inkarnation zu finden.

    „Die Briefkampagne" aus Kathmandu kam für die Übertragungslinie zu einer sehr unsicheren Zeit. Elf Jahre waren seid dem Tod des 16. Karmapa vergangen und die 17. Inkarnation war nirgendwo in Sicht. Die vier Lamas, mit ihrer riesigen Pflicht betraut, schienen außerstande mit einer Lösung aufzuwarten. Die lange Wartezeit begann ihren Tribut zu fordern. Eine Anzahl politisch orientierter Gruppen tauchte in der buddhistischen Szene im Osten auf. Sie übertrafen sich gegenseitig in der Verbreitung absurder Gerüchte und beteiligten sich an einem Feldzug, der die Linienhalter zum Handeln nötigen sollte.

    Die „Derge Association war nur eine dieser vielen Gruppen. Was sie jedoch von den anderen unterschied, war der Versuch, einen von Karmapas früheren Schüler, Tai Situpa, den anderen drei Lamas vorzuziehen. In ihrem Brief, der in Umlauf gebracht worden war und in dem sie sich anmaßten, die Mehrheit der Kagyü-Praktizierenden zu vertreten, behaupteten sie unverblümt, daß nur die jeweilige Inkarnation des Tai Situ Rinpoche (*Fußnote: Rinpoche ist ein Ehrentitel, der soviel heißt wie Kostbarer" und der oft an buddhistische Meister verliehen wird) das historische Recht gehabt hätte, den nachfolgenden Karmapa anzuerkennen. Sie baten Tai Situ eindringlich, sofort von seinem einzigartigen Recht Gebrauch zu machen. Diese Forderung war ein abrupter Abschied von alten Gewohnheiten. In der Vergangenheit war es immer jene Person mit der größten geistigen Verwirklichung, die über ihre Träume und Visionen sprechen würde, um so den heiklen Prozeß, einen wiedergeborenen Tulku zu finden, zu unterstützen. Kein Lama hatte das alleinige Recht, Inkarnationen zu identifizieren und schon gar nicht die aufeinanderfolgenden Karmapas zu finden, die sich letzten Endes immer durch ihre Taten zu erkennen gaben.

    Nun plante jedenfalls irgendwer eine Revolte. Eine größere Auseinandersetzung innerhalb der Linie stand bevor. Man bezeichnete Tai Situ als den einzigen, der berechtigt sei, den jungen Karmapa zu identifizieren, während seine drei Kameraden als Verhinderer bezeichnet wurden, die das ganze Vorhaben blockieren wollten. Zum ersten Mal seit sie der Öffentlichkeit im Osten solche Überlegungen einzutrichtern versuchten, dehnten die Kaufleute aus dem Kathmandu-Tal ihren Aktionsradius jetzt auch nach Westen aus. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel schlug ihre Nachricht in der Szene der europäischen Buddhisten ein.

    Während wir regungslos Sys Worten lauschten und versuchten ihren Ausführungen zu folgen, schätzte Lama Ole ruhig die Situation mit den Worten ein: „Das bedeutet Krieg". Wir sollten während der nächsten zwei Jahre noch herausfinden, wie treffend seine Worte waren. An diesem Morgen des 17. März 1992 fielen die ersten Schüsse im Karma-Kagyü-Krieg. Ole erkannte dies mit seinem militärischen Instinkt sofort. Von da an eskalierte die Situation zusehends. Ein harter, kompromißloser Kampf sollte sich entfalten. Die Protagonisten, hochrangige und angesehene tibetische Lamas, verstrickten sich in Auseinandersetzungen und Schlammschlachten, die eher zu ehrgeizigen Politikern als zu religiösen Lehrern gepaßt hätten. Der kommende Konflikt sollte die Reife und Entschlossenheit Tausender buddhistischer Praktizierender auf der ganzen Welt prüfen. Er sollte die Landschaft des tibetischen Buddhismus im Westen verändern. Die Auswirkungen auf den Osten sind noch gar nicht voll abzuschätzen.

    Als sich die Situation zuspitzte und - wie wir in diesem Buch erfahren werden - als sich die überschlagenden Ereignisse fast zur Übernahme der Kagyü-Linie durch das kommunistische China geführt hätten, beschäftigte uns alle eine brennende Frage: Wie konnte das nur passieren? Wie konnte eine Gruppe hochentwickelter Wesen, an der spirituellen Spitze einer Linie, Angelegenheiten, die das Wohlergehen und Wachstum ihrer Schüler betrafen, in solch einen unordentlichen Zustand bringen?

    Heute, nach Jahren sorgfältiger Auswertung der Ereignisse, liegt die Antwort klarer auf der Hand, als wir das ursprünglich dachten. So seltsam es auch für moderne westliche Ohren klingen mag: die gegenwärtige Loyalität, die Rivalitäten und Feindseligkeiten der Lamas im Himalaya haben direkte Verbindung mit dem, was in Tibet und auch in China vor mehreren hundert Jahren geschah. Die Tibeter sind, wie alle Menschen - die hohen Lehrer mit eingeschlossen - ein Produkt der sozialen und politischen Bedingungen, in welche sie hineingeboren wurden. Ihre Handlungen und Geistesgewohnheiten sind in großem Maße von früheren Erlebnissen bestimmt. Um nun die Gründe und die Vielfalt ihrer Probleme zu erkennen, muß man in die Geschichte Tibets eintauchen. Diese besondere Geschichte beginnt Mitte des 18. Jahrhunderts in den dunklen Gängen des majestätischen Potala Palastes in Lhasa - Residenz der Dalai Lamas. Sie führt uns durch eine Reihe von Ereignissen hin zu den heutigen tibetischen Lagern und Klöstern im Himalaya und auch zu den modernen tibetischen Zentren im Westen.

    Als 1959 die ehrwürdigen Rinpoches, Lamas und Mönche Tibet verlassen mußten und zuerst nach Indien und dann in den Westen kamen, waren sie vom Feudalismus geprägt. Sich brachten nicht nur die gesammelten Werke Buddhas mit - die kraftvollsten Mittel, um mit dem Geist zu arbeiten - sondern auch ihre eigenen Probleme. Deswegen liegt der Schlüssel zum Verständnis ihres bisweilen recht eigenartigen Verhaltens im Westen, in der Geschichte Tibets, eines bis zur chinesischen Invasion hermetisch abgeschlossenen Landes. Es ist das Land des Schnees längst vergangener Tage, sagenumwoben und eingehüllt in Mythen und Halbwahrheiten, das die Hintergründe des gegenwärtigen Dramas im tibetischen Buddhismus erhellen kann.

    Dieses Buch versucht weder eine radikale Lösung zu bieten, noch hat es zum Ziel „keinen Stein auf dem anderen zu lassen. Es ist der persönliche Erlebnisbericht eines Menschen, der Zeuge dieser Krise war, ein chronologischer Bericht über den Zeitraum von zwei Jahren, in denen das „Kagyü-Haus beinahe unter die Kontrolle des kommunistischen Chinas geraten wäre. Der Leser kann, bei genauerer Betrachtung der ungewöhnlichen Vorkommnisse, nach und nach Einblick in die Motive dieser Auseinandersetzung erlangen. Wenn man diese dann mit den alten sozialen Strukturen Tibets vergleicht, wird man zu einer etwas objektiveren Bewertung der Hauptcharaktere in dieser Verschwörung gelangen und sich darüber bewußt werden, daß es gefährlich ist, auf solche Charaktere blind hereinzufallen. Lassen wir Fakten für sich selbst sprechen und folgen wir der Geschichte und dem Menschenverstand. Möge die Vergangenheit die Rätsel der Gegenwart enthüllen und als Lektion für die Zukunft dienen.

    KAPITEL 1

    Das Königreich

    Über Jahrhunderte war Isolation das bestimmende Merkmal Tibets. Die geographische Unzugänglichkeit des Landes und das echte Bedürfnis seiner Bewohner nach wenig Kontakt schufen ideale Voraussetzungen für diese Abgeschlossenheit. Als die siegreichen chinesischen Dynastien die Souveränität über ihre fernen Nachbarn beanspruchten und Lhasa unterwerfen und zur Anerkennung ihrer reizenden Oberherrschaft zwingen wollten, gaben die Tibeter nicht klein bei. Ungeachtet Pekings gewaltsamen Vorgehens gelang es dem Bergland, weiterhin ungestört und von der Außenwelt vergessen zu existieren. Die wilden Mongolenhorden, die Mitte des 17. Jahrhunderts große Teile des Landes zerstört hatten, waren eher ein Werkzeug in den Händen einer politischen Fraktion gewesen, um deren Rivalen zu unterwerfen, als ein tatsächlicher Aggressor von außen - ein Werkzeug, das zwar außer Kontrolle geraten war, aber trotzdem nicht mehr war als ein Werkzeug, das Politiker in ihrem Kampf um Macht eingeführt hatten. So waren im Verlauf der Geschichte Tibets Eindringlinge ein ungewohnter Anblick und das Land blieb bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts so abgeschlossen, wie es zur Zeit war, als um das Jahr 750 der Buddhismus zum ersten mal Einzug in das Himalaya-Königreich hielt. Wegen dieser Abgeschlossenheit war es den Tibetern möglich gewesen, über ein Jahrtausend lang das zu bewahren, was tausend Jahre zuvor mehrere moslemische Invasionen in Nordindien äußerst gewissenhaft zerstört hatten: Die vollständigen Belehrungen Buddhas.

    Die ersten Kontakte mit dem Westen entstanden im 19. Jahrhundert, als das russische und das britische Reich, im gegenseitig Mißtrauen, um Einfluß in dieser entlegenen Gegend wetteiferten. Europäische Forscher brachten Geschichten von mysteriösen religiösen Systemen, heiligen Lamas und riesigen Klöstern mit nach Hause. Englische Soldaten wußten weit weniger Wunderbares zu berichten. Colonel Younghusband, der 1904 eine Expedition anführte um Lhasa zu erobern, löschte mit einer Handvoll seiner Männer fast die ganze tibetische Regierungsarmee aus. Die militärische Macht der Tibeter blieb eindeutig hinter ihrer spirituellen Kraft zurück.

    Nach dieser ersten Kontaktaufnahme nahm sich sofort ein Durcheinander von Spiritualisten, Theosophen und dergleichen des Königreiches an. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die europäische Öffentlichkeit mit exotischen Berichten von fliegenden Yogis überschüttet und mußte Abhandlungen über undurchsichtige spirituelle Lehrer verdauen, die ihren Ursprung angeblich im Land des Schnees hatten. Die Erzählungen, die die Runde machten beflügelten zwar die Phantasie der Leser, hatten aber wenig mit den wirklichen Schätzen zu tun, die Tibet hütete. Als Quelle des Mystischen ausgebeutet, wurde das Land bald zu einem Synonym für alles Übernatürliche.

    Ungefähr zur selben Zeit gelang einer Anzahl anerkannter Orientalisten aus Skandinavien und dem kaiserlichen Rußland der Weg in die verbotene Stadt Lhasa. Sie trafen auf eine reiche, von einem einzigartigen religiösen System unterstützte Kultur. Zum ersten Mal kam der Westen mit Buddhas vollständigen Methoden um mit dem Geist zu arbeiten in Berührung. Die Entdeckung der Wissenschaftler blieb jedoch die exklusive Domäne von Elite-Universitäten und ihre Forschungen wagten sich nicht über den Bereich intellektueller und wissenschaftlicher Spekulation hinaus. Auf einen größeren und praktischeren Einfluß der Lehre mußte Europa noch weitere fünf Jahrzehnte warten. Erst 1959, als die Tibeter von den kommunistischen Barbaren brutal aus ihrer heilen Welt gerissen wurden, wurde ein echter und dauerhafter Kontakt mit ihrer Kultur möglich.

    Während der späten Sechziger kam die Zeit für den Durchbruch. Zwei Westler erschlossen Neuland: es waren Hannah und Ole Nydahl, die begierig darauf waren, sich der buddhistischen Lehren anzunehmen und diese im Westen einzuführen. Die Verbindung, die sie knüpften, führte geradewegs an die allerhöchste Spitze der tibetischen Hierarchie.

    Im Dezember 1969 hielt der 16. Gyalwa Karmapa, Oberhaupt der Karma-Kagyü-Schule des tibetischen Buddhismus, Einzug in Kathmandu, gerade als Hannah und Ole aus Dänemark kommend in der Stadt eintrafen. Die jungen Idealisten befanden sich auf ihrer dritten Reise in die nepalesische Hauptstadt, um von dort „Substanzen mit nach Hause zu nehmen, die das Bewußtsein der Menschheit verändern konnten. Sie führten eine Gruppe skandinavischer Avantgardekünstler und -rebellen an und waren zutiefst davon überzeugt, daß Drogen jedermanns „Pforten der Wahrnehmung öffnen und der Menschheit eine letztendliche Wahrheit zeigen könnten. Gerade erst in Kathmandu angekommen, zog sie ein inneres Rufen auf die Spitze des majestätischen Swayambhu-Berges, eben als Karmapa im Begriff war, eine Zeremonie auszuführen. Später würden sie selbst erzählen, wie in dem Augenblick während der Zeremonie, als Karmapa seine Hände auf ihre Köpfe legte, alles in Licht explodierte. Der Lama wurde groß wie tausend Sonnen und augenblicklich wußten sie, daß ihre Suche abgeschlossen war.

    Diese ungewöhnliche Begegnung war der Anlaß einer intensiven Lehrzeit im östlichen Himalaya. Als erste westliche Schüler Karmapas wurden Hannah und Ole in die Belehrungen und einzigartigen Praktiken des tibetischen Buddhismus eingeführt. (*FN: Lama Ole Nydahl „Die Buddhas vom Dach der Welt" + Verlag etc.) Sie waren auf dem besten Weg, ihre Vision aus den sechziger Jahren zu verwirklichen. Später würde Ole, inzwischen selbst ein Lama, daran gehen, mehr als zweihundert buddhistische Kagyü Zentren auf der ganzen Welt zu gründen. Mit Hannah und anderen Begleitern an seiner Seite würde er pausenlos von Zentrum zu Zentrum reisen und so die große Weisheit des Buddhismus in den Westen bringen. Die treibende Kraft hinter der Verwirklichung dieses Traums war die Hingabe zu Karmapa, eine Hingabe, die sich anfänglich auf alles Tibetische erstreckte. Jeder, der aus dem Land des Schnees stammte, wurde als hochspirituell verehrt, jeden Tibeter hielt man für einen verwirklichten Yogi und jeder Glatzkopf in Roben war sowieso halb erleuchtet. Es war genau diese reine Sicht, die mithalf, den idealistischen Westen mit der Idee zu inspirieren, das Shangri-La - das Objekt der Begierde der sechziger Generation - wäre in Reichweite.

    Andere, die in den folgenden Jahren auf den tibetischen Zug aufsprangen, nährten die heiligen Visionen mit noch größerem Enthusiasmus und wesentlich weniger Kritikfähigkeit. Was ihnen an Wissen und wirklicher Übertragung fehlte, versuchten sie durch Eifer wettzumachen. Besonders das alte Tibet wurde als eine Art Himmel auf Erden verehrt. Alles aus der Zeit vor der chinesischen Invasion, was einen tibetischen Stempel trug, wurde hingebungsvoll vergöttert und idealisiert. Es war eine edle Antwort auf die kommunistischen Greueltaten und die hysterische chinesische Propaganda, die das eroberte Land als eine feudale, rückständige und tyrannische Gesellschaft beschrieb. Daraus ergab es sich, daß die Vorstellung, alles Tibetische sei heilig, zum gemeinsamen Tenor der ersten Generation tibetischer Buddhisten im Westen wurde. Diese vielversprechenden jungen Leute nahmen sich des tibetischen Buddhismus genauso wie des Landes Tibet an. Niemand wollte sich auf die Seite der kommunistischen Aggressoren stellen und die Tibeter erfuhren zur Abwechslung einmal die überwältigende Aufmerksamkeit der westlichen Idealisten, nachdem sie in einer Zeit der Not die Nichtbeachtung durch Politiker der ganzen Welt erlebt hatten.

    Nach Jahrzehnten offizieller Gleichgültigkeit sahen schließlich die Verfechter der tibetischen Sache ihren Kampf gerechtfertigt. Als der Dalai Lama 1989 den Friedensnobelpreis gewann, nahmen sich die westlichen Massenmedien Tibets an und brachten die Schrecken der chinesischen Invasion ans Tageslicht. Berühmtheiten scharten sich um den selbst zu einer Berühmtheit geworden Dalai Lama, der daraufhin begann, in seiner halboffiziellen Funktion als Führer Tibets die Welt zu bereisen. Zur selben Zeit ließen die Verfechter eines freien Tibets, die durch diese Entwicklung Oberwasser bekamen, den unkritischen Glauben an das heilige Himalaya-Königreich ungehindert wachsen.

    Unterschied sich dieses harmonische Bild sehr von der Wirklichkeit? War das alte Tibet tatsächlich eine Nation von Wahrheitssuchenden und frommen Männern, die nur im Sinn hatten, ihre Lamas und Klöster zu unterstützen? War es wirklich ein Land, wo Milch und Honig flossen, dessen Menschen friedlich miteinander lebten und sich streng an die edlen buddhistischen Richtlinien hielten? Historische Tatsachen sprechen gegen diese himmlische Vorstellung. Tibet war, trotz der Aura von Mystik die seine Geschichte umgab, ein feudalistisches Land, vielleicht menschlicher und sicherlich glücklicher als andere feudale Gesellschaften, aber auf keinen Fall ein idyllischer Ort.

    Die Landschaft des alten Tibets war von Kriegen, politischen Intrigen und blutigen Fehden übersät. Jahrhunderte lang übten zwei alte buddhistische „Rotmützen-Schulen (*FN: Die dritte Schule ist die Nyingmapa), die Sakya und die Kagyü, abwechselnd unumstritten die Macht über das Land aus. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts trat eine neue Macht in Erscheinung und begann, den politischen Status quo zu bedrohen: die Gelugpas oder „Die Tugendhaften, ein reformierter buddhistischer Orden der „Gelbmützen", der um das Jahr 1410 n.Chr. von einem Schüler des 4. Karmapa gegründet worden war. Unter der Führung des mächtigen 5. Dalai Lamas und seiner verantwortlichen Minister, luden die Gelugs im Jahre 1638 den mongolischen Kriegsherren Gushri Kahn nach Tibet ein. Sie wollten dadurch die Macht der Kagyüs brechen, die Regierung übernehmen und sich ihren Einfluß über Kham im Osten und das aufständische Tsang im Süden des Landes sichern. Den Mongolenhorden wurde freie Hand gewährt und so machten sie eine große Anzahl von Nyingma Klöstern entweder dem Erdboden gleich oder konvertierten sie zur Gelug-Schule. Der 10. Karmapa mußte fliehen und sich in ein zehnjähriges Exil begeben, nachdem sein Lager von einer Armee angegriffen worden war, die unter dem Befehl eines Ministers des Dalai Lama stand. Die Schule der Tugendhaften setzte ihre Vorherrschaft mit Feuer und Schwert durch.

    Die äußerst zersplitterte politische Szene wurde daraufhin in zwei Hauptgruppen unterteilt. Die erste Gruppe, die den Gelugs sehr nahestand, umfaßte sowohl Zentral- als auch Süd- und Westtibet und stellte das Einflußgebiet der Regierung in Lhasa dar. Die zweite, eine lose Anhäufung von Königreichen, mit jeweils einem eigenen Anführer am Steuerruder, breitete sich über Osttibet aus. Sie hielt nicht nur ihre Unabhängigkeit von der Hauptstadt mit allen Mitteln aufrecht, sondern auch ihre Ergebenheit gegenüber den Kagyüs und den Nyingmapas, die dritte alte Buddhistische Schule der „Rotmützen".

    Die von den Gelugs dominierte Zentralregierung gab sich größte Mühe, die freigeistigen Khampas von Osttibet unter die direkte Autorität Lhasas zu stellen und sie auf diesem Wege zum Gelbmützen-Orden zu bekehren. Die Gelugpa-Hierarchie setzte alle Hebel in Bewegung, um dieses Ziel zu erreichen und hinterließen ein Erbe an Verrat, Einschüchterung und Eroberung.

    Nachdem sie sich mit den Mongolen verbündet und den Kagyü-Herrscher besiegt hatte, zwang die Verwaltung des Dalai Lamas den anderen drei buddhistischen Schulen strikte Kontrollen auf. Karmapa und die Kagyüs wurden zur Zielscheibe strenger Gesetzen und diskriminierender Steuern. Bis auf eine kleine Anzahl wurden alle Kagyü-Klöster in der Nähe von Lhasa zur Gelugpa-Tradition bekehrt. Zwei verschlüsselte Direktiven „Setze den Stern unter Druck! und „Melke das weibliche Yak! wurden in die Landesgesetze eingefügt und oft in offiziellen Erlässen beschworen. Es war ein gut gehütetes Geheimnis, von einem Minister an dessen Nachfolger weitergereicht, daß der rätselhafte „Stern" in Wahrheit Karmapa

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1