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Erziehung des Herzens: Buddhistisches Geistestraining als Weg zu Liebe und Mitgefühl
Erziehung des Herzens: Buddhistisches Geistestraining als Weg zu Liebe und Mitgefühl
Erziehung des Herzens: Buddhistisches Geistestraining als Weg zu Liebe und Mitgefühl
eBook257 Seiten4 Stunden

Erziehung des Herzens: Buddhistisches Geistestraining als Weg zu Liebe und Mitgefühl

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Über dieses E-Book

59 herausfordernde Losungen stehen im Mittelpunkt dieses Buches - Losungen, die seit acht Jahrhunderten von tibetischen Lehrern in der Unterweisung von Meditationsschülern genutzt werden. Den Schülern dienen sie - noch heute - vor allem als Erinnerungshilfe und als Fokus: Auf die wichtigen Prinzipien und Praktiken der buddhistischen Geistesschulung.

Achtung! Die Nutzung dieses Buches könnte Ihrem Ego gefährlich werden, denn die Anleitungen in diesem Buch zielen darauf, Liebe und Mitgefühl gegenüber anderen zu kultivieren.

Chögyam Trungpa versteht es, uns die alten Überlieferungen und grundlegenden Unterweisungen in einer zeitgemäßen und lebendigen Form nahe zu bringen. Uns sagen diesen Unterweisungen heute vor allem eines: "Begegne den alltäglichen Situationen des Lebens mit Intelligenz und Mitgefühl!"

Stimmen zum Buch:
"Auch Menschen, die nicht mit der Meditationspraxis vertraut sind, bekommen durch die Lojong-Lehren die Möglichkeit, ihr Verhalten grundlegend zu verändern. Sie können sich mitfühlend mit allem auseinandersetzen, was sie normalerweise gern verdrängen, und sie werden erfahren, was es heißt, wirklich zu lieben."

Pema Chödrön
SpracheDeutsch
HerausgeberArbor Verlag
Erscheinungsdatum28. Dez. 2018
ISBN9783867812542
Erziehung des Herzens: Buddhistisches Geistestraining als Weg zu Liebe und Mitgefühl

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    Buchvorschau

    Erziehung des Herzens - Chögyam Trungpa

    Vorwort der Herausgeberin

    Dieses Buch enthält den Wurzeltext der Sieben Punkte der Geisteserziehung von Chekawa Yeshe Dorje, ins Englische übersetzt vom Nalanda-Übersetzungskomitee, mit einem Kommentar, der auf den mündlichen Unterweisungen Trungpa Rinpoches basiert. Trungpa Rinpoche bezog sich dabei vor allem auf den Kommentar von Jamgon Kongtrul dem Großen mit dem tibetischen Titel Changchub Shunglam (Der grundlegende Pfad zur Erleuchtung); dieser Text gehört zu einer Sammlung der wichtigsten Lehren des tibetischen Buddhismus, Die fünf Schätze, die Jamgon Kongtrul zusammenstellte. (Trungpa Rinpoches eigener Lehrer, Jamgon Kongtrul von Sechen, war eine Inkarnation dieses führenden spirituellen Lehrers des 19. Jahrhunderts.)

    Die sieben Punkte der Geisteserziehung werden dem großen indischen buddhistischen Lehrer Atisha Dipankara Shrijnana zugeschrieben, der 982 als Mitglied des Königshauses von Bengalen geboren wurde. Deshalb wird diese Liste von Sprüchen, die Chekawa zusammengestellt hat, oft auch als „Atishas Slogans" bezeichnet. Nachdem Atisha schon als Jugendlicher dem Leben im Königspalast entsagt hatte, studierte und praktizierte er hingebungsvoll den Dharma, zuerst in Indien und später auf Sumatra. Sein wichtigster Lehrer war Dharmakirti (in Tibet auch Serlingpa genannt) und von diesem erhielt er die wichtigsten Unterweisungen über Bodhicitta und die Geisteserziehung. Zurückgekehrt nach Indien, machte er sich daran, diese in Vergessenheit geratenen Lehren wieder zu etablieren, und nahm einen Lehrstuhl an der berühmten Klosteruniversität Vikramashila an. Er wurde eingeladen, die Lehren über die Geisteserziehung nach Tibet zu bringen, und er verbrachte dort dreizehn Jahre, bis er 1054 starb. Sein engster tibetischer Schüler, Dromtönpa, an den er den Schatz seines Wissens und seiner Weisheit weitergegeben hatte, begründete die Kadam-Linie des tibetischen Buddhismus.¹

    Zunächst wurden Atishas Slogans geheim gehalten und nur an die nahesten Schüler weitergegeben. Die erste Niederschrift erfolgte durch den Kadampa-Lehrer Lang-ri Thangpa (1054 – 1123). Weitere Verbreitung fanden sie, nachdem Geshe Chekawa Yeshe Dorje (1101 – 1175) sie im Wurzeltext der Sieben Punkte der Geisteserziehung zusammengefasst hatte. Geshe Chekawa traf bei seinen Lehrreisen auf viele Leprakranke und vermittelte ihnen die Geisteserziehung, und es heißt, dass mehrere von ihnen dadurch von ihrer Krankheit geheilt wurden. Aus diesem Grund nannten die Tibeter seine Lehren manchmal „den Dharma für die Lepra". Als Chekawa feststellte, dass diese Lehren sogar seinem aufsässigen Bruder, der kein Interesse am Dharma hatte, gut zu tun schienen, kam er zu der Überzeugung, dass eine weitere Verbreitung angemessen sei. Das führte dazu, dass Atishas Geisteserziehung seit vielen Jahrhunderten bis zum heutigen Tag in allen wichtigen Linien des tibetischen Buddhismus praktiziert wird.²

    Der Wurzeltext der Sieben Punkte der Geisteserziehung ist eine Liste von neunundfünfzig Slogans, die eine grundlegende Zusammenfassung der Sicht und der praktischen Anwendung des Mahayana-Buddhismus beinhalten. Das Studium und die Praxis dieser Slogans bieten uns auf sehr praktische und direkte Weise die Möglichkeit, unser Festhalten am Ego zu lösen und Sanftheit und Mitgefühl zu entwickeln. Sie geben uns eine Methode an die Hand, um unseren Geist zu erziehen, indem wir sowohl die formale Meditationspraxis als auch das alltägliche Geschehen als Mittel zum Erwachen verwenden.

    Dieser Band basiert nicht, wie viele andere der Dharma-Ocean-Serie, auf einem einzigen Seminar, sondern ist eine Zusammenstellung von Unterweisungen und Bemerkungen aus einem Zeitraum von vielen Jahren. Trungpa Rinpoche präsentierte die Mahayana-Lehren der Kadampa-Slogans erstmals 1975 während des dritten jährlichen Vajradhatu-Seminars, einem der dreizehn dreimonatigen Kursen für Fortgeschrittene, die er zwischen 1973 und 1986 hielt. In den darauf folgenden Seminaren führte er dann die Theorie und Praxis der Geisteserziehung weiter aus.

    Die Geisteserziehung oder Slogan-Praxis hat zwei Aspekte: die Praxis der Meditation und die Praxis der Nachmeditation. Im Tibetischen nennt man die entsprechende Meditationspraxis Tonglen oder „Senden und Empfangen, in Anlehnung an den siebten Slogan: „Das Senden und Empfangen sollte abwechselnd praktiziert werden / Diese beiden sollten auf dem Atem reiten. Trungpa Rinpoche unterwies seine Schüler im Seminar von 1979 in der Praxis des Tonglen und empfahl ihnen, sie in ihre tägliche Meditation miteinzubeziehen. Er legte ihnen aber auch die Nachmeditation ans Herz, die darin besteht, jeden Aspekt des Lebens durch die Anwendung der Slogans mit der meditativen Disziplin zu verbinden.

    In der Arbeit mit seinen Schülern legte Trungpa Rinpoche großen Wert auf die Praxis des formlosen Meditation – der Entwicklung von Achtsamkeit und Gewahrsein – als Grundlage. Zunächst vermittelte er die Tonglen-Praxis nur erfahrenen Schülern, die sich bereits ausgiebig mit der Sitzmeditation und dem Studium der buddhistischen Lehren befasst hatten. Wenn die Theorie und Praxis der Geisteserziehung in solch einem Kontext präsentiert werden, ist die Gefahr geringer, dass diese Lehren als moralisch oder als Konzept interpretiert werden.

    Später führte man die Tonglen-Praxis im Rahmen der Zeremonie des Bodhisattva-Gelübdes ein – einer formalen Absichtserklärung, sein Leben dem Wohlergehen anderer zu widmen. Nach und nach wurde die Tonglen-Praxis dann in unterschiedlichem Zusammenhang präsentiert. Im Naropa Institute, einer buddhistisch inspirierten Universität in Boulder, Colorado, gehört die Tonglen-Schulung zum Lehrplan der klinischen Psychologie. Auch im Rahmen der Buddhismus-Christentum-Dialoge, die das Naropa Institute veranstaltet, wurde diese Praxis vorgestellt. Teilnehmer an einmonatigen Meditationskursen (tibetisch: dhatün) erhalten heute eine reguläre Einführung in die Tonglen-Praxis, und wer sich noch intensiver damit befassen will, kann an einem speziellen Tonglen-Dathün teilnehmen. Tonglen ist zudem Teil einer Meditation für die Kranken, die jeden Monat einmal praktiziert wird, und man verwendet sie auch innerhalb der Vajradhatu-Bestattungszeremonien.

    Mit Hilfe der „Slogan-Praxis", wie wir sie hier nennen wollen, erkennen wir, dass unsere Selbstbezogenheit eine gewohnheitsmäßige Tendenz ist und sich selbst in den winzigsten Gedanken und Handlungen manifestiert. Diese Tendenz sitzt tief und beeinflusst all unser Tun, selbst unser so genanntes wohlmeinendes Verhalten. Die Praxis des Tonglen verkehrt dieses Gewohnheitsmuster in ihr Gegenteil; sie basiert darauf, dass man das Wohl anderer vor das eigene stellt. Angefangen bei unseren Freunden, dehnen wir unseren Bereich der Wachheit auf unsere Bekannten und schließlich bis auf unsere Feinde aus, denn wir wollen andere akzeptieren und von Nutzen für sie sein. Das tun wir nicht deshalb, weil wir Märtyrer sein wollen oder unsere eigenen Bedürfnisse unterdrücken, sondern weil wir begonnen haben, uns selbst und unsere Welt zu akzeptieren. Die Slogan-Praxis öffnet ein größeres Feld der Sanftheit und der Kraft, sodass unser Verhalten und Handeln von Wertschätzung bestimmt wird anstatt vom ständigen Kreislauf von Hoffnung und Furcht.

    Es verlangt beträchtlichen Mut, sich mit diesem grundlegenden Kontrast von Altruismus und Ichbezogenheit zu konfrontieren, denn das führt direkt zum Kern des spirituellen Pfades und lässt keinen Raum für auch nur die kleinste Selbsttäuschung oder die Spur des Selbstbetrugs. Es ist eine sehr pragmatische, realistische Praxis.

    Besonders wirkungsvoll ist Tonglen im Umgang mit Schmerz und Verlust, wenn es um Krankheit oder Tod geht. Sei es bei uns selbst oder bei anderen, Tonglen hilft die Geisteshaltung des Kämpfens und der Abwehr gegenüber solchen Erfahrungen zu überwinden und einfacher und direkter mit ihnen umzugehen.

    In der formalen Tonglen-Praxis ist – ebenso wie in der Achtsamkeits-Gewahrseins-Praxis – der Atem miteinbezogen. Am Anfang ist es sehr wichtig, zuerst mittels Achtsamkeits-Gewahrseins-Praxis die richtige Basis für Tonglen zu schaffen. Die Tonglen-Praxis selbst hat drei Stufen. Als Erstes lassen Sie den Geist eine oder zwei Sekunden lang im Zustand der Offenheit ruhen. Diese Stufe ist recht kurz; es ist ein Aufblitzen grundlegender Stille und Klarheit. Als Nächstes arbeiten Sie mit der Struktur der Befindlichkeit. Sie atmen eine Qualität von Hitze, Dunkelheit, Schwere und Enge ein; dann atmen Sie das Gefühl der Kühle, Helligkeit und Leichtigkeit, also ein Gefühl der Frische aus. Sie fühlen, wie diese Qualitäten herein- und hinausströmen, nicht nur durch die Nase, sondern durch alle Poren. Sobald Sie auf diese Weise ein allgemeines Tonglen-Gefühl entwikkelt haben, beginnen Sie mit den geistigen Inhalten zu arbeiten. Taucht eine Erfahrung auf, die unerfreulich ist, atmen Sie diese ein, und erfreuliche Erfahrungen atmen Sie aus. Befassen Sie sich zuerst mit Ihrer aktuellen Erfahrung und beziehen Sie dann auch die Menschen und andere Wesen in Ihrem Umfeld mit ein, die ebenso leiden wie Sie selbst. Wenn Sie zum Beispiel das Gefühl von Unzulänglichkeit haben, atmen Sie dieses Gefühl ein; das Gefühl der Kompetenz und Tüchtigkeit hingegen atmen Sie aus. Dann weiten Sie diese Praxis über Ihre persönlichen Belange hinaus auf andere aus; verbinden Sie die Übung mit all den schmerzlichen Gefühlen, die Sie in Ihrer unmittelbaren Umgebung wahrnehmen, und schließlich mit dem Leiden der ganzen Welt. Es geht in dieser Praxis in erster Linie darum, dass Sie Ihr Herz öffnen – dass Sie mit ganzem Herzen annehmen und mit ganzem Herzen loslassen. Im Tongeln wird nichts zurückgewiesen; alles, was auftaucht, ist Treibstoff für die Praxis.

    Trungpa Rinpoche betonte die Bedeutung der mündlichen Tradition, in der die Übungen persönlich und direkt von Lehrer zu Schüler weitergegeben werden. Auf diese Weise haben die Schüler an einer ungebrochenen Weisheitstradition teil, die viele Generationen bis zur Zeit des Buddha selbst zurückreicht. Die essentielle, lebendige Qualität der Praxis, die vermittelt wird, ist zutiefst menschlich und lässt sich nicht einfach aus Büchern entnehmen. Deshalb wird empfohlen, dass sich jeder, der oder die sich auf die formale Praxis des „Sendens und Empfangens" einlassen möchte, nach Möglichkeit mit einem erfahrenen Praktizierenden in Verbindung setzt, mit ihm oder ihr die Praxis bespricht und sich eine formale Einweisung geben lässt.

    Die Praxis der Nachmeditation basiert darauf, dass man sich mitten im Alltag spontan an den jeweils zutreffen Slogan erinnert. Damit ist jedoch nicht gemeint, dass man sich angestrengt darum bemühen soll, in Übereinstimmung mit den Slogans zu handeln; vielmehr löst das Studium dieser traditionellen Aphorismen ein spontanes Erinnern aus. Wenn man diese sieben Punkte der Geisteserziehung durcharbeitet und die Slogans auswendig lernt, stellt man fest, dass sie ganz mühelos immer wieder im Geist auftauchen. Sie verfolgen einen geradezu und dieses wiederholte Erinnern führt nach und nach zu einem feineren Verständnis dessen, was liebevolle Zuwendung und Mitgefühl wirklich bedeuten.

    Jeder Versuch, die Slogans als Krücke zu verwenden, um eine bestimmte moralische Anschauung zu unterstützen, wird durch sie selbst unterminiert. Sie haben nur insofern mit moralischem Verhalten zu tun, als sie Hindernisse in Form von Engstirnigkeit, Angst und Festhalten am Ich beseitigen, sodass unser Handeln nicht von Egozentrik, Projektionen und Erwartungen belastet ist. Die Slogans sollen „praktiziert" werden. Das heißt, man sollte sie durcharbeiten und auswendig lernen. Zugleich aber soll man sie auch loslassen. Sie sind lediglich konzeptuelle Werkzeuge, die den Weg zu einer Verwirklichung jenseits aller Konzepte weisen.

    Wie in den buddhistischen Lehren üblich, liegt ein gewisses spielerisches und ironisches Element in der Art Gewahrseins, den die Slogan-Praxis für uns öffnet. Diese Offenheit des Geistes ist die Grundlage für die Kultivierung des Mitgefühls.

    Die moralische Sicht der Dinge, wie sie in den Kadampa-Slogans präsentiert wird, hat Ähnlichkeit mit derjenigen in Shakespeares berühmtem Zitat: „Erbarmen kennt keine Mühe, es fallet vom Himmel wie der sanfte Regen." Da gibt es kein moralisches Schlachtfeld, auf dem wir das Böse vertreiben und für das Rechte kämpfen. Das traditionelle buddhistische Bild für Mitgefühl ist die Sonne, die wohltuend und unterschiedslos auf alles scheint. Es ist das Wesen der Sonne zu scheinen; sie muss sich nicht darum bemühen. Gleichermaßen ist Mitgefühl ein natürliches menschliches Verhalten, sobald die Schleier und Hindernisse beseitigt worden sind, welche die Manifestation von Mitgefühl behindern.

    Trungpa Rinpoche legte seinen Schülern nahe, Tonglen in ihre tägliche Meditationspraxis miteinzubeziehen und die Slogans auswendig zu lernen. Bei den Vajradhatu-Seminaren ließ er diverse Slogans in kalligraphischer Schrift gestalten und an allen möglichen Orten aufhängen. Man wusste nie, wo man einem Slogan begegnen würde. Zum Beispiel konnte man in der Küche auf den Slogan treffen: „Sei jedermann dankbar, oder an einem Baum hing die Aufforderung: „Schieb alle Schuld dir selbst zu.

    Man sollte die Slogans kontemplieren, einen nach dem anderen. Zu diesem Zweck empfahl Trungpa Rinpoche seinen Schülern, gedruckte Slogan-Karten als tägliche „Wachmacher" und Provokateure zu verwenden.

    Mögen uns diese Lehren in ihrer Bodenständigkeit und Einfachheit dazu inspirieren, liebevolle Zuwendung und Mitgefühl zu kultivieren und uns selbst und andere niemals aufzugeben. Mögen sie die Furchtlosigkeit in uns wachrufen, um den Klammergriff des Ego zu überwinden. Mögen sie uns befähigen, das in die Tat umzusetzen, was uns am meisten am Herzen liegt – allen Wesen auf dem Weg zum Erwachen von Nutzen zu sein.

    Einführung

    Die Mahayana-Tradition¹ führt uns dahin, Sanftheit uns selbst gegenüber zu empfinden, und daraus erwächst Freundlichkeit gegenüber anderen. Diese Freundlichkeit, dieses Mitgefühl nennt man im Tibetischen nyingje, wörtlich „edles Herz". Wir sind bereit, uns zur inneren Arbeit mit allen fühlenden Wesen zu verpflichten. Bevor wir uns jedoch voll und ganz auf dieses Projekt einlassen, brauchen wir eine gründliche Schulung.

    Was uns daran hindert, ein „Mahayanist" zu werden, ist der Umstand, dass wir nicht genügend Sympathie für andere und für uns selbst haben – das ist der Knackpunkt. Doch wir können dieses Problem durch ein praktisches Training bewältigen; dieses Training nennt man Lojong-Praxis, „den Geist erziehen". Es vermittelt uns einen Weg, eine Art und Weise, an unserem taktlosen oder pedantischen oder rohen oder mürrischen persönlichen Stil zu arbeiten, eine Methode, um gute Mahayanisten zu werden. Unwissende oder dumme Mahayana-Schüler haben manchmal die Tendenz, sich selbst zu glorifizieren; sie möchten gern spirituelle Lehrer und Führer werden. Nun, wir haben eine Technik oder Praxis, um dieses Problem zu überwinden. Diese Praxis ist die Entwicklung der Demut, die durch die Erziehung des Herzens und des Geistes angeregt wird.

    Nach der grundlegenden Mahayana-Anschauung geht es vor allem darum, alles, was man tut, zum Wohl anderer zu tun und eine Situation zu schaffen, die für andere hilfreich ist. Deshalb stellen wir uns darauf ein, unser Tun bereitwillig anderen zu widmen. Wenn Sie diese Haltung einnehmen, kommen Sie zu der Einsicht, dass andere wichtiger sind als Sie selbst. Mit diesen Drei zusammen – mit dieser Sicht des Mahayana, mit dieser Einstellung und mit der Erkenntnis, dass die anderen wichtiger sind – entwickelt man die Mahayana-Praxis der Geisteserziehung oder der Erziehung des Herzens.

    In der Hinayana-Disziplin geht es in erster Linie um das Zähmen des Geistes. Hier arbeiten wir an den verschiedenen Arten der Unachtsamkeit und werden dadurch immer sorgfältiger und präziser und unsere Disziplin gedeiht. Wenn wir dann durch die Praxis der Shamatha-Disziplin oder Achtsamkeitspraxis gründlich gezähmt sind und uns außerdem durch Vipashyana oder Gewahrsein darin geschult haben, den Lehren wirklich zuzuhören, beginnen wir, den Dharma auf umfassende Weise zu verstehen. Dann wächst ein echtes Verständnis dafür heran, wie wir in unserem speziellen gezähmten Zustand mit anderen umgehen können.

    Im Mahayana ist eher die Rede vom Erziehen des Geistes. Das ist der nächste Schritt. Der Geist ist bereits gezähmt und deshalb kann man ihn erziehen. Mit anderen Worten, wir haben es geschafft, unseren Geist durch die Praxis der Hinayana-Disziplin zu domestizieren, wie es den Prinzipien des Buddha-Dharma entspricht. Haben wir unseren Geist domestiziert, können wir weiteren Gebrauch von ihm machen. Das ist wie in der Geschichte von der wilden Kuh, die

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