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Liebe macht gesund: Die Heilkraft von salutogenen Beziehungen - essayistische Beiträge zu Liebe, Lust und Sexualität
Liebe macht gesund: Die Heilkraft von salutogenen Beziehungen - essayistische Beiträge zu Liebe, Lust und Sexualität
Liebe macht gesund: Die Heilkraft von salutogenen Beziehungen - essayistische Beiträge zu Liebe, Lust und Sexualität
eBook230 Seiten2 Stunden

Liebe macht gesund: Die Heilkraft von salutogenen Beziehungen - essayistische Beiträge zu Liebe, Lust und Sexualität

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Über dieses E-Book

Durch Single-Dasein, falsch verstandene Selbstverwirklichung und rasche Scheidungen ist vieles verlorengegangen, das nun schmerzlich fehlt: das respektvolle, „be-herzte“ Sich-Einlassen auf den anderen, das Ringen um eine lebendige und salutogene Beziehung, sexuelle Lust statt sexueller Irrwege, das Ernst-Nehmen der Hoch-Zeit und der Ehe, die Magie des gemeinsam zelebrierten Rituals.
Rotraud A. Perner geht in ihren Beiträgen auf all dies ein – mit höchster wissenschaftlicher Sachkenntnis und zugleich mit erfrischend persönlichen Bekenntnissen.
Man ahnt oder weiß es ohnehin und findet es hier belegt: Unter dem Modewort „Wellness“ subsumiert man vieles und vergisst oft etwas Wesentliches: Liebe macht gesund!

SpracheDeutsch
HerausgeberEdition Roesner
Erscheinungsdatum27. Mai 2019
ISBN9783903059603
Liebe macht gesund: Die Heilkraft von salutogenen Beziehungen - essayistische Beiträge zu Liebe, Lust und Sexualität

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    Buchvorschau

    Liebe macht gesund - Rotraud A. Perner

    Antigone

    Liebe

    Wozu noch lieben?

    Plädoyer für ein altmodisches Gefühl

    „Der Grund der Arznei ist die Liebe."Paracelsus

    Sie ist eine Art Wahnsinn, über welche die Philosophie keine Macht besitzt, eine Krankheit, die den Menschen in jeder Lebenszeit befallen kann und die unheilbar ist, wenn sie einen im Alter überfällt." Wer solcherart über die Liebe schrieb, war kein geringerer als Giacomo Casanova[1]. Aber welche Art von Liebe meinte er? Eros, Philia, Agape? Das leidenschaftliche sinnliche Begehren, die zärtlich verlässliche Verbundenheit in Freundschaft, das wertschätzende allumfassende Mitgefühl? Im Deutschen unterscheiden wir nicht die vielen Abstufungen der „Ausrichtung auf jemand – oder etwas – anderen. Dennoch erscheint vielen Liebe – abgesehen von vergänglichen Augenblicken der Beglückung und Befriedigung – eher als Quelle von Leid, denn von Freud ... So klagt auch Casanova an anderer Stelle, der Mensch werde „zum Sklaven, wenn er sich im Bann einer Leidenschaft zum Handeln verleiten lässt, und sinniert kurz darauf: „Der ist weise, der die Kraft hat, mit dem Handeln zu warten, bis die Ruhe bei ihm eingekehrt ist ..."[2], und möglicherweise sein Begehren erlischt ... Wozu also noch lieben? Wenn die Vermutung so nahe liegt, dass sogar dem legendären Verführer die Einigung von bedenkenloser Sinnlichkeit mit besinnlichem Nach- oder besser Vorausdenken nicht so recht zum Wohlbefinden geglückt ist, wie soll dieses weniger routinierten Liebhabern gelingen?

    Wohlbefinden – ein mehrdeutiges Wort. Es kann als objektive Bewertung verstanden werden – jemandem gefällt etwas oder jemand – oder als subjektive Einschätzung beispielsweise der eigenen Stimmungslage. So definiert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Gesundheit 1946 als „Zustand des völligen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur als „Abwesenheit von Krankheit[3] und geht damit von einem rein auf den Körper bezogenen Gesundheitsverständnis ab und hin zu einem „ganz­heitlichen: Der Mensch als Leibseelegeisteinheit gesehen befindet sich immer „in Beziehung zu anderem (und hoffentlich auch zu sich selbst!), reagiert daher auf jegliche „Information (im kybernetischen Sinn). Wie seine jeweilige Reaktion – Verarbeitung – ausfällt, hängt nicht nur von seiner physischen Konstitution ab, sondern viel mehr von dem, was er „erlernt hat, also

    von seinen Bezugspersonen – oder medialen Vor-Bildern – abgeschaut,

    durch „erzieherische" Konditionierung anerzogen oder

    durch gezielte Werbung suggeriert bekommen hat, oder sich

    durch „Versuch und Irrtum" erarbeitet und vielleicht sogar

    durch bewusste Denkprozesse konstruiert hat.

    Unsere Beziehungen der frühesten Kindheit prägen uns: Ob wir vertrauensvoll, misstrauisch oder resignativ abwehrend auf andere/s zugehen, geduldig auf Verbesserungen warten können oder ungeduldig mit Zorn und Gewalt auf Versagens­­erlebnisse reagieren, ob wir andere – insbesondere des anderen, aber leider auch des eigenen Geschlechts oder einer anderen geschlechtlichen Orientierung – respektieren oder missachten, ja sogar verachten, fürchten, bewundern oder gar lieben – das alles nehmen wir von Anfang an aus unseren Umwelterfahrungen mit. Das alles gehört zur sozialen Dimension von Gesundheit – nicht nur die „Informationen" von Licht, Luft, Wärme oder Bewegungsraum, wie Kommunalpolitik nur zu gerne den Fokus ihrer gesundheitspolitischen Entscheidungen auf Wohnwelt und Nahversorgung richten (was sich ja auch besser weil quantitativ aufzählbar in Erfolgsdossiers berichten lässt!).

    Politiker/innen zähle ich zu den „professionellen Liebhaber/innen. Ja – auch die Frauen! Regelmäßig werben sie um die Wählergunst, lächeln Vertrauen heischend von den Plakatwänden und aus TV-Empfängern, verteilen Werbegeschenke und – Hast Du’s nicht versehen! – ist man schon flugs umarmt, ans Herz gedrückt und/ oder abgeküsst. „Geliebt. Politiker/innen biedern sich aber auch als „Heiler" an – nicht nur als Elternersatzpersonen: Sie versprechen, das Sozialwesen – und damit uns, die Gesellschaft – heil zu machen[4]. Oder wie es so schön heißt: das größtmögliche Glück für die größtmögliche Zahl zu schaffen.

    Der „ganze" Mensch

    Im ganzheitsmedizinischen Sinn der WHO kann Heilung – als Prozess oder als dadurch entstandener Zustand – als eine Art Ausgleich von Zuviel oder Zuwenig interpretiert werden – denken wir nur an die klassischen Arztfragen: „Was haben Sie denn?, oder: „Was fehlt Ihnen? Wenn wir nun den „ganzen" Menschen in seiner Gesamtheit betrachten – und daher auch die Wechselwirkungen zwischen Geist, Seele und Körper und nicht nur Teile wie beispielsweise ein Organ allein – so tun wir uns leicht, den sichtbaren und angreifbaren Körper zu beurteilen – da haben wir, die Gesellschaft, uns auf Kriterien geeinigt, was wir für gesund und was für schädlich halten. Seele und Geist aber sind schwerer fassbar, erfassbar.

    Von dem Schweizer Psychiater und Begründer der Kom­plexen oder auch Analytischen Psychologie, C. G. Jung, stammt die Kategorisierung von vier Funktionen des Bewusstseins: Denken, Fühlen, körperlich Empfinden und Intuieren[5] – also eine „unter verschiedenen Umständen sich gleich bleibende psychische Tätigkeit, die von den jeweiligen Inhalten völlig unabhängig ist". Es ist also unerheblich, was man denkt – wesentlich ist, dass man etwas mit der Funktion des Denkens aufnimmt und nicht etwa mit der Funktion z. B. des Intuierens „an die Aufnahme und Verarbeitung der vom Außen oder vom Innen sich uns stellenden Inhalte herangeht[6].

    Wenn wir „ganzheitlich lieben, dann spüren wir körperlich, dass wir in einen anderen Zustand hinein „wachsen, bekommen dazu spezifische Gefühle (die nicht unbedingt immer angenehm sein müssen!), denken uns etwas dazu (je nach Erlerntem und Erfahrenem) und haben vielleicht sogar eine Ahnung oder auch nur Fantasie, was in Zukunft geschehen könnte oder sollte oder auch auf gar keinen Fall passieren darf. Dementsprechend „denken viele Menschen bei dem Wort Liebe sofort an – körperlich vollzogenen – Geschlechtsverkehr, die meisten Frauen dazu noch an erwünschte oder unerwünschte Fortpflanzung, die meisten Männer hingegen gar nicht ... Insofern finde ich es „pädagogisch wertvoll, wenn Jack Nicholson in der entzückenden Komödie „Was das Herz begehrt als 63-jähriger Schwerenöter, wenn er erstmals mit einer im Alter passenden Frau – Diane Keaton – im Bett landet, „Verhütung?, fragt und auf ihre triumphierende Antwort: „Menopause!, begeistert grinst: „Hab‘ ich ein Glück!

    Ja, manche Menschen denken ab einem bestimmten Grad sexueller Erregung nicht mehr, glauben gar, das sei unmöglich oder aber auch ungesund, weil nicht „spontan... Dabei haben sie nur – noch – nicht gelernt, mit hohen Energiepotenzialen „bedächtig umzugehen. So verpufft dieser Energieanstieg wie eine Stichflamme statt sich zur stetig wärmenden Kraftquelle zu verbreitern. Was übrig bleibt, ist ein schales Gefühl von unbefriedigt sein, von Leere – und weil sich das nicht gut anfühlt, fantasieren viele, es wäre nur an der Kürze des Erlebens gelegen und müsse dieses daher schnell wiederholt werden.

    Der Fehler liegt wie so oft im Denken in Quantitäten an­stelle von Qualität: Nicht die Dauer oder Häufigkeit bringt Erfüllung, sondern die Tiefe und die Intensität.

    Das Penelope-Syndrom

    Ich erinnere mich an eine Podiumsdiskussion zum Thema Depression gemeinsam mit dem renommierten Wiener Psychiatrieprofessor Heinz Katschnig, der kritisierte, dass manche Witwen ihr Leben lang dem Ehemann nachtrauerten, anstatt sich einen neuen Partner zu suchen. Ich widersprach ihm und sagte, er vergäße, dass es auch eine Liebe gäbe, in der man sogar über längste Trennungen hinweg so erfüllt vom anderen bliebe, dass im Herzen kein Platz für jemand Neuen wäre. Das wäre aus meiner Sicht dann nicht „ewige Trauer sondern „ewige Treue.

    Penelope, dieses Musterbeispiel der getreuen Ehefrau, die nach der griechischen Mythologie zwanzig Jahre – tagsüber teppichwebend und nächtens das Webstück wieder auftrennend – auf ihren vom zornigen Meeresgott Poseidon zu unzähligen Irrfahrten verdammten ungetreuen Gatten Odysseus wartete, stelle ich mir nicht als depressiv vor sich hin werkendes Häufchen Unglück vor, sondern als eine Frau, die sich entschieden hat, selbstbewusst und voll Vertrauen ihre Liebe zu bewahren.

    Es liegt in unserer aller Macht, aus unserem Gefühlsrepertoire bewusst die passende Emotion zu wählen. Es liegt an uns, ob wir uns im Falle des Auseinanderklaffens unserer Wünsche und unserer Lebensrealität fürs Trauern entscheiden, fürs Ärgern oder für beleidigten Rückzug. Oder wir suchen jemand, dem wir übel nehmen können, dass er oder sie uns nicht so beglückt wie wir glauben, es fordern zu dürfen. Dabei sollte dank umfangreicher populärwissenschaftlicher Publizistik zum Thema Sexualität heutzutage hinreichend bekannt sein, dass Fordern zu Abwehr, Widerstand und/ oder Versagen[7] führt.

    Wer kennt nicht die unzähligen Manipulationsversuche, die alle mit: „Wenn Du mich lieben würdest, würdest Du ..., beginnen? Es gibt wohl keinen Begriff, mit dem mehr Missbrauch getrieben wird als die Liebe. Wer mag sich schon Lieblosigkeit vorwerfen lassen? Umgekehrt hingegen: Wer denkt schon gerne darüber nach, ob er bzw. sie auch liebenswürdig ist? „Das Tun des einen ist das Tun des anderen, lautet der Titel eines „Klassikers" von Helm Stierlin. Aber das merkt nicht – oder will nicht merken –, wer sein Herz und überhaupt seine Wahrnehmung verschließt. Zur Ehrenrettung der Menschen, die sich so von anderen abschotten: Sie tun es üblicherweise als Vorsorge, um nicht neuerlich verletzt zu werden.

    Verhaltensalternativen

    Wir können zwar kaum die gedanklichen Impulse verhindern, die unser Erleben kommentieren und steuern wollen – beispielsweise den innerlichen Aufschrei: „Das halte ich nicht aus!" Alles andere wäre Selbstbetrug (oder mehr noch: Verdrängung). Aber wir können verhindern, dass wir unseren Impulsen ohne Realitätskontrolle gehorchen. Bleiben wir bei unserem Beispiel: Statt unsere Aufmerksamkeit und Energie dem leibseelischgeistigen Zusammenbruch zu widmen, können wir dieselbe Quantität darauf ausrichten, wie wir den Zusammenbruch konkret verhindern können.

    So kritisiert der Göttinger Neurobiologieprofessor Gerald Hüther die „hartnäckigsten Verfechter der Konkurrenzlehre, weil es „für die Erben Darwins keinen besonderen Grund gab, nach irgendeinem anderen Entwicklungsprinzip lebender Systeme zu suchen, und sieht die große Aufgabe der Biologie im 21. Jahrhundert, „der so ausgiebig beforschten auseinander treibenden Kraft der Konkurrenz eine komplementäre, für den Zusammenhalt alles Lebendigen verantwortliche Kraft gegen­überzustellen und mit allen Mitteln ihrer wissenschaftlichen Kunst zu erforschen"[8]. Vor dem Urknall, seit dem alles auseinander fliege, wie die Astrophysiker erklären, müsse es eine Urverschmelzung gegeben haben, sinniert Hüther, und wenn das ganze Universum, zu dem wir gehören, „gerade wieder einmal dabei ist, zu expandieren, so ist doch nichts, was während dieser Zeit scheinbar gesetzmäßig passiert, eine universelles Gesetz ... Richtig betrachtet, liegt es also in unserer Hand, zu entscheiden, nach welchen Gesetzen wir unser Handeln ausrichten, nach denen unserer gegenwärtigen, noch immer auseinanderstiebenden, oder nach denen einer zukünftigen, als Keim bereits in der Entstehung begriffenen, zusammenfließenden Welt."[9]

    Allerdings erscheint es heute den meisten Menschen als Schwäche, auf den archaischen Kampfgeist zu verzichten und stattdessen einen Friedensgeist zu entwickeln[10]. Ich führe das auf die Indoktrination politischer Systeme zurück, die ihren Untertanen die Illusion vom starken Herrenmenschen mit gleichzeitiger Berechtigung, Andersartige auszubeuten, zu misshandeln oder zu vernichten, anbieten.

    Die perfekte Propagandamaschinerie des Dritten Reichs setzte neben den klassischen Instrumentarien Politikerreden, Zeitungsberichte, Flugblätter und Plakate gezielte Legendenbil­dun­gen mittels Karikaturen und Filmen ein, um die erwünschte Hierarchie von „lebenswertem und „lebensunwertem Leben in den Gehirnen zu verankern. Die Angst vor dem Herausfallen aus der Sicherheit spendenden Gruppe motiviert die meisten Menschen zu dem, was in der Psychoanalyse „Identifikation mit dem Aggressor" heißt: weil die Angst vor dem übermächtig erscheinenden Gegner unerträglich scheint, wird an dessen Seite gewechselt und damit zum Gegner, wer sich diesem Kampf gegen das Andere entzieht.

    Heute wie damals sind es vor allem diejenigen, die wenig Grund zur Freude mit ihrer eigenen Existenz haben, die zu Hass auf alle, die anders – beispielsweise finanzstärker, gebildeter, anerkannter, „geliebter (oder auch nur fantasiert machtvoller) – sind, verführt werden können. Reicher, klüger, gesünder werden sie dadurch aber nicht. Im Gegenteil: Hass ist pathogen – er macht hässlich, sauer, verspannt, „zu, ungenießbar. Wozu sich das also antun?

    Plädoyer für

    ein altmodisches Gefühl

    Im Zustand der Liebe hingegen wirken wir schöner, angenehmer, entspannter, „offen, attraktiv. Und genau dort beginnt für viele das eigentliche Problem: Wenn das Herz aufgeht, die Durchblutung stärker wird, wächst nicht nur das Atemvolumen, sondern auch die Paarungsbereitschaft. Seelisch wie körperlich. Frauen stehen dann oft vor dem Dilemma, wie sie ihr Begehren kommunizieren können ohne als „nymphoman, „huriös" oder gewalttätig diskriminiert zu werden.

    Umgekehrt: wenn man(n) sein Herz verschließt – „zu macht" –, kann er zwar manchmal noch sein Genital gleichsam aggressiv als Waffe einsetzen, aber oft verhindern das – glücklicherweise – die anerzogenen Aggressionshemmungen, konventionelle Moral oder selbst bestimmtes ethisches Verantwortungsbewusstsein. Die Folgen zeigen sich dann meist als Lustverlust, Empfindungslosigkeit, Schmerzen bei genitaler Vereinigung, Erektionsstörungen. Man(n) kommt also vom Regen in die Traufe ... von der Angst vor der gefühlsmäßigen Entgrenzung zur Angst vor (nicht nur) sexuellem Funktionsverlust.

    „Wer ein zu starr verkabeltes Gehirn besaß, erzählt Gerald Hüther aus der Urzeit des Menschen, „das außerstande war, auf neuartige Bedrohungen seiner inneren Ordnung mit neuartigen Reaktionen zur Aufrechterhaltung seiner inneren Ordnung zu antworten, ist ebenfalls ausgestorben, jedenfalls dann, wenn sich seine bisherige Welt zu stark zu verändern begann.[11] Heute verändert sich unsere Welt vor allem auf Grund der elektronischen Kommunikation und dem daraus folgenden Verschwinden von Zeit und Raum in einer Rasanz, die dem „menschlichen Maß" nicht mehr entspricht. Das weiß jede/r, wenn ihr oder ihm ein geplanter Tagesablauf zusammenbricht, weil der öffentliche oder private Verkehr ohne maschinelle Unterstützung abgewickelt werden muss. Und wiederum entscheiden sich die meisten dann fürs Ärgern, Schimpfen, schneller werden oder im Gegenteil fürs Resignieren, Betäuben, Fallenlassen. Beide Reaktionsmuster sind nicht geeignet, die Situation oder die eigene Gesundheit zu verbessern. Das kann die Umdeutung der Situation als passende Gelegenheit, Geduld zu üben, Aufmerksamkeit weg vom Äußeren und hin zum Inneren wenden. Passende Chance, sich mal wieder selbst zu lieben.

    Hinter der Hektik, den vorgegebenen Zeiterfordernissen zu entsprechen, steckt

    meist unfreiwillig absolviertes Training: Schon in der Grundschule sollen wir das Einmaleins im Turbotempo runterratschen. Wozu? Um Folgsamkeit (und Angst vor Strafe) zu lernen. Einen anderen Sinn gibt es nicht.

    Angst vor negativen Konsequenzen: Spott, Mobbing, Ausgrenzung, Isolation, Gewalt. Arbeitsplatzverlust.

    Angst, eine vage erträumte Karriere oder Partnerschaft zu versäumen.

    Ansteckung durch das Verhalten anderer. Jede Rhythmik, daher auch die Atemrhythmik, kann zur Nachahmung und Angleichung verführen, wenn man sich dieses Mechanismus‘ nicht bewusst ist.[12]

    Unglücklichsein hat einen bestimmten Atemrhythmus, Glücklichsein auch. Wenn wir uns danach sehnen, geliebt zu werden, atmen wir üblicherweise anders als wenn wir bereits beglückt wurden und uns daran erinnern. Was hindert uns, den ganzen Tag über möglichst oft genau so zu atmen (und damit für verstärkte Ausschüttung des Glückshormons Serotonin zu sorgen und unser Immunsystem zu stärken)?

    Lieben wir uns selbst so wenig, dass wir uns unsere Selbstliebe nicht gönnen? Uns keine Zeit dafür zubilligen?

    Hören wir also mit der ungesunden Hetzjagd im Hirn und im Herzen auf (körperlich wird sie sich gelegentlich nicht vermeiden lassen) und üben wir Lieben zuallererst an uns selbst, dann an geeigneten anderen (bitte nicht an Kakteen-Menschen: Man kriegt die Stacheln so schwer aus sich heraus!) und schließlich an der gesamten Schöpfung.

    Salutogenese im Alltag

    „Wir müssen lernen, nein zu den Dingen zu sagen,

    die uns schaden und ja zu den Dingen, die uns gut tun."

    Wunibald Müller

    „Saluto... was? So fragen die meisten Menschen, wenn ich mein „Institut für Stressprophylaxe & Salutogenese vorstelle, gefolgt von mehr oder weniger witzigen Bemerkungen über Salutschüsse und Salutieren, und manchmal kläre ich sie dann auf, dass solche Bemerkungen möglicherweise salutogen für sie, weniger für mich sind: Denn ich höre nicht den „Sachinhalt der Frage heraus sondern den „Beziehungsinhalt[13] – und der ist Heruntermachen von psychologischer – in diesem Fall: gesundheitspsychologischer – Arbeit. Wer in einem „Psycho-Beruf"

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