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"Ich schaffs!" in Aktion: Das Motivationsprogramm für Kinder in Fallbeispielen
"Ich schaffs!" in Aktion: Das Motivationsprogramm für Kinder in Fallbeispielen
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eBook250 Seiten2 Stunden

"Ich schaffs!" in Aktion: Das Motivationsprogramm für Kinder in Fallbeispielen

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Über dieses E-Book

Das aus Finnland stammende Motivationsprogramm "Ich schaffs!" ruft auch in deutschen Kindergärten, Schulen und sozialen Einrichtungen viel Begeisterung hervor. Was bislang fehlte, war ein Buch, das die Umsetzung in konkreten Situationen vermittelt.

Die Fallgeschichten, die der Psychotherapeut Ben Furman in diesem Buch zusammengetragen hat, umfassen eine große Bandbreite an Problemen, vom regelmäßigen Toilettengang bis zur Kontrolle des eigenen Gewaltpotenzials.

Im ersten Teil führt Furman kurz in die Grundlagen des Programms ein, stellt dessen 15 Schritte vor und erklärt sie anhand von Beispielen. Das Herzstück bilden 22 Fallgeschichten, die anschaulich zeigen, wie "Ich schaffs!" einzelnen Kindern geholfen hat, neue Fähigkeiten zu erlernen und ihre Probleme zu überwinden. Weitere Beispiele illustrieren die Anwendung der Methode in Gruppen, Schulklassen und einer ganzen Schule.

So entsteht ein Praxishandbuch, das Pädagogen, Therapeuten und Erziehenden im Alltag hilft, individuelle Wege für die Motivation und die Erfolge von Kindern zu finden.

Ein Lehrer aus Freising mit einem Beispiel aus seinem "Ich schaffs"-Alltag: "Letzte Woche gab es so eine schöne Szene in einer 4. Klasse. Ich fragte nach, was den Kindern hilft, wenn sie Stress haben. Spontan nahm ein Schüler eine Postkarte heraus, die ich mit ihm mal gestaltet hatte vor ein paar Monaten. Auf dieser Karte standen Ermutigungssätze und es war der Ich schaffs-Aufkleber darauf platziert. Dies hilft ihm immer, sich daran zu erinnern, wenn er Stress mit dem Lernen hat."
SpracheDeutsch
HerausgeberCarl-Auer Verlag
Erscheinungsdatum25. Aug. 2021
ISBN9783849782887
"Ich schaffs!" in Aktion: Das Motivationsprogramm für Kinder in Fallbeispielen

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    Buchvorschau

    "Ich schaffs!" in Aktion - Ben Furman

    1Was ist »Ich schaffs«?

    Häufig gestellte Fragen

    Was ist »Ich schaffs«?

    »Ich schaffs« ist ein Stufenprogramm, das Kindern hilft, Fähigkeiten zu erlernen und emotionale sowie Verhaltensprobleme mit Unterstützung ihrer Familie, ihrer Freunde oder anderer Bezugspersonen zu überwinden.

    Für welches Alter ist »Ich schaffs« geeignet?

    »Ich schaffs« wurde für Kinder zwischen 3 und 12 Jahren entwickelt, aber seine Prinzipien sind auch auf Teenager und sogar Erwachsene übertragbar.

    Wer kann die Methode anwenden?

    »Ich schaffs« war ursprünglich als Arbeitsmethode für Therapeuten, Berater, Sozialarbeiter, Sonderschulpädagogen usw. gedacht, zu deren Aufgaben es gehört, Kindern beim Überwinden von Problemen zu helfen. Die Vorgehensweise ist allerdings so einfach und unproblematisch, dass Eltern die Methode mit minimaler professioneller Anleitung auch bei ihren eigenen Kindern anwenden können.

    Welche Idee steckt hinter »Ich schaffs«?

    Erwachsene tendieren dazu, Probleme als Symptome einer tiefer liegenden, behandlungsbedürftigen Störung zu betrachten, wohingegen Kinder eher dazu neigen, Probleme als Mangel an Fähigkeiten zu sehen, die sie noch erlernen müssen. »Ich schaffs« hält sich an diese kindliche Perspektive. Das Ziel der Methode ist es, Kinder zu ermutigen und ihnen beim Erlernen von Fähigkeiten zu helfen, die sie zur Problemlösung benötigen. Da es zu der Methode dazugehört, die Familie, Schule und Freunde zur Unterstützung des Kindes mit einzubeziehen, hat sie nicht nur Auswirkungen auf das Kind, sondern auch auf sein gesamtes soziales Umfeld.

    Was ist das Besondere an »Ich schaffs«?

    Der Hauptvorteil von »Ich schaffs« besteht darin, dass Kinder, obwohl sie sich in der Regel scheuen, über ihre Probleme zu reden, das Erlernen von Fähigkeiten genießen und es lohnend finden. Darüber hinaus fördert »Ich schaffs« die Zusammenarbeit mit den Eltern, indem man sie als Partner ansieht und sie die Rolle der Helfer für ihre Kinder übernehmen lässt.

    Für welche Probleme ist die Methode geeignet?

    »Ich schaffs« eignet sich für eine große Bandbreite von Problemen, u. a. Ängste, unangemessenes Betragen, Konzentrationsschwierigkeiten, schlechte Angewohnheiten, Wutanfälle sowie Probleme mit dem Essverhalten, dem Schlafen oder dem Toilettengang.

    Indem man den Kindern hilft, ihr Verhalten besser zu kontrollieren, kann man auch die Symptome von schwerer wiegenden psychiatrischen Störungen lindern, so z. B. bei ADHS, Autismus, tiefgreifenden Entwicklungsstörungen, Depressionen und Zwangsstörungen, Hyperaktivität und aggressiven Anfällen.

    Eigentlich eignet sich »Ich schaffs« immer dann, wenn das Kind ein Problem hat, welches sich durch Erlernen einer bestimmten Fähigkeit lösen oder verbessern lässt.

    Gibt es moralische Bedenken bei der Anwendung von »Ich schaffs«?

    Grundsätzlich ist »Ich schaffs« eine sichere Methode, und das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass sie nicht funktioniert. Allerdings kann sie wie jedes andere Instrument, das auf Veränderungen abzielt, auch dazu verwendet werden, unangemessene oder ethisch fragwürdige Verhaltensweisen zu fördern, wie z. B., Kindern beizubringen, wie man lügt oder dass man sich immer noch mehr anstrengen muss, auch wenn das Kind schon sein Allerbestes gibt. Dieses Risiko wird glücklicherweise dadurch gering gehalten, dass das Kind bei der Auswahl der angestrebten Fähigkeit mitbestimmen darf, und dass wichtige Bezugspersonen als Helfer in das Projekt einbezogen werden.

    Es kann natürlich auch vorkommen, dass jemand, der mit der Methode nur oberflächlich vertraut ist, sie rein schematisch anwendet, ohne dabei ihre zentralen Grundsätze zu beherzigen: den Respekt dem Kind gegenüber und den Aufbau einer echten Zusammenarbeit mit seinen Bezugspersonen.

    Schließlich sollte noch einmal darauf hingewiesen werden, dass »Ich schaffs« keine Heilmethode ist. Es ist einfach nur ein Programm, mit dem man Kindern helfen kann, ihre Probleme durch neue Fähigkeiten zu bewältigen, aber es ist kein Ersatz für eine notwendige medizinische Behandlung oder für vorbeugende Maßnahmen.

    Wie »Ich schaffs« entstanden ist

    Mein Kollege Tapani Ahola und ich haben »Ich schaffs« in den 1990er Jahren entwickelt. Wir sind beide Dozenten und Gründer des Helsinki Brief Therapy Institute und arbeiten mit Sirpa Birn und Tuija Terävä zusammen, die Sonderschullehrerinnen am Keula-Kinderzentrum sind – einer Vorschule für 4- bis 6-jährige Kinder mit unterschiedlichen emotionalen und Verhaltensproblemen.

    Wir haben »Ich schaffs« ursprünglich als praktische Methode entwickelt, mit der man Probleme von Vorschulkindern konstruktiv angehen kann. Sie ist im Grunde genommen eine Sammlung nützlicher Ideen, die sich in der Arbeit mit Kindern und ihren Familien an der Keula-Schule bewährt haben. Nach und nach ist durch einen Prozess von Versuch und Irrtum das Konzept der 15 Schritte von »Ich schaffs« entstanden.

    Wir haben ein Arbeitsbuch für Kinder mit einer Doppelseite für jeden Schritt herausgebracht und zusätzlich ein weiteres Handbuch mit Anweisungen für die Lehrer. Außerdem ist ein Leitfaden für Eltern erschienen, der ihnen das Verständnis der Methode und die Zusammenarbeit mit den Lehrern erleichtern soll.

    Durch unsere Vorträge und Workshops über »Ich schaffs« hat sich die Methode allmählich im ganzen Land verbreitet. Leute, die in verschiedenen Teilen von Finnland mit Kindern arbeiten, aber auch Leute von auswärts besuchten die Keula-Schule, um sich zu informieren, wie »Ich schaffs« in der Praxis funktioniert. Nach und nach bekamen wir immer mehr Einladungen, bei unterschiedlichen Anlässen über unsere Methode zu referieren. Durch die positive Resonanz ermutigt richteten wir eine Website für »Ich schaffs« ein (www.kidsskills.org), die aktuelle Informationen bereitstellt und den Anwendern der Methode die Möglichkeit gibt, uns ihr Feedback zu übermitteln.

    Im Jahre 2003 haben wir ein Buch über »Ich schaffs« mit einer detaillierten Beschreibung der Schritte in finnischer Sprache publiziert. Das Buch ist inzwischen bereits in zehn Sprachen übersetzt, darunter Englisch, Japanisch und Chinesisch. Auf Deutsch erschien es unter dem Titel »Ich schaffs!« Spielerisch und praktisch Lösungen mit Kindern finden – Das 15-Schritte-Programm für Eltern, Erzieher und Therapeuten (Furman 2005).

    Inzwischen ist »Ich schaffs« international verbreitet. Es gibt bereits eine Reihe von zertifizierten Organisationen rund um den Globus, die ein Trainingsprogramm für professionelle Helfer anbieten, mit dem man sich zu einem sogenannten »Ich schaffs«-Botschafter qualifizieren kann. Auf der Website finden Sie ein internationales Verzeichnis dieser Botschafter.

    Es gibt immer noch zu wenige Studien über »Ich schaffs«, und die Beweislage zur Wirksamkeit dieser Methode ist relativ mager. Aber zahlreiche Berichte von Leuten aus aller Welt zeigen uns, dass »Ich schaffs« erstaunlich gut funktioniert – zumindest, wenn es von Personen praktiziert wird, die sich der zugrunde liegenden Idee von Respekt und Zusammenarbeit verschrieben haben.

    Die Inspirationsquellen von »Ich schaffs«

    »Ich schaffs« ist durch zahlreiche Ideen beeinflusst worden, mit denen wir über die Jahre in Berührung gekommen sind. Es wäre unmöglich, eine vollständige Auflistung dieser unterschiedlichen Inspirationsquellen zu liefern, aber wir sollten zumindest Milton H. Erickson, Jay Haley, Insoo Kim Berg, Steve DeShazer, Michael White und David Epston erwähnen.

    Milton Erickson

    Milton H. Erickson (1901–1980) war ein legendärer amerikanischer Psychiater, der als Pionier der Kurzzeittherapie gilt. Er war ein kreativer Therapeut, der eine ungeheure Vielfalt an Techniken angewandt hat, um seinen Patienten zu helfen – darunter Hypnose, Hausaufgabenerteilung und das Erzählen von metaphorischen Geschichten. Erickson arbeitete sowohl mit Erwachsenen als auch mit Kindern, und seine Berichte darüber, wie er Kindern bei unterschiedlichsten Problemen – z. B. Daumenlutschen, Bettnässen oder Phobien – geholfen hat, gehörten für uns zu den wichtigsten Inspirationsquellen. Der folgende von Sidney Rosen (2009) nacherzählte Fall vermittelt Ihnen einen Eindruck von Ericksons Kreativität und seiner Fähigkeit, sich mit Kindern zu verständigen.

    Die Eltern eines 6-jährigen Mädchens kamen in Ericksons Sprechstunde. Das Mädchen klaute in Geschäften, von ihren Eltern und von anderen Leuten und erfand dann Lügen, wie sie an die Dinge gekommen war. »Was kann man mit einer Ladendiebin und Lügnerin tun, die erst sechs Jahre alt ist?«, hatten die aufgebrachten Eltern gefragt.

    Nachdem Erickson mit den Eltern gesprochen hatte, entschloss er sich, dem Mädchen einen Brief zu schreiben. Dieser begann mit der Erklärung, dass das Mädchen eine Größerwerde-Fee für 6-Jährige habe und diese die Absenderin des Briefes sei. Alle Kinder, so der Brief, hätten Feen für das Größerwerden, auch wenn sie sie noch nie gesehen hätten. Nun folgte eine detaillierte Beschreibung, wie die Fee für das Größerwerden aussah, wie viele Augen, Ohren und Beine sie hatte, wie sie sich fortbewegte und wie sie alles, was das Mädchen tat, sehen und hören konnte. Nach dieser Einleitung erklärte die Größerwerde-Fee für 6-Jährige, dass sie das Mädchen genau beobachtet habe und beeindruckt sei, wie viele Fähigkeiten es sich bereits mit 6 Jahren angeeignet habe. Dann erläuterte sie, dass einige Fähigkeiten einfach zu erlernen seien, während das Aneignen anderer sehr schwierig sei.

    Laut Erickson war der Brief ein voller Erfolg. Die Eltern berichteten, dass das Mädchen aufgehört hatte zu stehlen. Bald danach bekam die Fee für das Größerwerden einen Brief von dem Mädchen mit einer Einladung zu ihrem 7. Geburtstag. Erickson schrieb dem Mädchen einen zweiten Brief und bedauerte, dass er nicht kommen könne, denn er sei ihre Größerwerde-Fee für 6-Jährige und nicht die für 7-Jährige.

    An dieser Geschichte finde ich besonders aufschlussreich, dass sich Erickson auf das Kind statt auf seine Eltern konzentrierte. Er schien nicht in den für Therapeuten üblichen Mustern zu denken und hatte offensichtlich nicht die Haltung, dass man erst die Eltern ändern müsse, um das Kind verändern zu können. Er nahm das Problem ganz wörtlich und konzentrierte sich scheinbar ausschließlich auf das Mädchen. Aber auch wenn der Eindruck entsteht, dass er sich nur mit dem Kind beschäftigte, hatte seine Vorgehensweise wahrscheinlich auch einen Einfluss auf die Eltern.

    »Ich schaffs« folgt einer ähnlichen Logik. Der Fokus liegt darauf, Kindern beim Überwinden ihrer Probleme zu helfen, aber die Art der Intervention hat auch Auswirkungen auf die Eltern und auf andere Beteiligte.

    Das Konzept, Fähigkeiten zu erlernen, ist ein zentraler Aspekt in Ericksons gesamter Arbeit. Im Kommentar zu diesem Fall schrieb Sidney Rosen: »Erickson vermeidet vor allem Verbote, Maßregeln und Worte wie ›Du solltest‹. Er betont wie immer den Wert des Lernens. Als Erzieher ist er nicht böse, sondern lehrt auf anregende Weise. In all seinen Geschichten ist Erickson zwar sehr bestimmt, bestraft aber nicht. Seine Absicht ist es, Kindern dabei zu helfen, ihr eigenes Gefühl für Willen und Autonomie zu entwickeln« (Rosen 2009, S. 284 f.).

    Der Einsatz der »Größerwerde-Fee für 6-Jährige« ist ein essenzielles Element in dieser Geschichte. Kinder lassen sich durch Fantasiegestalten bezaubern, und es macht ihnen Spaß, mit solchen Wesen zu kommunizieren. Die Idee von hilfreichen Wesen haben wir für das »Ich schaffs«-Programm übernommen, bei dem Kinder sich eine Kraft-Figur auswählen, die ihnen beim Erlernen der jeweiligen Fähigkeit helfen soll.

    Jay Haley

    Die Arbeit von Milton Erickson hat viele Pioniere aus dem Bereich der Kurzzeittherapie inspiriert. Einer von ihnen, der Familientherapeut Jay Haley (1923–2007), nannte seinen Ansatz strategische Therapie. Er konzentrierte sich auf die Kinder statt auf die Eltern, um signifikante Veränderungen in der Funktionalität der gesamten Familie herbeizuführen. Das folgende Beispiel für seinen Ansatz hat Haley in den frühen 1980er Jahren bei einem Familientherapie-Kongress in Tel Aviv vorgetragen.

    Eine Familie war zur Therapie geschickt worden, weil ihr 12-jähriger Sohn Michael sich zu einem echten Pyromanen entwickelt hatte, der bereits drei ernst zu nehmende Brände mit erheblichem materiellen Schaden verursacht hatte. Haley beobachtete hinter einer Spiegelwand, wie der Therapeut die Familie interviewte, supervidierte ihn von dort aus und kam zu dem Schluss, dass die Familienstruktur aus den Fugen geraten war. Er war der Ansicht, dass die elterliche Zweierbeziehung nicht funktionierte und die Mutter zu ihrem Sohn hielt, während der Vater so im Clinch mit dem Jungen lag, dass er scheinbar kurz davor stand, ihn zu verstoßen.

    Bei einer kurzen Unterredung hinter der Spiegelwand forderte Haley den Therapeuten auf, der Familie als »Ursache« des Problems mitzuteilen, dass Michael die Handhabung von Feuer nicht beherrschte, und dass er dies testen wolle, indem er ihn im Therapieraum ein harmloses kleines Feuer mit Papier entzünden ließe. Der Junge tat das mit Begeisterung, und wie erwartet zeigte sich, dass er viele Fehler beim Anzünden der Streichhölzer, beim Anbrennen des Papiers und beim Löschen des Feuers machte. Sowie der »Beweis« von Michaels Inkompetenz erbracht war, wendete sich der Therapeut dem Vater zu und fragte ihn, ob er die Aufgabe übernehmen würde, seinen Sohn im kompetenten Umgang mit Feuer zu unterrichten. Der Vater stimmte zu, und kurz darauf waren die beiden intensiv damit beschäftigt, ein straffes Trainingsprogramm auszuarbeiten, bei dem der Vater seinen Sohn jeden Tag eine Stunde in den zu erlangenden Fähigkeiten zum sicheren Umgang mit Feuer unterrichten sollte.

    Vater und Sohn trainierten mehrere Wochen lang täglich sehr gewissenhaft, und Michael wurde ein richtiger Feuerexperte. Außerdem kamen die beiden sich als Ergebnis der intensiven Zusammenarbeit wieder viel näher, und auch die Eltern, die vorher so ziemlich über alles geteilter Meinung gewesen waren, begannen, am gleichen Strang zu ziehen. Michaels Faszination für Feuer legte sich wieder, und nach einigen Wochen gab der Therapeut den beiden die Erlaubnis, das Trainingsprogramm zu beenden und stattdessen nun etwas anderes gemeinsam zu unternehmen.

    Auch hier war der Fokus also nicht auf die Familie, sondern den Jungen gerichtet. Dennoch hatte die Intervention nicht nur Auswirkungen auf das Kind, sondern auch auf die Beziehungen zwischen allen Familienmitgliedern. »Ich schaffs« stützt sich auf genau diese Logik. Indem man sich auf das Kind konzentriert, eine neue Fähigkeit identifiziert, die es erlernen soll, und dann die Eltern und andere Bezugspersonen dazu bringt, ihm beim Erlernen der Fähigkeit zu helfen, lassen sich positive Veränderungen sowohl bei dem Kind als auch in seinem gesamten sozialen Umfeld erreichen.

    Insoo Kim Berg und Steve DeShazer

    Die lösungsfokussierte Therapie ist eine psychotherapeutische Richtung, die durch die Ideen von Milton Erickson inspiriert worden ist. Sie wurde während der 1970er und 1980er Jahre am Brief Family Therapy Center in Milwaukee/USA von einem Therapeutenteam – geleitet von Steve de Shazer (1940–2005) und Insoo Kim Berg (1934–2007) – entwickelt. In der lösungsfokussierten Therapie liegt der Fokus nicht auf Problemen (und dem, was sie möglicherweise verursacht hat), sondern auf Zielen, die die Klienten erreichen möchten, und darauf, was sie für das Erreichen dieser Ziele tun können.

    Bei dieser Art der Behandlung muss der Therapeut als Erstes vom Klienten erfragen, wie dieser ein gutes Ergebnis der Intervention definieren würde: »Wie würde eine bessere Zukunft nach Ihren Wünschen aussehen?« ist ein Beispiel für eine Frage, die er in der ersten Sitzung stellen könnte. Wenn er erst einmal ein klares Bild davon hat, was der Klient möchte, konzentriert er sich darauf, ihm beim Erreichen seines Ziels zu helfen.

    »Ich schaffs« folgt demselben Muster – mit der Ausnahme, dass die einleitende Frage »Wie könnte sich die Situation in Zukunft verbessern?« zu folgender Formulierung abgeändert wurde: »Welche Fähigkeit musst du entwickeln, damit sich die Situation in Zukunft verbessert?« Diese Modifikation basiert auf folgender Beobachtung: Bei der Anwendung des lösungsfokussierten Ansatzes in der Arbeit mit Kindern impliziert die Frage nach einem wünschenswerten Ausgang unweigerlich die Erwartung, dass das Kind sein Verhalten ändert bzw. lernt, sich zu benehmen oder anders auf eine bestimmte Situation zu reagieren.

    Ein anderes Charakteristikum der lösungsfokussierten Therapie ist die Betonung jeglicher Anzeichen von Fortschritt: Dieser Fokus ist auch typisch für »Ich schaffs«, wo Kinder enorm viel Aufmerksamkeit erhalten, indem sie über die Fähigkeiten, die sie gerade erlernen, sprechen und sie üben bzw. demonstrieren können.

    Michael White und David Epston

    Noch eine andere Schule der Psychotherapie hat uns geprägt, nämlich der narrative Ansatz mit seinen Wegbereitern Michael White (1945–2008) in Australien und David Epston in Neuseeland. Mitte der 1980er Jahre stießen wir auf einen Artikel von Michael

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