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Ermutigung und Anerkennung: Der Erziehungskompass nach Rudolf Dreikurs
Ermutigung und Anerkennung: Der Erziehungskompass nach Rudolf Dreikurs
Ermutigung und Anerkennung: Der Erziehungskompass nach Rudolf Dreikurs
eBook278 Seiten2 Stunden

Ermutigung und Anerkennung: Der Erziehungskompass nach Rudolf Dreikurs

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Über dieses E-Book

Jedes Kind will anerkannt werden, seinen Beitrag leisten und zur Gemeinschaft dazugehören dürfen. Es ist neugierig auf die Welt und will sie kennen lernen. Die Kunst, mit Kindern umzugehen, liegt darin, diese Ressourcen zu nutzen und im Vertrauen auf die Fähigkeiten des Kindes eine entspannte Beziehung zu gestalten. Barbara Hennings zeigt ausführlich und anhand vieler Beispiele aus dem heutigen Familienalltag, wie das in der Praxis konkret aussieht und orientiert sich dabei an den Grundsätzen von Rudolf Dreikurs.
SpracheDeutsch
HerausgeberKreuz Verlag
Erscheinungsdatum4. Juni 2014
ISBN9783451801143
Ermutigung und Anerkennung: Der Erziehungskompass nach Rudolf Dreikurs
Autor

Barbara Hennings

Barbara Hennings, geb. 1942, ist seit 1998 Encouraging-Trainerin und individualpsychologische Beraterin; Mutter von vier erwachsenen Kindern. Heute ist sie in der Erwachsenenbildung tätig.Website: www.barbara-hennings.de

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    Buchvorschau

    Ermutigung und Anerkennung - Barbara Hennings

    Barbara Hennings

    Ermutigung und

    Anerkennung

    Der Erziehungskompass

    nach Rudolf Dreikurs

    Impressum

    © KREUZ VERLAG

    in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2014

    Alle Rechte vorbehalten

    www.kreuz-verlag.de

    Umschlaggestaltung: Vogelsang Design

    Umschlagmotiv: © istockfoto.com --- tinozafirov

    E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

    ISBN (E-Book) 978-3-451-80114-3

    ISBN (Buch) 978-3-451-61219-0

    Inhalt

    Dank

    Einleitung: Ein Kompass

    Kapitel 1: Wohin soll die Reise gehen?

    Welche Menschenbilder haben wir zur Verfügung?

    Das Menschenbild von Alfred Adler

    Kapitel 2: Was braucht ein Kind?

    Das Bedürfnis dazuzugehören

    Das Bedürfnis besser zu werden

    Das Bedürfnis nach Bedeutung

    Das Bedürfnis nach Ermutigung

    Kapitel 3: Glück braucht Gemeinschaft

    Kapitel 4: Die bedeutenden Bs

    Verbunden sein

    Befähigt sein

    Bedeutung haben, gebraucht werden

    Beherzt sein

    Kapitel 5: Sind Kinder gleichberechtigt?

    Kapitel 6: Wie Kinder ihre Persönlichkeit erschaffen

    Kapitel 7: Notlösungen

    Erste Notlösung: ungebührliche Aufmerksamkeit

    Zweite Notlösung: Streben nach Überlegenheit durch Machtkämpfe

    Dritte Notlösung: Vergeltung

    Vierte Notlösung: Rückzug in vermeintliche Unfähigkeit

    Was Eltern tun können

    Kapitel 8: Forscher am Werk – das Abenteuer Lernen

    Lernen durch Spiel

    Erfahrungen verarbeiten

    Lernen durch Bewegung

    Kapitel 9: Der rote Faden – Ermutigung

    Was genau ist Ermutigung?

    Spezifische Ermutigung gibt Orientierung

    Lob und Ermutigung

    Kapitel 10: Zäune und Grenzpfosten

    Was ist eine Grenze?

    Was ist eine Regel

    Grenzen gelten auf Zeit

    Regeln haben einen Sinn

    Kinder lernen durch Wiederholung

    Wenn Regeln gebrochen werden

    Kapitel 11: Lernen durch das LARA-Prinzip

    Erzieherische Konsequenz

    Natürliche Folgen

    Logische Folgen

    Das LARA-Prinzip

    Strafen

    Kapitel 12: Reden ist Silber – Gespräche sind Gold

    Ich-Botschaften statt Vorwürfe

    Krisengespräche

    Kapitel 13: Die andere Seite – zuhören!

    Kapitel 14: Machtkämpfe – Provokation oder SOS?

    »Mein Kind hat einen starken Willen!«

    Aus Machtkämpfen aussteigen

    Machtkämpfe sind erlernt!

    Nach der Krise

    Geht es ohne?

    Kapitel 15: Todsünden in der Erziehung

    Ständiges Schimpfen

    Etiketten aufkleben

    Abwerten, demütigen

    Ironie, Sarkasmus, auslachen

    Vergleichen

    Mitleid

    Verwöhnung, Verzärtelung

    Liebesentzug

    Schlagen

    Kapitel 16: Schatzsuche statt Fehlerfahndung – Potential fördern

    Das Potential von Kindern erkennen

    Edelsteine

    Anerkennung geben

    »Selber«

    Werte

    Kapitel 17: Demokratieschule Familienrat

    Wessen Problem ist es

    Wie geht der Familienrat?

    Anerkennung geben

    Familienziele oder Familienmotto

    Familienratfallen

    Die Familie stärken

    Kapitel 18: Alle Eltern können gute Eltern sein

    Erziehung ist immer auch Selbsterziehung

    Was wirkt in der Erziehung?

    Was müssen Eltern wissen?

    Erziehungsstile und deren Nebenwirkungen

    Zum Schluss: Geist und Seele brauchen Nahrung

    Literatur

    Dank

    Ohne meine Familie hätte ich nie die Erfahrungen machen können, die mein Leben so bereichert haben und mich zur Ermutigung und zur Individualpsychologie geführt haben: habt Dank!

    Dank gebührt vor allem meinen Lehrern und Kollegen, durch die ich Ermutigung und die Individualpsychologie kennen gelernt habe. Mit Namen nennen müsste ich sehr viele. Ich beschränke mich bewusst, ohne die anderen weniger wertzuschätzen, auf meine Lehrer Theo Schoenaker und Peter Pollak.

    Ich danke auch den vielen Eltern, die mir in Beratung und Kursen ihr Vertrauen schenkten, und last but not least, den Freunden, die mein Schreiben geduldig begleitet haben und ertrugen, dass in meinem Kopf nur noch »das Buch« Platz hatte. Dank auch den vielen Autoren, die mein Wissen erweitert haben. Ich habe sie zitiert und hoffentlich keinen übersehen. Wenn, dann entschuldige ich mich. Besonderen Dank sage ich: Ina Frey von Fischhase® für die Grafiken, Renata Häusler für klärende Vorschläge beim Lesen des Manuskripts, Friederike Sophie Hennings für den Blick von außen, Peter Pollak für Lesen und Ermutigen, Peter Raab für die Ermutigung zum Schreiben und Christoph Ruge für Gespräche und Computerhilfe.

    Einleitung

    Ein Kompass

    Ein Kompass zeigt die Himmelsrichtung an. Wenn man sich im Gelände verlaufen hat, hilft ein Kompass, den Weg zu finden. Das Ziel muss man allerdings vorher kennen! Eltern heute haben es viel schwerer als frühere Generationen. Die alten, autoritären Erziehungsmethoden mit Belohnung und Strafe haben ausgedient. Die 68er Generation hat dagegen ebenso erfolgreich protestiert wie gegen die überkommenen politischen Gedanken. Der Laissez-faire Stil, den diese Generation ausprobierte, hat nicht die gewünschten Resultate gebracht. Was nun?

    Alfred Adler (1870–1937), der Begründer der Individualpsychologie, hat vor über hundert Jahren einen gangbaren Weg gewiesen. Sein Schüler Rudolf Dreikurs hat ihn geebnet. Viele seiner Schüler haben ihrerseits weiter daran gearbeitet, weil sie fanden, dass er sicher zum Ziel führe. Ein zentraler Gedanke Adlers war, dass Kinder nicht geprägt werden von den Eltern, sondern selber auf sehr kreative Weise ihre Persönlichkeit miterschaffen. Sie beobachten genau und lernen, wie sie ihre Ziele erreichen können. Die Aufgabe der Eltern ist, ihnen zu helfen, gute Meinungen über sich selber und ihre Möglichkeiten zu bilden und gute Strategien zu entwickeln, um in der Familie, im Kindergarten und in der Schule und später im Leben ihren Platz zu finden. Negatives, zerstörerisches Verhalten ist ebenso erlernt wie konstruktives Verhalten, das dem Kind selbst und der Gemeinschaft zugute kommt. Adler sieht Entmutigung als die Wurzel allen Fehlverhaltens. Fehlverhalten ist ein Symptom für die Entmutigung des Kindes. Ermutigung hingegen schafft Beziehung, gibt Kindern ein gutes Selbstwertgefühl, lässt sie die Probleme des Alltags anpacken und ihr Potential wachsen. Ermutigung ist nicht alles, aber ohne Ermutigung ist alles nichts.

    Erziehung ist immer eine Gratwanderung. Es gibt keine Patentrezepte, auch wenn Eltern sich das manchmal wünschen. Erziehung ist Beziehung – zwischen Eltern und Kindern, zwischen den Partnern, zwischen Eltern und Großeltern und zwischen Eltern und den Institutionen Kindergarten und Schule. Ohne eine gute Beziehung gibt es keinen guten Einfluss, sondern Widerstände. Druck schafft meistens Gegendruck, in jedem Lebensbereich. Kindererziehung ist immer auch Selbsterziehung.

    Es geht nicht darum, richtige oder falsche Methoden aufzeigen. Ihre Kinder sollen sich zu lebensfrohen, selbstbewussten, kompetenten und der Gemeinschaft verpflichteten Erwachsenen entwickeln. Wenn Ihnen die Erziehungsziele, die ich im ersten Kapitel nenne, zusagen, dann könnte dieses Buch ein Kompass für Sie sein, der Ihnen im alltäglichen Erziehungsdschungel Orientierung gibt.

    Kapitel 1

    Wohin soll die Reise gehen?

    Wenn ich in Kursen oder Vorträgen frage, was Ihre Kinder können sollten, wenn sie erwachsen sind, lauten die Antworten der Eltern meist:

    »Mein Kind soll glücklich sein.«

    »Meine Kinder sollen selbstständige, selbstbewusste Erwachsene werden, die für sich sorgen und für sich einstehen können.«

    Die Frage geht die unsere ganze Gesellschaft an. Erziehung im weitesten Sinn bestimmt, wie die nächste Generation leben wird, ihre Werte, die Art des Umgangs miteinander, die Ziele, die sie verwirklichen wird. Deshalb sollte sie am Anfang aller Bemühung um die Kinder stehen. Was sollen die Kinder lernen? Welche Fähigkeiten sollen die Kinder haben, wenn sie erwachsen sind? Was macht Menschen leistungsfähig? erfolgreich? glücklich? Oder sogar alle drei?

    Eltern und Politiker sich weitgehend einig: eine möglichst gute Bildung – gemeint war, bis vor kurzem, rein kognitives Wissen, das man sich aneignen und weitergeben kann. In der politischen Bildungsdebatte geht es meist um Bildung für die Wirtschaft. meistern noch mit Frust umgehen. Menschen im Arbeitsleben brauchen Wissen und fachliche Qualifikationen, die sie in der Ausbildung, im Studium oder in der Weiterbildung erwerben. Zusätzlich brauchen Arbeitnehmer aber auch Lebenskompetenz! Ohne Sie können Menschen ihre Fachkenntnisse nicht wirklich einsetzen!

    Die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert:

    »Lebenskompetenzen sind diejenigen Fähigkeiten, die einen angemessenen Umgang sowohl mit unseren Mitmenschen als auch mit Problemen und Stresssituationen im alltäglichen Leben ermöglichen. Solche Fähigkeiten sind bedeutsam für die Stärkung der psychosozialen Kompetenz.« (WHO 1994)

    Dazu gehören:

    1. Selbstwahrnehmung und Einfühlungsvermögen.

    2. Umgang mit Stress und negativen Emotionen.

    3. Kommunikation, Selbstbehauptung/Standfestigkeit.

    4. Kreatives, kritisches Denken, Probleme lösen

    5. Information.

    (http://cms.eigenstaendig.net/?page_id=39 am 26. Oktober 2013)

    Lebenskompetenz entsteht nicht von allein. Wie also können Eltern ihre Kinder ausrüsten? Wie bereiten sie sie vor für das Leben, das sie in fünfzehn, zwanzig Jahren führen werden?

    Welche Menschenbilder haben wir zur Verfügung?

    Wie wir über Menschen denken, bestimmt unser Denken über Erziehung. Jahrtausende lang ging die Menschheit davon aus, dass Menschen von Natur aus böse sind, und dass sie das Gute lernen müssen. Im Alten Testament steht: Wer sein Kind liebt, züchtigt es. Thomas Hobbes spricht davon, dass ein Mensch für den anderen wie ein Wolf sei, also ein Raubtier. Darwin spricht vom Überleben des Stärkeren. Und doch spricht die Bibel davon, dass Gott den Menschen nach seinem Ebenbild schuf. Gott, der Allmächtige, der liebende Schöpfer, schuf den Menschen nach seinem Ebenbild! Das hieße doch, dass der Mensch im Wesen gut und anderen zugewandt ist!

    Bahá’u’lláh, der Begründer der Bahaí-Religion, schreibt:

    »Betrachte den Menschen als ein Bergwerk, reich an Edelsteinen von unschätzbarem Wert. Nur die Erziehung kann bewirken, dass es seine Schätze enthüllt und die Menschheit daraus Nutzen zu ziehen vermag.«¹

    Auch hier sehen wir das große Potential des Menschen und seine Aufgabe: zum Fortschritt der Menschheit beizutragen. Die Aufgabe der Eltern (und aller, die in die Erziehung und Bildung involviert sind) ist es, das Potential der Kinder zu fördern, ihre Edelsteine, also alle ihre Anlagen, Fähigkeiten und Begabungen zu fördern und ihnen zu helfen, ihre im Ansatz guten Charaktereigenschaften so zu entwickeln, dass sie diese für sich und andere Menschen oder die Gemeinschaft einzusetzen lernen. Soweit die Religion. In der öffentlichen Wahrnehmung gelten immer noch darwinistische Gedanken von Konkurrenz und Kampf gegeneinander als die normale, angeborene Lebensform. Dem widersprechen die neuesten Erkenntnisse der Hirnforschung. Die Neurobiologie bestätigt, dass der Mensch seiner Natur nach zum Miteinander, nicht zum Gegeneinander geschaffen ist. Fähigkeit und Bereitschaft zur Zusammenarbeit und Empathie sind angeboren! Wettbewerb und Konkurrenzdenken sind erlernt, nicht umgekehrt. Joachim Bauer beschreibt in seinem Buch »Prinzip Menschlichkeit«: »Wir sind – aus neurobiologischer Sicht – auf soziale Resonanz und Kooperation angelegte Wesen. Kern aller menschlichen Motivation ist es, zwischenmenschliche Anerkennung, Wertschätzung, Zuwendung oder Zuneigung zu finden und zu geben.«

    Das Menschenbild von Alfred Adler

    Dieses Buch basiert auf der Individualpsychologie von Alfred Adler (1870–1937), einem der »Gründerväter« der modernen Psychologie. Adler, und später seine Schüler, vor allem Rudolf Dreikurs (1897–1972) waren ihrer Zeit weit voraus. Die Hirnforschung der letzten zwanzig Jahre bestätigt, was Adler vor über hundert Jahren lehrte. Er sah in Menschen vor allem soziale Wesen. Menschen können nicht allein leben. Zusammenarbeit ist eine Grundvoraussetzung unseres Lebens. Deshalb sind soziale Fähigkeiten und gute Beziehungen lebensnotwendig!

    Deshalb fordert Adler: »Das Kind muss für die Gemeinschaft erzogen werden!«

    Alfred Adler spricht von drei sozialen Lebensaufgaben, die alle Menschen zu lösen hätten. Er nannte sie Lebensaufgaben, weil sie uns ein Leben lang begleiten, und sie sind sozial, weil wir sie nicht allein, sondern nur in Beziehung zu und in Gemeinschaft mit anderen lösen können. Es sind die Aufgaben Liebe, Arbeit und Gemeinschaft. Unter Liebe verstand er Partnerschaft und Sexualität, aber auch den Umgang mit der Familie, der Herkunftsfamilie und der eigenen Familie mit den Kindern und später auch deren Partnern und Kindern. Unter Arbeit verstand er nicht nur die Erwerbstätigkeit, sondern alle Arbeit, die wir verrichten. Das Arbeitsklima, der Umgangston, die Anerkennung, von denen die Atmosphäre zwischen Menschen geprägt wird, beeinflussen ihr Wohlbefinden und ihre Leistungsbereitschaft auf beträchtliche Weise. Die Lebensaufgabe Gemeinschaft umfasst nicht nur unsere Freundschaften, sondern auch den Umgang mit Menschen, die wir in allen Lebensbereichen außerhalb der Arbeit und der Familie treffen, also die Erzieherinnen² und Lehrer der Kinder, die anderen Eltern, Mitglieder in Verein und Partei, Nachbarn und Menschen, die wir im Alltag und in der Freizeitgestaltung treffen, sei es an der Kasse oder in der Straßenbahn. Adlers Schüler Rudolf Dreikurs und Harald Mosak formulierten zwei weitere Aufgaben. Sie nannten sie einen Kosmos. Hier geht es um den Sinn des Lebens – warum wir überhaupt hier sind auf dieser Welt. Die Wissenschaft hat erkannt, dass Menschen, die für sich eine Antwort auf diese Frage gefunden haben, gut mit Lebenskrisen umgehen können. Die letzte Aufgabe ist der Umgang mit sich selbst. Mit sich selbst im Einklang sein und Frieden mit sich gemacht zu haben, trägt wesentlich zu einem glücklichen Leben bei. Hier geht es nicht um Selbstverwirklichung um jeden Preis, sondern um die Balance zwischen für sich selber sorgen und für andere Menschen da sein.

    Als Ideal und gleichzeitig als Maßstab für das Leben in der Gemeinschaft formuliert Adler das Gemeinschaftsgefühl. Die Glücksforschung bestätigt, dass gelungene zwischenmenschliche Beziehungen wesentlich zum persönlichen Wohlbefinden und Glück jedes Einzelnen beitragen. Leben in der Gemeinschaft mit der Gemeinschaft für die Gemeinschaft führt zu Glück! Eine Kultur der Zusammenarbeit, gegenseitiger Hilfsbereitschaft und des Sich-Kümmerns entspricht dem positiven Menschenbild viel mehr als Elitedenken, eine Ellbogen- und Mitnahmementalität, als der Egoismus, den der Turbokapitalismus zu fordern und fördern scheint. Anzeichen für einen Wechsel im Denken sind da. Junge Erwachsene heute wollen Familie, Beziehungen, Freundschaften und einen sinnvollen Arbeitsplatz miteinander vereinen.

    Welche Werte und Fähigkeiten brauchen unsere Kinder für diese neue Gesellschaft, die sich langsam abzeichnet? Da gute Beziehungen wichtig sind, brauchen sie das, was Beziehungen fördert, also Werte wie Ehrlichkeit, Höflichkeit, Vertrauenswürdigkeit, Zuverlässigkeit, Gerechtigkeit. Sie brauchen Fähigkeiten zur Zusammenarbeit, zur Freundschaft, zur Liebe. Sie sollen sich einbringen und zurücknehmen können. Sie sollen Konflikte aushalten und lösen können. Dafür brauchen sie ein gutes Selbstwertgefühl und die Bereitschaft, sich am Arbeitsplatz, in der Familie, im Freundeskreis und in der Gemeinschaft einzusetzen. Sie sollen einen Beruf ausüben und Geld verdienen und das Geld sinnvoll für sich und ihre Familien nutzen, ohne in Schulden zu geraten. Dafür brauchen sie Leistungsbereitschaft, Ausdauer und Frustrationstoleranz. Sie sollen sich eine Meinung bilden können in all dem Informationsüberfluss. Sie sollen sich sinnvolle Ziele setzen und diese auch erreichen können.

    Dies ist ein ziemlich großer Katalog von Werten und Fähigkeiten, die Kinder in fünfzehn Jahren lernen sollen – neben der Bildungsmaterie der Schulen. Nach ungefähr fünfzehn Jahren ist die aktive Phase der Erziehung abgeschlossen. Sie wird im fließenden Übergang abgelöst durch die Phase der Begleitung – die Eltern begleiten ihren nun jugendlichen Nachwuchs in die Selbständigkeit und Eigenverantwortung des erwachsenen Menschen.

    Kapitel 2

    Was braucht ein Kind?

    Alfred Adler beschreibt vier grundlegende menschliche Bedürfnisse:

    Das Bedürfnis dazuzugehören

    Das Bedürfnis, besser zu werden, zu wachsen, zu lernen

    Das Bedürfnis, Bedeutung zu haben, wertgeschätzt zu werden

    Das Bedürfnis nach Ermutigung

    Das Bedürfnis dazuzugehören

    Am Anfang eines jeden Elternkurses sprechen wir darüber, wie Menschen sich fühlen, denen das Zugehörigkeitsgefühl abhanden gekommen ist in der Familie, am Arbeitsplatz oder im Freundeskreis. Die Gefühle haben ein breites Spektrum: von Unbehagen über Traurigkeit, Wut, Aggression, Hilflosigkeit, Verzweiflung, über Minderwertigkeitsgefühle bis zu körperlichen Symptomen wie Unwohlsein, Magendrücken, Übelkeit und Kopfschmerzen. Wenn es Erwachsenen so geht, wie geht es dann erst den Kindern, die noch nicht die Fähigkeit haben zu erkennen, was sie brauchen und das auch zu sagen oder für sich selber zu sorgen? Jedes Kind will seinen festen Platz haben im Familiengefüge, im Kindergarten, in der Schulklasse, im Sportverein oder bei den Pfadfindern – wo immer es teilnimmt. Leider ist die bloße Zugehörigkeit zur Familie oder zu jeder anderen Gruppe keine Garantie dafür, dass Menschen sich auch zugehörig fühlen! Erwachsene können etwas dafür tun. Kinder brauchen die Hilfe der Erwachsenen, um es zu

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