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Herz ist Trumpf
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eBook252 Seiten3 Stunden

Herz ist Trumpf

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Über dieses E-Book

Die junge Journalistin Rachel lernt auf einem Lesbenpokerabend die verführerische, etwas ältere Eden kennen - ein erotisches Abenteuer beginnt, das schnell zu Liebe wird. Obwohl zunächst alles perfekt scheint, bleibt die Vertreibung aus dem Paradies nicht aus und stellt die Beziehung auf eine harte Zerreißprobe.

Sind die Bande zwischen Rachel und Eden stark genug, die dramatischen Ereignisse zu überstehen?
SpracheDeutsch
Herausgeberédition eles
Erscheinungsdatum29. Apr. 2013
ISBN9783941598973
Herz ist Trumpf

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    Buchvorschau

    Herz ist Trumpf - Shari J. Berman

    Shari J. Berman

    HERZ IST TRUMPF

    Aus dem Amerikanischen übersetzt von

    Martina Damasko

    Originalausgabe:

    © 2009

    ePUB-Edition:

    © 2013

    édition el!es

    www.elles.de

    info@elles.de

    Alle Rechte vorbehalten.

    ISBN 978-3-941598-97-3

    Coverfoto:

    © pixelio.de

    Poker Face

    Poker. Sie war doch tatsächlich am Freitag zu einem Abendessen und einer anschließenden Pokerrunde eingeladen.

    Wie lange hatte sie schon nicht mehr gespielt? Das letzte Mal musste damals vor fünfzehn Jahren gewesen sein, als sie mit der ganzen Familie eingeschneit gewesen war. Sicherlich hatte sie auch danach einmal Karten in der Hand gehabt, aber die Erinnerung ließ sie diesbezüglich im Stich.

    Pokerspielende Lesben . . . ob es da wohl auch Zigarren geben würde? Allein der Gedanke daran entlockte ihr ein unfreiwilliges Stöhnen.

    Ungefähr drei Blocks von der angegebenen Adresse entfernt fand Rachel einen Parkplatz. Es war ein eher bescheidenes Viertel von Santa Monica, aber der Rasen des Vorgartens war ordentlich gepflegt. Alle Wohnkomplexe waren mit einem Swimmingpool ausgestattet. Durch einen Maschendrahtzaun hindurch erblickte Rachel einige junge, blonde Schönheiten, die ihre Runden drehten, in der Hoffnung, irgendwann entdeckt zu werden.

    Rachel hatte niemals in Los Angeles leben wollen – aber es erwies sich als schier unmöglich, an gutbezahlte Jobs für junge Journalisten zu kommen, und das Magazin hatte ihr ein Angebot unterbreitet, das sie einfach nicht ablehnen konnte.

    Ursprünglich waren Kinofilme ihr Spezialgebiet gewesen, und mit diesem Job konnte sie ihre beiden Interessen Film und Journalismus vereinen.

    Abgesehen davon schien eine Distanz von dreitausend Meilen zwischen ihr und Sandi geradezu perfekt . . .

    Sie parkte rückwärts ein – eine weitere schon verloren geglaubte Fähigkeit – und blieb noch ein paar Minuten im Auto sitzen.

    Warum nur schweiften alle ihre Gedanken am Ende immer wieder zu Sandi?

    Sandi. Es war ihr ein Rätsel, wie ihre große Liebe in nur zwei kurzen Jahren zum Fluch ihres Daseins hatte werden können.

    Das erste Jahr war der Himmel auf Erden gewesen. Das zweite Jahr indes ließ die Hölle als Vergnügungspark erscheinen.

    Rachel hatte die gesamte Bandbreite möglicher Gefühle erlebt – am Anfang hatte sie dieser Frau ihr Herz und ihre Seele anvertraut, am Ende war sie davon überzeugt, sich wegen einer von Sandis zahllosen Affären mit HIV infiziert zu haben.

    Sandis Verhalten hatte ihr das lesbische Leben ziemlich vermiest. In ihrem ersten gemeinsamen Jahr hatten sie sich zumeist abgekapselt. Natürlich waren sie bei einigen Abendessen mit anderen Lesben dabeigewesen, aber sie waren nie wirklich in die Szene abgetaucht. Aber gerade, als sie ihr zweites Jahr als Paar starteten, nahm Sandi zusammen mit einer Frau namens Nora an einem lesbischen Seminar teil. Rachel war beruflich verhindert und konnte sie somit nicht begleiten. Sandi kehrte als strenge Verfechterin der Polygamie aus dem Seminar zurück.

    Rachel hatte bis zu diesem Zeitpunkt angenommen, dass sie beide sich deshalb treu waren, weil sie es so wollten. Sandi hingegen vertrat nun auf einmal die Meinung, dass ihre mangelnde Erfahrung als Lesben sie bislang von der Erkenntnis abgehalten hatte, dass Monogamie nur das verachtenswerte Patriarchat unterstützte. Aus, Punkt, fertig.

    Rachels Ansicht nach war Treue eine persönliche, keine politische Entscheidung. Was die neue Sandi anbetraf, so war das Persönliche politisch und umgekehrt.

    Tränen traten in ihre Augen, als sie sich zurückerinnerte. Warum nur machte es ihr noch immer so viel aus?

    Sie nahm die Sonnenbrille ab und wollte nach einem Papiertaschentuch greifen. Ach nein, die hatte sie ja in der Handtasche gelassen.

    Vor ihrem Umzug nach L.A. hatte sie ihre Habseligkeiten auf das unbedingt Notwendige reduziert; nun besaß sie noch eine sehr nach Butch aussehende Geldbörse, die man mit einer Kette an der Gürtelschlaufe befestigen konnte, eine sehr modische Handtasche und eine Aktentasche – mit hoffentlich eingebauter Erfolgsgarantie.

    Zur Pokernacht hatte sie sich für die Geldbörse entschieden. In der war natürlich kein Platz zum Verstauen von Papiertaschentüchern. Aber eine gute Butch würde sowieso ihren Hemdsärmel benutzen.

    Das einzige Problem dabei war nur, dass es hier im September abends immer noch sehr warm war und sie sich deshalb dazu entschlossen hatte, eine ärmellose Bluse anzuziehen. Jetzt war sie dazu gezwungen, sich die Tränen mit dem Handrücken aus dem Gesicht zu wischen.

    »Okay, Rach«, sprach sie zu sich selbst. »Lass es uns einfach durchziehen.« Sie schnappte sich die Flasche Chardonnay, die während der Fahrt auf die andere Seite des Rücksitzes gerollt war, und stieg aus dem Wagen.

    Nun musste sie nur noch ihre Fassung zurückgewinnen, bevor sie in eine Wohnung voller Lesben trat. Sie wollte nicht wie ein heruntergekommener Straßenköter vor der Tür stehen. Sie seufzte leise, wischte sich die letzten Tränenreste aus den Augen und setzte wieder ihre Sonnenbrille auf.

    Die Sonne stand schon ziemlich tief, aber sie war bemüht, sich der Gegend anpassen – in Südkalifornien galt eine Sonnenbrille einfach als unbedingtes Muss.

    »Du musst Rachel sein. Ich bin Beth.« Beth begrüßte sie an der Tür. »Hattest du Probleme herzufinden?«

    »Nein, überhaupt nicht, du gibst großartige Anweisungen.«

    Diese Antwort entlockte Beth ein Grinsen.

    Hatte Rachel sich falsch ausgedrückt? War ihre Äußerung irgendwie zweideutig gewesen? Sie fühlte sich plötzlich etwas fehl am Platz. Vielleicht war sie für so eine Runde noch nicht bereit. Ihre Toleranzgrenze für Anzüglichkeiten war üblicherweise sehr gering.

    »Komm rein. Wir beißen nicht.« Beth schob sie in die Wohnung.

    »Mach dich selbst mit allen bekannt«, empfing sie gleich darauf eine Frau mit rabenschwarzem Haar und heiserer Stimme.

    Mach dich selbst mit allen bekannt? Na ja, immerhin besser als: Wir beißen nicht, wir schlecken und saugen nur . . . der typische Anmachspruch der Jungen der Junior High School, die immer die letzte Reihe im Schulbus für sich reserviert hatten.

    Interessante Stimme übrigens.

    »Das ist Eden, unsere Antwort auf Suzanne Pleshette.«

    »Ich denke mal, unser Gast wird etwas zu jung sein, um diesen Vergleich zu verstehen –«, bemerkte eine sehr hellhäutige Frau mit grauen Strähnen im Haar. »Ich bin Marie.«

    »Hi«, entgegnete Rachel.

    »Suzanne Pleshette war vor gar nicht allzu langer Zeit in ein paar Fernsehserien zu sehen«, erklärte eine sehr großgewachsene Blondine, die einen Kaftan mit umgebundener Schürze trug.

    »Hallo, ich bin Kathy. Danke für den Wein«, fuhr sie fort, während sie Beth die Flasche aus der Hand nahm, die Rachel ihr an der Tür übergeben hatte. »Die Vorstellung hast du großartig gemacht, Schatz«, fügte sie noch lächelnd hinzu.

    »He, nicht meine Schuld, ich bin ja gar nicht zu Wort gekommen«, verteidigte sich Beth. »Also, die mit dem losen Mundwerk ist Eden. Kathy hat sich ja schon vorgestellt, genauso wie Marie. Dann bleibt nur noch Yolanda übrig, die gerade im . . . ah, hier ist sie.«

    Eine fröhlich wirkende Frau, die etwas jünger als die anderen zu sein schien, lächelte Rachel an. Ein dunkler Haaransatz war durch ihr designergebleichtes aschblondes Haar zu sehen.

    »Yolanda, das ist Rachel.«

    »Beth zieht das Ganze hier wie ein Treffen der anonymen Alkoholiker auf, Yoli. Also auf keinen Fall einen Nachnamen verraten«, scherzte Marie.

    Alle lachten. Rachel hatte sich schnell an die fehlende Förmlichkeit des kalifornischen Lebensstils gewöhnt. Es war ihr noch nicht einmal aufgefallen, dass bei den Vorstellungen keine Nachnamen genannt worden waren.

    »Hallo, Rachel. Du bist also die neue Lesbe in der Gegend«, plapperte Yolanda munter drauflos.

    »Was kann ich dir zu trinken anbieten?« fragte Beth, das Geplänkel übertönend. Sie wies auf eine Karaffe, die auf dem Tisch stand. »Das ist meine eigene Mai-Tai-Mischung. Ist allerdings etwas stark geworden.«

    »Hm, in meinem ersten Monat in L.A. möchte ich nicht gleich wegen Trunkenheit am Steuer festgenommen werden«, entgegnete Rachel. »Hast du vielleicht etwas Harmloseres?«

    Sie entschied sich schließlich für ein Wasser mit Limonengeschmack. Beth servierte es zusammen mit einem Glas ihrer speziellen Mai-Tai-Mischung, nur für den Fall, dass Rachel doch noch probieren wollte.

    Als sie sich unbeobachtet fühlte, erlaubte sie sich, an dem Mai Tai zu nippen. Wow, Beth hatte wirklich nicht übertrieben! Der hatte es in sich. Sie bemerkte, dass Eden sie angrinste.

    »Bist du überhaupt schon alt genug für Alkohol?« fragte Eden.

    »Das letzte Mal war ich es noch. Aber wenn du nachschauen willst . . .« Rachel reichte Eden ihr Portemonnaie.

    Lebhaft und gründlich, dachte Eden. »Ich verlasse mich mal darauf, dass du mir die Wahrheit sagst.«

    Ihre Hand berührte Rachels leicht, als sie ihr das Portemonnaie zurückgab. Rachel war über das Kribbeln, das dieses leichte Streifen in ihr auslöste, erstaunt.

    Beth reichte derweil kleine, gefüllte Champignons als Appetithäppchen herum, bevor sie wieder in die Küche verschwand. Als sie zurückkam, verteilte sie an alle kleine Schälchen mit Sojasauce. Kathy folgte ihr mit selbstgemachten Sushi – California Maki, fest zusammengerollt, mit kleinen Fischroggenkörnchen auf der Außenseite.

    Marie ließ einen anerkennenden Pfiff hören. »Die sehen viel besser aus als in dem Sushi-Restaurant in der fünfzehnten Straße! Ich verneige mich vor deinen Kochkünsten, oh Göttin!«

    »Nimm endlich etwas, Marie. Das Tablett ist schwer.« Kathy hatte von dem Kompliment einen hochroten Kopf bekommen.

    Rachel benutzte den Augenblick, um die Gruppe noch einmal genauer zu betrachten . . .

    Beth war klein, mit dunkelroten Haaren und sonnengebräunten, muskulösen Beinen. Tennis? War Tennis nicht geradezu eine Grundvoraussetzung, um in Kalifornien dazuzugehören?

    Beths Partnerin war gut zwanzig Zentimeter größer. Rachel hatte im Laufe des Abends beobachtet, wie oft sie sich wie zufällig berührten oder den Blickkontakt suchten.

    Wie lange sie wohl schon zusammen waren? War dies vielleicht ein leuchtendes Beispiel dafür, dass es ein »und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende« wirklich gab? Während des gesamten vergangenen Jahres war es häufig Rachels einziger Trost gewesen, dass all ihre lesbischen Freundinnen genauso kranke oder noch schlimmere Beziehungen geführt hatten wie sie selbst.

    Marie schien sehr nett zu sein. Sie lächelte viel und verstand es, ihre Freundinnen immer wieder aufzubauen. Sie und die Wasserstoffgebleichte namens Yolanda unterhielten sich gerade und kicherten.

    Rachel hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Ihre Augen wanderten zu Eden. Für einen direkten Blickkontakt war sie noch nicht bereit, also begann sie ihre Betrachtung etwas tiefer. Eden trug eine enge weiße Bluse und schwarze Shorts. Rachel konnte durch den Blusenstoff die Konturen des BHs erkennen. Das Wort »drall« kam ihr in den Sinn. Trotz des schützenden BHs ließ die durchsichtige, engsitzende Bluse nur noch wenig Raum für Phantasie.

    Wie bei sich begegnenden Schiffen schienen Edens Augen an Rachels Körper entlangzugleiten, während Rachels Augen über Edens Körper wanderten.

    Edens Haare waren rabenschwarz. Im Nacken waren sie hochgesteckt. Rachel fragte sich, wie lang das Haar wohl sein würde, wenn Eden es offen trug. Edens Gesicht wirkte dagegen sehr blass, und ein paar Sommersprossen verteilten sich rund um ihre Nase. Rachel zwang sich schließlich dazu, in eine andere Richtung zu schauen.

    Dies indes gelang ihr nur für ein paar Sekunden, bevor ihr Blick erneut zu Eden zurückwanderte. Sie fühlte sich geradezu gezwungen, diese Frau anzustarren. Ihre Augen trafen sich wieder für einen kurzen Augenblick.

    Rachel durchlief ein Zittern. Entweder geschah hier gerade etwas Außergewöhnliches, oder die Klimaanlage war definitiv zu hoch eingestellt. Endlich schaffte sie es, dem Blick auszuweichen, und versuchte sich zusammenzureißen.

    Gerade als sie dachte, sie hätte es geschafft, fragte Eden sie: »Also, was machst du, Rachel?«

    »Ich . . . ich schreibe.« Rachels eigene Stimme kam ihr plötzlich fremd vor.

    »Aha. Habe ich schon etwas von dir gelesen?«

    »Vielleicht. Ich arbeite für ein Magazin. Was machst du?«

    Eden hielt kurz den Atem an und entschied sich dann für eine knappe Antwort. »Ich arbeite in einem Krankenhaus.«

    Alle im Raum verstummten plötzlich und blickten Eden mit offenkundiger Neugier an.

    Sie arbeitet in einem Krankenhaus. Rachel stellte sie sich als unnachgiebige Verwaltungschefin vor, die jedes Formular dreimal ausfüllen ließ, während man blutend in der Notaufnahme stand.

    Aber warum waren plötzlich alle Gespräche im Raum verstummt, als sie Rachel erzählte, wo sie arbeitete? Seltsam . . .

    Beth murmelte etwas davon, dass Kathy wohl Hilfe in der Küche benötige. Yolanda und Marie nahmen ihre Unterhaltung wieder auf, allerdings nun etwas gedämpfter.

    »Scheint, dass sogar die großen Kinder vor dir Angst haben«, sagte Rachel zu Eden und nickte in Richtung der anderen.

    Eden zog die Augenbrauen in die Höhe, was Rachel so interpretierte, dass es genauso sein sollte.

    »Glaubst du an den Spruch, dass man mit dem Alter weiser wird?« fragte Eden.

    Rachel versuchte angestrengt den leichten Akzent einzuordnen, den sie bei Eden festgestellt hatte. Irgendwie schien er aus einer nicht englischsprachigen Gegend zu stammen. Aber woher?

    »Wie alt bist du denn, Oma?« Rachel schmunzelte. »Ich selbst werde in zwei Monaten dreißig. Viel älter kannst du auch nicht sein.« Das leichte Geplänkel zog langsam weitere Zuhörer an. Im Hintergrund war Kichern zu hören.

    Eden blickte überrascht. »Dreißig? Bei deinem Gesicht hätte ich gedacht, dass du viel jünger bist.«

    »Ich weiß.« Rachel seufzte. »Unglücklicherweise muss ich mir dieses Gesicht jeden Tag beim Kämmen im Spiegel anschauen.«

    Unglücklicherweise? Eden betrachtete Rachels sanftes Gesicht, ihre blaugrauen Augen und ihr lockiges, aschblondes Haar. Die kleine Unebenheit auf dem Rücken ihrer Nase verlieh dem Gesicht noch mehr Charakter. Es war wohl kaum eine Qual, dieses Gesicht täglich zu betrachten. Zumindest für Eden wäre es das nicht gewesen.

    »Ja, das muss wirklich hart sein«, meinte Eden schließlich.

    Rachel versuchte in Edens Gesicht zu lesen, wie die Bemerkung aufzufassen sei, aber sie konnte aus ihrem Ausdruck nichts ableiten.

    »Und um deine Frage zu beantworten: Ich werde nächsten Monat achtunddreißig«, fuhr Eden fort.

    In diesem Moment bat Kathy alle zu Tisch.

    Das Abendessen war international zusammengestellt. Es bestand aus gekühlter Suppe, einem mediterranen Brotsalat, zwei verschiedenen Arten von Pasta und gegrilltem Gemüse.

    Rachel war hin und weg. Sie hatte in Washington Bekannte, die eine Menge Geld dafür ausgaben, so ein Abendessen in einem kleinen Bistro in Georgetown zu genießen. Jedoch konnte keines dieser Bistros auch nur ansatzweise etwas Ähnliches auf den Tisch zaubern.

    Rachel selbst kochte gern, aber meistens fehlten dafür Zeit und Anlass. Und sogar ihre Heterofreunde konnten wohl eher unter dem alten jüdischen »American-Princess«-Klischee zusammengefasst werden. Wenn man sie gefragt hätte, was sie am besten könnten, so hätte die Antwort gelautet: »Einen Tisch in einem Restaurant reservieren.«

    Während des Abendessens wurden aktuelle Ereignisse diskutiert. Zudem erfuhren die anderen, dass eine Anwältin namens Jennifer aus Virginia Rachel empfohlen hatte, sich bei Beth und Kathy zu melden. Jennifer arbeitete in einer Kanzlei, die eine enge Zusammenarbeit mit Beths Kanzlei pflegte. Rachel erfuhr weiter, dass Kathy einen hohen Posten in einer Werbeagentur innehatte; Marie arbeitete bei einer Bank, und Yolanda war Friseurin.

    Nach dem Essen bestand Yolanda darauf, in der Küche mit dem Abwasch zu helfen. Rachel nahm ebenfalls ein paar Teller zur Hand, aber die anderen nahmen sie ihr schleunigst wieder ab, mit dem Hinweis auf die goldene Regel, dass keine neue Lesbe in der Gegend gleich an ihrem ersten Abend zum Küchendienst verurteilt werden durfte.

    Beth legte neue Musik ein, und Rachel nutzte die Ruhe der Untätigkeit, um die Kunst an den Wänden etwas genauer zu betrachten. Irgendwie wirkten die Artefakte in dieser beschaulichen Wohnung in Santa Monica etwas fehl am Platz.

    Marie musste ihre Gedanken gelesen haben. »Kanntest du das Haus, das sie vor dem Beben und den Erdrutschen gehabt haben?«

    Rachel schüttelte den Kopf.

    Marie flüsterte nun fast. »Sie hatten ein traumhaftes Haus mit einem wundervollen Ausblick auf das Meer, direkt über dem Pacific Coast Highway. Das Fundament war nach dem Beben und den Erdrutschen leider nicht mehr sicher genug, weshalb sie es verlassen mussten. Bis zum heutigen Zeitpunkt haben sie bereits Tausende von Sachverständigen, Versicherungsagenten und alle anderen möglichen Experten befragt, ob es eine Möglichkeit gibt, das Fundament wieder stabil genug zu gestalten, um dort wieder einzuziehen. Kathy hasst dieses Haus hier . . . sie nennt es das Kakerlaken-Motel.«

    »Gibt es hier wirklich Kakerlaken?«

    »Nein, eigentlich meint sie damit auch mehr die anderen Mieter der Anlage«, versicherte ihr Marie und brachte Rachel damit zum Kichern.

    Marie verabschiedete sich gleich darauf, um nachzusehen, ob ihre Hilfe in der Küche gebraucht wurde, und Rachel fand sich plötzlich in Beths und Edens Gesellschaft wieder.

    »Was denkst du, Eden?« begann Beth und blickte Rachel an.

    »Worüber?« fragte Eden zurück.

    »Na ja, du beschwerst dich immer, dass wir keine interessanten Leute einladen. Aber was ist mit Rachel? Eine sehr gefragte Journalistin. Landslesbe, und überhaupt.«

    Beth hatte den jüdischen Ausdruck für Gleichgesinnte – sprich Landsmänner, also Juden aus demselben Land – für ihre eigenen Erklärungszwecke umgewandelt.

    Eden verstand sofort, wie das gemeint war, und war noch mehr erstaunt. »Du bist auch Jüdin?« entfuhr es ihr stotternd.

    »Wenn man Rachel Katz heißt? Was sonst?« warf Beth ein.

    »Moment, ich dachte, hier ginge es nur um Vornamen. Nun, da mein Name genannt wurde, möchte ich den Familiennamen von jedem hier wissen«, sagte Rachel mit gespieltem Entsetzen.

    »Weiss, Eden Weiss. Meine Mutter spricht es sogar so aus, dass es sich wie das Edelweiß in dem Film Sound Of Music anhört.«

    Rachel musste lachen. »Woher kommt deine Mutter?«

    »Geboren wurde sie in Deutschland, aber aufgewachsen ist sie in Israel.«

    »Eden hat in ihrer Jugend auch hin und wieder in Israel gelebt«, fiel Beth ein. »Wir kannten uns schon im Sandkasten und haben dann

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