Dr. Norden Bestseller 79 – Arztroman: Ein Mädchen kam aus Übersee
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Elisabeth Thiel ist eine glückliche Frau. An der Seite ihres Mannes führt sie ein ausgefülltes Leben und ist ihrem Stiefsohn Torsten eine liebevolle Mutter. Als eines Tages ein Brief ihrer Freundin Maria aus Sydney kommt, scheint ihre Welt ins Wanken zu geraten. Maria ist krank und will auf die Insel der Hoffnung zur Kur kommen, ihre Tochter Cindy soll während dieser Zeit bei den Thiels bleiben. Elisabeth ist damit einverstanden, denn Maria ist ihre einzige Freundin. Cindy fügt sich problemlos in die Familie ein, und ihre Mutter fühlt sich auf der Insel der Hoffnung wohl, aber Dr. Cornelius macht bei ihr eine erstaunliche Entdeckung…
Fröhlich pfeifend betrat Torsten Thiel sein Elternhaus. In der Diele jedoch verstummte er jäh.
"Hallo, Mutti, nicht zu Hause?" rief er verwundert, denn er war es gewohnt, daß sie zumindest den Kopf durch die Küchentür steckte, wenn er heimkam.
"Doch, ich bin da, Torsten", kam vom Obergeschoß die Antwort, aber Elisabeth Thiels Stimme klang anders als sonst. "Ich komme gleich."
Torsten war besorgt. Daß Elisabeth nicht seine richtige Mutter war, hatte keine Bedeutung für ihn. Er hing mit zärtlicher Liebe an der schlanken blonden Frau, die nun langsam die Treppe herabstieg. Besorgt betrachtete er sie, und seinem klaren, aufmerksamen Blick konnte es nicht entgehen, daß sie geweint hatte.
"Was ist denn, Mutti?" fragte er erschrocken. "Fühlst du dich nicht wohl? Komm, setz dich, ich rufe gleich Dr. Norden an."
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Buchvorschau
Dr. Norden Bestseller 79 – Arztroman - Patricia Vandenberg
Elisabeth Thiel ist eine glückliche Frau. An der Seite ihres Mannes führt sie ein ausgefülltes Leben und ist ihrem Stiefsohn Torsten eine liebevolle Mutter. Als eines Tages ein Brief ihrer Freundin Maria aus Sydney kommt, scheint ihre Welt ins Wanken zu geraten. Maria ist krank und will auf die Insel der Hoffnung zur Kur kommen, ihre Tochter Cindy soll während dieser Zeit bei den Thiels bleiben.
Elisabeth ist damit einverstanden, denn Maria ist ihre einzige Freundin. Cindy fügt sich problemlos in die Familie ein, und ihre Mutter fühlt sich auf der Insel der Hoffnung wohl, aber Dr. Cornelius macht bei ihr eine erstaunliche Entdeckung…
Fröhlich pfeifend betrat Torsten Thiel sein Elternhaus. In der Diele jedoch verstummte er jäh.
»Hallo, Mutti, nicht zu Hause?« rief er verwundert, denn er war es gewohnt, daß sie zumindest den Kopf durch die Küchentür steckte, wenn er heimkam.
»Doch, ich bin da, Torsten«, kam vom Obergeschoß die Antwort, aber Elisabeth Thiels Stimme klang anders als sonst. »Ich komme gleich.«
Torsten war besorgt. Daß Elisabeth nicht seine richtige Mutter war, hatte keine Bedeutung für ihn. Er hing mit zärtlicher Liebe an der schlanken blonden Frau, die nun langsam die Treppe herabstieg. Besorgt betrachtete er sie, und seinem klaren, aufmerksamen Blick konnte es nicht entgehen, daß sie geweint hatte.
»Was ist denn, Mutti?« fragte er erschrocken. »Fühlst du dich nicht wohl? Komm, setz dich, ich rufe gleich Dr. Norden an.«
An diesem Tag, in diesem Augenblick empfand sie seine Zuneigung, seine Besorgtheit mit doppelter Rührung. Ihr Herz begann noch dumpfer, noch angstvoller zu klopfen.
»Ich habe eine schlechte Nachricht bekommen«, sagte sie bebend. »Der Mann von meiner Freundin Maria ist gestorben, und sie selbst scheint auch sehr krank zu sein.«
Torsten wußte von dieser Freundin Maria, die mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Australien lebte. Sie war eine Jugendfreundin von Elisabeth. Persönlich kennengerlernt hatte er sie nie, aber da regelmäßig Briefe getauscht wurden, war sie auch ihm irgendwie vertraut. Er fand es bewundernswert, daß eine Freundschaft so lange hielt, wenn man sich so viele Jahre nicht gesehen hatte.
Nachdenklich stimmte es ihn allerdings, daß Elisabeth so erschüttert war, als hätte sie einen nahen Angehörigen verloren. Allerdings spielte bei dieser Regung auch eine gewisse Eifersucht mit, denn Torsten war genauso eifersüchtig wie sein Vater auf alles, was neben ihnen einen Platz in Elisabeths Herzen einnehmen könnte. Die Freundin Maria Peel im fernen Australien war nur deshalb akzeptiert worden, weil sie persönlich nie in Erscheinung trat.
Elisabeth ging in die Küche. »Du bekommst dein Essen gleich, Torsten«, sagte sie tonlos.
»Das ist doch nicht so wichtig, Mutti. Ich mag es nicht, wenn du traurig bist.«
Das klang trotzig.
Torsten war vierundzwanzig, hochgewachsen, breitschultrig und eigentlich schon sehr männlich wirkend, aber manchmal war er eigensinnig wie ein kleiner Junge, so eigensinnig, wie er schon als Sechsjähriger gewesen war. Elisabeth hatte nicht vergessen, daß sie es ihm zu verdanken hatte, daß sie seit siebzehn Jahren an der Seite Reinhard Thiels ein glückliches Leben führen konnte, daß sie von Vater und Sohn gleichermaßen geliebt wurde. Aber Torsten war es gewesen, der diese Heirat zustande gebracht hatte.
Torstens Mutter, die exzentrische Frau des jungen Industriellen Reinhard Thiel war mit ihrem Sportflugzeug tödlich verunglückt, als Torsten drei Jahre alt war. Sehr attraktiv war Ina gewesen, sehr abenteuerlustig, nie zufrieden mit dem Leben als Ehefrau und Mutter. Reinhard Thiel hätte sich wohl niemals zu einer zweiten Ehe entschlossen, wenn Torsten nicht sein Herz an die junge Lehrerin Elisabeth Schenk verloren hätte, als er zur Schule kam.
Er war ein ebenso scheuer wie bockiger kleiner Junge gewesen, der von seiner sehr strengen Großmutter mütterlicherseits erzogen worden war, die auch nie gestattet hätte, daß er in eine Schule mit Proletarierkindern gebracht worden wäre. Zu Torstens Glück, anders konnte man es leider nicht sagen, starb sie sehr plötzlich nach einem Schlaganfall. Torsten kam also doch in die Volksschule, aber er fand keinen Kontakt zu den Mitschülern.
Er war nie mit anderen Kindern in Berührung gekommen und außerdem viel weiter als seine Mitschüler und langweilte sich während des Unterrichts.
Elisabeth, gerade erst in den Lehrdienst übernommen, nahm sich des kleinen Außenseiters besonders an, der oft gehänselt wurde, weil er so korrekt gekleidet war. Sie sprach auch darüber mit seinem Vater, den sie als einen recht unzugänglichen Mann kennenlernte.
Aber Torstens Zuneigung zu ihr wurde immer stärker, und so eigensinnig und beharrlich wie er war, verstand er auch das Interesse seines Vaters an dieser jungen Lehrerin zu wecken.
Reinhard Thiel wollte Elisabeth schließlich dazu überreden, ihren Beruf aufzugeben und die Rolle der Hausdame bei ihm zu übernehmen. Dem widersprach sie. Dann erkrankte Torsten plötzlich schwer und verlangte nur nach ihr.
Dr. Friedrich Norden, Daniel Nordens Vater, hatte den kleinen Jungen betreut und war der Überzeugung, daß sein labiler Zustand auf psychische Störungen zurückzuführen sei.
Die Sommerferien kamen. Elisabeth erklärte sich auf Bitten des Jungen bereit, diese mit ihm im Ferienhaus am Gardasee zu verbringen. Und schließlich kam alles so, wie Torsten es sich gewünscht hatte.
Reinhard Thiel und Elisabeth Schenk entdeckten ihre Liebe zueinander und heirateten. Von diesem Tag an gab es keine Schwierigkeiten mehr mit Torsten, obgleich Elisabeth dann nicht mehr seine Lehrerin war. Sie bezogen ein neues Haus, er kam in eine andere Schule, er hatte Eltern wie andere Kinder auch, der Schatten seiner strengen Großmutter war gebannt. Und Reinhard Thiel war ein vollkommen glücklicher Mann geworden.
Sie führten kein großes Haus, wie es zu Inas Lebzeiten gewesen war, Elisabeth blieb bescheiden. Sie hatte täglich zwar eine Haushaltshilfe, eine schon ältere Frau, die gern kam, weil sie gut behandelt wurde und fleißig war. Elisabeth kochte selbst für ihre beiden Männer, und sie führten ein überaus harmonisches Leben, das Elisabeth mit der Zeit auch vergessen ließ, was einst ihre Jugend überschattet hatte. In ihrem Leben gab es ein Geheimnis, das sie Reinhard nicht gestehen wollte.
Siebzehn Jahre waren sie nun verheiratet und unendlich glücklich.
»Bitte, Mutti, iß doch auch«, sagte Torsten, »sonst schmeckt es mir nicht. Wenn deine Freundin jetzt Hilfe braucht, wird Vati dazu doch gern bereit sein.«
»Sie war so glücklich mit John«, sagte Elisabeth leise. »Sie waren zwanzig Jahre verheiratet. Finanzielle Sorgen wird sie kaum haben. Sie macht sich Gedanken um Cindy, weil sie fürchtet, daß sie auch sterben könnte.«
Torsten blickte auf. »Wie alt ist Cindy eigentlich?« fragte er.
»Zwanzig«, erwiderte Elisabeth.
»Dann ist sie doch kein kleines Kind mehr.«
»Ihr scheint das Klima in Australien nicht zu bekommen.«
»Was hindert sie, das zu ändern?« fragte Torsten. »Ich würde auch nicht gern in Australien leben. Vielleicht sollten sie nach Europa kommen. Deine Freundin ist doch gebürtige Deutsche, soviel ich weiß. Vielleicht hat sie Heimweh.«
Torsten war völlig unbefangen. Er konnte nicht ahnen, was Elisabeth bewegte.
»Ihr kennt euch schon sehr lange«, sagte er beiläufig.
»Von Kindheit an«, erwiderte Elisabeth. »Unsere Eltern waren Nachbarn. Wir spielten zusammen, wir gingen zusammen zur Schule, wir verbrachten auch ein Jahr als Au-pair-Mädchen in England. Dort lernte Maria ihren John kennen und lieben, und sie heirateten bald.«
Soviel hatte sie noch nie von Maria gesprochen. Torsten sah sie so intensiv an, daß ihr das Blut in die blassen Wangen stieg.
»Ich bin sehr froh, daß du keinen John kennen- und liebengelernt hast, Mutti«, sagte Torsten. »Was wäre aus uns geworden, wenn wir dich nicht gefunden hätten?«
Elisabeth traten Tränen in die Augen. Sie dachte an den kleinen Jungen, der sich so sehr nach Mutterliebe gesehnt hatte. Cindy war vom ersten Tage ihres Lebens an von Maria so sehr geliebt worden. Sie hatte nie vermissen müssen, was Torsten von Geburt an gefehlt hatte.
Freilich hatte Reinhard seinen Sohn geliebt, aber was konnte ein Mann schon mit einem Baby anfangen, ein Mann, der ein Erbe übernommen hatte, das auf wackligem Fundament stand, das eine starke Hand und vollen Einsatz brauchte.
Jetzt sah alles anders aus. Reinhard leitete ein gesundes Unternehmen, er nahm sich auch Zeit für das Familienleben, und es war eine Ausnahme, daß er mal ein paar Tage geschäftlich auswärts war. Gerade jetzt.
»Maria hat mir ein Bild von Cindy geschickt«, sagte Elisabeth leise. »Sie ist so zart.«
»Zeig es mir doch mal, Mutti«, bat Torsten. »Ich kenne ja dein mitfühlendes Herz.«
Elisabeth holte das Bild. Sie betrachtete es nochmals lange, bevor sie sich dann zu Torsten auf die Terrasse setzte, auf der man schon die warme Frühlingssonne genießen konnte.
Sie reichte ihm die Fotografie, die ein junges Mädchen im weißen Kleid, das auf einer Wiese saß, darstellte.
»Das ist ja noch ein rechtes Krischperl«, sagte Torsten, »noch ein halbes Kind. Sieht nicht aus wie zwanzig.«
»In drei Monaten wird sie zwanzig«, sagte Elisabeth leise. »Es war ein heißer Sommertag. Ich war mit Maria im Kino. Wir haben uns den Film Cinderella angeschaut, da kamen die Wehen. Ein paar Wochen zu früh.«
»Du kannst dich aber genau erinnern«, sagte Torsten erstaunt.
Elisabeth schrak zusammen. »Ja, das vergißt man nicht. Wir haben sie dann Cindy genannt.«
Eine lange Pause trat ein. »Und wann hast du das Kind zum letzten Mal gesehen, Mutti?« fragte