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Jezebel Files - Todesengel lügen nicht
Jezebel Files - Todesengel lügen nicht
Jezebel Files - Todesengel lügen nicht
eBook449 Seiten6 Stunden

Jezebel Files - Todesengel lügen nicht

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Über dieses E-Book

Endlich geht es für Ash beruflich voran: Sie bekommt den Auftrag, einen Mord aufzuklären – und der wurde angeblich von einem waschechten Todesengel begangen! Dass sie bei den Ermittlungen indirekt für die Herzkönigin arbeiten muss und damit ihrem besten Feind Levi Montefiore in die Quere kommt, macht die Angelegenheit nicht unbedingt leichter. Und dann wäre da die Sache mit ihren Jezebel-Kräften, die sie noch nicht so richtig im Griff hat.

Als Ash bei ihren Ermittlungen auf ein magisches Artefakt stößt, überschlagen sich die Ereignisse. Steckt die Schattenorganisation, die Teenagern ihre Magie entzieht, um sie an den Meistbietenden zu verkaufen, hinter dem Attentat?

Mit jeder Information, die Ash ermittelt, scheint der Fall komplexer zu werden. Schon bald muss sie sich fragen, wem sie eigentlich vertrauen kann. Und plötzlich steht nicht mehr nur ihre berufliche Zukunft auf dem Spiel, sondern auch ihr Leben …
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Juli 2023
ISBN9783948457341
Jezebel Files - Todesengel lügen nicht
Autor

Deborah Wilde

Deborah Wilde ist Weltenbummlerin, ehemalige Drehbuchautorin und Zynikerin durch und durch. Sie schreibt mit Vorliebe witzige Romane für Frauen in den Genres Urban Fantasy und Paranormal Romance. In ihren Geschichten geht es um selbstbewusste, toughe Frauen, starke weibliche Freundschaften und Romantik mit einer Prise Charme und Feuer. Sie mag Happy Ends, und es ist ihr wichtig, dass auch der Weg dorthin ihre Leser:innen zum Lachen bringt. Deborah Wilde lebt in Vancouver, zusammen mit ihrem Mann, ihrer Tochter und ihrer überaus eigenwilligen Katze Abra.

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    Buchvorschau

    Jezebel Files - Todesengel lügen nicht - Deborah Wilde

    DEBORAH WILDE

    TODESENGEL LÜGEN NICHT

    JEZEBEL FILES 2

    Aus dem Englischen von Julia Schwenk

    Über das Buch

    Endlich geht es für Ash beruflich voran: Sie bekommt den Auftrag, einen Mord aufzuklären – und der wurde angeblich von einem waschechten Todesengel begangen! Dass sie bei den Ermittlungen indirekt für die Herzkönigin arbeiten muss und damit ihrem besten Feind Levi Montefiore in die Quere kommt, macht die Angelegenheit nicht unbedingt leichter. Und dann wäre da die Sache mit ihren Jezebel-Kräften, die sie noch nicht so richtig im Griff hat.

    Als Ash bei ihren Ermittlungen auf ein magisches Artefakt stößt, überschlagen sich die Ereignisse. Steckt die Schattenorganisation, die Teenagern ihre Magie entzieht, um sie an den Meistbietenden zu verkaufen, hinter dem Attentat?

    Mit jeder Information, die Ash ermittelt, scheint der Fall komplexer zu werden. Schon bald muss sie sich fragen, wem sie eigentlich vertrauen kann. Und plötzlich steht nicht mehr nur ihre berufliche Zukunft auf dem Spiel, sondern auch ihr Leben …

    Über die Autorin

    Deborah Wilde ist Weltenbummlerin, ehemalige Drehbuchautorin und Zynikerin durch und durch. Sie schreibt mit Vorliebe witzige Romane für Frauen in den Genres Urban Fantasy und Paranormal Romance.

    In ihren Geschichten geht es um selbstbewusste, toughe Frauen, starke weibliche Freundschaften und Romantik mit einer Prise Charme und Feuer. Sie mag Happy Ends, und es ist ihr wichtig, dass auch der Weg dorthin ihre Leser:innen zum Lachen bringt.

    Die englische Ausgabe erschien 2020 unter dem Titel »Death & Desire« bei Te Da Media Inc.

    Deutsche Erstausgabe Juli 2022

    © der Originalausgabe 2020: Deborah Wilde

    © für die deutschsprachige Ausgabe 2022:

    Second Chances Verlag, Inh. Jeannette Bauroth,

    Eisenbahnweg 5, 98587 Steinbach-Hallenberg

    Alle Rechte, einschließlich des Rechts zur vollständigen oder auszugsweisen Wiedergabe in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    Alle handelnden Personen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

    Umschlaggestaltung: Frauke Spanuth, Croco Designs,

    unter Verwendung von Motiven von xtern, yurkaimmortal, pixel, Maksim Shmeljov, faestock, robin_ph

    Lektorat: Stephanie Langer

    Korrektorat: Julia Funcke

    Satz & Layout: Second Chances Verlag

    ISBN: 978-3-948457-34-1

    www.second-chances-verlag.de

    Inhaltsverzeichnis

    Titel

    Über die Autorin

    Impressum

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Kapitel 18

    Kapitel 19

    Kapitel 20

    Kapitel 21

    Kapitel 22

    Kapitel 23

    Kapitel 24

    Kapitel 25

    Kapitel 26

    Kapitel 27

    Weitere Bücher von Deborah Wilde

    Danksagung

    KAPITEL 1

    Ich hätte nie gedacht, dass Ein Engel auf Erden mal so falsch abbiegen könnte.

    »Groß, weiße Robe, weiße Flügel. Umgeben von himmlischem Licht? Haben Sie einen Heiligenschein gesehen?« Manchmal war es schon sehr befremdlich, was für Fragen ich auf der Suche nach der Wahrheit stellen musste.

    »Es ist ein Todesengel. Der tötet Menschen.« Husani Tannous, Ende zwanzig, Ägypter, rückte seine Baseballkappe zurecht, um seine beginnenden Geheimratsecken zu verstecken. »Die bekommen keinen Heiligenschein.«

    Absolut stichhaltige Logik von einem Mann, der seine fragile Männlichkeit mit der halb automatischen Waffe zu seinen Füßen kompensierte. Passte zusammen wie guter Wein und Käse. Oder Benzin und ein Streichholz.

    Dieses Wohnzimmer hätte sich genauso gut auf einem Schlachtfeld befinden können, fehlte nur noch der schlammige Schützengraben. Im oberen Stockwerk lag sogar eine Leiche, und wenn die Feindseligkeiten hier unten eskalierten, würde es noch weitere Opfer zu beklagen geben. Nervosität und Vorfreude verursachten mir ein Kribbeln im Magen.

    »Das war nicht sarkastisch gemeint«, erwiderte ich und legte die Fingerspitzen aneinander, während ich mich in dem reich bestickten Sessel zurücklehnte. »Aber ich brauche alle Fakten.«

    »Fakt ist, dass er meinen Bruder umgebracht hat!« Er schüttelte die Faust. »Und ich werde ihn rächen!«

    Seine Cousine Chione strich gemächlich mit einem Finger über die Pistole auf ihrem Schoß und leckte dabei genüsslich die Butter von ihrem Toast. Ihre Multitasking-Fähigkeiten faszinierten mich ungemein.

    »Große Worte, Husani. Und wie willst du diesen Engel finden? Fliegst du ihm nach in den Himmel?«, erkundigte sich Chione mit deutlich hörbarem arabischen Akzent.

    »Mach dich nicht lächerlich. Es gibt keine Flugmagie.« Rachel Dershowitz, Anfang fünfzig und die Mutter der Braut Shannon, hatte in dem Gin Tonic, den sie sich hinter die Binde kippte, das passende Getränk zu ihrer verbitterten Lebenseinstellung gefunden. Der protzige Klunker an ihrem Ringfinger hatte weniger Facetten als der verächtliche Blick, den sie Chione zuwarf.

    Chiones Finger an der Waffe zuckten, was mich dazu veranlasste, zwischen die beiden Frauen zu treten. »Hatte Omar Feinde? Gibt es einen Grund, warum ihn jemand hätte töten wollen?«

    »Omar ist ein guter Junge. Keine Feinde. Das ist ein Hassverbrechen. Diese Hundesöhne haben schon früher unsere Erstgeborenen abgeschlachtet, und sie tun es jetzt wieder!« Vielen Dank an Masika Tannous, die Großmutter und Matriarchin des aus Kairo angereisten Clans. Die kleine alte Dame wirkte so normal, wie sie da an einem Pullover strickte. Doch die Art, wie sie mit ihren Nadeln in der Luft herumfuchtelte, war für mich tatsächlich furchteinflößender als die Uzi zweifelhafter Herkunft, die seitlich an ihrem Sessel lehnte.

    Masika, Husani und Chione waren als Vertreter einer Söldnerfamilie besser ausgerüstet als das kanadische Militär, aber wie ich schon immer gesagt hatte: Weltige brauchten keine Magie, um gefährlich zu sein.

    Gegen die physischen Waffen der Tannous traten Schlangen aus Lichtmagie an, die sich über dem Tisch in der Luft wanden, bereit, sich auf ein Ziel zu stürzen und es zu zerquetschen.

    Am liebsten hätte ich allen Anwesenden ein bisschen Vernunft eingeprügelt, aber mein Job war auch so schon schwierig genug. Außerdem musste ich meine Badass-Fassade aufrechterhalten, damit die beiden Familien nicht aufeinander losgingen.

    »Ihr habt den Tod in mein Haus gebracht. Juden sollten sich nicht mit Ägyptern einlassen«, meldete sich Ivan Dershowitz zu Wort. Das korpulente Familienoberhaupt, in dessen Haus wir uns gerade befanden, saß neben seiner Frau und seiner Tochter in einem Sessel mit hoher Rückenlehne und dünnen Beinchen, die unter seinem Gewicht ächzten. Seine Lichtmagie zuckte wie eine Kobra.

    Beide Familien warfen sich eine Weile rassistische Beleidigungen an den Kopf, offenbar der diesjährige letzte Schrei bei Hochzeitsvorbereitungen.

    Die zierliche Shannon gab einen hysterischen Aufschrei von sich, der vermutlich ihre Kalorienaufnahme von einer Woche verbrauchte. Allerdings war sie auch die Einzige, die sich meiner Meinung nach angemessen verhielt angesichts der Tatsache, dass ihr Verlobter ermordet worden war. Die göttlichen Mächte schienen mir zuzustimmen, denn in diesem Moment brach ein Sonnenstrahl durch die Wolken des grauen Märztags und fiel wie ein himmlischer Segen direkt auf sie.

    Was soll ich sagen? Wenn ich recht hatte, hatte ich eben recht.

    Ich stieß einen scharfen Pfiff aus. »Angenommen, es ginge hier um die Geschichte von Pessach: Der Todesengel Malach hat alle erstgeborenen Söhne getötet, um die Juden aus der Sklaverei zu befreien. Ja, diese Woche ist Pessach, aber bislang haben wir nur einen Toten zu beklagen – ich behalte das im Auge, falls sich daran etwas ändert.« Ich wandte mich an Masika. »Der Verlust Ihres Enkels Omar tut mir sehr leid, aber ein Mord ist nicht das Gleiche wie eine Massenabschlachtung. Außerdem sitzen die Juden hier in ihrem eigenen Heim.« Sie gehörten zwar nicht gerade zur gesellschaftlichen Elite, doch von Sklaverei konnte trotzdem nicht die Rede sein. »Wir müssen also für alle Möglichkeiten offen bleiben. Vielleicht war es wirklich ein Todesengel, oder aber jemand nutzt eine gute Geschichte und Jahrhunderte des Aberglaubens und des Hasses, um seine wahren Motive zu verschleiern.«

    Da legte man einen klaren, nüchternen Fakt auf den Tisch, und schon zuckten alle Finger zum Abzug, und man fand Lichtschlangen und Stricknadeln auf sich gerichtet. Meine Anweisung, sich wieder zu beruhigen, wurde ignoriert. Fantastisch.

    In diesem Moment räusperte sich der Mann, der bislang stumm in der Mitte des Raums gestanden hatte, und von einer Sekunde auf die andere zogen sich die Streithähne zornig grummelnd in ihre Ecken zurück.

    Er war Mitte vierzig, hatte weiße Haare und trug einen weißen Anzug, der direkt aus den 1970er-Jahren hätte stammen können. Seine Kleidungswahl und die Tatsache, dass er die rechte Hand der Herzkönigin war, hatten ihm bei mir den Spitznamen Karnickel-Mann eingebracht. Eines Tages würde ich ihn auch laut so nennen.

    Bei seinem Aufzug hätte man meinen sollen, dass ihm niemand nennenswert Respekt entgegenbrachte, doch das riesige Schwert in seiner Hand ließ die Sache gleich anders aussehen. Echt beeindruckend. Wenn ich damit ein paar Dutzend Leute enthauptete, würde ich die gleiche Reaktion bekommen.

    »Könnte jemand mit mir nach oben gehen, damit ich mir den Tatort anschauen kann?«, erkundigte ich mich unter Aufbietung meiner letzten Geduldsreserven. Mein Blick fiel auf das Herzstück des protzigen Wohnzimmers: ein massiver Kronleuchter in Form eines Vogels mit ausgebreiteten Flügeln, der über den Köpfen der Anwesenden schwebte und alles aus verschlagenen Äuglein beobachtete. Selbst die Einrichtung wollte den Raum verlassen.

    »Mr Dershowitz«, forderte ich ihn auf.

    »Rebbe«, korrigierte er mich.

    Ach ja, richtig. Ivan hatte diesen Spitznamen allerdings nicht aufgrund seiner religiösen Bestrebungen erworben, sondern weil er, während er seine Gefängnisstrafe für tätlichen Angriff und Körperverletzung verbüßte, einen anderen Insassen mit einer Ausgabe des Alten Testaments ins Koma geprügelt hatte. War das nicht ein Halleluja wert?

    Ich biss die Zähne zusammen. »Rebbe …«

    Er ignorierte mich jedoch und schickte seine Lichtmagie zu Boden, wo sie sich im Kreis durch das Zimmer schlängelte. Ich musste dem Impuls widerstehen, die Beine auf den Stuhl zu ziehen. »Diese Heirat war ein Fehler«, sagte Dershowitz.

    Nein, der wahre Fehler war es gewesen, auch nur einen Fuß in diesen Misthaufen zu setzen. Andererseits hatte mir die entsprechende »Bitte« auch kaum eine Wahl gelassen.

    »Wir können uns hier noch stundenlang über die Existenz von Engeln streiten«, mischte sich der Karnickel-Mann ein, »oder Sie erlauben Ashira, der Privatdetektivin, für die die Herzkönigin persönlich bürgt, sich Omars Zimmer anzusehen. So kann sie herausfinden, was tatsächlich passiert ist.«

    Nach ein paar Minuten gegenseitiger Beleidigung der jeweils mütterlichen Familienlinie, gepaart mit äußerst kreativen anatomischen Besonderheiten, die ich sicher nie googeln würde, klingelte Rachel nach einem Hausmädchen. Husani und die Angestellte eskortierten den Karnickel-Mann und mich durch das herrschaftliche Anwesen. Wir gingen einen langen Flur hinunter, der von Bücherregalen gesäumt war, in denen sich kein einziges Buch befand, dafür aber eine umfangreiche und verstörende Sammlung von Vogelfigürchen.

    Vögel! Sie sind genau wie wir. Sie bauen Nester, pfeifen und reiben ihre Genitalien lüstern an Grasbüscheln.

    »Wäre es zu viel verlangt gewesen, mich einfach zu köpfen?«, raunte ich dem Karnickel-Mann zu.

    Ein kaum wahrnehmbares Schmunzeln war der einzige Hinweis darauf, dass er meine Bemerkung amüsant fand, ansonsten blieb sein Gesicht ausdruckslos.

    »Ab jetzt kommen wir alleine klar«, meinte ich an Husani und das Hausmädchen gewandt, als wir die Treppe zum oberen Stockwerk erreichten.

    Meine Eskorte rührte sich nicht vom Fleck.

    »Die Königin bedankt sich für Ihre Hilfe. Ich werde sie gerne wissen lassen, wie nett Sie mir erlaubt haben, den Job zu machen, für den sie mich so großzügig empfohlen hat.« Immer noch nichts.

    »Wir geben Ihnen Bescheid, wenn wir Ihre Unterstützung benötigen«, erklärte der Karnickel-Mann.

    Natürlich setzten die beiden sich daraufhin sofort in Bewegung.

    Ich stapfte die Treppe hinauf und blieb dann im Türrahmen des Gästezimmers stehen, um den ersten Eindruck auf mich wirken zu lassen.

    Während meiner Studienzeit hatte ich einen Sommer lang im Büro der Gerichtsmedizin gearbeitet, was hauptsächlich aus Aktenablage und Dateneingabe bestanden hatte. Währenddessen hatte ich jedoch auch die Möglichkeit gehabt, die Ärzte ins Leichenschauhaus zu begleiten. Dort hatte ich meinen ersten Toten zu Gesicht bekommen.

    Diesen Menschen so kalt auf dem Tisch liegen zu sehen und mir bewusst zu machen, dass er für immer fort war, hatte mich schwer getroffen. Die Gerichtsmedizinerin hatte mir die tragische Hintergrundgeschichte des Verstorbenen erzählt und wie er unzählige Drogenüberdosen überlebt hatte, nur diese eine eben nicht.

    Ich hatte so professionell wie meine Chefin sein wollen, hatte aber enorme Schwierigkeiten damit gehabt und sie deshalb gefragt, wie sie es schaffte, damit umzugehen. Ihre Antwort? Man müsse lernen, auf dem schmalen Grat zwischen Empathie und der Gefahr, mit hineingezogen zu werden, zu balancieren, weil die Toten darauf angewiesen seien, dass man schwimmen konnte und nicht ertrank.

    Diesen Rat hatte ich mir zu Herzen genommen. Mit dem Tod hatte ich also kaum noch Probleme, der nackte, haarige Hintern, der mir direkt ins Auge stach, war allerdings schon etwas anderes. Dafür sollte ich eine Gefahrenzulage verlangen. Okay, die Pobacken waren ziemlich stramm, aber dafür waren sie wirklich großzügig dunkel bepelzt. Und natürlich musste ich mir prompt Shannon vorstellen, wie sie beim Sex mit den Fingern durch die Haare strich und sich daran festhielt.

    Die aufgedunsene Leiche lag von der Tür abgewandt auf der Seite. Omars Haut war übersät mit violetten und schwarzen Flecken, und er trug nichts als ein weißes Unterhemd und eine ebenfalls weiße Anzugsocke. Die andere Socke lag neben seinem Ellenbogen. Angesichts des Zustands des Leichnams ging meine Vermutung in Richtung Ertrinken, auch wenn nirgendwo ein Tropfen Wasser zu sehen war.

    Rasch lief ich an der Wand entlang zum angrenzenden Badezimmer und warf einen Blick hinein. Keine Badewanne. Omar hätte sicher auch in der Dusche ertränkt werden können, indem man den Abfluss verstopfte oder blockierte, um ihn dann anschließend zurück ins Schlafzimmer zu schleppen. Doch die Dusche und der Vorleger waren trocken, und auch der Abfluss lieferte keinen entsprechenden Hinweis.

    Strangulation? Es gab keine offensichtlichen Würgemale. Splitter des zerborstenen Oberlichts in der Decke glitzerten auf Omars Haut und dem Teppich mit seinem psychedelischen Rankenmuster in Weiß und Gold. Wenn sich dort irgendwo Vögel versteckten, wollte ich es nicht wissen.

    Ich ließ meinen Gedanken freien Lauf, wog verschiedene Theorien gegeneinander ab und berührte dabei den Fensterrahmen mit einer Fingerspitze.

    »Keine Schutzzauber«, meinte ich. »Wie dumm muss man denn sein, um so einen Glaspalast nicht entsprechend zu schützen? Insbesondere, wenn man bedenkt, mit welcher Klientel diese Leute verkehren.«

    Schutzzauber nahmen feindselige Absichten wahr und hielten potenzielle Angreifer an Ort und Stelle fest. Manche konnten bei Bedarf auch magische Fähigkeiten neutralisieren.

    Ich klopfte mir die Hand an meiner schwarzen Jeans ab. »Wenn sie dabei schon so nachlässig sind, fürchte ich ernsthaft um das Weiterbestehen der kriminellen Unterwelt.«

    »Äußer dich doch mal laut über die mangelnde Intelligenz des Rebbe«, erwiderte der Karnickel-Mann. »Wenn er es hören kann.«

    »Ich verzichte dankend. Ganz sicher werde ich an keinerlei Aktivitäten partizipieren, die dir auch nur im Entferntesten Freude bereiten, weil diese sich mit absoluter Sicherheit nachteilig auf meine Gesundheit auswirken.«

    Der Karnickel-Mann zuckte die Schultern. »Trotzdem musst du dich mit ihm auseinandersetzen.«

    »Falls ich diesen absurden Fall annehme.«

    »Das wirst du. Es juckt dir doch schon in den gierigen kleinen Fingern.«

    Ich schnaubte missmutig. Ja, Mord war ein großer – und aufregender – Schritt nach vorn im Vergleich zu den Fällen, die ich seit der Gründung meiner eigenen Detektei bearbeitete, aber diese Nummer hier schien mir ein paar moralische Komplikationen zu viel mit sich zu bringen.

    In diesem Moment vibrierte mein Handy in meiner hinteren Hosentasche. Ich griff danach.

    Seine Selbstherrlichkeit: Komm sofort ins HQ.

    Ich: Beschäftigt.

    »Hier geht es um Mord«, entgegnete ich. »Wie wollt ihr die Cops da raushalten? Sowohl Nefesh als auch Weltige.«

    »Das ist dein Problem.« Der Karnickel-Mann hielt den Blick weiterhin auf die Treppe gerichtet, um sicherzustellen, dass wir nicht gestört wurden. »Beide Familien haben darauf bestanden.«

    Welch Überraschung. Die magisch begabten Kriminellen und die unmagischen Söldner wollten keine Scherereien. Ich machte ein paar Fotos vom Raum und hob mir die genaue Untersuchung der Leiche bis zum Schluss auf. Für Überwachungsjobs brauchte ich eine bessere Kamera, aber bei schneller und einfacher Dokumentation wie hier tat es mein Handy auch.

    Eine weitere Nachricht.

    Seine Selbstherrlichkeit: Das hier ist wichtiger.

    Ich: Meine Fälle > deine Alltagsprobleme.

    Nichts in dem luxuriös ausgestatteten Zimmer wies auf einen Kampf hin. Omars Kleidung lag sauber gebügelt auf der weichen Matratze, und außer dem kaputten Oberlicht war alles noch intakt. Sowohl die Möbel als auch das gruselige Ölgemälde von – dreimal darf man raten – Vögeln, die aussahen, als hätten Edgar Allan Poe und Andy Warhol zusammen eine Runde LSD genommen, schienen nicht verrückt worden zu sein.

    Seine Selbstherrlichkeit: Ich bin davon ausgegangen, dass dich die Identifizierung der verstorbenen Jezebel interessiert. Aber deine Fälle > …

    Ich: Moment mal. Was?!

    Stille.

    Ich: Levi!

    Seine Selbstherrlichkeit: Wir unterhalten uns darüber, wenn du weniger beschäftigt bist.

    Ich: Du Mistkäfer.

    Seine Selbstherrlichkeit: In dir schlummert die Seele einer Dichterin.

    Der Karnickel-Mann zog eine Augenbraue nach oben. »Ich hoffe, das hier verpasst deinem Privatleben keinen allzu großen Dämpfer? Schmiedest du vielleicht gerade Pläne mit deiner entzückenden Mitbewohnerin Priya?«

    »Jaja. Du kannst dich an mir rächen, wenn ich auch nur einen falschen Schritt mache.« Mein schnippischer Tonfall überspielte den harten Knoten in meinem Magen. Allein der Gedanke, dass er meiner besten Freundin etwas antun könnte … »Erspar mir die Standardansprache aller Bösewichte.«

    »Aber ich musste sie extra auswendig lernen, sonst hätte ich mein Zertifikat nicht gekriegt.«

    »Sehr witzig. Ich prophezeie dir eine große Comedy-Karriere. Um auf unseren Fall zurückzukommen: Was ist mit der Tatsache, dass ich offiziell immer noch als Weltige registriert bin?«

    »Da das Opfer ein Weltiger ist, wirst du von der Tannous-Familie engagiert«, informierte er mich. »Sollte jemand einen genaueren Blick darauf werfen, wird es keine Hinweise auf widerrechtliches Handeln geben.«

    »Irgendjemand wird Omar doch wohl vermissen. Wollt ihr allen erzählen, dass er auf eine einsame Insel im Südpazifik übergesiedelt ist, oder erwartet ihr, dass ich einen Totenschein ausstelle, in dem steht, dass er eines natürlichen Todes gestorben ist? Theoretisch kann ich diesen Fall übernehmen, aber ich werde sicher keine Urkunden fälschen.«

    »Nicht nötig. Dein Job ist es nur, den Mörder zu finden und mir zu übergeben. So kompromittierst du deine Lizenz nicht, wenn du die Festnahme vornimmst.« Er breitete die Arme aus. »Deine berufliche Integrität hat für uns oberste Priorität.«

    Ich wischte mir eine imaginäre Träne von der Wange. »Ich bin gerührt. Einfach den Mörder an dich übergeben, und schon müssen mich so lästige Dinge wie Recht und Gesetz oder Gerechtigkeit nicht mehr interessieren.«

    »Oh, Gerechtigkeit wird es geben.« Der Karnickel-Mann schenkte mir ein kaltes Lächeln, das mir einen eisigen Schauder über den Rücken jagte. »Die Königin hat für deine Diskretion gebürgt. Sie hat den Familien versichert, dass du diesen Fall untersuchst, ohne dass die Polizei oder House Pacifica darauf aufmerksam werden. Und sie war sehr bestimmt bei ihren Anweisungen, dass du deine Magie während dieses Jobs unter allen Umständen im Verborgenen zu halten hast.«

    Das war schon das zweite Mal in weniger als zwei Wochen, dass ich mit genau dieser Vorgabe angeheuert wurde. Erst von Levi Montefiore und nun von der Herzkönigin, Herrscherin über Hedon. So langsam fühlte ich mich in meiner Rolle ein bisschen eingeengt.

    »Also«, fuhr er fort, »bist du nun zufrieden, oder möchtest du noch weitere moralische Pseudozweifel an diesem Fall äußern?«

    Das Interesse des Karnickel-Manns und der Herzkönigin an diesem Vorfall machte den Mörder jetzt schon zu einer lebenden Leiche. Omars trauernde Familie verdiente die Antworten, die es ihnen ermöglichen würden, dieses tragische Kapitel abzuschließen. Selbst wenn mich die Aussicht auf meinen ersten Mordfall nicht so entzückt hätte, wäre ich doch die einzige Privatermittlerin mit den nötigen Fähigkeiten dafür gewesen, der Sache auf den Grund zu gehen. Das war der Moment, in dem ich zugeben musste, dass es ganz praktisch war, für eine Weltige gehalten zu werden, tatsächlich aber eine Nefesh zu sein.

    »Wenn ihr mich an Bord holt, damit ich den Fall bearbeite, will die Königin nicht zu sehr darin verwickelt werden. Sonst würde sie ihre eigenen Leute darauf ansetzen. Warum?« Ich machte ein Foto vom Bett.

    »Der Angriff fand nicht in Hedon statt, und hier hat die Königin keine Befugnisse.«

    Ich schoss noch weitere Bilder aus sorgfältig gewählten Blickwinkeln und zoomte einige Stellen heran, um nichts zu übersehen. »Durch mich kann sie sich einmischen, ohne dass es so wirkt, als würde sie sich einmischen.«

    »Du bist die Einzige, die wir hier ins Spiel bringen können. Wenn du den Fall ablehnst, wird keine der beiden Familien zur Polizei gehen – aus offensichtlichen Gründen. Der Mord wird vermutlich nie aufgeklärt werden, und die Spannungen zwischen diesen Leuten im Erdgeschoss werden aller Wahrscheinlichkeit nach zu Blutvergießen und Racheakten führen und …«

    »Ist ja schon gut. Ich nehme den Fall an.« Ich zog das oberste Bettlaken über Omars Kronjuwelen. Was auch immer ihm passiert war, der Mann verdiente ein wenig Würde im Tod. »Allerdings entscheidet Levi über den Status meiner Registrierung«, gab ich zu bedenken. »Er ist das Hausoberhaupt, und wenn er das Verfahren vorantreibt, kann jeder auf die Information zugreifen. Dagegen kann ich nicht viel tun.«

    Abgesehen davon hatte ich nicht die geringste Lust, meine Fähigkeiten noch lange geheim zu halten. Vor mir lag eine Welt von Nefesh-Mysterien, die es zu erforschen galt.

    Der Karnickel-Mann lächelte humorlos. »Ich bin mir sicher, dass du Mr Montefiore vom Gegenteil überzeugen kannst.«

    Ich ignorierte seine Andeutung, doch mir fiel auf, wie angespannt seine Körperhaltung war und wie knapp seine Antworten. Er – oder besser gesagt: die Königin – wollte aus einem bestimmten Grund, dass ich mich um diesen Fall kümmerte, und es steckte mehr dahinter als das Offensichtliche. Normalerweise würde ich sofort auf dem Absatz kehrtmachen, wenn ich witterte, dass mich jemand für seine Zwecke benutzen wollte, aber ihr Wissen um meine Blutmagie hing über mir wie ein Damoklesschwert.

    Ich warf der rasiermesserscharfen Klinge des Karnickel-Manns einen Seitenblick zu. Der Tod war möglicherweise nicht einmal das schlimmste Schicksal. Gravierender wäre ein Verrat, der einen gebrochen zurückließ und von dem man sich nie wieder richtig erholte. Solange die Königin mich erpressen oder gegen meinen Willen vor aller Welt outen konnte, war ich in diesem Spiel gefangen. Wissen war Macht, und zwar gefährliche. Insbesondere in den Händen Ihrer Hoheit. Doch jeder hütete Geheimnisse. Sie kannte meine, und ich würde ihre herausfinden.

    In der Zwischenzeit hatte ich einen Mord aufzuklären. Ich ging neben der Leiche in die Knie.

    Abgesehen davon, dass sein Gesicht im Tod zu einer gequälten Fratze verzerrt war, war Omar ein attraktiver Mann. Etwa in meinem Alter, also Ende zwanzig, seelenvolle braune Augen, dunkle, lockige Haare und aristokratische Züge – nur die aufgequollene Zunge, die aus seinem Mund hing, störte ein wenig.

    »Was hat die Königin davon?«, erkundigte ich mich.

    »Die Hochzeit hätte in Hedon stattfinden sollen.«

    »Ist sie etwa unter die Kupplerinnen gegangen?« Eine nähere Untersuchung förderte keine Schuss- oder Stichwunden zutage.

    »Sie ist immerhin die Herzkönigin.« Als der Karnickel-Mann nun doch das Schlafzimmer betrat, hatte sich sein Schwert magischerweise in Luft aufgelöst. Mit dem Fuß strich er die Ecke eines Läufers glatt, die nach oben umgeklappt war.

    Ich schaute mir Omars Hände an. Die Haut war intakt, die Fingernägel nicht abgebrochen, was sicher der Fall gewesen wäre, wenn er sich verteidigt hätte. »Könnte das ein versteckter Angriff auf die Königin sein? Warum wurde er dann nicht in Hedon umgebracht?«

    Der Karnickel-Mann lachte laut auf, verstummte aber, als er meine Verwirrung bemerkte. »Oh. Du meinst das ernst. Niemand wendet sich gegen das Gesetz der Schwarzen Herzen.«

    »Wird das von den Wachleuten der Königin durchgesetzt?«

    »Nein. Die Wachleute kümmern sich um Hedon als Ganzes, während die Königin selbst und alle unter ihrem Schutz unter das Gesetz der Schwarzen Herzen fallen. Jeder Angriff auf eine solche Person hätte schnelle und schreckliche Konsequenzen. Das ist eine effiziente Abschreckung. Diese Attacke galt zwar nicht Ihrer Hoheit direkt, aber sie wünscht den Erhalt der guten Beziehungen, die sie zu diesen Menschen aufgebaut hat. Wenn schon die Hochzeit nicht stattfinden kann, hat es für sie höchste Priorität, dass die arme Braut und die Familie des Bräutigams damit abschließen können.«

    Ich fuhr mir in einer schneidenden Geste mit der Hand über den Hals. »So eine Art von Abschluss?«

    Der Karnickel-Mann schaute mich nur ausdruckslos an.

    »Glaubhafte Bestreitbarkeit, schon verstanden.« Ich suchte nach Blutflecken, fand aber keine. »Es wird euch allerdings extra kosten, wenn ich Levi davon abhalten soll, die Nefesh- oder Weltigen-Behörden zu alarmieren.«

    »Die Polizei aus dem Ganzen herauszuhalten, ist Teil des Jobs, für den die Tannous-Familie dich angeheuert hat«, erwiderte er.

    Es waren jedoch nicht sein ruhiger Tonfall und das vernünftige Argument, die mich zustimmend nicken ließen, sondern das Aufblitzen von Wut in seinem Blick, das er nicht ganz verbergen konnte.

    »Einen Versuch war es wert«, murmelte ich und machte noch ein paar Fotos von der Leiche, aus unterschiedlichen Perspektiven.

    Am Fuß der Treppe wollte Husani lautstark wissen, was wir gefunden hatten.

    »Ah, die liebliche Stimme des streitlustigen Männchens«, kommentierte der Karnickel-Mann.

    »Hoffentlich wirst du anständig dafür bezahlt«, entgegnete ich, während ich mein Handy in meine hintere Hosentasche schob.

    »Es geht nicht immer nur um Geld, Ashira. Entschuldige mich bitte einen Moment, während ich mit Mr Tannous konferiere.«

    »Tu das. Omar und ich hängen hier noch ein Weilchen zusammen ab.« Mit einer knappen Handbewegung scheuchte ich ihn hinaus.

    Der Karnickel-Mann verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich. Ich stellte mich an die gegenüberliegende Wand, um den Tatort aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.

    Die beiden Familien hatten zusammen hier übernachtet, um sich vor dem großen Tag besser kennenzulernen. Irgendwann gegen vier Uhr heute Morgen hatte das Bersten des Oberlichts das ganze Haus geweckt, und die Bewohner und Gäste waren mit Knarren und Magie im Anschlag zu Hilfe geeilt. Allerdings hatte der Engel, ganz dem Hollywoodklischee entsprechend in weißer Robe und mit weißen Flügeln, die Flucht ergriffen. Ich schüttelte den Kopf. Wenn wir es hier wirklich mit einem Todesengel zu tun hätten, hätte niemand dieses Aufeinandertreffen überlebt. Ganz abgesehen davon, dass Engel nicht existierten.

    Macht war der größte Antrieb in unserer Gesellschaft. Die Weltigen wollten sie über die Nefesh erringen und die Nefesh übereinander. Wir lebten in einer Welt, in der Magie offen praktiziert wurde, und wenn es übernatürliche Wesen in untoter, gestaltwandelnder oder himmlisch beseelter Form gäbe, hätten diese wohl irgendwann in den letzten paar Jahrhunderten die Gelegenheit genutzt, sich zu zeigen. Immerhin könnten sie den Platz an der Spitze der Nahrungskette einnehmen. Da das jedoch nicht passiert war, ging ich ziemlich sicher davon aus, dass es sie schlicht nicht gab.

    Aber ich war auch ein Profi. Sherlock Holmes verfolgte immer zahlreiche Theorien, näherte sich einem neuen Fall jedoch vollkommen unvoreingenommen. Aktuell hatte ich einen Raum voller Zeugen, die alle behaupteten, einen Todesengel gesehen zu haben. Deswegen würde ich diesem Hinweis akribisch folgen, bevor ich ihn ohne jeden Zweifel ausschließen konnte.

    Ob ein Engel wohl auf ein in den Himmel projiziertes Flügel-Bild reagieren würde wie auf das Bat-Signal? Leise lachend betrachtete ich Omars Leiche erneut. »Okay, Kumpel, du musst mir irgendeinen Anhaltspunkt liefern.«

    Da ich die meisten möglichen Todesursachen bereits verworfen hatte, war Gift die wahrscheinlichste. Vorsichtig drehte ich Omars Kopf zur Seite und untersuchte ihn auf eine Einstichstelle, die darauf hindeuten würde, dass ihm ein Toxin injiziert worden war, oder aber einen Eintrittspunkt, der für Magie spräche. Sein Hals fühlte sich steif und kalt an. Einen Puls spürte ich nicht, aber das hatte ich nun auch nicht erwartet.

    Als ich seinen Kopf in die andere Richtung neigte, rutschte seine Zunge mit und enthüllte die weiße Spitze irgendeines Objekts in seinem Rachen.

    »Was haben wir denn da?«, murmelte ich und schob meine Finger langsam zwischen seinen Ober- und Unterkiefer. Nur widerwillig gab das Gelenk nach. Das Ding in Omars Rachen war glitschig und der Winkel nicht ideal. Als ich daran zog, tat sich nichts. Es musste dem armen Kerl praktisch in die Kehle gerammt worden sein.

    Plötzlich stieg mir der Geruch eines heißen Sandsturms in die Nase, gepaart mit einem Gefühl von trockenen Nächten und Angst. Ich holte das Objekt mit einem kräftigen Ruck heraus und hielt auf einmal eine weiße Feder in der Hand, gut zwanzig Zentimeter lang – echte Zentimeter, nicht männliches Wunschdenken.

    Uralte Magie ließ mir die Nackenhaare zu Berge stehen. Nein, das konnte nicht sein. Diese Feder fühlte sich an, als würde sie schon seit Jahrtausenden existieren, als wäre sie älter als die Zeit selbst. Aber Magie, oder zumindest die Magie, die wir kannten, war gerade einmal knapp vierhundert Jahre alt. Sie war im siebzehnten Jahrhundert entfesselt worden.

    Doch die Fakten ließen sich nicht leugnen. Die Feder war alt. Magie an sich nicht. Und so stand ich hier mit diesem flauschigen Paradoxon in der Hand, das außerdem blütenrein war, obwohl es eine ganze Weile in Omars Luftröhre gesteckt hatte.

    Ich zwang mich, die hochgezogenen Schultern wieder sinken zu lassen, und legte die Feder auf den Boden, bevor ich mich erneut Omars Kopf zuwandte. Vielleicht war da noch mehr in seinem Mund.

    In diesem Moment schlug er die Augen auf, und mein putziger kleiner Mordfall wurde auf einen Schlag deutlich komplizierter.

    KAPITEL 2

    Ich fuhr erschrocken zurück. »Verdammte Scheiße!«

    Omars Blick bohrte sich in meinen, und das verzweifelte Flehen in seinen Augen war unübersehbar.

    Die Feder hatte ihn offenbar gelähmt und in einer todesartigen Paralyse gehalten, aber nun, da sie nicht länger in seinem Körper steckte, hatte sich ihr Griff so weit gelockert, dass ich die Magie spüren konnte, die Omars Körper umgab wie der Kokon einer Spinne. Sie war unglaublich stark, und ich war mir sicher, dass sie ihn langsam und qualvoll töten würde, wenn ich es zuließ.

    Meine einzigartigen Fähigkeiten erlaubten es mir, die Magie abzuziehen und sie zu zerstören. Ich konnte Omar retten.

    Dazu musste ich allerdings meine Hand in ein dunkles Loch stecken und hoffen, dass ich nicht gebissen wurde. Wenn diese Feder eine Waffe war, die noch immer mit ihrer Magie in Verbindung stand, würde ich möglicherweise das nächste Opfer werden. Und wer sollte mir zu Hilfe kommen? Keine Chance, als zweiter wiederauferstandener Jude in die Geschichte einzugehen. Ich würde so enden wie Omar.

    Er war immerhin von »ziemlich tot« zu »nur noch ein bisschen tot« aufgestiegen. Das war zwar ein Fortschritt, aber der aufgedunsene Körper, die Flecken und die Leichenstarre würden sich nicht gut auf den Hochzeitsfotos machen. Selbst wenn ich in Aktion trat, war nicht gesagt, dass er es komplett zurück ins Land der Lebenden schaffen würde. Sein Atem ging flach und langsam. Ohne mich hatte er keine Chance, aber ihn zu retten, könnte mich das Leben kosten. Und an dem hing ich schon recht stark.

    Omars Blinzeln hätte auch ein Morsecode für »Hilf mir!« sein können.

    Ich stemmte die Hände in die Hüften und betrachtete das Desaster vor mir kopfschüttelnd. Entscheidung getroffen. Ich würde den Namen meiner Detektei von Cohen Investigations zu Katastrophen ’R’ Us ändern.

    »Es wird dich freuen, zu hören, dass ich deinen Tatort gesichert habe«, verkündete der Karnickel-Mann, der sich ausgerechnet diesen Moment ausgesucht hatte, um wieder aufzutauchen. »Die Familien haben sich bereit erklärt, uns nicht zu stö…«

    Omar gab einen erstickten Laut von sich.

    »Okhuyet!«, fluchte der Karnickel-Mann und hielt mit einer blitzschnellen Bewegung sein Schwert wieder in der Hand.

    Stumm wiederholte ich das Wort ein paarmal, um es mir besser zu merken und später zu recherchieren, was es bedeutete und woher es stammte. Das könnte mir einen Hinweis auf die Herkunft des Karnickel-Manns liefern, über den ich bislang rein gar nichts wusste. Oft verfielen Menschen in ihre sprachlichen Wurzeln, wenn sie unter Stress, Alkohol-, Drogen- oder Betäubungsmitteleinfluss standen. Mir war jedes Mittel recht, um mehr Informationen über die Königin zu bekommen.

    »Dieses Ding …« Ich deutete auf die Feder.

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