Im Banne von El Lobo: Western
Von Luke Sinclair
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Buchvorschau
Im Banne von El Lobo - Luke Sinclair
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Im Banne von El Lobo: Western
Luke Sinclair
Das Haus war aus rohen Steinen erbaut. An der Vorderfront zog sich eine mit Gras bedeckte Ramada entlang, welche die Tür vor der grellen Sonne schützte. Seitlich davon befand sich ein kleiner Stall und daneben ein Corral aus bröckligem Adobelehm, in dem einige Schafe standen. Hühner liefen überall herum, und der leichte Wind raschelte im Laub der beiden Cottonwoods, die seitlich vor dem Haus standen und einen kümmerlichen Schatten auf den Brunnen warfen.
Die Frau trat in die helle Sonne hinaus und blinzelte über das hitzeflirrende Land. Der heiße Wind bewegte ein paar schwarze Haarsträhnen, die auf ihren nackten Schultern lagen. Sie sah einen großen, hageren Mann mit einem eingefallenen stoppelbärtigen Gesicht und tiefliegenden, fiebrig glänzenden Augen auf das Haus zukommen. Schmutz, Blut und die primitive Krücke, mit deren Hilfe er sich noch mühevoll aufrecht hielt, gaben seiner Erscheinung ein elendes Aussehen. Als er nur noch wenige Schritte von ihr entfernt war, blieb er schwankend stehen.
„Tag, Ma’am", brachte er über seine aufgeplatzten Lippen.
Die Frau musterte ihn mit einem Blick, gepaart aus Furcht und Mitleid.
„Ich wollte..." Die Stimme versagte ihm den Dienst. Er machte noch einen Schritt, war aber nicht mehr fähig, dieser Gewichtsverlagerung standhalten zu können. Er knickte ein und versuchte, sich mit letzter Kraft an der Krücke zu halten. Die Frau sprang schnell hinzu, doch sie konnte den schweren Körper des großen Mannes nicht halten. Lang schlug er auf den Boden.
„Mein Gott", flüsterte sie bestürzt und schaute zu den gewaltigen Massiven der Berge hin, als fürchtete sie, jemand könnte sie von dort aus beobachten. Dann schleifte sie unter Aufbietung aller ihrer Kräfte die große Gestalt durch den Staub bis unter die Ramada und von dort durch die offene Tür ins Haus.
Keuchend hielt sie inne und betrachtete den zerschundenen und völlig erschöpften Mann. Mit mechanischen Bewegungen löste sie die blanke Schnalle seines Revolvergutes und zog diesen unter seinem Körper hervor. Der Walnussgriff der Waffe war vom häufigen Gebrauch abgewetzt und dunkel, und ihr Blick fiel auf eine eingelassene Messingplatte. Sie zog die Waffe heraus und las den eingravierten Namen: Latigo.
Das Korn auf dem Lauf des Revolvers war vor langer Zeit schon abgefeilt worden. Ihre Hand glitt fast ehrfürchtig über den kalten Stahl. Langsam wanderte ihr Blick zu dem bewusstlosen Mann am Boden.
Latigo hatte vor kurzem jenseits der Grenze drei Männer erschossen. Sie hatte davon gehört und fürchtete sich vor ihm. Aber sie musste ihm helfen. Ihr Blick kehrte vom Gesicht des Mannes zu dem Revolver zurück, den sie noch immer in den Händen hielt. Jemand, der solch eine Waffe besaß, war kein gewöhnlicher Streuner, wie sie hin und wieder durch diese einsame Gegend zogen.
*
Die letzten Stunden vor seinem Erwachen hatte Latigo fest und ruhig geschlafen; ein Zeichen dafür, dass das Fieber zurückging. Es war sehr warm, und Latigo spürte weiche, kühle Hände auf seinem heißen Gesicht. Jemand wischte zart mit einem Tuch über seine Stirn. Zögernd öffnete er die Augen. Zuerst blendete ihn das helle Tageslicht, aber dann formte sich ein Bild vor ihm.
Was er sah, verwirrte ihn einen Moment. Schwarzes Haar umrahmte locker ein ovales Gesicht mit großen, dunklen Augen. Es dauerte Sekunden, bis er sich über die Bedeutung seiner Umgebung klar wurde. Diese Frau hatte ihm geholfen, als er gefallen war. Soviel wusste er noch. Sie sah aus wie eine Mexikanerin und hatte ein hübsches Gesicht.
„Haben Sie mich hier herein gebracht?", fragte er.
Sie nickte. „Das war vor zwei Tagen."
„Habe ich so lange gebraucht, um zu...?"
„Sie waren sehr schwach und hatten Fieber. Jetzt müssen Sie unbedingt etwas essen, damit Sie zu Kräften kommen."
Sie ging hinaus, und Latigo hörte sie eine Zeitlang mit Töpfen hantieren und schloss wieder die Augen. Zwei Tage waren vergangen, während denen er in diesem Bett gelegen hatte. Zum ersten Mal beschäftigten sich seine Gedanken mit dieser Frau.
Weshalb lebte sie hier in dieser Einöde?
Er öffnete die Augen erst wieder, als er sie hereinkommen hörte. Sie brachte gebratenes Huhn und Maistortillas, half ihm, sich aufzurichten und stellte das Tablett auf die Decke. Dabei bemerkte Latigo, dass er völlig nackt war. Er erinnerte sich daran, dass er ziemlich schmutzig gewesen sein musste. Wahrscheinlich hatte sie ihn auch gewaschen.
„Leben Sie allein hier?", fragte er.
„Nein", antwortete sie schnell.
Latigo hob den Kopf. Es klang so, als fürchtete sie sich vor irgendetwas.
„Mein Mann ist geschäftlich nach Durango gereist. Ich erwarte ihn jeden Tag zurück."
Sie beobachtete die Gestalt im Bett, um zu ergründen, wie er ihre Worte aufnahm.
„Ich heiße Estela."
Latigo nickte mit vollem Mund. Dann sagte er: „Ich bin..."
„Ich weiß, wer Sie sind, unterbrach sie ihn. „Ich habe es auf dem Revolver gelesen.
Es war eine gewisse Spannung zwischen ihnen.
„Ich habe diesen Namen schon früher einmal gehört", sagte Estela. Ihre dunklen Augen glitzerten in dem Licht, das durch das Fenster hereinfiel.
Latigo schaute sie fragend an.
„Sie haben vor kurzem jenseits der Grenze drei Männer erschossen."
„Das stimmt", sagte er ruhig.
„Sind Sie deshalb nach Mexiko ge¬kommen?"
„Nein. Ich werde da drüben nicht ge¬sucht, falls Sie das meinen."
Eine Weile herrschte Schweigen. La¬tigo verzehrte sein Essen und betrach¬tete ihre schlanke Gestalt mit den festen Brüsten, über die sich der dünne Stoff ih¬rer Bluse straffte. Sie stand etwas un¬schlüssig neben der Tür.
„Ich werde aufstehen, sagte Latigo. „Ich möchte Ihnen keine unnötige Mühe bereiten.
„Nein, wandte sie hastig. „Sie blei¬ben im Bett. Sie sind noch viel zu schwach.
„Ich werde mich vorsehen."
„Das allein ist es nicht."
Estela ging zum Fenster und schaute hinaus.
„Ja? Ich höre."
„Es ist nicht gut, wenn Sie da draußen herumlaufen", gab sie ihm zu verstehen.
Latigos Schweigen wirkte fordernder als jede Frage. Estela drehte sich mit ei¬nem Ruck um.
„Sie haben zwei von El Lobos Män¬nern erschossen, ehe Sie hierherka¬men", stieß sie hervor.
„Woher wissen Sie das?"
„Sie haben im Fieber gesprochen. El Lobo wird vielleicht schon die ganze Gegend nach Ihnen abgesucht haben. Das Beste, was Ihnen passieren kann, ist, dass er Sie für tot hält. Aber wenn er Sie hier findet, dann..." Sie verstummte und drehte sich schnell wieder um, damit er den Ausdruck ihres Gesichtes nicht sehen konnte. .
„Wer ist El Lobo?"
„Ein Satan."
„Darunter kann ich mir nichts vorstel¬len. Ich habe noch nie einen gesehen."
„Er ist ein Halbblut, halb Apache, halb Mexikaner. Der einzige Wesenszug, dem man ihm mit Bestimmtheit nachsagen kann, ist Grausamkeit. Er beherrscht mit seiner Bande die ganze Gegend. Und diese Bande besteht aus Mexikanern, Mischlingen und abtrünnigen Rothäuten aller Volksgruppen."
Sie hatte sich ihm wieder zugewandt. Ihrem Gesicht war nicht anzusehen, was sie dachte.
„So, jetzt wissen Sie, woran Sie sind, Senor Latigo. Wenn Sie dieses Haus wieder verlassen, dann müssen Sie völlig auskuriert sein."
Latigo schwieg einen Moment betroffen. Er hatte nicht gewusst, dass sich diese Frau seinetwegen in eine solche Gefahr begeben hatte.
„Und Sie?, brachte er schließlich hervor. „Weshalb sind Sie denn noch hier?
Sie zögerte einen Augenblick lang und sagte dann: „Ich erkläre Ihnen das ein andermal." Danach ging sie hinaus, und es schien Latigo, als wollte sie damit weiteren Fragen aus dem Weg gehen.
Er wartete, bis ihre Schritte jenseits der Tür verklungen waren, und schlug dann die Decke zur Seite.
Seine Kleider waren gewaschen und geflickt, und sogar sein Revolver lag darunter. Er zog sich an und schlang den Gurt um seine Hüfte. Dann durchquerte er den vorderen Raum und blieb an der Tür stehen. Er hielt sich am Rahmen fest und blinzelte in die grelle Sonne. Der Wind trieb kleine Staubteufel über das ebene Land vor den Bergen. Die trockenen Blätter der Cottonwoods bewegten sich und erzeugten jenes feine Rascheln, das für diese Bäume charakteristisch ist.
Latigo ging langsam zum Brunnen. Seine Muskeln mussten sich erst wieder an die Bewegungen gewöhnen. Umständlich zog er den Eimer herauf, schöpfte mit der hohlen Hand Wasser und warf es sich in das Gesicht.
Die kleine Mauer des Brunnens war an einer Stelle bereits eingefallen und nicht mehr ausgebessert worden. Das musste schon seit geraumer Zeit so sein, denn Sand war hinein gerieselt. Es hätte längst neu ausgeschachtet werden müssen. Latigo begriff nicht, weshalb ein Mann, der hier lebte, das nicht tat.
Er warf einen Blick in die Runde. Das Haus war solide und stabil gebaut, aber auch dort zeigten sich bereits Spuren beginnenden Verfalls.
Er erreichte gerade das Gebäude, als Estela mit einem kleinen Eimer voll Milch aus dem Stall kam. Sie stellte ihn auf die Bank unter dem Fenster und strich sich eine Strähne ihres lockeren schwarzen Haares aus dem Gesicht. Dann blickte sie den großen, hageren Amerikaner an. Er bewegte sich schon ganz gut. Vor diesem Augenblick hatte sie sich etwas gefürchtet.
Was war er für ein Mensch, und wie würde er reagieren, wenn er erst einmal feststellte, dass es keinen Mann gab, der zu ihr zurückkehren könnte?
Sie ging an ihm vorbei ins Haus und hörte, wie er ihr folgte. Mit einer flüchtigen Bewegung vergewisserte sie sich, dass der Revolver noch da war, den sie unter der