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Langeooger Spuk. Ostfrieslandkrimi
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eBook222 Seiten2 Stunden

Langeooger Spuk. Ostfrieslandkrimi

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Über dieses E-Book

Professor Otto Ladengast, Kommissar Kolbes Zimmernachbar auf Langeoog, wird seit Wochen von einem anonymen Briefeschreiber bedroht. Der Professor weiß genau, um wen es sich bei dem Schreiber handelt, seine Vergangenheit holt ihn ein. Aus Verzweiflung beschließt Ladengast, seinem Leben auf dem Dachboden ein Ende zu setzen. Beinahe zufällig wirft er noch einen Blick durchs Fenster auf die Dachterrasse der Villa nebenan, und sieht dort eine tote rothaarige Frau auf der Sonnenliege! Wenige Momente später ist die tote Rothaarige jedoch verschwunden. Hat sich der Professor in dieser emotionalen Ausnahmesituation alles nur eingebildet? Oder ist womöglich etwas dran an der alten Spukgeschichte von der "roten Stina", die an genau diesem Ort ihr Unwesen getrieben haben soll? Von neuem Tatendrang erfüllt, geht Ladengast der Sache nach. Und auch die Langeooger Inselkommissare Gerret Kolbe und Rieke Voss nehmen die Langeooger "Gruselvilla", die seit Kurzem neue Besitzer hat, unter die Lupe...

SpracheDeutsch
HerausgeberKlarant
Erscheinungsdatum17. Jan. 2023
ISBN9783965867147
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    Buchvorschau

    Langeooger Spuk. Ostfrieslandkrimi - Marc Freund

    Kapitel 1

    Vollmond. Das fahle Licht hüllte die Insel in ein bläulich-gelbes Gewand, das weit auf die Nordsee hinausragte. Es herrschte kaum Wind. Träge zogen von Zeit zu Zeit ein paar dünne Schleierwolken an dem Erdtrabanten vorbei.

    Langeoog lag in dieser Nacht eingebettet in ein ruhiges, fast schon stilles Meer. Lediglich der Strandhafer flüsterte und raschelte leise, wenn er sich sanft an den Dünenrändern hin und her wiegte.

    Sie hatten das Haus zu später Stunde verlassen. Jetzt war es beinahe Mitternacht. Niemand war mehr auf den Straßen unterwegs. Es war längst keine Saison mehr, deshalb war um diese Zeit auch nicht mehr mit Nachtschwärmern zu rechnen.

    Und was die Insulaner anging, so hatten sich die meisten von ihnen bereits zur Ruhe begeben. Nach und nach wurde es dunkel in den Häusern.

    Die beiden einsamen Gestalten gingen eine Zeit lang schwei­gend, aber zielstrebig nebeneinanderher. Zwei nahezu lautlose Schatten, die auf die kleine Pforte zuhielten, hinter der sich ein kiesbestreuter Weg durch das Gelände schlängelte.

    Der Dünenfriedhof von Langeoog.

    Kommissar Gerret Kolbe hob die Pforte leicht an, als er sie hinter sich und seiner Begleiterin schloss, um ein quietschen­des Geräusch zu vermeiden.

    Bente Franzen, seine Vermieterin, sah ihn fragend an. »Willst du es dir nicht doch nochmal überlegen? Wer weiß, wohin dich diese Sache führt?«

    »Ich habe die letzten Wochen und Monate so viel darüber nachgedacht, dass mir noch immer der Schädel dröhnt«, gab Kolbe verbissen zurück, während er weiterhastete. Auch Bente Franzen setzte sich wieder in Bewegung. Sie hatte mit einem Mal Mühe, mit ihm Schritt zu halten.

    An der nächsten Wegbiegung hatte sie ihn eingeholt. Sie zupfte am Ärmel seiner Windjacke.

    Er wandte seinen Kopf. »Was ist?«

    »Kennst du den Spruch von dem Schlüsselloch?«, fragte sie.

    »Nein.« Kolbe ging unbeirrt weiter. In seiner rechten Hand hielt er eine Taschenlampe, die er allerdings, so wie es im Augenblick aussah, in dieser Nacht nicht benötigen würde.

    »Man sagt, wenn man durch ein Schlüsselloch blickt, muss man auch mit dem leben, was man dahinter zu sehen bekom­men hat.« Bente Franzen hatte leise gesprochen. Im Gehen zog sie ihre Strickjacke fester um ihren Brustkasten.

    »So, sagt man das«, antwortete Kolbe, während er seinen Blick über eine Reihe mit Grabsteinen schweifen ließ.

    Bente Franzen zupfte stärker. Kolbe blieb stehen, sie blickte ihm tief in die Augen.

    »Ich meine nur, dass es manchmal besser ist, das Vergangene ruhen zu lassen. Was immer damals wirklich mit deiner Mutter geschehen ist … du kannst es nicht mehr rückgängig machen.«

    »Meine Mutter lebt«, presste Kolbe zwischen seine schmalen Lippen hindurch. »Sie ist auf der Beerdigung meines Halbbru­ders aufgetaucht. Verstehst du nicht? Ich habe sie mein ganzes Leben lang für tot gehalten. Angeblich wurde sie verbrannt. Ihre Urne ist hier auf dem Dünenfriedhof von Langeoog beige­setzt worden.«

    »Aber das ist jetzt vierzig Jahre her«, gab Bente Franzen zu bedenken.

    »Mein Vater hat die Pacht für das Grab zwischendurch verlängert. In ein paar Tagen läuft sie aus. Wenn ich mir jetzt nicht Gewissheit verschaffe, habe ich vermutlich keine Chance mehr.«

    Ihre Augen wurden groß. »Du willst das Grab öffnen? Heute Nacht?«

    »Was hast du gedacht, warum wir hier sind?«

    Sie ließ die Frage unbeantwortet. Ihr Blick wanderte an ihm hinauf, bis sie seine Augen erreichte. »Und was genau hoffst du, in diesem Grab zu finden?«

    »Ich weiß es nicht«, presste Kolbe hervor. »Wenn meine Mutter wirklich noch am Leben ist, muss ich mich doch fragen, wen oder was man damals in ihr Grab gelegt hat.«

    Bente nickte. Etwas an dieser Überlegung schien ihr einzuleuchten.

    »Ich habe das nötige Werkzeug heute Nachmittag bereits hergeschafft«, erklärte der Kommissar. Er deutete nach rechts. »Können wir jetzt weitergehen?«

    Seine Vermieterin stand still. Sie sah durch ihn hindurch. »Einen Augenblick noch«, sagte sie.

    Kolbe rollte mit den Augen. »Was gibt es denn jetzt noch?«

    Bente Franzen drehte sich um, trat auf eine Rosenranke zu und pflückte eine späte Blüte ab. Sie drehte sich zu einem Grabstein um und legte die Rose an dessen Fuß ab. Sie tat es behutsam, beinahe zärtlich.

    »Was zum Teufel …?«, entfuhr es Kolbe. Er drehte sich um, trat an ihre Seite und blickte auf das Grab. Ein großer rötlich marmorierter Stein, auf dessen oberen Rand eine Anzahl kleiner weißer Steine und Muscheln drapiert war. Keine Geburts- oder Sterbedaten befanden sich darauf. Nur ein Name: Lale Andersen.

    »Bei ihrer Stimme bekomme ich noch heute Gänsehaut«, flüsterte Bente Franzen. »Vor allem bei Lili Marleen.« Wie zur Demonstration streifte sie den linken Ärmel ihrer Strickjacke hoch und hielt Kolbe ihren Unterarm hin.

    »Du frierst vor allem, weil die Nächte langsam kälter werden und deine Jacke viel zu dünn ist«, sagte der Kommissar und gab der Brünetten ein Zeichen, ihm zu folgen.

    Sie brauchten nicht lange, um das Grab zu finden, das reichlich unscheinbar und von einigem Unkraut bewuchert zwischen zwei ganz ähnlichen Urnengräbern eingebettet war. Die Inschrift auf dem Grabstein ließ sich nur noch mit etwas Fantasie oder entsprechender Vorkenntnis entziffern.

    Kolbe kniete sich davor und befreite die Lettern mit seinem Jackenärmel von Moos und Schmutz.

    Sie standen vor dem Grab seiner Mutter Anna Elena Kolbe. Aber waren ihre Überreste wirklich damals hier beigesetzt worden? Kolbe selbst konnte sich an die Beerdigung nicht mehr erinnern, immerhin war er gerade einmal drei Jahre alt gewesen. Vielleicht hatte etwas in ihm diese Bilder für immer ausgeblendet. Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass sich eine schwarz gekleidete Frau auf einem Friedhof in Wittmund als seine Mutter ausgegeben hatte. Und wenn sie tatsächlich noch am Leben war, wessen Urne hatte man dann vor vierzig Jahren in das Grab hinuntergelassen?

    Er wandte sich nach rechts, in den Schatten einer kniehohen Buchsbaumhecke, die einen würzigen Duft verströmte.

    Kolbe bückte sich und hob den Spaten an, der dort den Tag über auf ihn gewartet hatte.

    Der Kommissar nickte seiner Vermieterin zu, drehte sich zum Grab um und stieß das Werkzeug mit einer kraftvollen Bewegung in das feste Erdreich.

    Kapitel 2

    Eigenartig, dachte er. Eigenartig, dass ausgerechnet der Geruch die Sache war, die er in diesem Augenblick am inten­sivsten wahrnahm. Dabei war er schon häufiger hier oben gewesen, zu so banalen Gelegenheiten wie etwa dem Verstau­en eines Kartons mit ausgelesenen Büchern. Nie hatte er diesen Duft registriert, der von Vergessen und Vergänglichkeit erzählte.

    Warum jetzt?

    Während er die Leiter ganz hinaufstieg und aus einer mecha­nischen Bewegung heraus mit der rechten Hand den Kippschalter betätigte, der für dämmriges Licht unter dem Dachgebälk sorgte, ging ihm der Gedanke durch den Kopf. Nicht lange. Nur eben für die Zeitspanne, die er benötigte, um zu dem Stuhl zu gelangen, der unter dem schrägen Dachfenster bereitstand.

    Das Möbelstück war der einzige Gegenstand auf dem Dach-boden, der noch keinen Staub angesetzt hatte. Was daran lag, dass er nicht hierher gehörte. Bis vor einer halben Stunde hatte er sich noch bei seinesgleichen im penibel sauberen Esszimmer im Erdgeschoss befunden.

    Ansonsten lag der Staub überall, sogar auf dem Karton mit den alten Zeitschriften, der erst vor wenigen Tagen hier herauf-gewandert war. Als Ladengast noch gedacht hatte, dass sich irgendwie alles beheben ließ. Dass vielleicht doch noch alles gut werden würde.

    Die feinen Staubpartikel rieselten im schwachen Schein der Deckenlampe zu Boden, nur um gleich wieder durch Bewe­gungen aufgewirbelt zu werden und das alte Spiel von Neuem zu beginnen.

    Irgendwann, dachte er, würde sich der Staub schon legen und dann war Ruhe. Wenn alles vorbei war.

    Seine Hände zitterten nicht. Er war regelrecht gelassen. Wozu auch die Aufregung? Wem sollte das noch nutzen?

    Er richtete sich auf, drückte das schmerzende Kreuz durch und trat einen Schritt zurück. Mit seinem rechten Absatz stieß er gegen die Holzumrandung der Leiteraufhängung und hatte für eine Sekunde Mühe, sein Gleichgewicht zu halten. Beinahe wäre er rückwärts durch die offene Luke des Dachbodens gestürzt. Durch einen beherzten Schritt nach vorne brachte sich Ladengast in Sicherheit. Gleichzeitig kam ihm in den Sinn, wie idiotisch diese Aktion gewesen war, in Anbetracht dessen, was er vorhatte. Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein faltiges Gesicht, als er auf den Stuhl zutrat. Genau einen Schritt davor blieb er stehen und nahm behutsam das Seil von der hohen Rückenlehne. Es war ein festes Seil, aus gutem Hanf gefertigt, zwanzig Millimeter dick. Gekauft hatte Ladengast es in einem kleinen Geschäft am Hafen, wo es auch Fahnen und Flaggen gab und Angelzubehör und jedweden anderen Krempel, für den er niemals in seinem Leben Verwendung gehabt hatte.

    Für das Seil gab es immerhin eine. Die hatte er dem freundli­chen Mann im Laden allerdings nicht genannt. Der Verkäufer, ein junger Bursche mit dunklem Kinnbart, hatte ihn noch nach der gewünschten Länge gefragt und ob fünfzehn Meter für seine Zwecke ausreichen würden.

    Ladengast hatte nur genickt. Ihm war so gut wie jede Länge recht, solange das Seil nur weit genug vom Querbalken herun­terreichte.

    Der Kerl im Geschäft hatte ihm noch nachgesehen. Da war so ein skeptischer Ausdruck in seinen Augen gewesen. Ladengast wusste es, weil er sich in dem Augenblick noch einmal umgedreht und durch die Glastür ins Innere gespäht hatte. Aus keinem besonderen Grund, vielleicht nur, um den Blick des Mannes aufzufangen und ihm daraufhin zuzuzwinkern.

    Ladengast schulterte das schwere Seil wie ein Lasso, packte mit der linken Hand die Stuhllehne und wagte den Aufstieg. Mit den Straßenschuhen auf das weiche Sitzpolster. Kaum zu glauben, aber noch immer regte sich dabei in ihm eine Stimme. Nicht einmal seine eigene, nein, sie gehörte Bente Franzen, seiner Vermieterin.

    Sie hätte ihm das hier niemals durchgehen lassen. Weder seine Absicht, sich umzubringen, noch (und er wusste nicht, ob der andere Grund nicht vielleicht sogar schwerer wog) mit Straßenschuhen auf den Esszimmerstuhl zu steigen. Wenn er wenigstens einen aus der Küche genommen hätte, am besten noch den mit der aufgeplatzten Seitennaht …

    Es war still in der Wohnung. Bente Franzen war zusammen mit Gerret Kolbe weggegangen. Eine ungewöhnliche Zeit, hatte er noch gedacht. Aber vielleicht waren die beiden, die sich in den letzten Wochen deutlich nähergekommen waren, irgendwo eingeladen. Vielleicht nahmen sie auch noch einen Drink an der Strandbar. Oder sie machten einen Spaziergang entlang des Wellensaums und lauschten dabei dem Geräusch der Brandung. Es gab so viele Dinge, die man tun konnte, tun musste, wenn man einigermaßen jung und verliebt war.

    Im Falle Ladengasts war das lange her. So lange, dass er sich kaum noch daran erinnerte. Es war seinerzeit an der Ostsee gewesen, in einem kleinen Dorf bei Wismar. Ihr Name war Birgit, so viel zumindest wusste er noch. Wenn er jetzt aber an die junge Frau dachte, wirkte das Kleid, das sie an jenem Abend getragen hatte, in seinen Erinnerungen seltsam verwa­schen. Und an der Stelle, wo ihr Gesicht hätte sein sollen, befand sich nur noch ein blasser Fleck ohne nennenswerte Konturen. Sie war zu einer Art Gespenst geworden. Ein Geist, der kurz durch seine Sinne spukte und dann weiterzog, bis er nicht mehr zu sehen war.

    Andere Dinge hingegen waren plötzlich wieder ganz präsent, hatten sich urplötzlich ohne Vorankündigung zurück in sein Bewusstsein gedrängt. Die Zeit in Wismar, als er noch sehr viel jünger gewesen war, als Dozent an der Hochschule, Schwer­punkt Elektrotechnik und Maschinenbau. Das war Anfang der Achtzigerjahre gewesen, als der Eiserne Vorhang noch un­durchlässig gewesen war und noch niemand etwas von einer bevorstehenden Wende geahnt hatte. Ladengast war mit vielen Menschen in Berührung gekommen. Damals wie heute trugen die meisten den Wunsch nach uneingeschränkter Freiheit in sich. So auch er.

    Was er nur wenig später getan hatte, war seinen Vorstellun­gen von Freiheit zumindest sehr nahe gekommen. Das erste Mal, dass er jemanden in der Nähe von Lübeck illegal über die innerdeutsche Grenze gebracht hatte, war im Oktober 1984 gewesen. Eine Zeit, in der westdeutsche Botschaften in Buda­pest, Warschau, Prag und Bukarest vorübergehend geschlossen werden mussten, weil sich dort mehr und mehr ausreisewillige DDR-Bürger einfanden.

    Ladengast war zu einem Fluchthelfer geworden. Einem Gegner des Systems, dem, wenn man ihn seinerzeit gefasst hätte, eine lebenslange Strafe unter schlimmsten Bedingungen in Aussicht gestanden hätte.

    Und beinahe wäre es ja auch so weit gekommen. Es war nach der vierten Aktion gewesen, an einem nasskalten Tag im November. Der Tag, an dem Ladengast eine fünfköpfige Familie aus der Nähe von Leipzig mit einem Lastkahn über die Trave bringen wollte. Nebel hing über dem Wasser und kroch durch die tropfnassen Wiesen, stieg an den Obstbäumen empor, kletterte höher und höher.

    Mit einem Mal tauchte eine Gestalt aus dem Unterholz auf, richtete sich hoch auf und rief dabei unentwegt kurze, knappe Befehle. Die Stimme des Mannes gellte über das Gelände, über den träge dahinziehenden Fluss.

    Ladengast wusste sofort, dass sie aufgeflogen waren. Aber es gab in diesem Augenblick kein Zurück mehr.

    Weiter, nur weiter. Hastige Schritte im hohen, nassen Gras, immer näher auf das Ufer zu.

    Der Kahn mit zwei eingeweihten Schiffern an Bord befand sich bereits in Sichtweite, hielt direkt auf sie zu.

    Dunkle Gestalten, die sich plötzlich hinter ihnen erhoben und sich im selben Augenblick in Bewegung setzten.

    Ladengast hielt einen kurzen Blickkontakt mit dem flüchten­den Vater. Sah seine beinahe unnatürlich weit aufgerissenen Augen, als dieser die Situation erkannte. Er trieb seine Lieben zur Eile an, machte sogar kehrt und schnappte sich seine Tochter, deren kurze Beine Mühe hatten, mit den anderen Schritt zu halten.

    Der Kahn folgte einer leichten Kurve des Flussverlaufs. Für einen Moment lang schien es, als würde der Bug direkt auf die von Schilf bestandene hohe Böschung zusteuern.

    Dann drehte sich der schwere Koloss auf dem Wasser und kam längsseits.

    Ein Schuss peitschte auf. Etwas traf Ladengast an der rechten Schulter. Er stieß einen heiseren Schrei aus, ließ sich fallen und ging hart zu Boden.

    Keuchend blieb er liegen, seinen verzweifelten Blick auf die Familie gerichtet. Mein Gott, wenn sie doch nur durchkämen!

    Jemand preschte an ihm vorbei. Ein Soldat des ostdeutschen Grenzschutzes. Er schien Ladengast gar nicht wahrzunehmen.

    Rufe wurden laut. Die Männer schrien durcheinander.

    Auf dem Schiff waren zwei Männer aufgetaucht, die sich weit über die Reling lehnten und ihre Hände ausstreckten. Sie bekamen als Erstes die Kinder zu fassen.

    Ladengast sah, wie einer der Männer zwei Kinder, ein Junge und das kleine Mädchen, gleichzeitig an den Kragen ihrer Mäntel packte und in die Höhe hievte.

    In dieser Sekunde fielen kurz hintereinander zwei Schüsse.

    Das Herz

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