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Einer wie Chicago: Band 2: Liebesroman
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Einer wie Chicago: Band 2: Liebesroman
eBook295 Seiten3 Stunden

Einer wie Chicago: Band 2: Liebesroman

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Über dieses E-Book

Die heiß ersehnte Fortsetzung zu "Einer wie Chicago" ist endlich da!

 

Alles hätte so schön sein können …

 

Luca und June schweben im siebten Himmel – bis sie wieder in England und somit auf dem Boden der Tatsachen landen.

Als hätten sie nicht schon genug Ärger damit, dass Lucas Vater unerwartet auftaucht, braucht auch noch sein Bruder Unterstützung, während Eric, Junes Bruder, kein Wort mehr mit ihnen redet. Zu allem Überfluss mischt sich noch Junes Mutter in ihr Leben ein – und sogar in Lucas Geschäfte.

Das Familienchaos ist perfekt, und auch Lucas und Junes Beziehung bleibt davon nicht unberührt. Gefangen zwischen den Geistern der Vergangenheit, den Problemen der Gegenwart und den Ängsten um die Zukunft scheint die Katastrophe zwischen ihnen unvermeidlich …

Doch werden sie unbeschadet aus den Wirrungen herauskommen, die das Leben für sie vorgesehen hat?

SpracheDeutsch
HerausgeberElaria
Erscheinungsdatum18. Juli 2019
ISBN9783964650030
Einer wie Chicago: Band 2: Liebesroman

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    Buchvorschau

    Einer wie Chicago - Eliza Hill

    Prolog

    Du kennst nicht alle Details, dieses Mantra bete ich mir immer wieder vor, während ich auf das Schild an der Tür starre. Du kannst nicht einfach durch die Tür fallen und ihm den Teufel an den Hals wünschen. Das gehört sich nicht, auch wenn er es verdient hätte.

    Ich schließe die Augen und atme tief durch. Noch vor einem Jahr wäre ich vor Glück geplatzt, diesen Mann hinter der Tür kennenzulernen, und objektiv betrachtet ist er noch immer eine Koryphäe auf seinem Gebiet, doch sämtliche seiner beruflichen Erfolge können den Groll nicht schmälern, den ich gegen ihn hege.

    Vor acht Jahren hat er seinen Sohn beinahe zu Tode geprügelt. Meinen Luca. Den beinahe zwei Meter großen Felsen in meiner Brandung. Allein der Gedanke daran, ihn körperlich verletzen zu können, ist beinahe unvorstellbar. Aber der Mann hinter dieser Tür hat nicht nur das geschafft, nein, er hat mit dieser Aktion auch Lucas Schuldgefühle am Tod seiner Schwester in Stein gemeißelt.

    Klar, Dmitri Bexton hatte an diesem Tag seine Tochter verloren. Er konnte sich in seiner Trauer nicht kontrollieren, aber das ist keine Entschuldigung. Am liebsten würde ich ihn dafür vierteilen, was er Luca angetan hat. Er hat etwas in ihm kaputtgemacht, das niemand wieder kitten kann. Denn er ist es, der Luca eingeimpft hat, dass dieser Autounfall, bei dem seine Schwester ums Leben kam, seine Schuld war.

    Die Türe vor mir öffnet sich und einer unserer Buchhalter schiebt sich mit zwei großen Aktenordnern unter dem Arm ins Vorzimmer, ohne mich weiter zu beachten.

    „Kommen Sie rein, Miss Morten." In der Stimme liegt etwas, was mich an einen alten Hooligan denken lässt, obgleich das natürlich vollkommen absurd ist. Dmitri Bexton hat nichts übrig für Fußball und im American Football ist mir keine Hooligan-Szene bekannt.

    Ich komme in Bewegung und trete durch die dunkle Holztüre in einen hellen Raum, in dem normalerweise Michael aus der Personalabteilung zu finden ist. Doch da ist heute kein Michael mit schütterem Haarkranz und breitem, wohlwollendem Lächeln. Stattdessen steht ein hochgewachsener Mann hinter Michaels Schreibtisch, dessen scharfer, anhaltender Blick mich findet, kaum dass ich über die Türschwelle getreten bin.

    Oberflächlich betrachtet hat Dmitri Bexton außer seiner imposanten Erscheinung überhaupt keine Ähnlichkeit mit seinem Sohn. Die grauen Strähnen, die sein dunkelbraunes Haar durchziehen, mehren sich an den Schläfen und sein Gesicht spricht davon, dass Luca weder der Erste noch der Letzte war, den er schon einmal auf die Bretter geschickt hat. Dmitri erinnert an einen Boxer, und ich erwische mich beim Gedanken daran, dass ich ihn mir sehr wohl in der ersten Reihe bei einer Schlägerei vorstellen könnte. Sein markantes Kinn ist kantig, die Nase schon mehr als einmal gebrochen und wieder zusammengeflickt worden und der Bartschatten macht sein hartes Gesicht noch ein wenig finsterer.

    „Sie haben sich Zeit gelassen." Seine eigensinnig geschwungenen Lippen spiegeln Missfallen wider und ich kann mich des Gefühls des Wiedererkennens nicht erwehren. Auch wenn er seine Farben nicht an seinen Sohn vererbt hat, seine Mimik lässt mich unwillkürlich an Luca denken.

    „Mister Bexton, erwidere ich. „Ich war noch … beschäftigt. Ich bringe es nicht über mich, mir eine Ausrede einfallen zu lassen, weshalb ich ihn so lange habe warten lassen. Luca würde es nicht gutheißen, dass ich hier bin, und ich glaube, das wissen wir beide gut genug.

    Seine Augen gleiten abwägend über meine verwaschene Röhrenjeans und meine weiße Bluse, auf der seit der Frühstückspause ein Marmeladenfleck prangt, und halb wünschte ich, ich hätte heute Morgen auf meinen Toast verzichtet.

    In seinen Augenwinkeln haben sich die ersten feinen Linien in die Haut gegraben, wie mir auffällt, als ihn länger als nötig taxiere. Spätestens jetzt hätte Luca mich gefragt, was los ist. Doch anders als sein Sohn erwidert Dmitri die Musterung stumm. Seine Iriden – ein Mix aus hellem Braun und Blaugrau - ändern ihre Farbzusammensetzung, als seine Pupillen sich verengen und er einen Schritt nach vorne tritt.

    Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich etwas geäußert habe, das zu viel preisgegeben hat. Dabei habe ich kein Sterbenswort geäußert.

    „Er hat Ihnen davon erzählt, nicht wahr?"

    In meinem Kopf tobt ein ganzes italienisches Kabinett. Die Antwort auf diese Frage muss ja lauten, aber darf ich ihm das sagen? Ich bleibe still, während die Debatte darüber weiter in meinem Kopf wütet.

    „Das ist gut. Er braucht jemanden auf seiner Seite des Rings. Dmitri lässt sich auf den breiten Schreibtischstuhl fallen, ganz so, als hätte ich ihm eine ausreichende Antwort geliefert. Offenbar ist Lucas Vater kein Fan von Geplänkel. „Ich habe Sie nicht einbestellt, um Sie davon zu überzeugen, dass ich kein Monster bin. Ich weiß, was ich getan habe, und damit muss ich leben.

    Ich atme tief ein, halb, um Zeit zu schinden, und halb, weil ich nicht anders kann. Das hätte auch aus Lucas Mund kommen können.

    „Ich bin nur hier, um sicherzugehen, dass sein Bruder seine Bewährungsauflagen nicht bereits in den ersten vierundzwanzig Stunden verletzt. Dmitri lässt mich noch immer nicht aus den Augen, während ich mich frage, von was zur Hölle er da nur redet. „Und es liegt mir fern, hier in der Firma Aufstände im Nadelstreif loszutreten. Vielleicht können Sie ihm das bei Gelegenheit sagen, fährt er einfach fort.

    „Ich bin nicht hier, um Ihnen eine Führung zu geben, oder?", entweicht es mir langsam.

    Seine Lippen verziehen sich zu einem beinahe entschuldigenden Lächeln. „Ich fürchte, es war die Neugierde eines alten Mannes, die Sie herzitiert hat. Sie müssen entschuldigen, dass ich Sie wegen dieser Banalitäten von der Arbeit abhalte, aber ich musste Lucas gegenwärtige Abwesenheit einfach nutzen. Er würde mich nicht in Ihre Nähe lassen, wäre er hier."

    Eigentlich bin ich keine sonderlich theatralisch veranlage Person, aber Lucas und Dmitris Vergangenheit bietet Stoff für einen Weltbestseller. Weil, und das ist das Tragische an der Sache, ich ziemlich sicher bin, dass Dmitri ein Herz hat. Ich weiß auch nicht, aber ich sehe ihn an und höre, was er da sagt, und es klingt einfach nicht bösartig. Es klingt müde und es klingt so verdammt unglücklich.

    Ich kann diesen Mann nicht anschreien oder über die Maßen unhöflich sein. Und er hat recht, dass Luca ihn mir wahrscheinlich niemals vorstellen würde. Weil er ihn nun einmal nicht mehr in seinem Leben haben möchte. Aber das kann ich ihm nicht sagen und heucheln will ich nicht. Deshalb schaffe ich es irgendwie in Richtung Tür zu deuten. „Wenn das alles war, würde ich jetzt gehen, Mr. Bexton."

    Er presst die Lippen aufeinander. „Ich nehme an, es wird auf sehr lange Zeit das letzte Mal sein, dass wir uns gegenüberstehen, Miss Morten."

    „June. Ich werfe ihm ein entschuldigendes Lächeln zu. „Es hat mich gefreut, Ihre Bekanntschaft zu machen.

    Dann gehe ich und brauche beinahe ewig bis in mein Büro, um mein schlechtes Gewissen, ihn einfach so stehen gelassen zu haben, wieder unter Kontrolle zu bringen.

    Kapitel 1

    Ich studiere Alexejs E-Mail zum siebten Mal, ohne auch nur ein Wort davon zu verstehen. Zu abgelenkt bin ich vom Gedanken daran, Luca von meiner Unterredung mit seinem Vater zu berichten. Sicher wird er erfahren, dass Dmitri hier in der Firma gewesen ist. Es ist nur eine Frage der Zeit. Auch dass Dmitri mich zum Gespräch gebeten hat.

    Ich reibe mir über die Schläfe. Ich sollte es ihm sagen, aber ich muss kein Siegmund Freud sein, um mir seine Reaktion vorzustellen. Die letzten drei Wochen haben Luca und ich in einer perfekten kleinen Blase zugebracht, wo es keine Dramen und Streitigkeiten gab. Und kaum ist Luca für vierundzwanzig Stunden aus der Stadt, um sich in Manchester mit einem neuen Start-up-Unternehmen zu treffen, schlägt sein Vater hier auf und bringt die Idylle zum Platzen wie eine Seifenblase.

    Gut, wenn ich ehrlich bin, ist Dmitri Bextons Auftauchen nicht das einzige Problem, das sich in den letzten Wochen in meinen Orbit geschoben hat. Aber all die anderen Dramen konnte ich bisher ganz gut ausblenden, weil sie nicht akut sind. Es ist ein bisschen so wie mit meiner Unsportlichkeit. Solange mich keiner zu einem Dauerlauf nötigt, fällt es nicht weiter auf. Und solange ich meiner Familie nicht sage, dass es einen neuen Mann in meinem Leben gibt, kann auch keiner daran Anstoß nehmen.

    Ich lasse meinen Kopf in den Nacken fallen und starre an die Decke. Dieses verdammte Gespräch mit meinem Bruder schiebe ich nun schon so lange vor mir her, dass es mir mittlerweile beinahe wie eine Konstante vorkommt.

    „Machst du mal bitte das Fenster auf, June?", unterbricht mein bester Freund meinen stillen Klagesang. Ich folge seiner Bitte dankbar, erleichtert, nicht weiter darüber nachdenken zu müssen, wie ich Eric Morten Luca Bexton erkläre, denn ein türkischer Vater ist nichts gegen meinen ältesten Bruder.

    Und dann ist da noch der Telefonanruf, der dieses andere Problem offenbart, das ich seit nunmehr acht Tagen als kleines Schlagloch auf dem Weg des Traumpaars James und Jody ins Happy-End abzutun versuche. Jedes Klingeln, das ungehört zwischen den Papieren auf James‘ Schreibtisch verhallt, lässt meine Zuversicht ein wenig schmelzen, dass sie das wieder auf die Reihe bekommen.

    Seit James herausgefunden hat, dass Jody noch Kontakt zu ihrem Exfreund hat, habe ich die beiden nicht mehr normal miteinander sprechen hören. James‘ wasserstoffblond gefärbter Schopf, den er seit Montag so ausrasiert trägt, als hätte er vor, zur Armee zu gehen, bleibt hinter seinem Bildschirm vergraben. Nur das zu laute Klackern der Tastatur verrät mir, dass er sehr wohl Kenntnis genommen hat.

    Aber eines muss ich Jody lassen, sie macht das wirklich gar nicht so schlecht. Sie lässt sich nicht abwimmeln.

    Es nieselt und ein strammer Wind weht unter meine Bluse, während das Klingeln durch das offene Fenster auf den Parkplatz hinunterdringt.

    Nur ein Schlagloch.

    Ich kann James‘ Hand nach dem Handy tasten hören, ehe er es mit einer vehementen Bewegung so dreht, dass das Display auf die Schreibtischplatte zeigt und das Läuten erstirbt. „Hast du schon Alexejs Mail gelesen?"

    „Jein, bringe ich überrascht raus. „Ich war gerade dabei.

    Halb warte ich darauf, dass James mich deshalb anschnauzt, doch er kippt nur seinen Stuhl nach hinten und nickt in Richtung Telefon. „Mann, sie kann es einfach nicht gut sein lassen, schnappt er, ehe er mich fixiert. „Was ist deine Meinung zu dem Thema?

    „Männer und Frauen können miteinander befreundet sein. Sieh uns an." Ich mache eine Geste, die uns beide einschließen soll, doch es grenzt an physische Kapitulation. Es ist eiskalt vor diesem dämlichen Fenster.

    „Wir wollten auch nie etwas voneinander." James kneift die Augen zusammen und die blassen Narben auf seiner linken Gesichtshälfte geben ihm für einen Moment eine brutale Ausstrahlung, sodass ich mir nicht sicher bin, ob mein Gerede noch etwas retten kann. Von vorgefassten Meinungen ist James nur schwer wieder abzubringen und diese scheint geradezu festbetoniert zu sein.

    „Ich will nicht, dass ihr euch trennt. Nicht wegen ein paar Telefongesprächen. Das ist doch dumm, hätte ich am liebsten noch angefügt, doch das lasse ich wohl besser. „Ihr habt so lange gebraucht, um zusammenzukommen, entweicht es mir stattdessen.

    „Hör zu, June. Ich sage nicht, dass mir auch nur irgendetwas daran leichtfällt. Aber ich bin intelligent genug, um mich nicht verarschen zu lassen. James steht auf, innerlich so geballt, dass ich mir sicher bin, dass er kurz davor steht zu platzen. „Es ist eine Sache, mir ihre Telefongespräche zu verschweigen, aber es ist etwas anderes, sich hinter meinem Rücken mit ihm zu treffen.

    „Das hat sie nicht gemacht. Ich bin baff. „Jody ist nicht der Typ Frau dafür.

    „Ich habe sie am Donnerstag zusammen gesehen. Die sonst so natürliche Lässigkeit meines besten Freundes ist verschwunden. „Sie betrügt mich mit diesem Arsch, June, und ich habe sie in den Himmel gehoben wie Colin Firth seine Freundin in diesem gottverdammten Weihnachtsfilm.

    Tatsächlich Liebe, entweicht es mir nicht gerade hilfreich. James wischt sich über die Stirn. Er wirkt, als wäre kein Blut mehr in seinen Adern zu finden, und ich fühle mich mehr als dämlich. „Zu Jody gibt es nichts mehr zu sagen. Auf solche Psychospiele lasse ich mich nicht mehr ein, bestätigt James meine späte Erkenntnis. Sein Schmerz und die Enttäuschung lassen seine Gesichtszüge toxisch bleich werden, beinahe so schlimm wie damals bei unserer ersten Begegnung, als er den Entzug noch vor sich hatte.

    Er verwandelt sich vor meinen Augen zu Stein und ich hasse diese rothaarige Frau für ihre Charakterschwäche und mich dafür, dass ich der Meinung war, sie wäre die richtige für ihn. Am liebsten würde ich mich bei James entschuldigen. Für alles. Stellvertretend für Jody und den Rest der Frauenwelt - und dafür, dass ich letzte Woche lieber an meinem gelangweiltesten Gesichtsausdruck gearbeitet habe, um mit meinen Mitbewohnerinnen Sam und Mila in den neuen Club zu kommen, der direkt neben dem Queen’s Park aufgemacht hat, anstatt mit ihm über den Fortgang seiner Beziehung zu sprechen. Einfach weil ich diese ganze Sache nur für ein kleines Störfeuer gehalten habe.

    „Ich will nicht darüber sprechen. Es ist, wie es ist", stellt mein bester Freund, dem mein Ringen nach den richtigen Worten nicht entgangen ist, verbittert fest.

    „Ja." Ich beiße mir auf die Lippen. Wir wissen beide, dass die richtige Übersetzung seiner Aussage eigentlich „ich kann das nicht" ist. Ich schlucke. Schlucke hart und kann nichts dagegen tun. Ihn zu umarmen, ist ein Zwang, den ich nicht unterdrücken kann.

    „June."

    „Tut mir leid." Ich presse meinen Kopf gegen seine sehnige, zu breite Brust. James festzuhalten ist wie einen Stein zu umklammern. Ganz tröstlich, aber einseitig. Ich schmuggele einen Arm unter seinen und ziehe ihn enger an mich.

    „Mir geht’s gut, June."

    James ist ein furchtbarer Lügner. Die Intensität meiner Umarmung zu erhöhen ist der einzige wortfreie Weg, ihm zu widersprechen und seine Behauptung doch zu akzeptieren. Es dauert, ehe ich die Kraft aufbringe ihn loszulassen. „Wir sollten wohl weitermachen." Ich bemühe mich um einen beiläufigen Tonfall, doch es wiegt bleischwer auf meinen Lippen. Trotzdem mache ich einen Schritt zurück.

    Es ist mittlerweile so kalt in unserem Büro, dass ich mir am liebsten meine Lederjacke überziehen würde, doch ich begnüge mich damit, das Fenster energisch in seinen Rahmen zu drücken und zurück an meinen Platz zu sinken.

    Es ist, als wären meiner Welt seit meinem Stelldichein bei Lucas Vater alle positiven Eigenschaften abhandengekommen. Ganz so, als hätte jemand den Zuckerguss abgekratzt, bis nur noch die unschönen, rostigen Antriebsfedern aus Kummer und fehlender Zuneigung übriggeblieben sind. Dabei sind philosophisch deprimierende Gedankengänge wie diese nicht meine Art. Zumindest hoffe ich, dass ich mir diese Denke noch nicht angeeignet habe. „Ich brauche einen Kaffee."

    Mein Hintern bleibt auf meinem Stuhl. Sosehr ich auch einen seelenschmeichelnden Becher Koffein gebrauchen könnte, so sehr würde ich es heute Abend bereuen. Und so hocke ich vor einem mittlerweile schlafenden Computerbildschirm, der erst erwacht, als mein Knöchel aus Versehen gegen den Schreibtischfuß stößt. Das leise Rauschen, das der PC dabei von sich gibt, zieht mich zurück in die Realität.

    Ich muss endlich diese blöde Mail beantworten und dann muss ich Eric endlich von Luca berichten. Und Luca, Luca muss ich stecken, dass sein Vater hier ist. Gleich nachdem ich Johanna Anderson-Smith umgebracht habe.

    Kapitel 2

    Luca und ich sind in jener komfortablen Phase angekommen, in der jeder einen Schlüssel zum Reich des jeweils anderen hat. Was für mich heißt, dass ich mir mittlerweile den Griff zum Smartphone sparen kann, wann immer ich vor seiner Tür stehe, da sein Haus keine Klingel besitzt. Die Tatsache, dass er als CEO eines Computerunternehmens auf eine einfache Transistorschaltung an seiner eigenen Haustür verzichtet, verwundert nur Leute, die Luca nicht kennen. Denn eine Klingel zu haben bedeutet gleichermaßen anderen die Möglichkeit zu geben ungewollt bei ihm vorstellig zu werden. Eine kleine subtile Geste des Trotzes gegen die Welt, die ihn wie einen dunklen Turm fest in ihrer Mitte verankert hat.

    Auf der anderen Seite der Tür wartet Velvet. Die freundliche Begeisterung des Dobermanns bei meinem Auftauchen lässt meine schlechte Laune abfallen. Die weichen Bewegungen und seine warmen braunen Augen sprechen von überschwänglichem Glück, mich zu sehen. In diesen Hund habe ich mich kopfüber verliebt. Knall auf Fall sozusagen, und entgegen jeder Beteuerung Luca gegenüber bin ich mir längst im Klaren darüber, dass Velvet mindestens genauso sehr mein Hund ist wie seiner.

    Velvet knickt ein, als ich ihn hinter den Ohren kraule. Wie eine Marionette, der man die Fäden abgeschnitten hat, lässt er sich auf den Boden fallen und sieht mich mit jenem glücklichen Hundelächeln an, das von totaler Zufriedenheit spricht.

    „Wie war Manchester?, will ich von Velvet wissen, den Luca meist nur als „Monster bezeichnet. Weshalb, das ist mir mittlerweile absolut schleierhaft, denn der Dobermann ist nur auf den ersten Blick ein bisschen furchterregend.

    „June?" Lucas dunkler Bass weht zu mir in den Gang, der ein wenig zu breit ist, um bei einem Engländer das Gefühl einer heimeligen Atmosphäre zu erwecken.

    „Hey. Ich lasse von Velvet ab und steige aus meinen Schuhen, die mich bereits seit heute früh drangsaliert haben, ehe ich ins Wohnzimmer abbiege. „Ich dachte, du bist noch gar nicht zurück.

    Als ich eintrete, weilt mein Freund auf der ausladenden Ledercouch und starrt auf den Laptop vor sich. Das gutsitzende weiße Hemd, unter dem sich breite Schulterblätter spannen, hat er bis zu den Ellbogen nach oben gekrempelt und in seiner linken Hand hält er ein Glas, das zwei Finger breit mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt ist, in der ein Eiswürfel schwimmt.

    „Wir sind uns noch über den Preis uneins. Luca sieht nicht auf, während er das sagt, offenbar von etwas auf dem Bildschirm gefesselt. „Wie war dein Tag?

    Ich studiere sein hart geschnittenes Gesicht, das rigorose Kraft und Durchsetzungsvermögen ausstrahlt - vielleicht mehr noch als sein beeindruckender Körperbau, der den seines Vaters wie einen misslungenen Erstentwurf wirken lässt. Jeder Zoll ein überdeutlicher Hinweis darauf, dass er, hätte das Schicksal ihm seinen Willen gelassen, noch immer auf einem Footballfeld stehen würde. Stattdessen aber sitzt er in einem Anzug aus der Saville Road so vertieft vor dem Bauplan des neuen ELX-Firmenparks, dass man meinen könnte, es handele sich dabei um ein Playbook.

    „Ich habe deinen Vater kennengelernt."

    Luca klappt seinen PC beinahe bedächtig zu, erfüllt von etwas, das ich als harte Wut umschreiben würde, ehe sein Mund sich zu einer schmalen Linie verzieht. „Wann?"

    „Heute Morgen. Für vielleicht zwei Minuten. Mir war nicht einmal klar, dass er hier ist." Ich studiere Lucas Gesicht, aus dem ungefilterter Zorn spricht. Ich kenne ihn schon länger, als ich ihn liebe. Ein unbezwingbarer Wille und ein noch tiefer sitzender Sinn für das Geschäft machen ihn ebenso aus wie sein Sarkasmus und eine zuweilen an Selbstzerstörung grenzende Obsession zu Sport. Dass die nicht vorhandenen Bande zu seinem Vater und die Schuldgefühle wegen des Todes seiner Schwester jedoch jedes familiäre Grundempfinden getilgt haben, habe ich bisher eher befürchtet als es wirklich zu wissen.

    Luca nimmt einen Schluck von der klaren Flüssigkeit, ehe er ein freudloses Lachen von sich gibt. „Er sollte auch nicht hier sein, sagt er bitter. „Er sollte Don nur einen verfickten Platz in diesem Entzugsprogramm besorgen, so wie es ausgemacht war.

    Dass sein Vater und er irgendeine Übereinkunft wegen seines Bruders getroffen haben, ist mir gänzlich neu. Und so forsche ich in Lucas Gesicht nach irgendeinem Hinweis darauf, wann genau sie das entschieden haben. Und vor allem wie.

    „Damon wollte sich eigentlich um die Einzelheiten kümmern", liefert Luca eine halbausgegorene Erklärung.

    „Dein Bruder kommt nach London?, hake ich deshalb nach. „Hierher?

    „Ja. Luca legt den Kopf in den Nacken. „Wieso?

    Ich atme tief ein. „Na ja. Ich, … es wäre schön gewesen, davon zu erfahren, dass das im Gespräch ist."

    „Du hättest es mir ausgeredet. Luca wischt sich über seinen Bartschatten. „Weil es unglaublich viel Aufwand ist ihn herzubekommen, und dann hättest du mich nach dem Warum gefragt.

    Ich weiß nicht, ob es tröstlich ist, dass er sich über meine Reaktion Gedanken gemacht hat. Aber mich bekümmert ein wenig das Ergebnis seiner Überlegungen.

    „Und das darf ich nicht?"

    Luca fährt auf. „Nicht wirklich."

    „Was … willst du denn tun? Ich meine, er muss erst einmal einen Entzug machen. Ich schlucke. „Oder hat er den schon hinter sich?

    „Siehst du. Du redest es mir aus. Wie ich gesagt habe."

    „Nein. Ich rede dir gar nichts aus. Dazu müsstest du mir erst einmal mitteilen, was du genau vorhast und was Damon hier eigentlich organisieren soll."

    „Don muss auch nach seinem Entzug Auflagen erfüllen. Ansonsten buchten sie ihn ein. Darum kümmert sich Damon. Besser gesagt kümmert er sich darum, dass mein Vater die Vorteile versteht, die wir hier in London haben. Ich meine, Don wäre weg von seinem alten Umfeld. Er wüsste

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