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Devils & Chocoholics: Liebesroman
Devils & Chocoholics: Liebesroman
Devils & Chocoholics: Liebesroman
eBook504 Seiten6 Stunden

Devils & Chocoholics: Liebesroman

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Über dieses E-Book

Iben Camwells Welt besteht von Berufs wegen aus Zucker und Schokolade, denn sie arbeitet als Patissière im Chocoholics. Das ist dann aber auch schon alles, was an ihrem Leben romantisch ist, denn Ibens Männergeschmack ist katastrophal. Die lange schwarze Liste ihrer Exfreunde liest sich wie ein Vorstrafenregister, und deshalb hat sie sich nach dem Ende ihrer letzten Beziehung entschlossen, den großen finsteren Fremden abzuschwören, die schon immer ihre Aufmerksamkeit gefesselt haben.

Ganz besonders, wenn sie geheimnisvoll und beeindruckend sind wie Don Bexton ...

SpracheDeutsch
HerausgeberElaria
Erscheinungsdatum18. Juli 2019
ISBN9783964651310
Devils & Chocoholics: Liebesroman

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    Buchvorschau

    Devils & Chocoholics - Eliza Hill

    Prolog

    „Ist Alec bei dir?"

    „Alec?"

    „Ja, Alec." Hannah schiebt sich durch die Tür, bevor ich zur Seite treten kann, und nimmt energisch die fünf Stufen, die von meiner Pforte ins Wohnzimmer führen.

    Verdattert sehe ich ihr nach, meine Kaffeetasse in der Hand haltend. „Den habe ich schon seit Jahren nicht mehr gesehen."

    „Das ist unpraktisch. Er ist nämlich gestern nicht zu seiner Verhandlung erschienen." Sie schält sich aus ihrem roten Wollmantel und wirft ihn über die Lehne meiner Couch.

    „Er hatte eine Gerichtsverhandlung? Schon wieder?"

    Hannah legt ihren Kopf schief und taxiert mich nachdenklich. „Weißt du wirklich nicht, wo er steckt?"

    „Nein."

    Sie runzelt die Stirn. „Bist du sicher, Iben? Es ist wichtig."

    „Bin ich."

    Mit ihren tiefen Augenringen wirkt Detective Constable Hannah Dermott an diesem Morgen alles andere als gesund und wahrscheinlich sollte ich nach all den Jahren daran gewöhnt sein, noch vor dem ersten Schluck Kaffee am Morgen nach dem Verbleib meiner Ex-Freunde gefragt zu werden. Doch seltsamerweise bin ich das noch immer nicht.

    Hannah gibt ein frustriertes Stöhnen von sich. „Scheiße."

    Ich schließe die Wohnungstür hinter mir und frage mich einmal mehr, weshalb alle Welt zu glauben scheint, dass ich immer über die Aufenthaltsorte meiner Ex-Freunde informiert sei. „Ich bin kein Peilsender, Hannah."

    „Ich weiß, entschuldige. Sie fährt sich durch ihr krauses Haar und studiert mein Mobiliar. „Hast du hier umgeräumt?

    „Ein wenig. Ich habe mir einen neuen Sessel besorgt, nachdem mein alter Warren zum Opfer gefallen ist. Ich betrachte ihre zerknitterte Bluse, auf der ein undefinierbarer gelber Fleck prangt. „Und du hast schon wieder Überstunden im Büro gemacht?, versuche ich das Thema zu wechseln. Über meine letzte Beziehung möchte ich bestimmt nicht sprechen.

    Sie bläst die Backen auf. „Ja. Dank deines Ex‘. Was ist so schlimm daran, sich einen normalen Job zu suchen? Man könnte meinen, dieses ständige Verhaftetwerden würde ihm irgendwann einmal zum Hals raushängen."

    „Keine Ahnung. Ich habe zumindest die Schnauze voll davon, mich in solche Typen zu verlieben."

    Hannah fährt sich über die Stirn. „Dann tu’s nicht."

    „Ich versuche es. Willst du einen Tee oder einen Kaffee, wenn du schon hier bist?"

    „Gern. Wenn ich nicht störe?"

    „Nein. Ich bin nur auf dem Sprung zu meinen Eltern. Sie werden langsam ungemütlich, weil ich ihnen schon seit zwei Monaten verspreche, sie zu besuchen, und es nie schaffe", winke ich ab.

    „Das erklärt den todschicken Fummel." Sie deutet auf das schwarze Kleid, das ich auf meinen neuen ausladenden Sessel geworfen habe, als ich auf dem Weg zur Tür war, um ihr zu öffnen.

    „Meine Mutter sagt immer, das Beste an mir seien meine Beine. Ich zucke mit den Schultern. „Und da sie ohnehin unendlich viele Dinge finden wird, die ihr an meinem Leben nicht passen, dachte ich, ich punkte zumindest damit.

    „Gute Überlegung. Hannah schenkt mir ein Lächeln. „Vielleicht hilft es ja.

    „Das bezweifele ich. Ich arbeite mit meinen Händen und ich habe keinen Ehemann. Ein Wunder, dass sie mich noch nicht enterbt hat."

    „Mach dir nichts draus. Millionen Frauen beneiden dich um deinen Job. Hannah schlendert in Richtung Küche, reißt den Hängeschrank über der Spüle auf und fischt eine Tasse aus dem Inneren, bevor sie nach ihren Teebeuteln greift, die in der Keksdose lagern. „Ich meine, du arbeitest mit Schokolade und Kuchen. Und was den Ehemann betrifft: Wieso bewahrst du eigentlich diese Liste des Grauens überhaupt noch auf? Sie deutet auf den Zettel am Kühlschrank, der meine acht Gründe dokumentiert, besser die Finger von der Männerwelt zu lassen. „Ich hätte die schon lange verbrannt."

    „Als Erinnerungsstütze. Vielleicht lerne ich es ja tatsächlich irgendwann, von Mistkerlen die Finger zu lassen. Ich sinke auf einen der Küchenstühle, während sie den Wasserkocher noch einmal anstellt, den ich gerade in Betrieb hatte. „Ist Alec mal wieder beim Dealen erwischt worden oder weshalb hat er schon wieder eine Verhandlung am Hals?

    „Darf ich dir nicht verraten. Hannah mustert mein unförmiges Schlafshirt und die graue Jogginghose, deren Bund sich an den Knöcheln langsam auflöst. „Wann willst du zu deinen Eltern aufbrechen?

    „In einer Stunde. Ich zupfe an der Hose herum, die ich dringend wegwerfen sollte, von der ich mich aber nicht trennen mag, weil sie so bequem ist. „Noch genug Zeit, um wach zu werden und mich fertigzumachen.

    Sie gähnt hinter vorgehaltener Hand. „Draußen hat es geschneit. Das Autokratzen wird ewig dauern. Im Kleid würde ich dir das nicht empfehlen."

    Ich nippe unglücklich an meinem Kaffee. „Du könntest eine gute Nachbarin sein und mir dabei helfen."

    Sie schüttelt träge den Kopf. „Es ist dein Auto und du hast vergessen es abzudecken. Ich werde jetzt schlafen gehen. Außerdem bist du selbst schuld, wenn du bei dem Wetter zu deinen Eltern fährst. Hannah gießt ihren Tee auf und deutet in Richtung Tür. „Ich bringe dir die Tasse später wieder. Mein Geschirr lagert noch in den Umzugskartons, wie du weißt. Aber ich verspreche, meine Teebeutel und ich sind nachher verschwunden.

    „Ich behalte deine Teebeutel auch noch länger. Ich schenke ihr ein breites Grinsen. „Sie haben sich hier recht gut eingelebt.

    Hannah zieht eine Augenbraue nach oben. „Viel Spaß beim Frieren", merkt sie an, bevor sie ihren Mantel von der Couch pflückt und davoneilt. Der Detective Constable Hannah ist manchmal ruppiger, als sie sein müsste und ich frage mich nicht zum ersten Mal, ob das eine Berufskrankheit ist, ehe ich aus dem Küchenfenster linse, auf dessen Sims eine ganze Hand breit Schnee liegt.

    Zeit, Autokratzen zu gehen.

    Der alte dunkelblaue Seat ist von einer dichten Schneedecke überzogen, die kalt und nass meine Finger betäubt, als ich mit dem Schlüssel nach dem Schloss taste. Die Tür öffnet sich unter einem protestierenden Quietschen und lässt einen Teil des Schnees vom Dach herunterklatschen, direkt auf meine Stoffschuhe.

    „Na toll", entweicht es mir frustriert und ich beuge mich über den Fahrersitz hinweg, um nach dem Eiskratzer zu greifen, der im Fußraum begraben liegt. Ein Überrest aus den Tagen, als das Auto noch meinem Großvater gehört hat.

    Ich krieche mit dem Kratzer bewaffnet wieder aus dem Wageninneren. Wenn ich gewusst hätte, dass London unter einer Schneedecke versinkt, wäre ich schon gestern Abend gefahren.

    Unter dem Schnee, der um mein Auto herum liegt, verbirgt sich eine Eisschicht, die jeden Schritt zum Wagnis werden lässt, und ich kralle mich Halt suchend an der Tür fest. Wahrscheinlich hätte ich mir besser Winterschuhe anstatt meiner Sneakers anziehen sollen, um den Seat freizulegen, aber nun bin ich zu faul, um noch einmal kurz in meine Wohnung zu gehen. Außerdem habe ich keine Lust, länger als nötig in Schlafanzug und Wintermantel hier draußen rumzustehen.

    Die Frontscheibe ist total vereist und mir wird zunehmend warm in meiner Aufmachung, während meine Arme langsam schwer werden. Ich wische mir eine Strähne aus der Stirn, die sich beim energischen Kratzen aus meinem Dutt gelöst hat, bevor ich mich daran erinnere, dass ich noch ein Enteisungsspray im Kofferraum habe.

    Ich strecke meinen Rücken durch und betrachte den Weg zum Heck meines Wagens kritisch. Im Halbdunkeln des recht frühen Novembermorgens sieht der Schnee noch beinahe unberührt aus und tückisch harmlos. Doch für Stoffschuhträger mit glatten Sohlen ist diese weiße Pracht ein einziger Albtraum.

    Ich schlittere langsam in Richtung Heck, ohne die Füße zu heben, und bin schon beinahe am Ziel, als ich die Bodenhaftung verliere.

    „Was- Ich gebe ein erschrockenes Keuchen von mir und sehe den Boden näherkommen, bevor ich ungebremst mit den Händen voran gegen den Bordstein knalle. Der Schmerz in meinem Knie explodiert und ich schnappe nach Luft. „Heilige Maria Gottes, entkommt es mir laut. Mein lädiertes Bein prickelt und pocht, ebenso wie meine Handflächen, die in den kalten Schnee gegriffen haben, und ich reibe unglücklich über mein Knie. „Das gibt einen blauen Fleck. Ich ziehe unglücklich die Luft ein. Meine Hose ist voller Schneematsch, genauso meine Sneakers. „So ein Käse, fluche ich leise und versuche, den Schnee notdürftig aus meinen Schuhen zu fischen, bevor meine Socken nass und klamm werden, als ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnehme.

    Im Zwielicht der Straßenlaterne kann ich nicht viel mehr als Umrisse erkennen, doch es reicht, um mich meinen Eiskratzer unwillkürlich etwas fester umfassen zu lassen. Und dann schnellt plötzlich ein Schatten auf mich zu mit einem Maul voller reißender Zähne. Ein Hund, schießt es mir durch den Kopf, bevor ich meine Arme vor mein Gesicht presse. „Nein!"

    Ich falle auf meinen Hintern.

    „Bailey, aus!"

    Ich halte mir die Hände schützend vor den Kopf und warte mit wild klopfendem Herzen auf den Schmerz, den tief ins Fleisch grabende Hundezähne verursachen, doch er kommt nicht.

    „Er tut Ihnen nichts."

    Ich atme schwer ein, während ich das Gesagte zu verarbeiten versuche. Für eine weitere schreckliche Sekunde passiert nichts und ich wage es, meine Arme sinken zu lassen und aufzuschauen. Das Blut rauscht in meinen Ohren.

    „Tut mir leid."

    Der Hund, der mich beinahe zu Tode erschreckt hat, blickt mich mit großen Augen an. Die abgerundeten, hängenden Ohren fallen ihm ins Gesicht und er wirkt ein bisschen so, als würde er über mich die Stirn runzeln.

    „Sind Sie in Ordnung?", fragt mich eine finstere Stimme, die ich erst jetzt wirklich wahrnehme.

    „Ja. Mein Steißbein pocht wie verrückt, aber ich beiße die Zähne zusammen. „Ich denke schon. Ich sehe hoch und gefriere. Offenbar ist der Hund nicht das gefährlichste Wesen in dieser Parkbucht.

    Ein unbarmherziger Mund, ein grimmiger Blick und ein Dreitagebart lassen mich reglos am Boden verharren.

    „Können Sie aufstehen?"

    Ich schlucke trocken. Von meiner Froschperspektive wirkt der Kerl einfach nur bedrohlich und viel zu beeindruckend. Er trägt einen dunkelblauen Kapuzenpulli unter einer Lederjacke, zusammen mit einer dunkelgrauen Jeans, die in derbe Stiefel gesteckt ist. Seine gleichmäßigen Züge sind attraktiv, aber abweisend und seine ganze Erscheinung lässt die Fluchtreflexe in mir wach werden. Er sieht aus wie ein Typ, der dein Konto leer räumt und dein Herz im Vorübergehen bricht. Einfach so, weil er es kann.

    „Alles bestens", presse ich hervor.

    „Bailey wollte Sie nicht erschrecken", sagt er ernst, ehe er sich einfach zu mir hinunterbeugt und mich ohne Anstrengung zurück auf die Füße stellt.

    Ich kann nicht atmen, während seine Hände auf meinen Oberarmen liegen. Ich habe mich bisher nicht für zerbrechlich gehalten. Doch unter seinem Blick bin ich mir dessen nicht mehr so sicher. Wie er so vor mir steht, erscheint er mir wie eine Naturgewalt. Er strahlt zu viel rohe Kraft aus und einen Unwillen, menschliche Fehler zu tolerieren.

    „Ich … danke", schlucke ich schließlich in Ermangelung einer besseren Antwort und versuche mich an einem Lächeln, das mir nicht recht gelingen will. Er ist beinahe einen ganzen Kopf größer als ich. Durchaus beeindruckend, wenn man bedenkt, dass ich selbst nicht gerade klein bin.

    Er zuckt mit den Schultern. „Ist wohl das Mindeste. Er deutet auf den gewaltigen Hund, den er an der Leine hat und der den Kopf eingezogen hat. „Er sieht zwar erschreckend aus, aber er tut wirklich nichts.

    „Das glaube ich Ihnen, bringe ich raus. „Es geht mir wirklich gut.

    „Gut. Entschuldigen Sie noch mal." Damit geht er davon und lässt mich allein mit meinem vereisten Auto. Sein großer Hund läuft leichtfüßig neben ihm und nun, da er mir den Rücken zugewandt hat und mit sicheren Schritten von dannen stapft, macht die Panik einer gewissen Faszination Platz.

    Ich zwinge mich dazu, auf das Blech der Beifahrertür zu starren, auf dem sich vor kaum zwei Monaten mein Ex-Freund Warren mit dem netten Wort „Schlampe" verewigt hat, nachdem er schon meine Wohnung zerlegt hatte. Auch wenn man das Wort, das Warren in den Lack gekratzt hat, dank des Lackstifts nicht mehr sieht, weiß ich doch, dass es dort einen Tag nach unserer Trennung geschrieben stand. Damals habe ich mir geschworen, dass böse Jungs bis auf Weiteres gestrichen sind.

    „Schwere Körperverletzung, Sachbeschädigung, Drogen- und Waffenbesitz, Dealerei, ein Typ, der dein Konto leer geräumt hat, ein Typ, der dich mit deiner besten Freundin betrogen hat, und einer, der aus seinem Einsatz in Afghanistan nicht mehr wiedergekommen ist. Hannah steht plötzlich neben mir und hält mir meine leere Teetasse unter die Nase. „Bitte, versuch nicht rauszufinden, welchen Dreck der am Stecken hat.

    „Wie lange stehst du da schon?"

    Sie bläst die Backen auf. „Lange genug, um deine Vorsätze, nur noch zahnlose Gentlemen zu daten, schwanken zu sehen."

    „Die sind immer noch da. Und wenn du da schon rumstehst, kannst du mir helfen mein Auto freizulegen", wehre ich ab. Nach dem letzten Mal werde ich mich nicht in Affären mit dunklen, finsteren Fremden stürzen, egal wie gut sie aussehen

    Kapitel 1

    Die Klimaanlage bläst in ohrenbetäubender Lautstärke warme Luft ins Wageninnere, während ich hinter dem Räumfahrzeug hertuckere und mich krampfhaft daran zu erinnern versuche, was der nette Herr in der Werkstatt zum Zustand meiner Bremsen gesagt hat. Leider hatte ich damals einen fürchterlichen Streit mit Warren am Telefon, sodass mir partout nicht mehr einfallen will, ob das Quietschen, das wie Schaben auf Metall klingt, nur besorgniserregend oder wirklich übel ist.

    Vor mir überqueren ein paar Passanten die Straße, ohne nach links oder rechts zu sehen, und ich trete auf die Bremse. Mein Auto gibt ein dramatisches Ächzen von sich, aber es reagiert. Erleichtert umkralle ich mein Lenkrad, während die Fußgänger mit tief in den Jackentaschen vergrabenen Händen über die frisch geräumte Straße eilen und die kleinen Schneeberge vor dem Gehweg mit einem mehr oder minder eleganten großen Schritt überwinden.

    Mein Auto hört sich wirklich schlimm an. Warren hätte mich nicht bei so etwas Wichtigem wie dem Werkstattbesuch mit seinem Anruf ablenken sollen. Wenn ich recht darüber nachdenke, ist der ohnehin schon eine ganze Weile her. Gwen ist seitdem mit diesem Auto gefahren. Zu ihrer Lesung. Everett ist damit bis nach Schottland gerollt, um seinen Freund zu überraschen. Mir wird flau im Magen. Himmel, ihnen hätte sonst etwas passieren können, weil ich dem Mann nicht zugehört habe. Nur weil Warren mir in den letzten Monaten das Leben zur Hölle gemacht hat, kann ich doch nicht einfach derart wichtige Dinge vergessen.

    Als mir der nächste Passant vor die Kühlerhaube hüpft, klingt mein Seat sogar noch beängstigender, obwohl wir nur in Schrittgeschwindigkeit kriechen.

    Zu allem Übel beginnt auch noch mein Telefon zu klingeln und ich angele mit einer Hand nach meiner Ledertasche. Ein Blick aufs Display bestätigt mir die beinahe schon sichere Vermutung, dass mein Wochenende nur schlimmer werden kann. „Mum. Ich bin gerade losgefahren."

    „Du kommst? Definitiv? In ihrer Frage schwingt ein gewisser Unglaube mit. „Na, das wird auch Zeit. Ich hake nur nach, damit ich nachher weiß, für wie viele ich eindecken muss.

    „Ich werde da sein", wiederhole ich noch einmal und bete, dass mein Auto mich nicht im Stich lässt.

    „Gut." Damit legt sie auf und ich wundere mich einmal mehr, wie viele unterschwellige Vorwürfe sie in ein einziges Wort stecken kann.

    Mein Seat mag zwar alt sein und seine Bremsen kurz davor, in die Knie zu gehen, aber zweieinhalb Stunden später passieren wir tatsächlich das Ortsschild von Suttbury und ich erlaube mir, meine verkrampften Finger, die sich um das Lenkrad gekrallt haben, etwas zu lockern.

    Der Schnee liegt hier noch ein wenig höher als zuhause in London und gibt den reetgedeckten Cottages etwas ganz und gar Idyllisches. Die Backsteinhäuschen mit ihren gepflegten Hecken, opulenten Rosenbüschen und akkurat gestutzten Rasen waren für mich früher die Hölle auf Erden. Absolut nichts ist jemals in diesem Tausend-Seelen-Örtchen passiert. Nichts außer ein paar Affären zwischen gelangweilten Ehepartnern.

    Ich schlittere weiter die Hauptstraße entlang, vorbei an dem kleinen Pub und unserer Kirche und schlage den Weg zur Elmswood Lane ein. Kaum zu glauben, dass ich seit zwei Monaten nicht mehr hier gewesen bin.

    Ich parke schließlich mit einem melodramatischen Quietschen am Straßenrand und hoffe, dass niemand der Nachbarn dieses klägliche Schauspiel mitbekommen hat. Oder schlimmer noch, meine Eltern.

    In unserer Auffahrt steht ein dicker Wagen, der mir völlig unbekannt ist. Ich betrachte das Heck der schwarzen Limousine kritisch, auf der nicht ein Schneekörnchen liegt, bevor ich mein eigenes Gefährt abschließe. Offensichtlich hat mein Bruder sich schon wieder eine neuen Angeberschlitten zugelegt.

    „Iben? Mein Vater öffnet die Haustür, noch bevor ich einen Fuß aufs Grundstück setzen kann. „Warst das du? Sein blauer Pullunder spannt über seinem Bauch und er trägt schon wieder eines dieser hässlichen Hemden, die meine Mutter ihm ausgesucht hat.

    „Hallo Dad", begrüße ich ihn gezwungenermaßen und ignoriere seine Frage. Natürlich weiß er, dass mein Auto dieses erbärmliche Geräusch von sich gegeben hat.

    „So kannst du nicht fahren."

    „Ich bringe es am Montag in die Werkstatt, versuche ich eine Belehrung über Unverantwortlichkeit hinter dem Steuer abzuwenden, noch bevor ich überhaupt über die Türschwelle getreten bin.Ein Muskel in seiner Wange zuckt. Ein sicheres Anzeichen dafür, dass er mit meiner Antwort nicht einverstanden ist. Deshalb bin ich mehr als erstaunt, dass er nichts auf meine Entgegnung erwidert. Aber dann fällt mir auf, dass er eine seiner dunkelgrauen Anzughosen trägt und glatte Oxfords. Kein Outfit für einen gemütlichen Plausch in der Familie an einem Samstag und auch sein silbergraues Haar liegt bei genauer Betrachtung viel zu akkurat. „Gehst du noch irgendwohin?

    „Wir haben Besuch."

    „Wen?", will ich verdattert wissen und mache einen großen Schritt über die vereiste Stelle auf dem Gartenweg.

    Mein Vater verzieht seinen Mund. „Deine Mutter hat ihn eingeladen."

    „Wen?", hake ich noch einmal nach.

    „Keith Mayfield."

    Ich bleibe wie vom Donner gerührt stehen. „Was?"

    Mein Vater mustert meinen guten Kaschmirmantel und nickt bedeutungsvoll. „Wir haben ihn gestern getroffen. Bei seinen Eltern."

    „Aber- Ich suche nach einer passenden Erwiderung. „Das geht nicht.

    „Deine Mutter und ich haben dich bereits vor einer halben Stunde erwartet, also komm bitte rein", nimmt er mir jede Chance, mir eine Ausrede aus den Fingern zu saugen, meinem Ex-Freund nicht gegenüberzutreten. Keith. Großer Gott. Meine Eltern können doch nicht einfach Keith einladen.

    „Iben. Jetzt steh da nicht so herum. Mein Vater deutet nach drinnen und bringt mich so dazu, mich in Bewegung zu setzen. „Du siehst sehr hübsch aus, sagt er milde, als ich neben ihn trete.

    „Danke." Mir ist kalt. Meine Eltern haben meinen Ex-Freund eingeladen. Nicht irgendeinen, nein, Keith. Ausgerechnet Keith.

    Ich schäle mich mit zitternden Fingern aus meinem Mantel. Mein Kleid hat die Fahrt nicht gut überstanden. Es ist zerknittert und meine Stiefel haben einen kleinen Salzrand vorn auf der abgerundeten Spitze. Mein Knie pocht noch immer unangenehm unter der blickdichten Strumpfhose und auch mein Hintern ist nicht im besten Zustand. Am liebsten würde ich umdrehen und davonstürmen, doch mein Vater versperrt mir den Fluchtweg.

    „Nach dir", brummt er.

    Ich hätte misstrauisch werden sollen, als meine Mutter heute Morgen angerufen hat, um sich zu versichern, dass ich auch wirklich auftauche.

    Die Hand meines Vaters bugsiert mich erbarmungslos in unser eigentlich sehr gemütliches Wohnzimmer.

    „Iben! Archer. Da seid ihr ja endlich." Meine Mutter, die in ihrem Lieblingssessel thront, strahlt mir entgegen. Keith sitzt neben ihr auf dem großen, antiquierten Sofa, das schon Queen Victoria miterlebt haben dürfte, und kommt auf die Füße, kaum dass ich den Raum betrete.

    „Iben."

    Ich glaube, ich stehe unter Schock. Mein Ex-Freund ist im Wohnzimmer meiner Eltern.

    „Keith war so freundlich, uns zu besuchen", lächelt meine Mutter die Stille weg.

    Keith ist ein gut aussehender Mann. War er schon immer und er weiß, wie man einen Anzug trägt. Sein schwarzes Haar ist kurz geschnitten und seine durchdringenden grauen Augen leisten ihren Beitrag, um mein Herz einen Moment aussetzen zu lassen.

    „Wir haben uns gestern auf der Party seiner Eltern getroffen und ich habe ihm erzählt, dass du heute herkommst."

    Ich versuche mich zusammenzureißen. Natürlich mussten sie sich irgendwann wieder über den Weg laufen. Sie verkehren immerhin in den gleichen gesellschaftlichen Kreisen. Die Mayfields sind alte Freunde meiner Eltern, schon seit ihrer Studienzeit.

    Obwohl es mir ungehörig vorkommt, schaffe ich kein Lächeln. „Seit wann bist du draußen?"

    „Zwei Jahre." Keith fasst sich an seine Krawatte und setzt sich wieder.

    „Keith ist in die Firma seines Vaters eingestiegen. Wusstest du das?", lenkt meine Mutter die Konversation weg von dem einzigen Thema, das ich mit diesem Mann zu besprechen wünsche.

    Ich studiere die kleinen Fältchen um seine Augen. Wie alt ist er jetzt? Dreißig? Ich überschlage im Kopf, wie lange das schon her ist. Er saß drei Jahre. Zwei Jahre ist er draußen. Einunddreißig. Er ist schon einunddreißig.

    „Nein. Das wusste ich nicht." Ich straffe die Schultern. Keiths Eltern führen ein sehr erfolgreiches Bauunternehmen und er hat irgendwas studiert, aber mir fällt nicht mehr ein, was. Wenn ich ehrlich bin, erinnere ich mich gerade nur an seine Anklageschrift. Schwere Körperverletzung.

    „Oh doch. Archer, jetzt lass deine Tochter doch neben Keith sitzen. Die beiden haben sich seit Jahren nicht gesehen!", ordnet meine Mutter an.

    Mein Vater stockt. Sein Widerwille ist ihm anzumerken. Er kann Keith nicht ausstehen. Konnte er noch nie und ich bin mir nicht sicher, welchem Umstand ich Keiths Auftauchen hier überhaupt verdanke.

    „War das dein Auto, das dieses unsägliche Geräusch von sich gegeben hat?", zwingt mich Keith, mit ihm zu sprechen.

    „Ja." Ich sinke neben ihn auf die Polsterung.

    „Deine Bremsen müssen überprüft werden. So kannst du nicht fahren", wiederholt er Dads Worte.

    „Da muss ich ihm zustimmen", merkt dieser da auch schon an, sich offensichtlich an seine Rolle als höflicher Gastgeber erinnernd.

    „Ich kann mal drübersehen, wenn du möchtest", bietet Keith an.

    „Das ist nicht nötig. Ich habe Montag einen Termin in der Werkstatt", schwindele ich und frage mich, wann mein Ex-Freund so verflucht breit geworden ist. Keith war schon immer breitschultrig, aber so kann er beinahe mit dem Kerl von heute Morgen mithalten. Er ist nur nicht ganz so groß.

    „Oh, sei nicht albern, Iben. Ich bin mir sicher, Keith würde es umsonst machen. Denk an deinen Geldbeutel. Bei deinem Job verdienst du ja nicht so übermäßig viel."

    Meine Mutter hat noch nie einen Blick auf meinen Gehaltsscheck geworfen. Oder auf mein Konto, daher bezweifele ich, dass sie sich ein Urteil darüber erlauben kann, wie es um meine Finanzen bestellt ist. Ich verdiene nicht schlecht. Wirklich nicht. Ich gebe nur zu viel aus und London ist teuer.

    „Das ist nicht nötig, Mum."

    Sie hebt abwehrend die Hände. „Na schön, na schön, seufzt sie melodramatisch, bevor sie sich mit einem verschwörerischen Funkeln in den Augen zu Keith beugt. „Den Sturkopf hat sie von Archer geerbt. Aber sofern ich mich erinnere, fandest du den ja immer ganz hinreißend. Sie greift nach seiner Hand und klopft beschwichtigend auf seinen Handrücken, während ich ungläubig daneben sitze.

    „Ja, stellt Keith mit einem Grinsen fest. Diesem Dreckskerl macht es scheinbar auch noch Spaß, von meiner Mutter umgarnt zu werden. „Iben hat einen wundervollen Sturkopf.

    „Mum, kann ich dich mal kurz sprechen?"

    Susan Camwell schnalzt mit der Zunge. „Wir haben einen Gast."

    „Exakt", bringe ich raus.

    Sie verdreht die Augen. „Wir sind gleich zurück und dann musst du Iben die Geschichte mit dem Polospiel erzählen. Die ist wirklich fantastisch."

    „Mum, was zum Geier tust du da?", fahre ich sie an, kaum dass die Küchentür hinter uns zugefallen ist.

    „Ich habe Keith eingeladen. Sie zuckt mit den Schultern und deutet auf den Kaffeevollautomaten in der Ecke. „Möchtest du einen Kaffee? Vielleicht sollte ich auch Keith fragen, ob-

    Ich halte sie am Arm fest. „Was ist in dich gefahren? Du kannst Keith nicht ausstehen und Dad hat gedroht, ihn umzubringen, wenn er noch mal einen Fuß in dieses Haus setzt."

    „Das war vor fünf Jahren. Damals wart ihr noch so jung, winkt sie ab. „Er hat sich die Hörner abgestoßen. Er ist bereit für etwas Ernstes. Susan Camwell hat die Dreistigkeit, zufrieden auszusehen. „Er hat einen guten Job. Wir kennen die Familie und er ist ganz vernarrt in dich."

    „Mum."

    „Immer bringst du diese schrecklichen Männer mit nach Hause. Einer schlimmer als der andere. Keinen willst du, den ich dir vorstelle, presst sie vorwurfsvoll hervor. „Aber der gefällt dir. Das weiß ich.

    „Das ist Jahre her."

    „Genau deswegen habe ich ihn eingeladen. Sie greift an ihr besticktes Perlentuch, das gut mit ihren haselnussbraun gefärbten Haaren harmoniert. Eigentlich ist sie blond, aber das findet sie nicht elegant genug. „Ihr könnt euch noch mal ganz neu kennenlernen. Wenn du dir nicht bald einen Mann suchst, wirst du noch als alte Jungfer enden.

    „Ich bin fünfundzwanzig, nicht vierzig, stöhne ich entnervt. „Du musst mich nicht verkuppeln. Wie oft soll ich dir das noch sagen?

    Ihre Augenbrauen senken sich, doch sie gibt nur ein leises Seufzen von sich, anstatt mir eine Gardinenpredigt zu halten. „Ich werde mich jetzt um den Kaffee kümmern."

    Und dann geht es immer weiter bergab. Zu meinem Leid kündigen sie im Radio heftige Schneefälle für die nächsten zwei Tage an, weshalb Mum beschließt, dass ich unmöglich hierbleiben kann. Ganz die Kupplerin hat sie einen hervorragenden Plan ausgeheckt. Indem sie meinem Vater eingeredet hat, dass es viel zu unsicher ist, mit meinem Auto zurück nach London zu fahren, bin ich plötzlich in der Verlegenheit, Keiths Vorschlag anzunehmen, mich nach dem Dinner zurück in die Stadt zu fahren und mein Auto hierzulassen.

    „Willst du mich zwei Stunden lang anschweigen?"

    „Das habe ich vor", bestätige ich Keith, als wir in seinem Wagen aus der Elmswood Lane biegen. Ich habe Kopfschmerzen. Obwohl ich nur einen halben Tag zuhause war, fühle ich mich, als ob mir jemand mit einem Hammer die Schädeldecke einschlagen würde.

    „Es tut mir leid."

    Ich gebe ein Schnauben von mir.

    „Ich brauche deine Entschuldigungen nicht. Ich habe dir nichts mehr zu sagen", versuche ich ihn abzuwürgen. Den ganzen Nachmittag habe ich mich bemüht mich vor den Erinnerungen abzuschotten, die seine Anwesenheit in mir auslöst, und Mums Geplapper zu ignorieren.

    „Ich wollte nicht, dass du auf mich wartest, Iben."

    „Nun, das habe ich nicht, nicht wahr?", entgegne ich ihm und wende mich von ihm ab. Ich könnte meine Mutter umbringen. Wieso tut sie mir das an? Sie weiß, wie viele Tränen ich seinetwegen vergossen habe.

    „Du musst doch wissen, dass ich nur mit ihr geschlafen habe, um dich-"

    „Lass", unterbreche ich ihn.

    „Es hat mir nichts bedeutet, macht er einfach weiter. „Ich will nur, dass du das weißt.

    Ich schlinge meine Arme um mich und vergrabe meine Nase im Aufschlag meines Mantels. Als ob ich nicht wüsste, dass er es mir nur einfacher machen wollte, über ihn hinwegzukommen, nachdem er diese Anklage wegen der Schlägerei an der Backe hatte. Aber es ändert nichts an der Tatsache, dass der Mistkerl auf meinen Gefühlen herumgetrampelt ist mit seinem Fremdgehen.

    „Ich war ein Idiot, Iben. Die Klimaanlage bläst heiße Luft in den Fußraum und wärmt meine Zehen. „Ein wütendes Kind.

    „Ja. Und nun würde ich es vorziehen, wenn du den Mund halten könntest. Ich habe Kopfschmerzen."

    „Zuhause habe ich eine Kopfschmerztablette, bietet er an und ich bin kurz davor loszuheulen. Ich will keine Tablette. Ich will einfach ein einziges Mal Glück haben und mich nicht in ein Arschloch verlieben. „Da habe ich übrigens auch noch ein paar Ohrringe von dir. Wenn wir bei mir vorbeifahren, kann ich sie dir geben.

    „Mh, entkommt es mir, mich auf meine Manieren besinnend. Immerhin nimmt kutschiert er mich zurück nach London. „Sicher.

    Keith wohnt in einer der Nobelgegenden, die sich ein Normalsterblicher nicht mal zur Miete leisten könnte. Die dicken Autos vor den weißen Häusern geben bereits einen dezenten Hinweis darauf.

    „Kommst du kurz mit rein?"

    Ich würde gern ablehnen, doch leider lässt das meine Blase nicht zu. „Wenn ich kurz dein Badezimmer benutzen kann."

    „Sicher." Seine hellen Augen finden meine und ich habe das Gefühl, dass ihm irgendetwas auf der Zunge liegt, aber da öffnet er auch schon die Autotür.

    Ich hoffe, dass er sich nicht ausmalt, dass ich mich auf ihn stürzen werde, sobald er mich nur nach drinnen gelockt hat. Eigentlich sollte er wissen, dass ich so etwas nicht tue.

    Nur zur Sicherheit gebe ich vor, die aus den Wolken taumelnden Flocken zu studieren. „Wie lange wohnst du schon hier?"

    „Noch nicht lange. Aber ich denke, ich werde schon bald wieder ausziehen. Er holt seinen Haustürschlüssel hervor. „Nebenan wohnt eine aufstrebende Sängerin. Ständig lungern irgendwelche Paparazzi herum. Gestern habe ich einen erwischt, wie er meinen Müll durchwühlt hat.

    Ich spare mir die Frage, um wen es sich handelt, weil ich nicht so etwas wie Interesse vermitteln will, und folge ihm in Richtung Haus.

    „Das Badezimmer ist im ersten Stock, gleich links."

    „Danke", beeile ich mich rauszubringen und steige die Treppe nach oben.

    Ich bin gerade dabei mir die Hände abzutrocknen, als die Außenbeleuchtung im Nachbargarten anspringt. Keiths Handtücher sind weich und ich linse nicht ohne Neugier aus dem Fenster, um vielleicht einen Blick auf seine berühmte Nachbarin zu erhaschen. Nur ist das keine Frau, die da den Garten betreten hat. Das ist der Kerl von heute Morgen. In der Hand hält er ein Bündel Stoff, das mit irgendetwas getränkt ist. Im ersten Augenblick halte ich es für Blut, bevor das Licht enthüllt, dass es sich dabei wohl um orangerote Farbe handelt. Ich kann mich nicht abwenden.

    Er sieht mehr als missgelaunt aus. Geradezu stinksauer, während er durch den tiefen Schnee stapft und den Stofffetzen auf den Kugelgrill wirft, der am hintersten Ende des Gartens steht.

    Er bückt sich, um das Ganze mit Spiritus zu tränken, und greift schließlich in seine Manteltasche, um ein Feuerzeug hervorzuziehen und eine Schachtel Kippen.

    Ich bin wie festgefroren.

    Sein Gesicht liegt im Halbdunkeln und macht es beinahe unmöglich, seine Miene zu entziffern, doch auch so bin ich fasziniert.

    Er zündet sich eine Kippe an und ich frage mich schon, ob er die nun ganz qualmen will, als er sie auf den Grill wirft und sich die Flammen in den Nachthimmel fressen.

    Im emporschlagenden Feuerschein leuchtet sein dunkelbraunes Haar selbst wie Höllenglut, bevor er sich umwendet und durch den Schnee zurück in Richtung Haus stapft. Ich studiere seine breiten Schultern fasziniert. Männer wie er bringen nur Ärger und Chaos. Aber sie sind so viel interessanter als all die Gentlemen.

    Kapitel 2

    Keith wartet am Fuß der Treppe auf mich und lässt mich nicht aus seinem Blick. Eine Hand in die Hosentasche gesteckt, in der anderen eine schwarze Schatulle, sieht er so schrecklich ernst aus, dass ich halb fürchte, er würde gleich vor mir auf die Knie sinken.

    „Du musst dir nicht die Mühe machen, mich nach Hause zu fahren", bringe ich hervor in der Hoffnung, er würde aufhören mich so anzustarren. „Es sind nur ein paar Minuten mit der Tube."

    Er schüttelt entschieden den Kopf. „So weit kommt’s noch. Natürlich fahre ich dich." Seine grauen Augen taxieren mich, ohne zu blinzeln, und ich frage mich, ob es sehr unhöflich ist, wenn ich mich schlichtweg weigere, denn er wirkt, als würde er sich immer noch Hoffnungen machen.

    Der Träger meiner Handtasche schneidet in meine Schulter. Sämtliches Gepäck in nur eine einzige überdimensionale Tasche zu stopfen, war wahrscheinlich keine sonderlich gute Idee, aber immerhin hat alles hineingepasst.

    Keith umkrallt die kleine Samtschatulle etwas fester. „Iben, setzt er an und sieht dabei aus, als wollte er mich in seine Arme reißen. „Ich weiß, ich habe deine Ohrringe schon eine Ewigkeit und ich hätte sie dir einfach vorbeibringen sollen, aber ich habe es nicht über mich gebracht. Seine Miene ist fürchterlich ernst, als er schluckt. „Ich wollte etwas … ich… Er fährt sich über den Nacken. „Ich habe mit dem Rugby aufgehört und ich habe keinen Pub mehr an Spieltagen betreten, seit ich wieder draußen bin.

    „Gut für dich." Keiths Temperament geht mit ihm durch, sobald er dieses Ei durch die Gegend fliegen sieht. Die schwere Körperverletzung, wegen der er in den Bau gewandert ist, war nur die Krönung einer Reihe von Vorkommnissen dieser Art.

    Er öffnet das Kästchen und ich bleibe wie angewurzelt stehen. Über meinen silbernen Knotenohrringen steckt noch ein zweites Paar. Eines aus Perlen.

    „Was soll das? Die gehören mir nicht", bringe ich raus, während ich die beiden großen Perlen anstarre.

    „Jetzt schon. Er drückt mir die kleine Box in die Hand. „Es tut mir wirklich leid, Iben. Sieh sie als Entschuldigung, dass ich fünf Jahre gebraucht habe, um dir –

    „Keith, ich will sie nicht", unterbreche ich ihn entsetzt.

    „Sie sind mit keiner Verpflichtung verbunden. Sie sind einfach nur-"

    „Ich bin nicht käuflich. Ich pflücke meine alten Ohrringe aus der Box, von denen ich glaubte, sie verloren zu haben, bevor ich ihm das Kästchen zurückgebe. „Behalt sie oder schenk sie einer anderen. Die sind nichts für mich.

    Der Silberschmuck in meiner Handfläche ist kühl. „Ich sollte jetzt gehen, würge ich ihn ab, noch bevor er ein weiteres Wort hervorbringen kann. „Danke für’s Mitnehmen.

    Er hält mich am Handgelenk fest. „Iben. Sein Griff ist beinahe ruppig, während sich seine grauen Augen in meine bohren. „Geh nicht.

    Keith war noch nie sonderlich sanft oder feinmotorisch, aber irgendetwas ist anders an ihm.

    „Hör zu. Es ist schön, dass du wieder draußen bist. Selbst wenn du mich nicht betrogen hättest, sind es fünf Jahre, in denen wir uns nicht gesehen haben. Ich kenne dich nicht mehr und du mich nicht."

    Er schüttelt den Kopf. „Iben, bitte bleib. Wir können-"

    „Lass mich los."

    Seine Augen verschlingen mich geradezu und mein Puls beginnt zu flattern, doch seine Finger geben mich nach kurzem Zögern frei.

    „Mach’s gut", verabschiede ich mich erleichtert und schiebe mich an ihm vorbei.

    „Hast du zurzeit einen Freund?"

    Ich bin bereits an der Tür, als er mir die Frage stellt, und ich drehe mich notgedrungen noch einmal zu ihm um. „Das geht dich nichts mehr an."

    Er presst die Lippen aufeinander und ich beeile mich nach draußen zu kommen.

    Der Schneefall ist dichter geworden. Große Flocken taumeln aus dem schwarzen Nachthimmel und ich muss gegen die weiße Wand anblinzeln, die bis morgen angeblich dreißig Zentimeter Neuschnee mit sich bringen soll. Ich taste mich die glatten Stufen hinunter. Auch wenn ich eigentlich weiß, dass Keith mir nie etwas tun würde, habe ich das Bedürfnis, so schnell wie möglich Abstand zwischen uns zu bringen. Meine schwere Handtasche rutscht mir über die Schulter und ich schiebe sie mit einiger Mühe zurück in Position, weil sich die Träger in meinen Haaren verfangen.

    Ich trete gerade zurück auf die Straße, als ich im weißen Treiben vor mir den Kerl von eben entdecke, der mit ein paar schnellen Handgriffen ein Auto freilegt, das bereits unter einer dicken Schneeschicht versunken ist. Jede seiner fließenden Bewegungen spricht von Verärgerung und ich packe meine Tasche etwas fester.

    Sich wie eine Irre auf den Boden zu werfen, weil mich sein Hund erschreckt hat, war nicht gerade eine Meisterleistung. Und dann auch noch im Schlafanzug.

    Ich werde einfach an ihm vorbeigehen. Was ist schon dabei. Sicherlich erinnert er sich nicht mehr an den Vorfall. Außerdem trage ich jetzt meine Haare offen und es schneit wie verrückt. Er kann mich gar nicht erkennen. Es gibt keinen Grund, einen Bogen um ihn zu machen.

    Die Ohrringe, die ich noch in der Hand halte, pieken in meine Handfläche, während ich ihn im Blick behalte. Er ist dabei, seine Heckscheibe freizulegen, in seinen dunklen Haaren hängen die weißen Flocken und ich frage mich, was er hier tut. Wohnt er hier? Oder ist er nur der Freund dieser Berühmtheit, von der Keith gesprochen hat?

    Ich passiere ihn, ohne dass er aufsieht, und will schon erleichtert durchatmen, als ich auf etwas stoße. Etwas Lebendiges. Es jault und ich zucke zurück. Gerade rechtzeitig, um einen großen Kopf hochschnappen zu sehen.

    Ich gebe ein erschrockenes „Oh!" von mir. Mein Herz rast,

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