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Gestern war alles anders
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eBook73 Seiten58 Minuten

Gestern war alles anders

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Über dieses E-Book

Sechs Geschichten, die alle ein kleines Schicksal erzählen. Nehmen Sie am Leben der Großmutter des Autors teil und erfahren Sie, wie sie mit dem Kriegstod ihres Mannes umging. Lassen Sie sich entführen in das kleine Dörfchen Betzen und erleben Sie den Lärm des Alltags. Zwischendurch machen Sie Bekanntschaft mit einem Obdachlosen und zum Schluß lernen Sie zwei Brüder kennen, die so stark miteinander verbunden sind, dass man sie besser nicht trennen sollte.

***************************************

 

Der Inhalt des Buches umfasst ca. 16600 Wörter.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum9. Jan. 2018
ISBN9783730944684
Gestern war alles anders

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    Buchvorschau

    Gestern war alles anders - Frank Böhm

    Erklärung und Widmung

    Die Geschichte „Kazimiroff" beruht auf Tatsachen. Lediglich die erwähnten Namen wurden geändert.

    Alle übrigen Handlungen in diesem Buch sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind somit rein zufällig und keinesfalls beabsichtigt.

    ***

    Für Oma! Kazimiroff wird Dich unsterblich machen! Aus diesem Grund habe ich dieses Erlebnis hier veröffentlicht.

    Kazimiroff

    1944 fiel mein Großvater an der russischen Front. Meine Oma hatte zu dem Zeitpunkt vier kleine Kinder, das jüngste davon war meine Mutter mit weniger als fünf Jahren. Vom Tod ihres Mannes erfuhr sie erst Wochen später, ein Brief erreichte sie über die sogenannte Feldpost. Dabei hatte sie ihn doch erst dreizehn Jahre zuvor geheiratet. Die beiden hatten viele Pläne. Bevor er das letzte Mal in den Krieg zog, versprach er ihr, dass sie gemeinsam ein eigenes Haus bauen würden, wenn all das hier vorbei wäre. Dann hätte das beengte Wohnen in nur drei Zimmern endlich ein Ende und die Kinder könnten so aufwachsen, wie es ihnen zustünde. Meine Oma war zuversichtlich. Sie hatte Hoffnung, dass er die Gefahr, welche er sich täglich auszusetzen hatte, überstünde und er heil zurück zu ihr kehren würde.

    Genau diese Hoffnung starb mit dem Brief, den sie an jenem Tag in den Händen hielt. Es war ein Schriftstück wie viele andere. Der Postbote hatte die Angewohnheit, die täglichen Sendungen immer auf eine der Stufen zu legen. Er sah aus, wie all die anderen Briefe, die mein Großvater ihr sonst immer geschrieben hatte, es war derselbe Umschlag und er trug ähnliche Schriftzüge. Nur dieses Mal war es kein Schreiben von ihm, sondern über ihn. Eine Mitteilung der Endgültigkeit, der Trauer, der Wut und der zerplatzten Träume. Meine Mutter war fest davon überzeugt, dass ihr Vater wieder geschrieben hatte. Sie freute sich noch so sehr, als sie meiner Oma den Umschlag überreichte, so wie sie es immer tat, wenn mal wieder einer davon auf der Treppe lag. Was hätte sie auch anderes tun sollen, sie wusste von alldem ja nichts. Als meine Großmutter las, was ihr dort mitgeteilt wurde, riss es ihr den Boden unter den Füßen weg. Am Allerschlimmsten war es für sie, dass sie sich noch nicht einmal von ihrem Mann hatte verabschieden können. Er war schon bestattet. Das war die Aussage. Auf einem Heldenfriedhof in Kazimiroff bei Zhlobin in Mittelrussland - für Oma, die in einem kleinen Dorf in Nordrhein-Westfalen lebte, unerreichbar.

    „Jetzt nur nicht aufgeben, nicht versagen!", sprach sie zu sich selbst und fuhr unter Tränen mit ihrer alltäglichen Arbeit fort.

    Sie musste Geld verdienen, sofern das funktionierte. Milch verkaufen - portionierte Ware aus schweren Kannen an ihre Stammkunden. Omas Schicksal – es interessierte niemanden. Die Leute schauten weg, es war ihnen egal, alle hatten ihr eigenes Päckchen zu tragen. Viele Menschen im Dorf waren krank, die medizinische Versorgung war sehr schlecht. Es gab nur einen Arzt und seine medizinische Kenntnisse waren mit denen eines Stallpferdes zu vergleichen.

    Trost bekam sie von niemandem, sie musste funktionieren, sonst wäre sie Gefahr gelaufen, noch mehr zu verlieren. Immerzu dachte sie an ihre Kinder. Sie hatten Hunger. Allein für so viele Münder zu sorgen, war nicht einfach. Häufig verließ sie die Kraft, doch immer wieder stand sie auf und machte weiter. Meine Großmutter war eine starke Frau.

    Als der Krieg endlich ein Ende fand, musste sie zuschauen, wie Männer aus der Nachbarschaft nach Hause kamen. Sie hatten Glück gehabt. Auch Oma hoffte. Vielleicht war es ja ein Versehen und er war überhaupt nicht tot. Eventuell war er ja auch in Gefangenschaft geraten und würde zu einem späteren Zeitpunkt heimkehren. Sie begann zu harren. Täglich, stündlich, ja fast jede Sekunde verbrachte sie mit dem Gedanken, dass er noch leben könnte. Sie lenkte sich ab, doch das gelang ihr nicht. Aber sie war sich sicher, dass, wenn es sich um einen Irrtum handeln würde, er alles daransetzen würde, so schnell wie möglich zu seiner Familie zu kommen. Er kam aber nicht!

    Meine Mutter heirate 1959. Somit war auch das letzte Kind aus dem Haus und Oma war von nun an allein. Das Bild meines Großvaters hing in ihrer Stube. Er war ein stattlicher Mann mit den Augen eines Engels. Bei der Wahl ihres Lebensgefährten hatte sie Geschmack bewiesen. Das Foto war sechs Wochen vor seinem Tod aufgenommen worden. Es war ein Abzug eines Familienfotos, welches sie sich hatte vergrößern lassen. Noch gut konnte sie sich an den Tag der Aufnahme zurückerinnern. Es war im Frühling gewesen, einer der ersten warmen Tage im Jahr. Auf dem Foto konnte man das Glück in ihrem Gesicht erkennen. Sie war glücklich, bis zum Tag der Gewissheit, dass ihr Mann niemals aus Russland zurückkehren würde.

    Oma fand sich irgendwann mit ihrem Schicksal ab. Es war ihr bewusst, dass sie für den Rest ihres Lebens allein bleiben würde. Kein anderer Mann würde jemals in der Lage sein, ihr den bereits verlorenen Menschen zu ersetzen.

    Es kamen die Jahre des Wirtschaftswunders und Oma ging es immer besser. Das Milchgeschäft lief gut - sie konnte sich zwar keine großen Sprünge erlauben, doch zum Überleben

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