Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Mit der Sonne steh' ich auf: Eine Bäuerin aus Siebenbürgen erzählt aus ihrem Leben
Mit der Sonne steh' ich auf: Eine Bäuerin aus Siebenbürgen erzählt aus ihrem Leben
Mit der Sonne steh' ich auf: Eine Bäuerin aus Siebenbürgen erzählt aus ihrem Leben
eBook239 Seiten2 Stunden

Mit der Sonne steh' ich auf: Eine Bäuerin aus Siebenbürgen erzählt aus ihrem Leben

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Sarar Dootz erzählt von ihrem beschwerlichen Bäuerinnenleben und umfasst damit 100 Jahre Geschichte in den fast vergessenen deutschsprachigen Kulturkreis der Siebenbürger Sachsen. Obwohl Sara Dootz im Laufe der Jahrzehnte viel verloren, viele Menschen hat ziehen sehen, ist dieses Buch durchdrungen von ihrer unerschütterlichen Zuversicht
SpracheDeutsch
HerausgeberLV Buch
Erscheinungsdatum1. Sept. 2013
ISBN9783784390246
Mit der Sonne steh' ich auf: Eine Bäuerin aus Siebenbürgen erzählt aus ihrem Leben

Ähnlich wie Mit der Sonne steh' ich auf

Ähnliche E-Books

Kleinstadt & Ländliche Regionen für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Mit der Sonne steh' ich auf

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Mit der Sonne steh' ich auf - Werner Schmitz

    Rumänien

    Vorwort

    Zum ersten Mal traf ich Sara Dootz an einem Sommertag in Siebenbürgen. Ein Freund, der seit Jahren in Rumänien lebt, hatte mich zu ihr nach Deutsch-Weißkirch geschickt. „Wenn du etwas über das Leben der Siebenbürger Sachsen erfahren willst, bist du bei Sara richtig", meinte er. Er hatte recht.

    Fünf Stunden plauderten Sara und ich bei unserer ersten Begegnung. Wir saßen im Schatten der Pflaumenbäume vor ihrer Sommerküche, aßen Krautwickel und vergaßen übers Reden und Zuhören die Zeit. Ich fühlte mich versunken in einer anderen Welt.

    Ursprünglich war ich wegen eines neuen Kriminalromans nach Rumänien gereist. Dafür musste noch einiges recherchiert werden. Christoph Promberger, ein bayerischer Wildbiologe, der seit mehr als fünfzehn Jahren in Rumänien arbeitet, stand mir dabei mit Rat und Tat zur Seite. Er war es auch, der mich zu Sara Dootz schickte. Bevor ich sie kennen lernte, wollte ich ursprünglich aus Sara eine Figur in meinem neuen Krimi-Projekt machen. Als ich Deutsch-Weißkirch nach unserem ersten Treffen verließ, war ich überzeugt, dass Sara Dootz viel mehr ist als eine Vorlage für eine Nebenfigur in einem fiktiven Text.

    Im folgenden Winter kehrte ich mit meinem Kassettenrecorder und vielen Fragen nach Weißkirch zurück. Eine Woche lang erzählte mir Sara aus ihrem Leben. So intensiv war ihr Erinnern, dass sie nach zwei Tagen – wir waren gerade beim Selbstmord ihres ersten Mannes angelangt– krank wurde. Aber Sara ist hart im Nehmen. Kurz darauf war sie wieder fit, und wir setzten unsere Reise in die fast versunkene Welt der Weißkircher Sachsen fort.

    Nach Hause zurückgekehrt legte ich zunächst alle Tonbänder schriftlich nieder. Daraus entstand der vorliegende Text. Natürlich ist Sara Dootz Protagonistin und Erzählerin in diesem Buch. Es ist ihr Leben. Deshalb habe ich Saras Sprache so weit wie möglich erhalten.

    Wenn Siebenbürger Sachsen Hochdeutsch reden, benutzen sie allerdings manchmal fremd klingende Wörter. Ein Sachse, der etwas (heraus)holt, „gewinnt" es. Das führt gelegentlich zu Missverständnissen, wie im Falle des Siebenbürgers, der in Deutschland zur Bank ging.

    „Ich möchte Geld gewinnen", sagte er der Bankangestellten.

    „Die Lottoannahme ist nebenan", erwiderte diese.

    Damit dem Leser solche Irrtümer erspart bleiben, findet sich am Ende des Buches ein Glossar mit in Siebenbürgen gebräuchlichen Ausdrücken und ihrer hochdeutschen Bedeutung sowie einigen rumänischen Begriffen und Ortsnamen.

    Am Ende sind Sara und ich den ganzen Text noch einmal durchgegangen, um falsch Verstandenes zu berichtigen und Vergessenes einzufügen. Außerdem war in Weißkirch inzwischen wieder einiges passiert. Dank der unermüdlichen Arbeit Caroline Fernolends, Saras Tochter, entwickelt sich das verwunschene Dorf im Südosten Europas zu einem Ort, an den so unterschiedliche Menschen wie Prinz Charles und Peter Maffay ihr Herz verloren haben.

    His Royal Highness The Prince of Wales hat als Grußwort für dieses Buch einen seiner Briefe an Saras Tochter Caroline zur Verfügung gestellt. Sara Dootz und ich sind stolz und dankbar, ihn verwenden zu dürfen.

    Neulich schrieb mir Sara in einem Brief über ihre Enkelin Ursula. „Das ist eine ganz Tüchtige, meinte sie, „nur wird sie wahrscheinlich keinen Weißkircher Sachsen heiraten. So wie es einmal bei uns war, muss es eben aufgeschrieben werden, sonst verliert es sich ganz.

    Genau das habe ich getan.

    Werner Schmitz

    Ist das nicht schön und wahr?

    Ich bin Sara Dootz, eine Sächsin aus Siebenbürgen. Unser Dorf heißt Deutsch-Weißkirch und liegt nah bei den rumänischen Karpaten. Wenn du von Weißkirch über den Berg nach Reps gehst, kannst du den Königstein sehen und das Fogarascher Gebirge. Der König von Ungarn hat uns vor achthundert Jahren aus Deutschland geholt. Wir sollten das Land urbar machen und die Grenze hüten gegen die Mongolen. Seitdem sind wir hier.Als die Rumänen im 89er den Ceausescu erschossen haben, sind viele Siebenbürger Sachsen nach Deutschland gezogen. Die Grenze war plötzlich auf, und fast alle sind weg. Meine Familie und ich, wir sind in Weißkirch geblieben. Ich hüte seitdem unsere Kirchenburg. Die Tante, bei der ich großgewachsen bin, sagte immer: „Frag nicht, wo in der weiten Welt es besser für dich wäre. Da, wo dein Gott dich hingestellt, da blüh zu seiner Ehre."

    Ich bleib deine Tante

    Auf dem Schoß meiner Mutter mit den Geschwistern und meinem Vater

    Ich bin im November 1936 geboren, und im 39er hab ich meinen Vater zum letzten Mal gesehen. Er kam auf Urlaub vom Militär. Ich erinnere mich wie durch einen Nebel an ihn. Er hatte eine blaue Schürze vor und prustete, wenn er sich wusch. Aus einem hölzernen Waschtröglein warf er sich Wasser ins Gesicht. Mein Vater diente bei der rumänischen Armee. Damals kämpften die Rumänen und die Deutschen noch zusammen. Als der Krieg gegen Russland anfing, war mein Vater zur Waffenübung. Mit seinem Gebirgsjägerbataillon musste er an die Front. Wir warteten täglich auf Nachricht von ihm. Einmal schrieb er: „Es ist leichter, Soldatenlieder auf der Dorfgasse zu singen, als an der Front zu sein."

    Den 12. Februar im 42er ist mein Vater gefallen. Er hat am Abend vorher eine Karte nach Hause geschrieben. „Jetzt stehen wir vor Sewastopol. Hier wird es entschieden, so oder so." In der Nacht war er tot.

    Die Mutter blieb mit uns vier Kindern allein. Mein Bruder Georg war drei Jahre alt, ich fünf, die Katharina war neun und der Älteste, der Michael, dreizehn.

    Ich war ein schwächliches Kind. Alle Kinderkrankheiten hab ich gehabt: Masern, Gelbsucht, Mumps, alles, was ein Kind kriegen kann. Die einzige Impfung war die gegen die Pocken. Gegen Mumps band man uns ungewaschene Schafswolle um den Hals. Mit Masern und Röteln musste man warm im Zimmer bleiben. Wenn ich in der Kehle was hatte, hat die Mutter mir Petroleum auf ein Stückchen Zucker getropft. Das half wirklich gegen Halsweh. Noch früher hat man getrockneten Hundsmist zerklopft, einen Trichter in den Mund gesteckt und das eingeblasen. Meine Mutter sagte immer, wenn ich Petroleum schlucken musste: „Sei froh, dass ich dir nicht Hundsdreck in den Hals blase."

    Die Kinderkrankheiten kamen und vergingen. Im Dorf gab es nur eine Hebamme. Ein Arzt war in Reps. Das ist unsere Kreisstadt, zwölf Kilometer über den Berg. Wer krank war, fuhr mit dem Pferdewagen hin. Ein Auto hatte niemand. Wenn man nicht in der Lage war, mit dem Wagen zu fahren, musste der Doktor geholt werden. Das konnte sich nicht jeder leisten. Es kostete ein Kalb oder eine halbe Kuh. Man musste Vieh verkaufen. Wir Bauern hatten nie bares Geld. Im schlechtesten Fall ging der Vater übern Berg nach Reps und hat dem Arzt erzählt, wie sich sein Kind verhielt. Dann gab der Doktor einen Rat. Bei Gelbsucht durfte man vier Wochen kein Fleisch essen und nichts Gesalzenes.

    Ich muss es sagen, ich war wirklich das Kind, das Unfrieden schaffte. Ich war anders als meine Geschwister, frecher, unternehmungslustiger und wilder. Den Größeren, die dachten, sie sollten Herr über mich sein, denen wollte ich nicht parieren. Und auf meinen kleinen Bruder war ich eifersüchtig. Den Georg hätte die Mutter lieber, glaubte ich. Wenn mein Vater im Urlaub den Kleinen auf den Arm nahm, hab ich geweint.

    Man gibt ein Kind schwer von zu Hause weg. Aber meine arme Mutter stand allein mit vier Kindern, als der Vater gefallen war. Sie bekam nur eine kleine Witwenrente. Da kam ihr die Bitte meiner Tante gelegen. „Weißt du was, Schwägerin, gib mir die Sara, dass ich eine Beschäftigung und etwas Hilfe hab."

    Die Tante war die ältere Schwester meines Vaters und hatte den einzigen Sohn im Krieg verloren. Sie war geschieden von ihrem Mann und stand ganz allein. Meine Mutter lächelte. „Na, nimm sie, die wird dir nicht bleiben."

    Aber mir gefiel es bei meiner Tante. Ich war da Kind allein. Sie tat mir schön. Ich wäre um nichts in der Welt wieder nach Hause gegangen.

    Weil die Tante so lieb zu mir war, sagte ich: „Du bist jetzt meine Mutter." Das wollte die Tante aber nicht.

    „Deine Mutter, sagte sie, „ist und bleibt immer deine Mutter.

    „Wie soll ich dir dann sagen?"

    „Na, Tante."

    „Aber ich hab dich doch so lieb. Ich sag dir Mutti."

    „Auch das nicht. Ich bleib deine Tante."

    Am ersten Sonntagmorgen wollten wir zusammen zur Kirche, die Tante und ich. „Schwägerin, gib mir ein Sonntagskleidchen für die Sara, sagte die Tante, „die Kleine will nicht mehr nach Hause.

    Ich hatte freilich meine Geschwister lieb und meine Mutter. Es war ja nicht im Schlechten, dass ich gegangen war. Aber ich fühlte mich hierhergezogen, ins Haus der Tante. Ich war selten unten bei der Mutter und den Geschwistern.

    Wenn ich mal unartig war, war meine größte Strafe, dass die Tante sagte: „Schau, Sara, ich bin alt, ich kann dich nicht richtig erziehen. Du wirst zu deiner Mutter zurückgehen."

    Dann war ich gleich brav.

    Die Tante hat mich verhätschelt, immer dick angezogen. Ich wollte dies vielleicht nicht anziehen oder das nicht essen. Ich werd auch schon garstig gewesen sein. Ich konnte es mir erlauben, weil ich hier Kind allein war.

    Meine beiden Tanten

    Meine Tante lebte von der Landwirtschaft. Die Arme war auf eine Art auch Kriegswitwe. Ihr Sohn war ja ihr Unterhalt, ihr Alles. Und der war als Allererster aus dem Dorf gefallen. Im 41er am 17. August, bei Odessa. Die Tante bekam keine Unterstützung, keine Rente, nichts.

    Scheidungen gab es damals sehr selten bei uns Sachsen. Meine Tante war eine Ausnahme. Ich weiß vom Erzählen, dass sie ihren Mann hatte nehmen müssen.

    „Nicht nur, dass ich ihn nicht liebhatte. Keiner aus der ganzen Dorfjugend war mir so zuwider wie der, den ich heiraten musste." Damals suchten die Eltern den jungen Leuten noch den Mann oder die Frau aus.

    Meine Tante hatte sich auf das verlassen, was die Alten sagten. „Die Liebe ist ziemlich nebensächlich in der Ehe. Man kriegt sich dann schon lieb, wenn man zusammenleben und -schlafen muss."

    Aber bei der Tante war das nicht der Fall. Sie lebte nur sechs Monate mit ihrem Mann. Sie hatte eine harte Natur. Sie konnte sich nicht so schmiegen. Da blieb sie lieber allein.

    Ihrem Mann hätte das leidgetan, hat mir die Tante erzählt. Wo immer eine Gelegenheit war, bei einer Versammlung oder so, hätte er ihr wenigstens mal die Hand gedrückt. Er hatte sie sehr lieb, aber sie konnte ihn nicht dulden. Sie war eine Frau, die jedem frei und offen ins Auge sah. Bei ihr bin ich großgewachsen.

    Ich war ein Störenfried

    Ich war fünf Jahre alt, als ich zu meiner Tante kam. In der Schule hab ich gut gelernt. Aber mich hat bestimmt kein Lehrer lieb gehabt. Ich war nie ruhig. Ich hatte immer Briefchen zu schreiben oder jemandem, der nichts wusste, was Falsches zu flüstern. Das störte die Lehrer. Ich war ein Störenfried.

    Die deutsche Schule von Weißkirch war im Südturm unserer Kirchenburg. Sie war der evangelischen Kirche unterstellt. Der Pfarrer gab uns samstags Religionsunterricht. Vielmals waren die Pfarrersfrauen auch die Lehrerinnen. Alle vier Klassen wurden in einem Raum unterrichtet. Von einer Lehrerin, und wir waren ein Haufen Kinder, bestimmt fünfzig bis sechzig.

    Es gab drei Reihen Bänke. In jeder Reihe saß eine Klasse. Hinten saßen die Viertklässler. Eine Klasse machte Pause, die andere hatte stille Beschäftigung, die dritte hatte Unterricht. Das war eigentlich nicht schlecht. Wer ein wenig Köpfchen hatte, konnte mit den Größeren lernen. Ich denke, als ich ins zweite Jahr kam, wusste ich das alles schon, weil ich immer mit einem Ohr auf die gehört hatte.

    Freilich haben wir nicht Physik und Chemie und Philosophie und Anatomie und was weiß ich gelernt. Wir haben gelernt, was den Menschen gediegen macht. Schöne Lesestücke und Gedichte. „Die Bürgschaft. „Des Sängers Fluch. „Das Riesenspielzeug". Das Programm in der Schule war nicht so überfüllt. Mathematik haben wir so viel gelernt, dass wir eine Fläche berechnen konnten. Und ein wenig Naturkunde haben wir gehabt, auch Erdkunde und Geschichte.

    In der Schule hatten wir nur eine Schiefertafel mit dem Stift, einen Schwamm und einen Fetzen. Da konnte man immer was löschen. Im ersten Jahr hatten wir nur die Fibel, im zweiten Jahr bekamen wir ein dünnes deutsches Lesebuch dazu.

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1