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Ich pfeif auf den gelben Stern!
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eBook159 Seiten1 Stunde

Ich pfeif auf den gelben Stern!

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Über dieses E-Book

Regensburg, 1943
»Räuber-Rotzbart. Das passte prima zu diesem Hitler mit seiner braunen Uniform und der blutroten Armbinde. Wenn`s nach mir gegangen wäre, hätte ich mir für Deutschland weder eine Herren- noch eine Damenrasse gewünscht, sondern eine Pferderasse! Eine schneeweiße mit bunten Punkten drauf. Aber mich hat ja niemand gefragt. Selbst schuld!«

Diese Geschichte erzählt von der innigen Freundschaft zwischen zwei Kindern zur Zeit des Nationalsozialismus in Regensburg. Weil sie die Realität nicht verstehen, basteln sie sich ihre eigene kleine Welt - fern von Gewalt, Hass und jeglicher Propaganda.
SpracheDeutsch
HerausgeberSpielberg Verlag
Erscheinungsdatum9. Feb. 2018
ISBN9783954520893
Ich pfeif auf den gelben Stern!
Autor

Marion Forster-Grötsch

Marion Forster-Grötsch wurde in Regensburg geboren. Zusammen mit ihren drei »M`s«, Mann und zwei Mädels, lebt sie in der Nähe von Regensburg. Die Autorin hat bereits vier Jugendbücher und zwei Krimis für Erwachsene veröffentlicht. In ihrem Buch »Ich pfeif auf den gelben Stern!« setzt sich die Autorin mit dem Thema des Nationalsozialismus in Regensburg auseinander und berichtet von dieser dunklen Zeit aus der Perspektive zweier Kinder. Die Geschichte zeigt, dass Freundschaft stärker ist als Hass.

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    Buchvorschau

    Ich pfeif auf den gelben Stern! - Marion Forster-Grötsch

    Stolpersteine

    Prolog

    Damals war ich zehn Jahre alt. Also eigentlich schon groß und klug genug, um Dinge, die so schreckliches Leid verursachten, zu verstehen. Aber die Erwachsenen sprachen nicht darüber und bauten eine Mauer des Schweigens um sich herum auf. Wahrscheinlich lag es daran, dass ich ein Kind war, das ziemlich wirre Gedanken hatte. Ein Matsch-Quatsch-Kopf-Mädchen sozusagen. Ich erlebte Situationen, die ich mit großen Augen beobachtete, ohne die Hintergründe zu begreifen. Was blieb mir also anderes übrig, als mir meine eigene kleine Welt zusammenzubasteln. Sie war zugegebenermaßen etwas schräg, passte aber haargenau in diese Zeit, in der ich groß wurde. Damals lebte nämlich dieser fiese Räuber Rotzbart mit seinen widerlichen Finsterlingen…

    1

    1938: Damals war alles anders!

    Regensburg – welch wunderschöne Stadt! Klar gibt es noch großartigere Flecken auf dieser Welt. Ist doch logisch. Aber woandershin hatten mich meine kleinen Füße bisher noch nicht getragen. Für mich waren die reißende Donau, die sich unter der Steinernen Brücke hindurchquetschte, und die beiden Spitzen des Doms von Sankt Peter einfach das Unglaublichste, das es gab!

    Mit meinen nackten Beinchen und dem grauen kurzen Leinenkleid, das mir Mama genäht hatte, durchstreifte ich die engen Gassen der Stadt, kannte jeden Straßenverkäufer beim Namen, bekam hier und da eine Karotte oder eine Zuckerstange zugesteckt und hielt oft am Ufer der Donau inne, wo ich vorsichtig meine tiefschwarzen Füße ins Wasser hielt, um meine Sohlen zu säubern. Aber nur ganz vorsichtig, denn schwimmen konnte ich nicht und schließlich wollte ich nicht als Wasserleiche im Schwarzen Meer enden. Dorthin nämlich fließt die Donau. Unaufhaltsam und ohne Rücksicht auf Verluste. Der alte Otto vom Kramerladen in der Brückengasse beobachtete mich dabei immer lächelnd.

    »Pass bloß auf, dass die Donau nicht schwarz wird«, scherzte er einmal. »Bei dem Dreck zwischen deinen Zehen!«

    Ich zog beleidigt den Kopf ein. Der olle Otto! Der hatte ja wirklich gar keine Ahnung! Das riesige Gewässer, in das die Donau fließt, heißt zwar Schwarzes Meer, aber der Name kam sicherlich nicht von meinen schmutzigen Füßen! Größere Angst machte mir die Vorstellung, in diesen Strom hineinzufallen. Wahrscheinlich wäre ich dann auf dem Weg von Österreich nach Ungarn an einem dicken Ast hängengeblieben, der mich irgendwann versenkt hätte wie einen vollen Kartoffelsack. Meine arme Mama! Sie hätte mich in dieser Plörre niemals mehr gefunden. Herrje! Kurzum, ich wollte nicht riskieren, dass meine Mutter sich hier in Regensburg die Augen ausheulte, während ich ziellos zwischen Regensburg und dem Schwarzen Meer herumtrieb, nur weil ich zu doof war, mich richtig an einem Ast festzuhalten.

    In Regensburg, nahe Stadtamhof, lebte ich schon seit meiner Geburt. Eine richtige Familie hatte ich leider nie. Eine Familie bestand für mich aus einem Vater, einer Mutter und einer Horde schreiender Bälger. Fehlanzeige! Ich besaß nur einen Teil aus dieser Sammlung: meine Mama. Mein Papa machte sich aus dem Staub, als er erfuhr, dass ich unterwegs war. Das war eine Schande für meine Mutter! Ein Kind in die Welt zu setzen, ohne den passenden Mann zu haben, war damals unerhört. Sofort zerrissen sich die alten Waschweiber in den dunklen Gassen ihre Mäuler darüber. Aber Mama wollte niemals zum Stadtgespräch werden. Eher war sie bemüht, überhaupt nicht aufzufallen. Meine Mutter war Dienstmädchen bei einem reichen Fabrikbesitzer, wie es einige in Regensburg und Umgebung gab. Die Herrschaften waren jedoch feine Menschen und so durfte sie bei ihnen arbeiten, bis die Wehen einsetzten. Ich kam im feuchten Keller des prunkvollen Anwesens zur Welt. Kein schöner Ort, ich weiß. Aber was kann ich dafür? Ich habe mir das schließlich nicht ausgesucht! Mama erzählte mir, dass ich kurz vor Weihnachten 1932 geboren wurde.

    »Draußen fielen zarte Schneeflocken vom Himmel und puderten die tiefroten Dächer der Regensburger Patrizierhäuser zart weiß«, sagte sie oft versonnen, wenn sie im Winter zum Fenster hinaussah. »Doch hier drinnen war es kalt und dunkel. Der Geruch von faulen Kartoffeln begleitete jeden meiner Schreie, mit dem ich dich in die Welt hinauspresste.«

    Wundert euch nicht darüber. Eine Geburt ist wirklich nichts Angenehmes, das hat mir Mama jedenfalls erzählt. Wahrscheinlich war das auch der Grund dafür, dass sie mich niemals richtig gemocht hat. Vielleicht erinnerte ich sie aber auch viel zu sehr an den Lumpen, der mich in die Welt gesetzt hatte. Also ich meine jetzt keinen Wischlappen oder so, sondern meinen Papa, der mich gezeugt hat.

    »Du siehst ihm sehr ähnlich, deinem Vater«, sagte Mama manchmal, wenn sie mich schweigend beobachtete.

    Ich kann es nicht bestätigen, denn ich habe ihn niemals kennengelernt. Man legte mich also kurz nach der Geburt in die Hände eines Dienstmädchens. Sie hieß Etty. An sie erinnere ich mich noch sehr gut. Weil meine Mutter schon bald wieder im Haus arbeiten musste, wurde Etty meine Ersatzmama. Sie hatte immer ein offenes Ohr für mich. Und gebende Hände. Ich kann die vielen Male nicht zählen, in denen sie mir heimlich ein frisches Küchel oder ein dick beschmiertes Butterbrot zusteckte. Wenn ich Sorgen hatte, war sie es, die mich tröstete.

    »Na, meine kleine Prinzessin«, lächelte Etty dann. »So traurige Augen passen doch nicht zu einem so schönen Mädchen.«

    Anschließend schlang sie ihre Arme um mich und hielt mich ganz fest. Moment-bleib-stehen-Gefühle überwältigten mich dann jedes Mal aufs Neue.

    Mein Zuhause war eine Villa. Wenn ihr aber jetzt glaubt, ich residierte dort wie eine reiche Gräfin, habt ihr euch geirrt. Mama und ich bewohnten ein kleines, spärlich eingerichtetes Kämmerchen in einem Nebengebäude, direkt unterhalb des Dachs. Es war so eng, dass Mama und ich uns ein kleines, hölzernes Bett teilen mussten. Ich schlief an der Wand. Während der Nacht rückte ich nah zu meiner Mutter heran, sodass sie fast aus dem Bett fiel. Ich suchte ihre Kuschel-Mama-riecht-gut-Wärme. Aber immer wieder schob sie mich beiseite, denn der enge Körperkontakt war ihr unangenehm.

    »Marlene!«, schimpfte sie. »Ich hab überhaupt keinen Platz hier!«

    Aber ich atmete so gerne ihren Duft ein. Den Geruch nach frischer Wäsche. Wenn sie mit einem dampfenden Bügeleisen die Kleider der Herrschaften geglättet und in die großen Wäscheschränke sortiert hatte, roch sie immer nach Sommer – meiner liebsten Jahreszeit. Im Sommer musste ich nicht frieren. Das bedeutete: Gras zwischen den nackten Zehen zu fühlen, harte Weizenhalme in den Mund zu stecken und die Vögel bei ihrem Geschwätz zu belauschen. Das war nicht wörtlich gemeint. Ihr glaubt doch nicht wirklich, dass ich das Gezwitscher der Vögel verstehe, oder? Aber ich war gut darin, mir über Dinge und Namen, die ich hörte, irre Geschichten auszudenken. Das war komisch und auch irgendwie völlig abgefahren. Meine Mama verdrehte immer die Augen, wenn ich Wörter erfand, die es in Wirklichkeit gar nicht gab.

    »Marlene«, mahnte sie. »Es ist nicht gut, wenn Mädchen keine klaren Gedanken im Kopf haben. Ich werde dir die Flausen schon noch austreiben. Glaub mir.«

    Sie hat es nicht geschafft, so sehr sie sich auch bemühte. Vier-Monate-dauer-miese-Laune-Zeit war zum Beispiel so ein Wort. Ich bezeichnete damit den Winter. Ich hasste ihn. Ein Monster namens Grau fesselte mich sprichwörtlich an einen Marterpfahl, an dem ich zusammen mit Herrn Trauer und Frau Melancholie gefangen war. Einfach furchtbar! Sobald aber die ersten Knospen an den Bäumen zu entdecken waren, lösten sich diese unsichtbaren Seile und ich lief den beiden Trauerklopsen davon!

    »Auf Nimmerwiedersehen, Herr Trauer und Frau Melancholie!«, jauchzte ich in Gedanken. »Ich hoffe, ich sehe Sie so bald nicht wieder!«

    Und dann folgte meine Verwandlung. Kluge Leute würden es als Metamorphose bezeichnen. Ich glich einem Clown, dessen Lachen von meinen zwei Ohren begrenzt wurde, sprang wie eine Sprungfeder fröhlich auf den Brettern des Dachbodens herum und sang den ganzen Tag wundersame, selbst erfundene Lieder. Die Wärme des Sommers bedeutete: weg mit den dicken, schweren Daunendecken! Herbei mit den dünnen Wolldecken, in die ich mich einkuschelte und die meine kleinen Zehen streichelten.

    Mama musste in dem prächtigen gelben Jugendstilgebäude mit den weißen Lisenen für die beiden Herrschaften schuften. Deren Töchter und Söhne waren bereits verheiratet und schon lange ausgezogen. Bis ich in die Schule kam, war der Schuppen, in dem Mamas Dienstherr allerlei Plunder und Schrott aufbewahrte, mein Spielplatz. Wundert euch deswegen nicht, aber was soll man denn tun, wenn man den ganzen Tag allein ist? Die unzähligen Dinge, die ich dort aufstöberte, gehörten mir. Es war sozusagen das einzige, das ich neben meinen irren Geschichten im Kopf besaß. Und – sie

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