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A Kiss Is All We Have: Liebesroman
A Kiss Is All We Have: Liebesroman
A Kiss Is All We Have: Liebesroman
eBook364 Seiten4 Stunden

A Kiss Is All We Have: Liebesroman

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Über dieses E-Book

Auf der Hochzeit seiner Schwester trifft Leon LaFayette wieder auf Kimberly Jordan. Dreizehn lange Jahre sind vergangen, seit Kimberly ihn verlassen und damit sein Herz gebrochen hat. 

 

Kimberly ist ebenso wunderschön wie eiskalt. Sie war Leons große Liebe – doch die Wut darüber, dass sie ihn im Stich gelassen hat, als er sie am meisten brauchte, ist noch nicht verpufft. Überraschend löst Kimberleys Erscheinen aber noch etwas ganz anderes in Leon aus: Den Wunsch, sie zu besitzen.

Gibt das Schicksal Leon und Kimberley eine zweite Chance, oder werden sie sich wieder aneinander verbrennen?  

 

Feuer trifft Eis in diesem vierten und letzten Roman der "All we have"-Reihe von Bestseller-Autorin Ewa Aukett. Die Romane sind in sich abgeschlossen, aber durch wiederkehrende Figuren verbunden.



SpracheDeutsch
HerausgeberZeilenfluss
Erscheinungsdatum31. Aug. 2023
ISBN9783967142723
A Kiss Is All We Have: Liebesroman

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    Buchvorschau

    A Kiss Is All We Have - Ewa Aukett

    1

    Während die Sonne warm und einladend vom wolkenlosen Septemberhimmel herabschien, schlenderten die Gäste über den Rasen oder bewegten sich im Takt der Musik auf der Terrasse. Gelächter vereinte sich mit sanften Melodien. Der Duft der zahlreichen Rosen, die Rolfe LaFayettes liebevoll gehegte Beete schmückten, betörte die Sinne.

    Nach tagelangen Regenfällen war das Wetter an diesem Samstag schlagartig besser geworden. Die Temperatur war auf angenehme dreiundzwanzig Grad angestiegen, als hätte der imaginäre Wettergott seine schlechte Laune über Bord geworfen und wollte doch nun die Hochzeit ihrer besten Freundin feiern.

    Die Arme vor der Brust verschränkt, lehnte Kimberley am Rahmen der Terrassentür und beobachtete mit einem gewissen Unwohlsein das fröhliche Treiben.

    Sie hasste Hochzeiten!

    Die Eiswürfel in ihrem Orangensaft klirrten leise, als sie das Glas in ihren Fingern hin und her bewegte. Ihr Blick wanderte über die feiernde Gesellschaft hinweg und fand rasch das frisch getraute Paar.

    Isabelle und Raymond MacAllister standen eng umschlungen inmitten der wogenden Menge, schauten einander verliebt in die Augen und schienen die Welt um sich herum völlig vergessen zu haben.

    Kim lächelte verhalten in sich hinein.

    Zugegeben, sie hatte ihre Bedenken in Bezug auf Ray gehabt. Er war ein Playboy gewesen – aber offenbar brauchte es bei manchen Männern tatsächlich nur die richtige Frau, um aus ihnen ehrenwerte Gentlemen zu machen. Das hoffte sie jedenfalls sehr.

    Nach all den Irrungen und Wirrungen der letzten Monate und dem verrückten Plan, den Ray geschmiedet hatte, um die vermeintlich falsche Frau in seine Blockhütte zu entführen, hatte sich schließlich doch noch alles zum Guten gewendet.

    Der Gedanke, dass sie selbst an Belles Stelle hätte stehen können, war so absurd, dass Kim immer noch eine Gänsehaut bekam.

    Nachdenklich starrte sie in ihren Orangensaft.

    Sie mochte Ray. Er war ein netterer Kerl, als sie ihm offiziell jemals zugestehen würde, dennoch war ihr Groll gegen ihn noch nicht gänzlich verebbt. Sie hatte ihm unmissverständlich damit gedroht, dass sie ihn mit einem Betonblock an den Füßen in der Themse versenken würde, wenn er es wagen würde, ihrer besten Freundin noch einmal das Herz zu brechen.

    Im Augenblick sah Belle allerdings ausgesprochen glücklich aus.

    Der kleine Bauch, der sich unter ihrem weißen Kleid abzeichnete, würde in den nächsten Monaten weiterwachsen. Aus ihrer besten Freundin würde eine echte Mama werden. Ein Umstand, der sich für Kim immer noch ziemlich befremdlich anfühlte.

    Kopfschüttelnd nahm sie einen Schluck von ihrem Saft. Heiraten und Kinder waren nie ein Thema gewesen. Für sie selbst war dieser Gedanke nach wie vor weit weg. Irgendwie war diese Zukunft stets die der anderen.

    Sie hob den Blick und sah zu ihrer besten Freundin.

    Über Jahre hinweg hatte Belle Ray aus der Ferne angehimmelt und war für ihn lediglich seine Sekretärin gewesen. Als sie endlich doch zueinandergefunden hatten, war alles sehr schnell gegangen. Nun war sie verheiratet, im vierten Monat schwanger und würde in drei Wochen mit ihrem Mann nach London zurückkehren.

    Kim unterdrückte einen Seufzer. Sie konnte nicht leugnen, dass ihre Grübeleien sie ein bisschen wehmütig machten. Niemandem gönnte sie das Glück so sehr wie Belle, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, um sie herum würden plötzlich alle ihre bessere Hälfte finden und sesshaft werden, während sie selbst allein zurückblieb und immer noch auf der Suche nach ihrem sicheren Hafen war.

    Sie nahm einen weiteren Schluck.

    Letztlich war das wieder einer dieser üblichen melancholischen Anflüge, die einen als Single jedes Mal einholten, wenn man auf einer Hochzeit war und wiederholt den Einzelplatz am Tisch der Braut zugeteilt bekam. Ziemlich sinnlos, sich darüber Gedanken zu machen.

    Trotzdem fühlte sie sich unwohl genug, um sich in den Salon der Villa zurückzuziehen und ihre Einsamkeit zu pflegen. Sie bedauerte, dass Sergio sie nicht hatte begleiten können. Nicht einmal Belles Bruder war allein erschienen.

    Kim spürte, wie der nächste Schluck Orangensaft ihre Kehle viel zu langsam herunterrann. Der Gedanke an Leon war wie ein Eimer kaltes Wasser, und alle Erinnerungen, die sie so lang verdrängt hatte, waren bei seinem Anblick zurückgekehrt.

    Als er sich mit seiner Freundin nur wenige Plätze von ihr entfernt in die erste Reihe neben die Brauteltern gesetzt hatte, war ihr plötzlich schwindelig geworden. Sie hatte sich dazu gezwungen, zu Belle und Ray zu starren und ihm keine Beachtung zu schenken.

    Mehr als dreizehn Jahre waren vergangen, seit sie ihn zuletzt gesehen hatte. Dreizehn Jahre, in denen sie keinen Fuß in dieses Haus gesetzt hatte. Dreizehn Jahre, in denen sie jeden aufkommenden Gedanken an ihn verdrängt hatte.

    Als sie am Morgen vor dem Anwesen in Les Andelys vorgefahren war, waren diese Jahre wie weggewischt gewesen.

    Michelle und Rolfe hatten sie schon am oberen Absatz der Treppe erwartet. Es war ihr schwergefallen, nicht in Tränen auszubrechen, als die beiden sie in die Arme geschlossen hatten. Fast hatte es sich angefühlt, als würde sie nach Hause kommen. Michelle und Rolfe waren immer wie Eltern für sie gewesen … die einzigen Eltern, die sie noch in den Arm nehmen konnte. Etwas, das sie nie wieder mit ihren eigenen machen konnte.

    Ihre Mutter war bereits vor mehr als dreizehn Jahren gestorben. Der Verlust war hart gewesen, und es war Kim nicht leichtgefallen, zu ihrem Vater und seiner neuen Frau zu ziehen. Sie hatte die Frau, die sie für das Scheitern der Ehe ihrer Eltern verantwortlich machte, nie wirklich akzeptiert.

    Das war aber nur einer der Gründe, warum sie sich ein knappes Jahr später eine eigene Wohnung gesucht hatte. Zwischen ihrem Dad und ihr hatte es davor und danach viele bittere Worte gegeben. Fast fünf Jahre hatten sie gar nicht mehr miteinander geredet, nur zu den Geburts- und Feiertagen hatten sie sich Karten geschickt.

    Im letzten Monat war er gestorben.

    Während Belle auf diesem Island-Trip mit Ray gewesen war, hatte Kim die Nachricht erhalten, dass ihr Vater an COPD erkrankt war, einer unheilbaren Lungenkrankheit. Es war ein Schock gewesen. Er hatte schon lange damit gekämpft, aber nie etwas darüber gesagt. Sein Zustand hatte sich allerdings so rapide verschlechtert, dass er sich verabschieden wollte, solange er es noch konnte.

    Als Belle nach ihrem Tête-à-Tête mit Ray wütend und enttäuscht nach Frankreich zurückgezogen war, hatte Kim ihr nichts davon erzählt, weil sie ihre Freundin nicht auch noch damit hatte belasten wollen.

    Belle hatte genug mit ihrem eigenen Chaos zu tun gehabt, und dann war da noch die Wut gewesen, weil sie Kim für das Ende dieser Liaison mitverantwortlich machte. Es hatte irgendwie nie gepasst, und nachdem sie sich endlich mit Ray versöhnt hatte, hatten die beiden sich gleich in die Hochzeitsvorbereitungen gestürzt.

    Kim hatte derweil viel Zeit in Wales verbracht, um die wenigen Wochen, die ihr mit ihrem Vater noch geblieben waren, mit ihm zu verbringen. Lediglich ihr bester Freund Sergio und ihre Agentin Amélie waren informiert. Beide hatten auf ihre Bitte hin Stillschweigen bewahrt. Sie wollte kein Mitleid und keine traurigen Mails, in denen man ihr viel Kraft wünschte und ihr sagte, es würde alles wieder gut werden.

    Sowohl der Tod ihres Vaters als auch die Beisetzung waren in aller Stille verlaufen. Nicht einer seiner vielen Freunde von früher hatte sich sehen lassen, obwohl diese durchaus informiert gewesen waren. Eine bittere Erkenntnis.

    In den Tagen nach seinem Verlust war viel geschehen, und die Ereignisse hatten sich in unangenehmer Hektik aneinandergereiht. Als sie in Wales gewesen war, um sich um die Formalitäten der Beerdigung zu kümmern und eher halbherzig zu versuchen, ihre ungeliebte Stiefmutter zu trösten, hatte Amélie sie darüber informiert, dass Leon in London gewesen war.

    Er hatte sie offenbar gesucht. Das war ungewöhnlich. Ein spontaner Besuch nach so vielen Jahren?

    Als sie nach London zurückgekehrt war, hatte sie durch die versäumte Zeit viele liegengelassene Aufträge aufarbeiten und aufholen müssen. Da Leon weder eine Nachricht noch seine Kontaktdaten hinterlassen hatte, hatte sie sich nicht weiter darum gekümmert. So merkwürdig sie sein Verhalten auch finden mochte, sie fühlte sich nicht veranlasst, ihm hinterherzulaufen.

    Wenn sie eines über die Jahre erfolgreich gelernt hatte, dann war es, ihre Gedanken von unangenehmen Dingen abzulenken – und Leon war eines dieser unangenehmen Dinge. Also hatte sie die möglichen Grübeleien über ihn verdrängt und sich mit anderen Sachen beschäftigt.

    Erst heute hatte sein Anblick neue Fragen in ihr aufgeworfen.

    Wie war es ihm ergangen? Was hatte er gewollt? Wer war die schöne Brünette an seiner Seite?

    Beim Essen war sein Toast auf das Brautpaar so unpersönlich und kurz gewesen, dass er von einem Fremden hätte kommen können. Belle war jedoch so voller Endorphine und Muttergefühle, dass es ihr vermutlich gar nicht aufgefallen war.

    Kim schwenkte den Inhalt ihres Glases und beobachtete gedankenverloren die zur Hälfte geschmolzenen Eiswürfel. Sie kannte die Gerüchte und Geschichten, die die Presse von Zeit zu Zeit über Leon streute. Er hatte die renommierte Sicherheitsfirma seines Vaters übernommen, nachdem dieser sich zur Ruhe gesetzt hatte, und er war sehr erfolgreich. Nicht nur französische Landsleute mit üppigem Bankkonto nahmen seine Dienste gern in Anspruch. Aber die Klatschzeilen beschäftigten sich noch viel lieber mit seiner Bindungsunfähigkeit und damit, dass die Frauen ihm hinterherrannten, weil jede glaubte, sie könnte ihn retten. Er galt als eigensinnig und unhöflich, um es nett auszudrücken.

    Sie wusste nicht, was es damit auf sich hatte, denn ansonsten gab es wenig von ihm zu lesen. Belle zu fragen, war keine Option. Seine Schwester interpretierte ohnehin zu viel in Kims Interesse und Gedanken hinein.

    Natürlich war er immer noch ein attraktiver Mann. Sie hätte schon blind sein müssen, um das nicht zu erkennen. Aber die naive, mädchenhafte Verliebtheit, die sie vor langer Zeit für Leon gehegt hatte, gehörte einer Vergangenheit an, die weit hinter ihr lag.

    Sie verzog die Lippen zu einem bitteren Lächeln. Damals war ihre Welt noch in Ordnung gewesen.

    Wieso war er überhaupt nach London gekommen? Sie schüttelte unmerklich den Kopf. In gewisser Weise war sie froh, dass sie sich verpasst hatten. Sie wollte kein persönliches Wiedersehen mit ihm und …

    Jeder Gedanke in ihr erstarb. Jede Zelle ihres Körpers erbebte.

    Gänsehaut machte sich auf ihren Armen breit. Seine Präsenz war so enorm, dass sie seine Anwesenheit im Zimmer spürte, bevor er überhaupt die Stimme hob. Kim schloss die Augen. Offenbar änderten sich manche Dinge auch nach Jahren nicht.

    »Auch keine Lust mehr auf die affektierte Horde?«

    Sie wandte sich um und sah ihn in der Mitte des Salons stehen. Er hielt eine Tasse in der Hand. Der Duft von Kaffee kitzelte ihre Nase.

    Sein durchdringender Blick ließ sie nicht los, als er an der Tasse nippte. Er sah wirklich gut aus in seinem schwarzen Anzug und dem locker aufgeknüpften Hemd. Er war älter geworden, vereinzelt sah sie ein paar silbrige Fäden in seinem schwarzen Haar. Die Narbe war deutlich verblasst – und er hatte nichts von dieser raubtierhaften, dunklen Ausstrahlung verloren.

    Sie mochte über ihn hinweg sein, aber es wäre eine Lüge, wenn sie behauptete, dass sie ihn nicht immer noch anziehend fand. Ihr Puls beschleunigte sich, ihre Haut wurde warm. Sie kannte dieses sanfte Kribbeln, das in ihrem Bauch war, nur zu gut.

    Um Gelassenheit bemüht, zwang sie sich ruhig zu bleiben. »Hochzeiten sind nicht so mein Ding.« Sie nickte ihm höflich zu. »Hallo Leon.«

    »Kimberley.« Er kam langsam näher. Selbst seine Bewegungen hatten etwas von einer Großkatze. Schließlich blieb er neben ihr stehen. Sie brauchte nicht einmal den Arm auszustrecken, um ihn anfassen zu können. Ihr Herzschlag legte noch einen Zahn zu. Sein Aftershave stieg ihr in die Nase und benebelte ihre Sinne. »Hochzeiten sind schon ein wenig fad, nicht wahr?«

    Sie blinzelte irritiert. Was sollte die Frage?

    Versuchte er sich jetzt im Small Talk? Früher hatte er keinen Wert darauf gelegt. Vermutlich hatten sie sich schon zu lange aus den Augen verloren, um unbeschwert ein Gesprächsthema zu finden. Kim hob die Schultern und beobachtete erneut die fröhliche Menge. Sie fühlte sich unwohl. »Das hat nichts mit fad zu tun. Ich bin einfach nicht der Mensch für solche Feierlichkeiten.«

    »Nicht?«

    In diesem einen Wort klang ein seltsamer Unterton mit. Sie zog eine Schulter hoch und setzte ein entschuldigendes Lächeln auf. »Es ist wirklich schön hier, und ich wünsche Belle und Ray alles Gute, aber ich bin grundsätzlich kein Fan von Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen.«

    »Hm.«

    Stille breitete sich zwischen ihnen aus, während Leon seinen Kaffee genoss und Kim einen weiteren Schluck von ihrem Orangensaft nahm. Plötzlich schmeckte das Zeug bitter.

    Sie war angespannt und konnte nicht leugnen, dass Leons Anwesenheit sie mit einer gewissen Unruhe erfüllte. Sie hatten ein zufälliges Wiedersehen in den vergangenen Jahren vermieden, obgleich sie ihre gesamte Kindheit miteinander verbracht hatten. Ihr letztes Aufeinandertreffen lag Jahre zurück, und ihr Abschied hatte sich nicht gerade auf angenehme Weise in Kims Gedächtnis gebrannt.

    »Belle hat dich gefragt, ob du Patentante werden willst?«

    Seine Stimme hatte immer noch diesen warmen, dunklen Klang. Sie hinterließ ein Gefühl, als würde Samt über nackte Haut streichen und sie mit wohliger Wärme erfüllen.

    Als Kind hatte sie es geliebt, in seinen Armen zu liegen und ihm zu lauschen, während er ihr Geschichten vorlas … oder wenn er sie an sich drückte, sie tröstete und ihre Tränen trocknete.

    Sie senkte den Blick auf ihre Schuhe und verdrängte den Gedanken aus ihrem Kopf. Sie waren beide keine Kinder mehr. Diese Tage der Unbeschwertheit waren vorbei. Sie räusperte sich und konzentrierte sich auf seine Frage. »Das ist richtig.«

    »Hast du dich schon entschieden?«

    Wenn Belle ihm von ihrer Bitte erzählt hatte, dann sicherlich auch, dass Kims Antwort noch ausstand. »Nein. Ich habe mir Bedenkzeit erbeten.«

    »Warum?«

    Sie sah ihn nicht an, bemerkte aber aus dem Augenwinkel, dass er sich auf der anderen Seite gegen den Türrahmen lehnte und sie anstarrte. »Ich hab’s nicht so mit Kindern. Als Patentante hat man eine gewisse Verantwortung, und der sollte ich auch gerecht werden.«

    Leon legte den Kopf schief. »Klingt vernünftig.«

    Wieso hatte sie den Eindruck, dass er ihr genau diese Eigenschaft aus unerfindlichen Gründen absprach?

    Sie fühlte sich zunehmend von ihm gemustert. Die Arme vor der Brust verschränkt, ahmte sie seine Haltung nach und erwiderte seinen provokanten Blick.

    »Du hast doch sicher als gewissenhafter Bruder gleich Ja gesagt?«

    »Natürlich.«

    Der Hauch eines Lächelns huschte über seine Lippen. Er betrachtete sie von oben bis unten. Seine Augen blieben einen Moment zu lange an ihren Brüsten hängen.

    Sie war schon öfter auf ähnliche Weise angestarrt worden, doch zu ihrem Verdruss war Leon der Einzige, der dabei etwas in ihr weckte, das sonst tief und fest schlief. Sie atmete ein und bemerkte, wie er sich mit der Zungenspitze über die Lippen leckte, ehe er einen weiteren Schluck Kaffee trank.

    Kim spürte die Hitze, die in ihr hochstieg, und wandte sich wieder der Hochzeitsgesellschaft zu, ohne wirklich etwas zu sehen.

    »Ich muss mich noch bei dir bedanken.«

    Sie runzelte verwirrt die Stirn. »Wofür?«

    »Für den englischen Schwager.«

    Kim sah ihn an und war nicht sicher, ob er das ernst oder ironisch meinte. »Ich denke, das haben die beiden ganz gut allein hinbekommen.«

    »Aber ist es denn nicht wahr, dass Ray eigentlich dich erobern wollte? Isabelle ist doch eher versehentlich in seiner Blockhütte … und seinem Bett gelandet, obwohl du da eigentlich sein solltest.«

    Sie legte den Kopf schief. Glaubte er, sie und Ray hätten etwas miteinander gehabt?

    Er trank weiter seinen Kaffee und beobachtete scheinbar gelangweilt die Menschen im Garten seiner Eltern. Auf den ersten Blick wirkte er völlig gelassen und desinteressiert, dennoch spürte sie die unterschwellige Herausforderung, die in seiner Frage mitschwang.

    »Nun, ich schätze, dass Belle dir von diesem dämlichen Plan erzählt hat, den Ray sich ausdachte.«

    »Ja, natürlich … und wie verliebt er in dich war.«

    Sie rollte mit den Augen. »Er war ganz sicher nicht in mich verliebt. Er hat sich vielleicht was eingeredet, aber das waren gewiss keine echten Gefühle.«

    Der Blick seiner grauen Augen bohrte sich in ihren eigenen, als er sich ihr zuwandte. »Betrübt dich das?«

    Kim stutzte. War das Leons Ernst?

    »Was? Wieso sollte es das?«

    »Nun, du scheinst diese Wirkung gern auf Männer auszuüben. Sie werben um dich, genießen deine Nähe und verlieben sich in dich … und dann servierst du sie ab.«

    Stirnrunzelnd ließ sie die Arme sinken. »Das ist mir neu. Ich kann dir versichern, dass Ray und ich lediglich befreundet waren.«

    Sein Blick glitt erneut auf diese unverschämte Weise über ihren Körper, als wäre sie nackt. Es ärgerte sie, dass ihre Brustwarzen hart wurden und sich gegen den Stoff ihres BHs drückten. Leon nippte an seinem Kaffee. Das war ihm sicher nicht entgangen. »So?«

    Kim spürte, wie der Ärger sich in ihr festsetzte. Was sollte diese Bemerkung?

    »Was hast du für ein Problem?«, wollte sie wissen.

    »Du starrst mich an.«

    Resigniert stellte sie ihr halbvolles Glas auf die Fensterbank. Es war offensichtlich, dass er auf Streit aus war – warum auch immer. Sie drehte sich zu ihm um. »Was erwartest du, wie ich auf deine seltsame Bemerkung reagiere? Lächeln, nicken und Danke sagen?« Kim schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Ahnung, welche Laus dir über die Leber gelaufen ist, dass du gleich so gereizt auf meine Anwesenheit reagierst. Aber wenn ich dich dermaßen nerve, verschwinde ich umgehend.«

    »Vorher hätte ich noch ein paar Fragen an dich.« Sie fühlte sich abermals von seinem prüfenden Blick taxiert. »Bei meinem Besuch im letzten Monat konnte ich das leider nicht persönlich klären.«

    »Meine Agentin hat mir davon berichtet, dass du da warst.«

    Er zog eine Augenbraue hoch. »Ach, du weißt davon … Sind Freunde von früher heute nicht mehr von Interesse?«

    »Was meinst du damit?«

    »Sich in den vergangenen Wochen mal zu melden, ist dir nicht in den Sinn gekommen?«

    Kims Augen wurden schmal, und sie machte einen Schritt auf ihn zu. Er mochte Gefallen finden an Andeutungen und Spitzfindigkeiten, sie war aber immer noch jemand, der das Herz auf der Zunge trug. »Was soll das, Leon? Ich sitze nicht ständig in London und warte darauf, dass mich irgendjemand besuchen kommt, den ich seit Jahren nicht gesehen habe. Ich habe einen Job und ein Privatleben.«

    Sie wollte sich abwenden, doch als er den Mund öffnete, um vermutlich eine weitere Unverschämtheit loszuwerden, machte sie einen Schritt auf ihn zu und stach ihm fast den Zeigefinger ins Gesicht. »Erwartest du, dass sie mich anruft und ich sofort alles stehen und liegen lasse, um zurückzukehren? Als hätte ich all die Jahre nur darauf gewartet, dass der große Léonard de LaFayette wieder vor meiner Tür steht?«

    Er straffte sich sichtlich, drängte sie zurück und stellte geräuschvoll die Kaffeetasse neben ihrem Glas ab. »Du hättest dich bei deiner Rückkehr zumindest melden können.«

    Kim legte den Kopf schief und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie war wirklich nicht klein, aber er war nur Zentimeter von ihr entfernt und starrte auf sie herunter, als wäre sie ein Zwerg.

    »Hätte ich das?« Sie schob das Kinn vor. »Vielleicht hättest du dann deine Visitenkarte dalassen sollen oder wenigstens eine Nachricht mit ›Meld dich, ich muss mit dir reden‹.« Sie hob beide Hände und zuckte mit den Achseln. »Da war nichts – keine Visitenkarte, keine Nachricht. Ich musste annehmen, dass du vielleicht zufällig in der Gegend warst und es eine spontane Entscheidung war. Oder dass du es im gleichen Moment schon wieder bereut hast, meine Agentin überhaupt aufgesucht zu haben, und deshalb keine Kontaktdaten hinterlassen hast. Was weiß denn ich? Welchen Grund hätte ich haben sollen, nachzufragen, Leon? Wir haben uns vor mehr als zehn Jahren zuletzt gesehen.«

    »Dreizehn.« Sein Blick huschte über ihr Gesicht und blieb eine Sekunde länger als nötig an ihren Lippen hängen. »Ich habe unser letztes Treffen nicht vergessen.«

    Ihr Puls galoppierte davon und ließ heiße Lava zurück, die sich durch ihre Adern wälzte. Sie hatte diesen zornigen Kuss damals auch nicht vergessen.

    Kim schluckte hart. Verflucht, sie wollte sich nicht noch einmal in dieser Anziehung verfangen, die er auf sie ausübte. Sie floh sich in Sarkasmus. »Also, ich bin hier. Wenn du mir etwas zu sagen hast, was du mir letzten Monat in London mitteilen wolltest, dann wäre jetzt die Gelegenheit.«

    Er kam erneut näher, und sie wich unwillkürlich vor ihm zurück. Drei Schritte hinter ihr war die Wand.

    Leons Hände legten sich links und rechts von ihrem Kopf auf die Tapete. Er war so nah, dass sie nur die Arme zu heben brauchte, um ihn zu berühren. Sein Blick glitt über ihr Gesicht, ihren Busen, hinab zu ihren Beinen und zurück.

    Sie hasste es, dass sie den Kopf in den Nacken legen musste, um ihm in diese wunderschönen Augen zu sehen. Sie hasste es, wie unglaublich gut er roch und wie sehr sie die Linien seiner Lippen vermisst hatte.

    Ihre Nasenflügel bebten. Für eine Sekunde war sie sicher, gleich innerlich zu verglühen. Nichts außer einem Häufchen Asche würde von ihr übrigbleiben.

    Gott! Wann war der Wunsch in ihr aufgekommen, er würde sie an sich ziehen, ihren Rock hochschieben und sie auf dem Piano vögeln?

    Leon beugte sich zu ihr herab. Er würde sie küssen. Sein Atem streifte über ihr Gesicht. Sie konnte die Wärme seines Körpers, der immer näherkam, fühlen. Sie schloss die Augen.

    Er hatte ihr so sehr gefehlt!

    »Ich will, dass du die Freundschaft mit Belle beendest.«

    Hitze verwandelte sich in Eis. Die Kälte ließ sie innerlich erstarren und schmerzte in ihrer Brust, als sie ihr Herz umschloss. Sie öffnete die Augen und sah sein Gesicht direkt vor sich. Seine grauen Augen hatten die Farbe von altem Eis, und da war kein Funken Humor in seinem Blick.

    Sie konnte ihre eigene Stimme kaum hören. »Was?«

    »Du hast mich schon richtig verstanden.«

    Die Seifenblase, in der sie für Sekunden gefangen gewesen war, zerbarst. Sie richtete sich auf und drückte ihm eine Faust gegen die Brust. Er machte einen Schritt zurück. »Was hast du für ein Problem?«

    »Du bist mein Problem. Du tust Belle nicht gut.«

    Gegen ihren Willen musste sie nun doch lachen. »Ist das so?« Seine Augen wurden schmal. »Denkst du nicht, dass Belle alt genug ist, um selbst entscheiden zu können, mit wem sie befreundet sein will und mit wem nicht?«

    Er kam ihr nach, als sie sich an ihm vorbeiquetschte und zurück zur Terrassentür ging. »Hatte sie je eine Wahl?«

    Kim blieb stehen und drehte sich mit geballten Fäusten zu ihm um. In ihr war kalter Zorn. Wie konnte er so etwas sagen?

    Als er einen weiteren Schritt auf sie zumachte, starrte sie ihm entgegen. Sie würde nicht noch einmal vor ihm zurückweichen. Ihre Stimme wurde schneidend. »Geht dich das irgendwas an?«

    Leons Augen funkelten. »Sie ist meine Schwester. Alles, was sie betrifft, geht mich etwas an.«

    Verdammter französischer Macho!

    »Belle ist erwachsen. Sie kann ihre eigenen Entscheidungen treffen.«

    »Was dich betrifft, ist sie leider blind. Sie sieht nicht, wie du wirklich bist.«

    Kim blinzelte. Zum Teufel, wovon sprach er da? »Vielleicht erläuterst du mir das … wie ich wirklich bin?«

    Er machte einen weiteren Schritt auf sie zu, und seine Nasenspitze berührte fast ihre eigene. Sein warmer Atem streifte ihre Lippen. »Ich kenne Frauen wie dich, Kimberley. Ihr zieht andere gern mit in den Abgrund, um euch an ihnen wieder nach oben zu arbeiten.«

    Verärgert runzelte sie die Stirn. »Ist das so? Ich bin mir dessen nicht bewusst, mich je auf Kosten anderer bereichert zu haben.«

    »Da habe ich anderes gehört.« Er musterte sie eine lange schweigende Sekunde, ehe er weitersprach: »Ich weiß von deinen kleinen Geheimnissen.«

    Sie hatte nicht geahnt, wie viele Facetten innere Kälte haben konnte. So ähnlich musste sich Sterben anfühlen. Jeder Gedanke in ihr erlosch und machte stiller Dunkelheit Platz. Von jetzt auf gleich waren all die Momente der Vergangenheit zurück und fielen wie ein Fliegenschwarm über sie her. Kim kämpfte die Panik herunter, die in ihrer Kehle emporkroch.

    Nie wieder. Sie hatte sich geschworen, dass es sie nie wieder kleinmachen würde. Sie würde das nicht zulassen. Ihre Hände krampften, als sie die Fäuste löste. Sie würde nie wieder ein Opfer sein – nicht einmal das ihrer eigenen Angst.

    Das war unmöglich. Leon konnte nichts wissen. Es war unvorstellbar, dass die Vergangenheit sie einholte und ihr mit stoischer Ruhe ein Messer zwischen die Rippen rammte.

    Ihre Kehle war eng, während sie Leon ansah und gleichzeitig durch ihn hindurchstarrte. »Was für Geheimnisse?«

    »Deine schmutzige kleine Vergangenheit. Von der gefeierten Schönheit zum gefallenen Engel. Der Sturz ist tief, nicht wahr?« Da war ein seltsamer Ausdruck in seinen grauen Augen. Eine Mischung aus Wut und … Enttäuschung?

    Kim schluckte. Mit der Wut konnte sie umgehen, mit seiner Enttäuschung nicht. Dennoch zwang sie sich, ihre Gefühle hinter die dicke Tür aus Holz zurückzudrängen, hinter der sie all die Jahre gehockt hatten. Sie hob das Kinn, darum bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, dass sie am ganzen Körper zitterte. »Meine Vergangenheit geht dich gar nichts an.«

    »Da hast du wohl recht. Es interessiert mich auch nicht, was du getrieben hast oder immer noch treibst.« Er rückte näher. »Aber es geht mich etwas an, wenn jemand wie du den Umgang mit meiner Schwester pflegt.«

    Seine Hand hob sich, und seine Finger legten sich um ihr Kinn. Ihre Haut brannte, wo er sie berührte. Er hatte sie schon einmal so angefasst, vor langer Zeit … und dann hatte er sie geküsst. Wütend, zornig und doch auf eine Weise, wie

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