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Dark Ember: Ein Liebesthriller
Dark Ember: Ein Liebesthriller
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eBook281 Seiten3 Stunden

Dark Ember: Ein Liebesthriller

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Über dieses E-Book

I am lonely. I am hungry. I am greedy. I am death.
Laurens Schwester war das neueste Opfer eines grausamen Serienmörders. Während das FBI ratlos vor diesem Fall steht, sucht sie verzweifelt nach Halt und findet ihn in einer Selbsthilfegruppe, wo sie auf den geheimnisvollen Kyle trifft.

Lauren spürt sofort eine tiefe Verbundenheit zu Kyle, eine Sicherheit, die sie lange nicht mehr empfunden hat. Schnell wird er zum einzigen Menschen, dem sie noch vertraut. Doch je weiter sie in die Ermittlungen eintaucht, desto gefährlicher wird es für sie. Inmitten der düsteren Atmosphäre von St. Louis verhärtet sich ihr Verdacht, dass der Mann, dem sie ihr Herz geschenkt hat, nicht der ist, für den er sich ausgibt. 

Jetzt zählt jede Sekunde, während Lauren erbittert dafür kämpft, die Wahrheit ans Licht zu zerren, um sich selbst vor einem schrecklichen Schicksal zu retten. Doch wird sie es schaffen, Kyles Geheimnisse zu enthüllen, bevor es zu spät ist? Oder wird sie das nächste Opfer in einem perfiden Spiel, dessen Regeln und Mitspieler sie gerade erst zu verstehen beginnt?

 

Erlebe einen nervenzerreißenden Thriller, der dein Herz schneller schlagen lässt und dich bis zur letzten Sekunde in seinen Bann zieht. Tauche ein in eine Geschichte voller Geheimnisse, Leidenschaft und unvorhersehbarer Wendungen. Bist du bereit, das Rätsel zu lösen? Oder wirst du selbst zur Spielfigur in diesem mörderischen Tanz aus Lügen und Täuschung?



SpracheDeutsch
HerausgeberZeilenfluss
Erscheinungsdatum22. Juni 2023
ISBN9783967142990
Dark Ember: Ein Liebesthriller

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    Buchvorschau

    Dark Ember - Ewa Aukett

    1

    Saint Louis, Missouri, River Des Peres Park

    Es ist dunkel und ungemütlich an diesem kalten, verregneten Aprilmorgen. Die ersten Pendler sind dort unterwegs, wo die Old Route 66 und der River Des Peres Boulevard sich kreuzen. Am Straßenrand unmittelbar neben dem Park stehen ein knappes Dutzend Einsatzfahrzeuge der örtlichen Sicherheitsbehörden, und der Bereich um die Baumgruppe ist weiträumig abgesperrt. Das Trommeln des Regens auf den Wagendächern könnte eine fast schon einschläfernde Wirkung haben, wenn da nicht die Signalleuchten wären, die ihre beunruhigenden blauen und roten Lichtreflexe auf die Umgebung werfen.

    Einer der Beamten läuft mit hochgezogenen Schultern zwischen den Autos hindurch und zerrt den nach oben geschlagenen Kragen seines Mantels noch ein bisschen enger um den Hals. Rasch nähert er sich seinem Partner, der unter dem hastig aufgestellten Pavillon steht und sich Notizen macht, während er dem vor ihm am Boden hockenden Kollegen der Spurensicherung lauscht.

    »… auf dem Weg in die Gerichtsmedizin. Dr. Emery meinte, das Opfer sei seit weniger als vierundzwanzig Stunden tot. Genaueres kann sie aber erst nach der Obduktion sagen.« Der Beamte am Boden blickt sich um. Ärger und Frustration zeigen sich deutlich auf seinem Gesicht, dann schüttelt er den Kopf. »Es ist das gleiche Bild wie die letzten vier Mal. Die Kollegen suchen bereits die Umgebung ab.«

    Detective Vincent Santini wendet den Kopf, schaut sich kurz um und sieht wieder zu seinem Partner hinüber. Montana bedeutet ihm mit einem knappen Nicken, dass er gleich zu ihm kommt, dankt dem Kollegen und ist mit wenigen Schritten bei Santini.

    »Wir haben Nummer fünf«, stellt er fest und spart sich die Begrüßung.

    »Scheiße!« Santini geht zur äußeren Ecke des Pavillons, greift in die Jackentasche und zieht eine Packung Kaugummi heraus, um sich eins davon in den Mund zu stecken. Seit er mit dem Rauchen aufgehört hat, ist er geradezu süchtig nach dem Zeug. »Identität unbekannt, nehme ich an?«

    »Ja.« Sein Partner nickt. »Die Kollegen suchen noch in der Nähe nach Anhaltspunkten.«

    Santini presst die Lippen fest aufeinander. Alles wie immer also, genau wie bei den anderen vier Fällen. »Details zum Opfer?«

    Der Kollege blickt auf den Notizblock in seinen Fingern. »Doc Emery schätzt sie auf Anfang, Mitte vierzig. Weiß, mittelgroß, keine auffälligen Merkmale – abgesehen von dem Tattoo! Sie wurde stranguliert und ist nackt … bis ins Detail die gleiche Vorgehensweise.« Er seufzt tief und lässt die Hand mit dem Block darin sinken. »Ehrlich, welches kranke Schwein tut Frauen so was an.«

    »Eins, das wir dringend dingfest machen müssen«, murmelt Santini. Er weiß genau, was Montana fühlt oder der Kollege von der Spurensicherung. Ihnen geht es allen so – Ärger, weil sie den Täter nicht finden können, und Frustration, weil ein fünftes Opfer vielleicht vermeidbar gewesen wäre. Es wird noch schlimmer werden, spätestens wenn die Presse antanzt und die Öffentlichkeit erfährt, was passiert ist … schon wieder. Der Druck, der auf ihnen allen lastet, steigt von Tag zu Tag, und die kritischen Stimmen werden stetig lauter, weil die Polizei kaum neue Erkenntnisse liefert. Der Chief wird ganz sicher toben, wenn die lokalen TV-Sender in den Morgennachrichten die nächste Tote verkünden.

    »Wer hat sie gefunden?«

    Montana blättert durch seinen Block. »Ein Jogger. James Lewis, Bankangestellter, dreiunddreißig Jahre. Kein Eintrag, ich hab ihn schon gecheckt. Er wohnt ein paar Blocks von hier entfernt. Er war auf der üblichen Morgenroute unterwegs, dann ist sein Hund plötzlich zwischen den Bäumen verschwunden und begann zu bellen. Als Lewis die Leiche entdeckt hat, dachte er im ersten Moment, es wäre eine Schaufensterpuppe, und wollte schon weiterlaufen. Erst bei näherem Hinsehen hat er gemerkt, dass es ein toter Mensch ist. Die Sanitäter versorgen ihn noch, er steht unter Schock.«

    »Das ist die fünfte Leiche, und wir tappen immer noch im Dunkeln.« Santinis Miene verfinstert sich weiter. Seine Hände graben sich tief in die Taschen seines Mantels, während er mit leerem Blick in Richtung der Spurensicherung starrt und wütend auf seinem Kaugummi herumkaut. »Es ist zum Kotzen … und statt voranzukommen, werden uns weiter Leute abgezogen.«

    Als Montana etwas sagen will, werden sie für einen kurzen Augenblick von grellen Scheinwerferkegeln geblendet. In unmittelbarer Nähe parkt eine große, dunkle Limousine. Das ist ganz sicher nicht die lokale Presse, die kommt, um über die Story der Woche zu berichten.

    »Das FBI ist da«, stellt Montana unnötigerweise fest. Er klingt fast ein bisschen erleichtert. Eine Erleichterung, die Santini nicht teilt. Seit gut fünf Monaten rennen sie einem Schatten hinterher, der ihnen ständig einen Schritt voraus zu sein scheint. Natürlich können sie jede Hilfe brauchen, die sie kriegen können. Allerdings hatte er bei einem ähnlichen Fall vor gut fünf Jahren schon mal das Vergnügen, mit dieser Bundesbehörde zusammenzuarbeiten, und das hat leider nicht nur gute Erinnerungen zurückgelassen. Andererseits haben sie keine große Wahl, besonders, wenn sie verhindern wollen, dass noch mehr Frauen sterben.

    Während Montana zum Auto der Neuankömmlinge hinüberläuft, um die Bundesbeamten zu begrüßen, dreht Santini ihnen den Rücken zu und lässt seinen Blick über den Fundort streichen. Fünf Monate! Das ist die Zeit, die vergangen ist, seit sie die erste tote, kahlköpfige Frau in Saint Louis gefunden haben. Nicht, dass Leichen in dieser Stadt so ungewöhnlich wären – immerhin findet sich Saint Louis jährlich auf der Liste der gefährlichsten Städte der USA wieder. Aber einen Serienkiller, der seine weiblichen Opfer jeden Monat kurz nach Vollmond geradezu öffentlich drapiert, damit sie gefunden werden, nachdem er ihnen zuvor Dinge angetan hat, die ihm als Vater von drei Töchtern die Wut durch die Eingeweide treiben, das gab es lange nicht. Die meisten Details hat die Polizei der Öffentlichkeit vorenthalten, um keine Nachahmungstäter zu weiteren Verbrechen zu animieren. Doch die aktuelle Entwicklung ist besorgniserregend genug.

    Mit einem Seufzer streicht der Detective sich über den Bart und atmet tief durch. Ein halbes Jahr bis zur Rente. Er hatte letztes Jahr noch gehofft, dass nicht kurz vor Ende seiner Dienstzeit noch irgendein durchgeknallter Psycho meint, seine kranken Fantasien ausleben zu müssen. Doch seit dem Jahreswechsel sieht die Sache leider anders aus.

    »Detective Santini.«

    Nur zögernd dreht er sich um, als er Montanas Stimme hinter sich hört. Neben seinem Partner stehen eine Frau und zwei Männer – einen von ihnen hat er noch lebhaft in Erinnerung. Einen Typen, dessen Schultern gefühlt genauso breit sind wie er groß ist, und der ihm mit unbeweglicher Miene entgegenblickt: Supervisory Special Agent Sage Morgan. Bitterkeit schwappt über Santini hinweg. Jeder Muskel in seinem Gesicht fühlt sich an, als wäre er eingefroren. Hätten sie nicht jemand anderen finden können als dieses arrogante Arschloch? Montana rattert Santinis Namen und Dienstgrad herunter, um ihn vorzustellen, doch der kann nur unverwandt den Mann anstarren, der ihm schräg gegenübersteht.

    »Special Agent Morgan ist –«

    »Wir kennen uns bereits«, unterbricht Santini seinen Partner mit eisiger Stimme. Der zweite Bundesbeamte tritt vor, zwischen die Männer und reicht Santini die Hand. Er ignoriert sie geflissentlich, doch der Fremde zuckt nur kaum sichtbar mit den Schultern und lässt den Arm sinken.

    »Supervisory Special Agent James Reimann«, stellt er sich vor. »Detective Montana war so freundlich, uns über den aktuellen Stand der Ermittlungen in Kenntnis zu setzen. Die andere Hälfte unseres Teams ist bereits zum Revier gefahren, um dort die Beweise zu sichten und unsere Einsatzzentrale einzurichten.«

    »Schön für Sie«, entgegnet Santini kühl und bemüht sich um Professionalität. Seine persönlichen Aversionen gegen Agent Morgan haben bei diesem Fall nichts zu suchen. Davon darf er sich nicht beeinflussen lassen, aber verflucht … er würde diesem abgebrühten Arschloch so gern die Fresse polieren. Zähneknirschend konzentriert er sich auf den Mann vor ihm. »Wir hatten Sie früher erwartet. Wenn Sie sich mit Ihrem Auftauchen nicht noch einen weiteren Monat Zeit gelassen hätten, wäre ein fünftes Opfer vielleicht vermeidbar gewesen.«

    Reimanns Miene bleibt unbewegt und kühl. »Niemand bedauert das mehr als wir. Leider machen die Sparmaßnahmen des Kongresses auch vor unserer Behörde nicht halt. Ich muss Ihnen kaum erzählen, wie viele Kollegen in den letzten drei Jahren aus diversen Gründen aus dem Dienst geschieden sind … und wie schwierig es ist, neue, zuverlässige Leute zu bekommen. Bedauerlicherweise passt sich die Zahl der Delikte und Auseinandersetzungen nicht dem Level der schwindenden Belegschaft an.«

    Santini mustert sein Gegenüber flüchtig, wirft einen letzten angesäuerten Blick in Morgans Richtung und wendet sich dann ab. Natürlich weiß er, wie das ist. Ob FBI oder örtliche Polizei – sie alle leiden unter dem immer größer werdenden Personalmangel. Wer Glück hat, scheidet aus, weil er das entsprechende Alter erreicht hat und in Pension geht. Viele Kollegen sind jedoch arbeitsunfähig aufgrund der Belastung, der sie tagtäglich ausgesetzt sind, physisch wie psychisch. Oder sie erscheinen am nächsten Tag nicht mehr zum Dienst, weil sie in irgendeinem 24/7-Shop hinterrücks abgestochen oder niedergeschossen werden.

    Neue Leute sind zunehmend schwieriger zu bekommen, obwohl die Bezahlung beim FBI sicher besser ist als beim Police Departement. Es sei denn, man drückt beide Augen zu, was die persönlichen Kontakte einiger Anwerber in Bezug auf ihre Verbindungen zu diversen radikalisierten Vereinigungen betrifft. Aber Polizist zu sein, ist scheinbar kein erstrebenswerter Job mehr – das Risiko für Leib und Leben zu groß, die Bezahlung zu schlecht, und als Mensch wird man entweder zum Fußabtreter der Gesellschaft oder dreht irgendwann durch. Wer schlau ist, sucht sich einen Job in der Wirtschaft oder Politik. Dort, wo man nur ein paar Unterschriften setzen muss, richtig abkassieren kann und sich die Finger nicht schmutzig macht. Niemand will mehr gute alte Polizeiarbeit machen oder seinen Arsch für andere Menschen riskieren, genauso wenig wie noch irgendwer Handwerker werden möchte. Es ist wie eine stetig enger werdende Spirale, die nach unten führt. Die guten, aufrichtigen Leute, die ihren Job einfach nur machen und für die Allgemeinheit arbeiten, werden zunehmend weniger … oder so beschissen bezahlt, dass davon einfach niemand leben kann – dafür wächst die Zahl der Arschlöcher und Vollidioten jeden Tag weiter an.

    »… in Saint Louis nicht die einzigen Opfer des Täters sind.«

    Zugegeben, er hat SSA Reimann nicht weiter zugehört, aber dieser letzte Teil des Satzes

    lässt Santini stutzig werden und sich wieder zu dem Agent umdrehen.

    »Was sagen Sie?«

    Ein Hauch von Herablassung huscht über Reimanns Miene und verschwindet so schnell wieder, dass Santini nicht sicher ist, ob er sich das nur eingebildet hat. »Wir haben Grund zu der Annahme, dass es weitere Opfer gibt … außerhalb von Missouri.«

    »Special Agent Kirkwood.« Er blickt zu der Kollegin hinüber, die bisher still neben Morgan gestanden hat und nun das Wort ergreift. »Die Kollegen prüfen noch ein paar ungeklärte Fälle. Sicher ist aber, dass wir den Täter nachweislich mit mindestens einem Fall in Washington in Verbindung bringen können.«

    »In Washington?« Santini runzelt die Stirn. »Davon höre ich zum ersten Mal.«

    »Es gibt ein paar auffällige Parallelen«, stellt Reimann fest. Sein Blick gleitet in die Richtung, wo in diesem Moment die ersten Transporter der lokalen Nachrichtensender eintreffen. »Wir würden das allerdings gern auf dem Revier mit Ihnen erläutern – in einem vertraulicheren Rahmen.«

    »Sicher, aber eine Frage müssen Sie mir vorher noch beantworten«, entgegnet Santini mit Nachdruck. Reimann nickt. »Wieso haben wir bisher keine Kenntnis von einem sechsten Opfer? Wenn er schon auf ähnliche Weise getötet hat, hätten wir darüber nicht spätestens nach unserer Anfrage ans FBI die passenden Informationen bekommen müssen? Wir haben die nationalen Datenbanken mehrfach durchsucht, aber darüber nie eine Meldung erhalten.« Er sieht, wie die drei Agents ein paar stumme Blicke austauschen.

    Dann tritt ausgerechnet Morgan vor und stellt sich dem durchdringenden Blick des Detectives. »Es ist ein interner Fall. Die Untersuchung war bislang unter Verschluss.«

    Er weiß, was diese Worte bedeuten. Santini schaut zu Montana hinüber, wohlwissend, dass ihnen das Gleiche durch den Kopf geht: Unter Verschluss = Regierungsangelegenheit. Sein Kollege signalisiert ihm noch etwas anderes: Frag nicht weiter nach! Santini will es trotzdem wissen: »Inwieweit hat sich die Lage jetzt geändert?«

    Wieder dieser Blickkontakt untereinander. Er sieht, wie Morgans Kieferknochen sich hin- und herschieben, während er mit den Zähnen knirscht. »Sie war vermutlich sein erstes Opfer … und sie gehörte zum inneren Kreis.«

    Santini starrt Morgan sekundenlang stumm an. Er fühlt sich wie gelähmt. Jemand aus dem Umfeld des Präsidenten? Wieso ist darüber nie berichtet worden? Sein Mund wird trocken und der Hals eng. »Wann?«

    »Im letzten Sommer.«

    Wut wallt in ihm auf. Doch ehe er fragen kann, warum zur Hölle niemand früher reagiert hat, kommt einer der Officers zu ihnen und hält eine Tüte zur Beweissicherung in die Höhe, um sie dem Detective zu übergeben. »Wir haben ihre Handtasche gefunden.«

    Santini ruft sich selbst zur Ruhe, seine Stimme klingt ruppig, als er fragt: »Brieftasche?«

    »Ist alles da. Der Name ist Sophie Walker.« In der gleichen Sekunde, als er Santini den Beutel reichen will, fängt darin ein Handy an zu klingeln.

    Santini öffnet ihn und fischt ein in einer Plastiktüte gesichertes Smartphone heraus. Das Display ist hell erleuchtet, der Name darauf klar und deutlich zu lesen. Mit finsterem Gesicht nimmt er den Anruf entgegen und hält das Telefon im Kunststoffbeutel ans Ohr. »Wer sind Sie, Lauren?«

    Für eine Sekunde bleibt es still am anderen Ende, dann hört er eine Frauenstimme. »Was zum … Wer sind Sie

    »Detective Santini vom Saint Louis Police Departement.«

    Er hört sie scharf Luft holen. »Oh mein Gott. Was … was ist mit Sophie?«

    »Das kann ich Ihnen erst sagen, wenn Sie mir verraten, in welchem Verhältnis Sie zu ihr stehen.«

    »Sie ist meine Schwester!«

    2

    Lauren

    »Lauren?«

    Blinzelnd hebe ich den Kopf und werfe einen irritierten Blick auf den Mann, der mir gegenübersteht: Thomas. Sein schwarzer Rollkragenpullover lässt ihn strenger aussehen, als das erste Telefonat gestern hätte vermuten lassen. Strenger als er in Wirklichkeit ist. Er lächelt mich an, verständnisvoll und aufmunternd. »Wenn du möchtest, können wir loslegen.«

    Ich hole tief Luft. Meine Kehle ist eng, und ich spüre den Druck in meinem Bauch. Statt mich zu rühren, starre ich auf einen imaginären Punkt, irgendwo auf halber Höhe, wage es kaum, in die Gesichter zu sehen, die um mich herum sind. Es kostet mich große Überwindung, tatsächlich aufzustehen und die Stimme zu erheben. Ich bin normalerweise nicht schüchtern. Doch das hier ist eine Ausnahmesituation für mich.

    »Hallo. Mein Name ist Lauren.«

    »Hallo Lauren«, werde ich im Chor begrüßt.

    Ich hebe das Kinn ein bisschen weiter und sehe ein paar freundliche Gesichter, die mir mitfühlend zunicken. Jeder Blick, der mich trifft, vermittelt mir die gleiche Botschaft: Hab keine Angst, wir haben das alle gemacht, wir sitzen hier im gleichen Boot. Ich muss mich nicht fürchten, nichts muss mir unangenehm sein. Meine Finger zittern leicht, als ich weiterrede: »Ich bin … verheiratet, habe zwei Kinder und arbeite in der städtischen Bibliothek von Philadelphia.« Sie klopfen auf ihre Stuhllehnen, um mir zu zeigen, dass sie gutheißen, wie ich mich schlage. »Meine Schwester … Sophie, sie wurde …« Mir bricht die Stimme weg. Ich räuspere mich, sammle mich sekundenlang und bin froh, dass sie mir die Zeit geben, ohne mich zu unterbrechen. »Sie wurde … vor etwas mehr als zwei Wochen gefunden.« Es folgt ein mehrstimmiges Hmhm, das mich fast erleichtert aufatmen lässt, und ich weiß nicht mal, wieso. »Sie war bisher das letzte Opfer, sagen sie.«

    In das Nicken mischen sich Anteilnahme, Trauer und etwas, das ich nicht benennen will, nicht benennen kann, weil ich sonst wieder in Tränen ausbreche. Wir mögen alle im gleichen Boot sitzen, aber ich will trotzdem nicht vor diesen Leuten heulen. Sie sind mir einfach fremd. Ich öffne die Lippen, will noch irgendwas sagen, aber mein Kopf ist plötzlich leer, und ich klappe den Mund wieder zu wie ein Fisch auf dem Trockenen. Ich will nichts mehr, als mich in irgendein Loch zu verkriechen. Ein kleiner Teil von mir möchte nach meiner Tasche greifen und zur Tür rausstürmen. Weg von hier, weg von all diesen Menschen.

    »Das war sehr gut«, stellt Thomas fest, der offenbar gemerkt hat, dass ich nicht in der Lage bin, weiterzureden. »Du kannst dich gern wieder setzen, Lauren.«

    Ich nicke hastig und sacke erleichtert auf meinen Stuhl zurück.

    »Habt ihr euch nahegestanden, du und Sophie?«

    Oh nein! Ich dachte, es wäre vorbei. Mühsam versuche ich den Rest um mich herum auszublenden, konzentriere mich auf Thomas‘ Kinn. Bloß niemandem in die Augen sehen und irgendwelche Gefühle darin erkennen. Ich mache eine selbst für mich seltsame Geste, irgendwas zwischen einem halbherzigen Nicken und dem Hochziehen der Schultern.

    »Ja, schon. Als Teenager hatten wir natürlich die üblichen Probleme unter Schwestern, aber je älter wir wurden, desto besser verstanden wir uns. Wir haben sogar eine Weile zusammengelebt – bis ich geheiratet habe.« Meine Unterlippe zittert, und ich versuche sie zu kontrollieren, indem ich darauf herumbeiße. »Sophie war ein großer Halt für mich. Nach dem Tod unserer Mutter … ohne sie – ich weiß nicht …« Mir bricht die Stimme weg.

    »Schon gut, Lauren, schon gut.« Thomas hebt beruhigend eine Hand. »Wir verstehen alle deinen Schmerz.«

    Ich nicke bedrückt, flüstere nur ein leises »Danke«.

    Er nickt mir zu, lächelt sacht und löst ein warmes Gefühl in mir aus. Es ist schön, dass jemand Verständnis für mich aufbringt in dieser Situation … und unter diesen Umständen. Ob Thomas verheiratet ist? Oder eine Freundin hat? Gott! Was geht mir da durch den Kopf? Ich bin nicht hier, weil ich verzweifelt auf der Suche nach einem Kerl bin! Zum Glück wendet sich seine Aufmerksamkeit den anderen zu. Er hebt die Hände.

    »Möchte jemand von euch sprechen?« Er deutet auf eine Person am anderen Ende des Stuhlkreises. »Was ist mit dir, Kyle? Du bist heute auch zum ersten Mal dabei.«

    »Ja, sicher.« Ein Mann erhebt sich langsam. Zu ausgeblichenen Jeans trägt er ein enges, dunkelblaues T-Shirt, unter dem sich ein beeindruckend muskulöser Oberkörper abzeichnet. Im Gegensatz dazu wirkt die Brille mit dem Horngestell auf seiner Nase geradezu altmodisch. Explizit für jemanden, der schätzungsweise erst um die dreißig ist. Als hätte Clark Kent vergessen sein Superman-Outfit abzulegen.

    »Hi, mein Name ist Kyle.« Ich mag den Klang seiner Stimme auf Anhieb.

    »Hallo Kyle«, begrüßen ihn alle im Chor.

    Als sich mein Blick auf sein Gesicht heftet, schaut er mich an. Mir wird warm. Einer seiner Mundwinkel zuckt für einen winzigen Moment einen kaum wahrnehmbaren Millimeter nach oben, und Unruhe macht sich in mir breit. Ich bin nicht sicher, wie ich das einordnen soll – vermutlich will er mir einfach nur sein Mitgefühl ausdrücken, und ich interpretiere zu viel hinein, aber irgendwie … fühle ich mich seltsam.

    Kyle atmet hörbar ein. »Meine Tante war das vorletzte Opfer. Sie haben sie vor nicht ganz sieben Wochen gefunden.« Er schiebt die Brille auf der Nase nach oben, während er sich umschaut. »Mein Vater ist eigentlich immer zu diesen Treffen gekommen. Vor zwei Wochen hat er sich das Bein gebrochen und soll jetzt erst mal wieder gesund werden. Er hat mich gebeten ihn hier eine Weile zu vertreten, bis es ihm besser geht.«

    Zustimmendes Gemurmel und leises Klopfen folgen. Ich klopfe zögernd mit.

    »Du lebst mit ihm zusammen?«, will Thomas wissen.

    Kyle schüttelt den Kopf. »Nein. Ich wohne normalerweise in Columbia. Ich bin hergekommen, um ihn und meinen Bruder ein wenig zu unterstützen.«

    »Das ist nett von dir.« Thomas lächelt in die Runde. »Dein Dad hat erzählt, dein Bruder ist krank!?«

    Mir entgeht nicht, dass Kyles Nasenflügel sich kurz aufblähen. »Doug ist nicht krank. Er ist eingeschränkt, was seine Kommunikationsfähigkeiten und die zwischenmenschlichen Interaktionen betrifft. Aber er arbeitet daran

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