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5 Thriller Oktober 2018: Brückenteufel, Todestaucher, Messermädchen, Kalis Todestempel, Tokyo Speed
5 Thriller Oktober 2018: Brückenteufel, Todestaucher, Messermädchen, Kalis Todestempel, Tokyo Speed
5 Thriller Oktober 2018: Brückenteufel, Todestaucher, Messermädchen, Kalis Todestempel, Tokyo Speed
eBook591 Seiten7 Stunden

5 Thriller Oktober 2018: Brückenteufel, Todestaucher, Messermädchen, Kalis Todestempel, Tokyo Speed

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Über dieses E-Book

Der E-Book-Inhalt entspricht ca. 500 Taschenbuchseiten

Brückenteufel

von Martin Barkawitz

Für Saskia war Julian immer schon ein Versager. Aber seit ihr jüngerer Bruder einen Stein von einer Autobahnbrücke warf, hat er auch noch ein Menschenleben auf dem Gewissen.

Todestaucher

von Martin Barkawitz

Die geheimnisvolle Unterwasserwelt erkunden und vielleicht einen Schatz finden - Emily träumt schon seit Jahren davon, im Meer zu tauchen. Als ihre Mutter sie jetzt aufmuntern möchte und ihr einen Tauchkurs schenkt, freut Emily sich riesig. Doch kaum sind sie, der sympathische Andy und die anderen Tauchschüler an Bord der Fortuna, werden sie von Raubtauchern verfolgt und angegriffen. Dann zieht auch noch ein mächtiger Hurrikan auf, und plötzlich treibt Emily allein im Meer - voller Angst, die Verbrecher könnten sie finden. Die nächste Welle könnte ihre letzte sein ...

Eine frühere Version des Romans erschien 2012 unter dem Titel Atme, wenn du kannst!

Messermädchen

von Martin Barkawitz

Sie will ein neues Leben beginnen und nie wieder straffällig werden. Doch als Caro die blutige Leiche ihres Chefs findet, tappt sie in eine teuflische Falle. Wird das "Messermädchen" seine Unschuld beweisen können?

Kalis Todestempel

von Cassandra Young

Die sechzehnjährige Kate wird von Alpträumen gequält. Sie muss nach London reisen, um das düstere Geheimnis ihrer Kindheit zu lüften. Als sie von bedrohlichen Finsterlingen gejagt wird, greift der junge Inder Ram ein und hilft ihr. Kate muss ihr Leben riskieren, um endlich die Wahrheit über ihre Herkunft zu erfahren ...

Tokyo Speed 

von Cassandra Young

Als Jack in den Sommerferien an einem Karate-Wettbewerb in der japanischen Hauptstadt teilnehmen darf, scheint er am Ziel seiner Träume zu sein. Jack ist nämlich ein Kampfsport-Ass. Dann lernt Jack auch noch die süße Hisako kennen, die sich ebenfalls für Karate begeistert.

Leider muss Jack seinen nervigen und chaotischen Bruder Mark mit nach Japan nehmen, der von einem Unglück ins nächste schlittert. 

Mark macht bei einem illegalen Straßenrennen mit und legt sich mit der Yakuza an. Nun muss Jack seinen Karategürtel fester knoten und den Kampf aufnehmen.

Eine frühere Version dieses Buchs erschien bereits unter dem Titel "Wenn der Asphalt brennt"

Aktuelle Informationen, ein Gratis-E-Book und einen Newsletter gibt es  auf der Homepage: Autor-Martin-Barkawitz.de

SpracheDeutsch
HerausgeberElaria
Erscheinungsdatum25. Okt. 2018
ISBN9783964650757
5 Thriller Oktober 2018: Brückenteufel, Todestaucher, Messermädchen, Kalis Todestempel, Tokyo Speed

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    Buchvorschau

    5 Thriller Oktober 2018 - Martin Barkawitz

    Brückenteufel - Prolog

    Der Stein war groß wie die Welt und schwarz wie der Tod.

    Tatjana sah ihn auf sich zu rasen. Er wurde immer größer, wuchs scheinbar riesenfach vor der Windschutzscheibe ihres Autos. Tatjanas Herz schien sich in einen Eisklotz zu verwandeln, während das Blut heiß wie Lava durch ihren Körper jagte. Sie wollte schreien, aber ihre Kehle war plötzlich staubtrocken geworden.

    Sie dachte an Boris und an ihre bevorstehende Hochzeit, während sie verzweifelt das Lenkrad herumriss. Aber Tatjanas Überlebensinstinkt versagte gegenüber der Mordwaffe. Der Stein war schneller als die Ausweichbewegung des PKWs.

    Und dann kam der Schmerz – ein Blitz, der den Leib und die Seele gleichermaßen zerriss. Ein Gefühl, das alle anderen Empfindungen hinweg spülte, und zwar für immer. Als Tatjanas Wagen gegen die Leitplanke knallte und einige hundert Meter weiter endlich zum Stehen kam, war die Fahrerin bereits nicht mehr am Leben.

    1

    Saskia Koch ahnte nichts Gutes, als sie die beiden Männer in die Arztpraxis kommen sah. Sie kannte nur einen von ihnen, nämlich Polizeiobermeister Lothar Schlösser. Er gehörte zu den wenigen Beamten, die auf der kleinen Revierwache von Löhrfelden Dienst taten. Sein Begleiter war in Zivil. Aber er hatte ebenfalls das, was Saskia insgeheim den „Polizistenblick" nannte. Die Beiden sahen so ernst wie Sargträger bei einer Beerdigung aus. Und sie wandten sich direkt an Saskia, nicht etwa an eine ihrer Kolleginnen.

    „Wir müssen dringend mit Ihrem Bruder sprechen, Frau Koch."

    Mit diesen Worten wandte sich Schlösser an Saskia. Sie spürte, wie das Blut aus ihrem Gesicht wich. Es war jetzt vermutlich fast so weiß wie ihre Arzthelferin-Montur.

    Was hat denn Julian jetzt schon wieder angestellt? Dachte sie grimmig. Es ist elf Uhr, um diese Zeit pennt der Blödmann doch normalerweise noch.

    Es war nicht das erste Mal, dass Saskia wegen ihrem Bruder mit der Polizei zu tun hatte. Allerdings kamen die Beamten normalerweise zu ihr nach Hause, wenn wieder einmal eine Ruhestörung, ein Diebstahl oder ein BTM-Delikt angezeigt worden war. Die Polizisten wussten, wo sie das schwarze Schaf von Löhrfelden zu suchen hatten. Es war nach Saskias Meinung kein gutes Zeichen, dass die Beamten an ihrem Arbeitsplatz aufkreuzten.

    Sie atmete tief durch, bevor sie antwortete. Und sie versuchte, ihre professionelle Höflichkeit beizubehalten.

    „Ich kann Ihnen leider nicht sagen, wo sich mein Bruder momentan aufhält, Herr Schlösser. Haben Sie es noch nicht bei uns daheim versucht?"

    „Selbstverständlich haben wir das!"

    Diese Worte kamen nicht aus dem Mund des Polizeiobermeisters. Es war sein Kollege, der gesprochen hatte. Und seine tiefe Stimme hörte sich sehr ungeduldig an. Saskia blickte zu ihm auf und schaute in graue Augen. Sie konnte die mühsam unterdrückte Wut dieses Mannes förmlich spüren. Beklemmung machte sich in ihrem Inneren breit.

    Der Unbekannte fuhr fort: „Ich bin Oberkommissar Frank Lehmann von der Kriminalpolizei. Es geht um ein Tötungsdelikt, das sich heute auf der Autobahn südlich der Auffahrt Löhrfelden-Dreikirch ereignet hat. Wenn Sie uns etwas verschweigen, dann machen Sie sich der Beihilfe zum Mord schuldig, Frau Koch."

    Die Sätze des Kommissars trafen Saskia wie Hammerschläge. Ihr Kreislauf spielte plötzlich verrückt, was sie nicht verwunderte. Julian hatte ja schon eine Menge Unsinn verzapft, und bei einer einzigen Jugendstrafe war es bisher leider nicht geblieben. Zweifellos war ihr Bruder der größte Tunichtgut in Löhrfelden und Umgebung. Aber sie konnte sich Julian beim besten Willen nicht als Mörder vorstellen.

    Saskia nahm ihren ganzen Mut zusammen, als sie antwortete.

    „Ich verschweige Ihnen nichts. Um acht Uhr ist hier in der Arztpraxis Arbeitsbeginn. Seitdem bin ich hier, das können Ihnen meine Kolleginnen, Dr. Bruckner sowie zahlreiche Patienten betätigen. Als ich unser Haus um 7.30 Uhr verließ, war Julian womöglich noch in seinem Zimmer. Ich weiß es nicht, da ich mich von ihm nicht verabschiedet habe. Er schläft morgens gern länger, ich wollte ihn nicht stören."

    Weil er die halbe Nacht vor dem Computer zockt, fügte sie in Gedanken hinzu. Der Polizeiobermeister sprach nun wieder, und er klang etwas freundlicher als sein Kripo-Kollege.

    „Wir waren bereits bei Ihnen zu Hause, Frau Koch. Ihre Großeltern waren anwesend und sagten aus, dass sie Ihren Bruder heute früh noch nicht gesehen hätten. Ihre Eltern halten sich momentan offenbar in den USA auf. Ihr Großvater erlaubte uns, einen Blick in Julians Zimmer zu werfen. Es war leer."

    „Und sein Mountainbike befand sich nicht im Schuppen, ergänzte Lehmann. „Der Mistkerl, der den Stein von der Brücke geworfen hat, hinterließ dort einen deutlich erkennbaren Reifenabdruck eines 29 x 2,0 Fahrradreifens.

    „Es gibt aber noch mehr Mountainbikes in Löhrfelden, brachte Saskia schüchtern hervor. „Und außerdem könnte der Täter auch aus einem anderen Dorf gekommen sein.

    „Überlassen Sie die Ermittlungen bitte uns, sagte der Oberkommissar ruppig. „Wissen Sie nun, wo Ihr Bruder ist oder nicht?

    „Ich kann Ihnen seine Mobilfunknummer geben", bot Saskia an. Ihre Hand zitterte, als sie ihr Smartphone aus ihrer Tasche holte. Die beiden Polizisten notierten sich die Zahlenfolge. Schlösser versuchte sofort, Julian anzurufen. Aber das Gerät war ausgeschaltet.

    Lehmann knallte seine Visitenkarte auf den Tresen.

    „Bitte melden Sie sich sofort bei uns, wenn Ihr Bruder Kontakt zu Ihnen aufnimmt oder falls Ihnen noch etwas einfällt. Jede Kleinigkeit kann wichtig sein."

    Die Beamten drehten sich um und eilten grußlos davon. Saskia wagte kaum, aufzublicken. Sie spürte, dass sie sowohl von ihren Kolleginnen Melanie und Birgit als auch von sämtlichen Patienten angestarrt wurde. Die Tür zum Wartezimmer war offen gewesen, so dass mindestens ein halbes Dutzend Dorfbewohner den Auftritt der Polizisten mitbekommen hatten. In spätestens einer Stunde würde ganz Löhrfelden wissen, dass Julian Koch von der Polizei als ein mörderischer Steinwerfer gesucht wurde.

    2

    „Und Sie sind sicher, dass dieser Julian Koch der Täter ist?"

    Diese Frage stellte Oberkommissar Lehmann seinem einheimischen Kollegen, nachdem sie in die Polizeistation von Löhrfelden zurückgekehrt waren. Lothar Schlösser machte eine unbestimmte Handbewegung.

    „Zumindest ist er mein Hauptverdächtiger. Wir waren uns ja einig, dass die Mountainbike-Spuren auf einen Jugendlichen hindeuten. Ich kenne die Altersgruppe gut, unser Dorf hat ja kaum zweitausend Einwohner. Die meisten Kids machen entweder eine Berufsausbildung oder besuchen das Gymnasium in der Kreisstadt. Es gibt eigentlich nur eine junge Person, die für die Tatzeit kein Alibi hat und der ich so eine Irrsinnstat zutrauen würde. Wie Sie wissen, ist Julian Koch kein unbeschriebenes Blatt."

    Lehmann nickte grimmig.

    „Ich schlage vor, dass Sie eine Nahbereichsfahndung einleiten. Brauchen Sie Verstärkung?"

    „Das wäre nicht schlecht, Herr Oberkommissar. Ich kenne zwar die Umgebung wie meine Westentasche, aber der Nationalpark bietet zahlreiche Versteckmöglichkeiten."

    „Gut, dann schicke ich Ihnen eine Einsatzhundertschaft von der Landesbereitschaftspolizei. Wir müssen davon ausgehen, dass Julian Koch seine Flucht fortsetzt. Ich werde bundesweit nach ihm fahnden lassen, wir sollten auch die Medien einschalten. Immerhin haben mir die Großeltern seine Kontoverbindung verraten. Sobald er irgendwo Geld abzuheben versucht, kriegen wir ihn."

    Schlösser verzog den Mund.

    „Julian wird nicht weit kommen, denke ich. Er ist kein besonders raffinierter Krimineller, eher ein Tollpatsch ohne Unrechtsbewusstsein."

    „Er hat eine junge Frau auf dem Gewissen, stellte der Oberkommissar klar. „Wie schätzen Sie seine Schwester ein? Wird sie versuchen, ihm zu helfen?

    „Die Frage lässt sich schwer beantworten. Saskia Koch ist ein braves Mädchen, eine graue Maus. Im Gegensatz zu ihrem Bruder hat sie niemals Mist gebaut, soweit mir bekannt ist. Saskia hat nach der Schule sofort eine Ausbildung als Arzthelferin gemacht und arbeitet seitdem in der Praxis von Dr. Bruckner. Ich kann mir schon vorstellen, dass sie ihren Bruder zu kontaktieren versucht. Aber sie wird ihm nicht bei der Flucht helfen, sondern ihn zum Aufgeben bewegen. Im Gegensatz zu Julian ist Saskia die Tragweite seines Handelns bekannt."

    Lehmann stieß ein heiseres Lachen aus, das eher an das Bellen einer Hyäne erinnerte. Es klang jedenfalls nicht amüsiert. Der Polizeiobermeister kniff die Augen zusammen.

    „Habe ich etwas Komisches oder Unpassendes gesagt?"

    Der Oberkommissar schüttelte den Kopf.

    „Nein, überhaupt nicht. Es ist nur so, dass Sie nicht wissen, mit wem das Opfer verlobt gewesen ist. – Sagt Ihnen der Name Boris Dupic etwas?"

    Der Dorfpolizist schüttelte den Kopf. Lehmann sprach nun langsamer, betonte jedes Wort.

    „Dupic arbeitet für das organisierte Verbrechen. Er hat mindestens zwei Männer gefoltert und getötet, aber wir können ihm nicht das Geringste nachweisen. Dupic ist so clever, dass er sich noch nicht mal beim Falschparken erwischen lässt. Er gehört zu den gefährlichsten Verbrechern, die ich kenne."

    Die Wirkung dieser Information bliebe bei dem Polizeiobermeister nicht aus. Seine Lider begannen nervös zu flattern. Schlösser stieß langsam die Luft aus den Lungen.

    „Sie meinen – dieser Mann wird nach Löhrfelden kommen und die Sache auf seine Art regeln wollen?"

    „Falls das geschieht, dann Gnade uns Gott. – Ich habe jetzt zunächst das zweifelhafte Vergnügen, ihm die Todesnachricht zu überbringen. Wir müssen im engen Kontakt bleiben, Herr Schlösser. Ich weiß nicht, ob sich ein Blutbad wirklich vermeiden lässt. Aber wir sollten es um jeden Preis versuchen."

    Die beiden Beamten verabschiedeten sich mit Handschlag voneinander. Lehmann stieg in seinen Dienstwagen und kehrte nach Köln zurück. Er musste eine Umleitung nehmen. An der Stelle, wo dieser verfluchte Steinwerfer zugeschlagen hatte, war die Autobahn immer noch gesperrt. Die Spurensicherung arbeitete mit Hochdruck. Der Oberkommissar fragte sich, ob Dupic nicht schon längst Bescheid wusste. Er hielt den Verbrecher eigentlich nicht für einen Mann, der den ganzen Tag lang den Verkehrsfunk hörte. Aber wenn Tatjana mit ihrem Verlobten verabredet gewesen war, dann würde er sie allmählich vermissen. Oder?

    Lehmann führte sich vor Augen, dass Tatjanas Auto sich von der Großstadt weg bewegt hatte. Was war ihr Fahrtziel gewesen? Der Oberkommissar begab sich zunächst zum Präsidium und erstattete seinem Vorgesetzten Bericht. Kriminalrat Degenhardt zog seine Augenbrauen zusammen.

    „Das ist eine üble Sache. Ich werde mich um die Suchmannschaften für Löhrfelden kümmern. Nehmen Sie Frau Teich mit, wenn Sie Ihren Kondolenzbesuch bei Dupic machen."

    „Wieso das denn, Herr Kriminalrat? Glauben Sie, Dupic reagiert wie ein antiker Herrscher, der den Überbringer der schlechten Botschaft töten lässt?"

    „Ich meine, dass dieser Kriminelle völlig unberechenbar ist. Am liebsten würde ich das SEK zu ihm schicken. Aber Erstens liegt absolut nichts gegen ihn vor, und Zweitens wäre eine solche Aktion ein gefundenes Fressen für seine Staranwälte und ihre Pressekontakte. ‚Bewaffnete Spezialeinheit drangsaliert trauernden Witwer‘ – ich kann mir die Schlagzeilen schon lebhaft vorstellen."

    „Okay, ich nehme die Teich mit. Lehmann erhob sich von seinem Stuhl. „Und Sie haben recht, Herr Kriminalrat. Dupic ist absolut unberechenbar. Wenn er in der richtigen Stimmung ist, wird er auch zwei Kriminalbeamte töten. Aber nach unseren Leichen müssen Sie dann nicht suchen lassen, denn die wird man niemals finden.

    „Malen Sie den Teufel nicht an die Wand. Wir setzen jetzt alles daran, diesen Julian Koch aufzustöbern – und zwar, bevor Dupic es tut."

    Lehmann nickte und verließ das Büro seines Vorgesetzten. Er fand die junge blonde Kommissarin an ihrem Arbeitsplatz, wo sie fleißig auf der PC-Tastatur tippte.

    „Kleben Sie sich Ihr Kaugummi hinters Ohr, Eva. Es geht in den Außeneinsatz. Sie haben nicht zufällig ein schwarzes Kleidungsstück dabei?"

    „Nee, das kleine Schwarze wollte ich zum Dienst nicht anziehen, erwiderte Eva Teich frech. „Worum geht es denn?

    Der Oberkommissar brachte sie mit wenigen Sätzen auf den neuesten Stand. Daraufhin verging ihr das Scherzen. Eva Teich hatte eines der mutmaßlichen Folteropfer von Dupic gesehen und war danach nächtelang von Alpträumen geplagt worden.

    „Wir müssten Dupic eigentlich rund um die Uhr observieren, damit er keinen Unsinn macht", murmelte Eva Teich, während sie gemeinsam mit Lehmann ins Bahnhofsviertel fuhr.

    „Was Sie nicht sagen!, gab der Oberkommissar schlecht gelaunt zurück. „Und woher soll ich die Beamten für diese Maßnahme nehmen? Außerdem nützt es nichts, das wissen Sie genauso gut wie ich. Dupic hat gewiss einen Freund oder Kumpel, der diesen verfluchten Julian Koch liebend gern in Streifen schneidet, während Dupic mit angesehenen Bürgern Skat spielt oder sich ein anderes bombensicheres Alibi verschafft.

    „Dann gibt es also nichts, was wir tun können?"

    „Doch. Wir verbinden unseren Kondolenzbesuch mit einer möglichst taktvollen Gefährderansprache."

    Sie verließen das Präsidium und stiegen in den Dienstwagen. Die sonst so lockere und quirlige Eva Teich war schweigsam. Sie hatte die Lippen zusammengekniffen, so dass ihr Mund einem roten Strich ähnelte. Lehmann warf ihr einen Seitenblick zu.

    „Haben Sie Angst?"

    Die Kommissarin nickte.

    „Ich auch, räumte Lehmann ein. Das hatte er noch niemals zuvor getan, jedenfalls nicht in einem Einsatz. „Wenn wir reingehen, bleiben Sie einen Schritt hinter mir. Sie dürfen Ihre Waffe natürlich noch nicht ziehen. Aber es wäre gut, wenn Sie die Pistole möglichst schnell aus dem Holster holen könnten.

    „Meinen Sie wirklich, dass Dupic uns niedermetzelt?"

    Die Frage blieb zunächst unbeantwortet. Lehmann starrte nachdenklich auf die Fahrbahn, während er das Auto durch das Bahnhofsviertel lenkte.

    „Wir werden es wohl darauf ankommen lassen müssen", sagte er schließlich.

    Der Kriminalbeamte parkte neben dem Handyladen, der Dupic als Tarnexistenz diente. Der Killer stand hinter der Verkaufstheke und strahlte die Polizisten an. Aber Lehmann und Eva Teich fielen auf seine falsche Freundlichkeit nicht herein. Sie wussten zu viel über diesen Mann.

    Dupic war groß und athletisch. Sein Schädel war rasiert, der schwarze Vollbart kurz und gepflegt.

    „Was kann ich für Sie tun, Herr Oberkommissar? Benötigen Sie oder Ihre charmante Kollegin ein neues Smartphone?"

    „Wir sind leider dienstlich hier, Herr Dupic."

    Lehmann schaffte es immerhin, dass seine Stimme nicht zitterte. Eva befand sich momentan nicht in seinem Gesichtsfeld. Er hoffte einfach darauf, dass sie wirklich zurückschießen würde, wenn der Killer ausrastete. Doch Lehmann selbst würde zunächst als Kugelfang dienen müssen.

    Dupic griente. Er schien immer noch nicht zu ahnen, worum es ging. Umso größer würde der Schock für ihn sein.

    „Was soll ich denn angestellt haben, Herr Oberkommissar? Hat mich wieder so ein Dreckskerl verleumdet? Muss ich Dr. Zacharias anrufen?"

    Dr. Zacharias war ein Staranwalt, der Dupic schon öfter aus der Klemme geholfen hatte. Lehmann schüttelte den Kopf.

    „Das wird nicht nötig sein. Sie werden keiner Straftat beschuldigt, Herr Dupic. Wir sind gekommen, um Ihnen eine traurige Nachricht zu überbringen. Es geht um Tatjana Keller, sie …"

    „Was ist mit ihr?"

    Dupic unterbrach den Kriminalisten, schrie ihn an. Zwischen den beiden Männern befand sich die Verkaufstheke. Aber das war keine Barriere, die einen Mann wie Dupic hätte aufhalten können. Er hob seinen rechten Arm, wollte den Oberkommissar am Kragen packen. Doch er beherrschte sich. Die Frage war nur, wie lange sich Dupic noch zusammenreißen konnte.

    Lehmann wäre am liebsten einen Schritt zurückgewichen. Aber das war keine gute Idee. Nun war er seinem Vorgesetzten doch dankbar. Immerhin hatte der Oberkommissar Eva Teich als Rückendeckung. Aber ob das etwas nützen würde?

    „Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass Tatjana Keller heute gegen 11 Uhr bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist."

    Dupics Gesicht verzog sich zu einer Fratze des Schmerzes. Es fiel Lehmann schwer, für diesen eiskalten Mörder Mitleid zu empfinden. Aber in diesem Moment gab es für den Oberkommissar keinen Zweifel daran, dass Dupic Tatjana geliebt hatte. Falls dieser Mann überhaupt zu solchen Gefühlen fähig war. Die Augen des Killers schimmerten feucht. Lehmann konnte sich nicht vorstellen, dass Dupic weinen würde. Und wenn doch, dann keinesfalls vor den beiden Beamten.

    Lehmann und seine Kollegin warteten schweigend, während Dupic um Fassung rang. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen. Seine Unterlippe zitterte. Die Hände hatte er um die Kante der Ladentheke gekrampft. Seine Knöchel traten weiß hervor, so fest packte er zu.

    Es vergingen Minuten, bis Dupic wieder sprechen konnte. Seine Stimme bebte.

    „Moment mal … da kam doch vorhin eine Radiomeldung … Eine junge Frau sei gestorben, nachdem ein Steinwerfer auf der Autobahnbrücke … sprechen Sie von diesem Unfall? War Tatjana das Opfer?"

    „Unsere Ermittlungen dauern an", erwiderte der Oberkommissar. Ihm war selbst klar, wie dämlich diese Phrase für Dupic klingen musste.

    „Es war also der Steinwerfer!"

    Der Killer sprach diesen Satz aus, als ob er ihn in Granit meißeln wollte.

    „Wir haben großes Verständnis für Ihre Trauer, Herr Dupic. Aber ich muss Sie bitten, sich in unsere Ermittlungen nicht einzumischen. Ich gehe davon aus, dass wir den Täter verhaften und seiner gerechten Strafe zuführen können."

    „Wer war es?"

    „Darüber darf ich Ihnen keine Auskunft geben, das wissen Sie. Außerdem haben wir bisher nur Verdachtsmomente, die …"

    „Raus!, brüllte Dupic. „Verschwinden Sie, bevor ich mich vergesse!

    „Sie sind jedenfalls gewarnt, kommen Sie der Polizei nicht in die Quere."

    Lehmanns Satz klang in seinen eigenen Ohren mehr als lahm. Er wagte es auch nicht, dem Killer den Rücken zuzukehren. Dupic war es ohne Weiteres zuzutrauen, den Oberkommissar von hinten zu erschießen.

    Aber der Oberkommissar und die Kommissarin gelangten unangefochten nach draußen und stiegen in ihren Wagen.

    „Unsere Gefährderansprache scheint Dupic nicht besonders beeindruckt zu haben", bemerkte Eva Teich trocken.

    „Immerhin leben wir noch, gab Lehmann zurück. „Für diesen Steinwerfer sehe ich allerdings schwarz, wenn wir kein Überwachungsteam genehmigt bekommen.

    3

    Nachdem die Beamten gegangen waren, eilte Saskia in den Pausenraum und rief sofort daheim an. Als sie die vertraute Stimme ihrer Oma hörte, ging es ihr sofort etwas besser.

    „Die Polizei war gerade hier!", sprudelte es aus Saskia hervor. Sie berichtete ihre älteren Verwandten, was sich ereignet hatte.

    „Uns bleibt wohl nichts Anderes übrig, als für deinen Bruder einen guten Anwalt zu beauftragen", sagte Marlies Koch. Sie hörte sich beherrschter an als ihre Enkelin. Dennoch war Saskia sicher, dass auch ihre Großmutter sich Sorgen machte.

    „Wie konnte Julian nur so etwas Schreckliches tun, Oma?"

    „Die Frage lässt sich nicht beantworten, mein Kind. Noch steht ja gar nicht fest, dass er wirklich der Täter ist. Du musst dich beruhigen."

    „Das sagt sich so leicht! Saskia konnte ihr Schluchzen nicht unterdrücken. „Alle starren mich an, als ob ich selbst einen Menschen auf dem Gewissen hätte!

    „Kannst du den Doktor nicht fragen, ob er dir frei gibt?"

    Die Frage ihrer Großmutter drang wie aus weiter Ferne zu Saskia durch. Mit tränenerstickter Stimme antwortete sie: „Nein, das will ich auf keinen Fall. Ich muss den heutigen Arbeitstag irgendwie durchstehen."

    Sie beendete das Telefonat mit ihrer Oma und versprach, so bald wie möglich nach Hause zu kommen. Dann flitzte sie ins Bad und versuchte, ihr Äußeres halbwegs in Ordnung zu bringen. Aber man konnte ihr immer noch auf drei Kilometer gegen den Wind ansehen, dass sie geweint hatte.

    Als Saskia wieder an ihrem Arbeitsplatz erschien, nahm Birgit sie schwesterlich in die Arme.

    „Geht es wieder einigermaßen, Süße? Der Chef möchte mit dir sprechen."

    Saskia nickte ihrer Kollegin zu. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis Dr. Bruckner von dem Polizeibesuch in seiner Praxis erfahren hatte. Sie ging ins Behandlungszimmer und kam sich dabei vor wie auf dem Weg zum Schafott.

    Der Arzt erhob sich hinter seinem Schreibtisch, sobald Saskia den Raum betrat. Dr. Bruckner war ein sechzigjähriger magerer Mann mit schlohweißem Haar.

    „Nehmen Sie doch bitte Platz, Frau Koch. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Wir waren alle sehr bestürzt. Gibt es etwas, das ich für Sie tun kann?"

    Saskia ließ sich auf den Besucherstuhl vor dem Schreibtisch plumpsen. Ihre Knie waren weich wie Pudding.

    „Ich weiß nicht, was ich tun soll, Herr Doktor. Ich schwöre Ihnen, dass ich nichts von Julians Irrsinnstat geahnt habe. Sonst hätte ich ihn mit allen Mitteln davon abgehalten."

    Kaum hatte Saskia diese Worte ausgesprochen, als sie sich am liebsten auf die Zunge gebissen hätte. Denn sie gab durch ihre Aussage zu, dass sie ihren Bruder für den Mörder hielt.

    Und wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich war, dann hatte sie das vom ersten Moment an getan.

    Der Arzt machte eine hilflose Geste.

    „Wenn Sie Zeit für sich und Ihre Familie benötigen, dann gebe ich Ihnen frei."

    Genau das, was Oma vorgeschlagen hat, dachte Saskia. Aber sie schüttelte heftig den Kopf.

    „Nein danke, Herr Doktor. Daheim fällt mir die Decke auf den Kopf. Ich will versuchen, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Vielleicht kann die Polizei Julian bald verhaften, damit dieser Alptraum ein Ende hat."

    Dr. Bruckner nickte.

    „Sie sind eine tapfere junge Frau. Wir werden Ihnen den Rücken stärken, das verspreche ich. Und nun würde ich gern Ihren Blutdruck messen."

    Saskia ließ die Prozedur über sich ergehen. Sie wusste selbst, dass ihr Kreislauf verrückt spielte. Der Arzt gab ihr ein leichtes pflanzliches Beruhigungsmittel. Danach fühlte sie sich wirklich etwas besser.

    Den Rest des Arbeitstages funktionierte Saskia wie eine Roboterin. Ihre Kolleginnen und ihr Chef behandelten sie wie ein rohes Ei, aber dadurch ging es ihr nicht besser. Immerhin bewirkte die Medizin, dass sie sich durch ihre Sorgen nicht völlig aus der Bahn werfen ließ. Außerdem war Melanie so rücksichtsvoll gewesen, das Radio im Pausenraum auszuschalten. Saskia wollte nicht stündlich in den Nachrichten hören, dass eine junge Frau getötet worden war. Ihrer Meinung nach war es nur eine Frage der Zeit, bis die ganze Welt den Täter kennen würde. Wie sollte es dann weitergehen? Wie sollte Saskia in Löhrfelden leben, wo sie jeder kannte? Würden die Menschen mit dem Finger auf sie zeigen, sie die Mörderschwester nennen? Musste sie sich auf Psychoterror einstellen?

    Endlich konnte sie ihre weiße Kluft mit ihrer Alltagskleidung vertauschen. Birgit berührte sie zum Abschied leicht am Oberarm.

    „Nimm‘ dir die Sache nicht so zu Herzen, Süße. Vielleicht hat Julian es ja gar nicht getan."

    Aber es hörte sich nicht so an, als ob ihre Arbeitskollegin wirklich daran glauben würde. Und Saskia selbst tat es auch nicht.

    „Ja, vielleicht, murmelte sie höflichkeitshalber. „Danke, Birgit. Ich wünsche dir einen schönen Feierabend, wir sehen uns dann morgen.

    Saskia schloss ihr Fahrrad auf und schwang sich in den Sattel. Sie wohnte gemeinsam mit ihren Eltern und ihrem verfluchten Bruder in der geräumigen weitläufigen Villa ihrer Großeltern, die sich am Waldrand befand. Das Haus war seit vielen Generationen in Familienbesitz. Saskias Ururgroßvater hatte einst eine Fabrik besessen, die aber schon vor dem Zweiten Weltkrieg in Konkurs gegangen war. Unternehmer waren die Kochs schon lange nicht mehr, Aber aus dieser Zeit stammte die Villa, die eigentlich für eine normale Familie viel zu groß war. Doch ihr Opa sah es als seine Aufgabe an, die geerbte Immobilie in Schuss zu halten und zu restaurieren. Deshalb bastelte er meist irgendwo herum, denn etwas von der alten Bausubstanz bröckelte ständig ab.

    Saskia fuhr auf der Umgehungsstraße, als plötzlich ihr Smartphone klingelte. Automatisch nahm sie das Gespräch an, obwohl das Display eine unbekannte Nummer zeigte.

    „Hallo?"

    Einen Moment lang herrschte Stille, man hörte nur ein Rauschen. Saskia glaubte schon, einen Perversen in der Leitung zu haben. Da ertönte eine wohlbekannte Stimme.

    „Ich bin es."

    Saskia wäre vor Schreck beinahe in den Straßengraben gefahren. Das war auch kein Wunder, denn ihr Bruder rief sie gerade an! Sie bremste, ihre Knie waren wieder butterweich. Saskias Herz raste, und sie konnte kaum einen Ton herausbringen.

    „Julian! Wo bist du? Alle suchen dich."

    „Glaubst du, das weiß ich nicht? Was meinst du, weshalb ich mir ein neues Billighandy besorgt habe? Mit meinem Smartphone kann ich nicht mehr telefonieren. Die Bullen würden es sofort orten, wenn ich es einschalte."

    Daran hatte Saskia noch gar nicht gedacht. Sie war verblüfft darüber, dass ihr Bruder zu so einer vorausschauenden Überlegung fähig war. Aber dann überlagerte ihre heiße Wut jedes andere Gefühl.

    „Du bist ja so clever!, schrie sie ins Telefon. „Warum warst du nicht so klug, bevor du einen unschuldigen Menschen getötet hast?

    Für einen Moment herrschte wieder Schweigen. Saskia hörte nur, wie ihr eigenes Blut in ihren Ohren rauschte. Dann meldete sich ihr Bruder wieder zu Wort.

    „Ist der echt tot?"

    Sie, Julian! Du hast eine junge Frau getötet, falls es dich interessiert. Warum hast du das nur getan?"

    „Keine Ahnung. – Hör‘ zu, du musst mir helfen …"

    Keine Ahnung. Das war genau die Antwort, die Saskia von ihrem Bruder erwartete. Er schaltete nie das Gehirn ein, bevor er etwas tat. So war es schon immer gewesen. Sie hätte nicht sagen können, weshalb er so viel anders tickte als sie selbst. Gewiss, Menschen waren nun einmal unterschiedlich.

    Aber die Meisten wurden niemals zu Mördern.

    „Nein, ich werde dir nicht helfen. Du musst dich der Polizei stellen, Julian. Sonst machst du alles nur noch schlimmer."

    Es war, als ob er nicht zugehört hätte. Aber auch das war nichts Neues für Saskia.

    „Ich bin dein Bruder, okay? Du kannst mich doch nicht einfach hängenlassen. Außerdem war Andi auch dabei. Ich muss untertauchen, ich brauche mindestens 1.000 Euro."

    „Soll ich dir jetzt auch noch Geld dafür geben, dass du Mist gebaut hast?"

    „Ich kann nicht in den Knast gehen, Saskia. Da gehe ich kaputt. Bringst du mir die Kohle um Mitternacht in die Tannenschonung? Ich warte dort auf der Lichtung."

    Saskia gab es ungern zu, aber in gewisser Weise hatte Julian recht. Er war eine Memme, ein Schwächling. Wenn die Zustände in den Gefängnissen wirklich so schlimm waren, wie man sagte, würde Saskias Bruder dort sehr leicht zum Opfer werden. Wollte sie das wirklich?

    Julian spürte wahrscheinlich, dass sie weich wurde. So war es bisher immer gewesen.

    „Du bist die Einzige, der ich vertraue. Kein Wort zu den Bullen, okay? Wir sehen uns dann um Mitternacht."

    Saskias Bruder beendete das Telefonat und ließ sie mit einem fürchterlichen Gewissenskonflikt zurück. Sie zog die Visitenkarte von Oberkommissar Lehmann aus der Tasche, drehte sie nachdenklich zwischen den Fingern. Sie konnte den Kriminalisten einfach anrufen und die Polizei dann zum Treffpunkt führen. Julian würde buchstäblich ins offene Messer laufen, er hätte keine Chance.

    Aber – wenn er es nun doch nicht gewesen war? Saskias Bruder hatte von Andi geredet. Damit konnte nur Andi Brauer gemeint gewesen sein. Dieser Typ war ein Sonderling, der in einem ausrangierten Bauwagen mitten im Wald lebte. Er war rund zehn Jahre älter als Julian. Saskia wusste nicht, was die beiden verband, wenn man von einer Vorliebe für Drogen absah. Andi war einmal in der Arztpraxis gewesen, weil er sich beim Holzhacken verletzt hatte. Saskia mochte den Kerl nicht, sie verabscheute seinen lauernden Blick und seine schleimige Art. Sie traute es auch Andi zu, einen Stein von der Autobahnbrücke zu werfen. Wieso war sie noch nicht früher darauf gekommen?

    Ob sie Oberkommissar Lehmann einen Tipp geben sollte? Aber dann würde der Kriminalist wissen wollen, wie sie auf Andi kam. Und wenn dieser Freak nach seiner Verhaftung die ganze Schuld auf ihren Bruder abwälzte, sich vielleicht sogar als Tatzeuge aufspielte?

    Nein, das war keine gute Idee. Nachdem sie eine Weile mit sich selbst gekämpft hatte, steckte Saskia die Visitenkarte wieder ein. Sie wendete ihr Fahrrad, kehrte in den Ortskern zurück und hob am Geldautomaten 1.000 Euro ab. Dafür musste sie tief in den Dispo tauchen, aber normalerweise machte sie ja keinen Schulden.

    Als sie die Banknoten in ihre Tasche schob, fiel ihr ein, dass die Polizei womöglich schon ihr Konto überwachte. Oder sah sie jetzt schon Gespenster? Durften die Behörden das so einfach machen? Saskia wusste es nicht. Obwohl ihr Bruder schon öfter mit dem Gesetz in Konflikt geraten war, kannte sie sich mit den Rechten und Pflichten der Familienangehörigen von Straftätern nicht besonders gut aus. Saskia hatte immer versucht, ihre Augen vor diesem Teil der Wirklichkeit zu verschließen. Und sie hoffte, dass Julian irgendwann einmal zur Vernunft kommen würde.

    Aber momentan sah es absolut nicht danach aus. Saskia verdrängte den Gedanken. Sie wollte jetzt nur noch nach Hause und sich am liebsten die Bettdecke über den Kopf ziehen. Doch als sie ihr Rad im Schuppen abgestellt hatte und die Villa durch die Vordertür betrat, wurde sie sofort von ihren Großeltern bestürmt.

    Ihre Oma umarmte sie, und auch ihr Opa zog sie an sich, obwohl Kurt Koch normalerweise kein besonders gefühlsbetonter Mann war. Aber sie befanden sich eben alle in einer Ausnahmesituation.

    Saskias Großmutter war zwar genau wie ihr Ehemann über siebzig Jahre alt, sah aber jünger aus. Marlies arbeitete ständig im Garten, das hielt sie offenbar fit. Sie schaute Saskia forschend an.

    „Du bist ganz schön tapfer, Kleines. Es war gewiss nicht leicht, den heutigen Arbeitstag durchzustehen."

    „Die Leute müssen sich eben immer ihre Mäuler über ihre Mitmenschen zerreißen, sagte Opa grimmig. „Dabei steht noch gar nicht fest, ob Julian wirklich für diese Abscheulichkeit verantwortlich ist. Es wäre am besten, wenn er bei den Behörden eine Aussage machen würde. Hast du etwas von ihm gehört?

    Die Frage war an Saskia gerichtet. Sie fühlte sich miserabel, weil sie ihren Großvater anlügen musste. Also beließ sie es bei einem energischen Kopfschütteln.

    „Warum sollte sich Julian denn auch bei seiner Schwester melden?, fragte Oma. „Er kann sich doch denken, dass die Polizei schon Kontakt zu uns aufgenommen hat.

    Saskia versuchte, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.

    „Wissen Mama und Papa eigentlich schon Bescheid?"

    Kurt Koch nickte.

    „Ich habe vorhin bei Manfred angerufen und ihm von dem … Verdacht erzählt. Jutta und mein Sohn wollen so schnell wie möglich zurückkehren. Wenn sie noch einen Flug erwischen, sind sie vielleicht morgen schon wieder in Löhrfelden. Das erfahren wir dann aber rechtzeitig."

    „Du musst jetzt etwas essen, entschied Oma, während sie sich wieder an ihre Enkelin wandte. „Gerade in solchen Zeiten ist es wichtig, bei Kräften zu bleiben.

    Saskia protestierte nicht, obwohl sie überhaupt keinen Appetit hatte. Aber als sie dann in der Küche saß und Marlies ihre legendäre Gulaschsuppe servierte, langte Saskia doch zu. Nachdem sie ihren Teller brav leergegessen hatte, durfte sie auf ihr Zimmer gehen.

    4

    Saskia hatte kaum die Tür hinter sich geschlossen, als ihr die Tränen kamen. Sie warf sich auf das Bett und ließ ihren Gefühlen freien Lauf. Dabei konnte sie gar nicht so genau sagen, was sie überhaupt traurig machte.

    Eine junge Frau war gewaltsam und sinnlos ums Leben gekommen, so viel stand fest. Aber Saskia hatte das Opfer überhaupt nicht gekannt. Darum blieb ihr Bedauern abstrakt. Bei Julian lag die Sache anders. Er hatte es sich selbst zuzuschreiben, dass er jetzt in der Klemme steckte. Dabei spielte es eigentlich keine Rolle, ob nun Saskias Bruder oder dieser verflixte Andi den Stein geworfen hatte. Auf jeden Fall war der zweite Mann ein Mittäter. Man musste nicht Jura studiert haben, um diese Tatsache zu begreifen.

    Saskia verachtete sich selbst dafür, dass sie ihrem Bruder helfen wollte. Weshalb war sie nur so weich? Warum konnte sie nicht Nein sagen, obwohl er durch seine eigene Schuld in der Tinte saß?

    Saskia wollte über diese Frage nicht nachdenken. Sie schob sich ihre Ohrstöpsel ein und schaffte es einige Stunden lang, Musik zu hören. Ihre Gedanken ähnelten einem Ameisenhaufen. Kopfschmerzen stellten sich ein. Endlich war es beinahe Mitternacht. Die Tannenschonung befand sich keine zehn Minuten Fußweg von Saskias Elternhaus entfernt. Mit dem Fahrrad konnte man nicht gut dorthin gelangen, jedenfalls nicht in der Dunkelheit.

    Saskia trug Jeans und ein blaues T-Shirt. Sie zog sich Tennisschuhe und einen dunklen Kapuzenpullover über. Leise öffnete sie ihre Zimmertür und lauschte. Nein, von ihren Großeltern war nichts mehr zu hören. Wahrscheinlich hatten sie sich schon in ihr Schlafgemach begeben. Ob sie noch wach waren?

    Sie schlich auf Zehenspitzen die Treppe hinunter. So ein altes Haus „arbeitete" eigentlich ständig. Als Teenager hatte Saskia eine Zeitlang gerne Horrorstories gelesen und sich in dem verwinkelten Gebäude entsprechend gefürchtet. Aber irgendwann hatte sie begriffen, dass ihr von dem Haus keine Gefahr drohen würde.

    Nur von Menschen.

    Saskia kannte sich bestens aus und konnte sich auch in der Dunkelheit fast geräuschlos bewegen. Sie schlüpfte durch die Hintertür nach draußen. Die kalte Nachtluft tat ihr gut. Hier am Ortsrand gab es keine Straßenbeleuchtung. Die Sterne am tintenschwarzen Nachthimmel blinkten nur umso heller.

    Eine Taschenlampe hatte sie trotzdem mitgenommen. Saskia stieg über den Gartenzaun und verschwand wenig später im Unterholz. Ihr Orientierungssinn funktionierte bestens, aber dieser Wald war ihr auch fast so vertraut wie die Villa. In ihrer Kindheit hatte er für Saskia und Julian als Abenteuerspielplatz gedient.

    Sie musste die Taschenlampe nur dann und wann aufblitzen lassen, während sie sich zwischen den Bäumen auf ihr Ziel zu bewegte. Obwohl Saskia sich selbst für einen Angsthasen hielt, fürchtete sie sich nicht nachts allein in dem dunklen Gehölz. Menschen versetzten sie in Panik, aber nicht die Natur.

    Saskia atmete flacher, als sie die Lichtung betrat. Sie schaltete ihre Lampe nur ganz kurz an. Wenn Julian hier war, dann würde er jetzt wissen, dass sie gekommen war. Das Display ihres Smartphones zeigte 0.01 Uhr an. Sie war sehr pünktlich.

    Aber ob ihr Bruder auch kommen würde? Sie hoffte nur, dass er diesen Andi nicht im Schlepptau hatte. In Gegenwart dieses Kerls fühlte Saskia sich immer unwohl. Und sie hoffte insgeheim, dass der Freak den Stein geworfen hatte.

    Es raschelte im Gebüsch. Saskia führte sich vor Augen, dass auch jemand anders sich hier aufhalten konnte. Ein Triebtäter, beispielsweise. Und wenn so ein Sexmonster sich auf sie stürzte, dann waren zwar theoretisch ihre Schreie noch bis zu ihrem Elternhaus zu hören. Doch bis dann Hilfe eintraf, konnte ein Perverser sie in aller Ruhe vergewaltigen und umbringen.

    Saskia begann zu zittern, als sie die Umrisse einer Gestalt im fahlen Mondlicht vor sich erblickte. Aber gleich darauf hörte sie Julians Stimme.

    „Ich wusste, dass du kommen würdest."

    „Bilde dir bloß nichts ein!, antwortete sie patzig. „Ist dir überhaupt klar, was ihr angerichtet habt?

    Saskia sagte nicht du, sondern ihr. Es fiel ihr leichter, die Schuld am Tod der jungen Frau auf zwei Personen zu verteilen. Es war, als ob die Verantwortung ihres Bruders dadurch geschmälert wurde. Aber im nächsten Moment erkannte Saskia, dass sie damit nur sich selbst etwas vormachte.

    Julian druckste herum, er wollte offenbar nicht antworten. Sie zog das Geld hervor und drückte es ihm in die Hand.

    „Danke. Dieses Wort quetschte er sich ab. „Ich wollte nicht, dass es so krass abgeht, echt.

    „Was dachtest du denn, was geschehen würde, wenn man einen Stein von einer Autobahnbrücke schmeißt?"

    Diese Frage schwebte weiterhin im Raum, denn Julian reagierte nun nicht mehr. Saskia kannte ihn besser als die meisten Menschen auf der Welt. Und obwohl sie ihn nicht verstehen konnte, wusste sie doch genau, wie er tickte. Ihr Bruder dachte nicht nach, machte Unsinn, verwischte dann seine Spuren und versuchte, die Schuld auf andere abzuwälzen. So war es bisher immer gewesen.

    „Ich mach‘ den langen Schuh, sagte er schließlich. „Ich tauche erst mal in Frankreich oder Belgien unter, bis sich die Sache abgekühlt hat.

    „Wovon redest du überhaupt?, fragte sie entgeistert. „Was für eine Sache, Julian? Sprichst du von dem Tod der jungen Frau? Mord verjährt nicht, dafür kann man dich auch in vierzig oder fünfzig Jahren noch belangen.

    „Echt?"

    Saskias Ansage schien ihren Bruder zu überraschen. Aber es verwunderte sie nicht, dass er sich darüber keine Gedanken gemacht hatte. Julian war es egal, was übermorgen passierte. Warum sollte er sich dann über einen Zeitraum von fünfzig Jahren den Kopf zerbrechen?

    „Hör‘ zu, ich bin dann mal weg. Ich melde mich bei dir, wenn ich in Sicherheit bin. Du bist echt cool, große Schwester."

    Mit diesen Worten drücke Julian sie kurz an sich, dann drehte er sich auf dem Absatz um und verschwand in der Finsternis. Saskia blickte ihm nach. Sie war völlig sprachlos. Nicht ein einziges Wort des Bedauerns oder der Reue war über seine Lippen gekommen. Sollte ihr Bruder wirklich so ein gefühlloser Dreckskerl sein, der andere Menschen ohne Gewissensbisse töten konnte?

    Saskia fühlte sich schrecklich, weil sie ihm auch noch Geld gegeben hatte. Wie sollte es nun weitergehen? Plötzlich wurde ihr bewusst, dass man sie jetzt als Komplizin oder Mitwisserin ansehen konnte. Wäre es nicht das Beste, zur Polizei zu gehen und reinen Tisch zu machen?

    Einige Momente lang blieb Saskia unschlüssig auf der Lichtung stehen, dann ging sie zu ihrem Elternhaus zurück. Inzwischen zweifelte sie nicht mehr daran, dass ihr Bruder der Mörder war.

    5

    „Julian! Julian war es!!!"

    Der Schrei aus Andi Brauers Mund ging in einem Winseln unter, das kaum noch etwas Menschliches an sich hatte. Julian Kochs Kumpan saß auf einem Stuhl, konnte sich aber kaum rühren. Seine Arme und Beine waren mit Panzerband an dem Möbelstück fixiert worden. Und obwohl Andi soeben sehr laut gewesen war, konnte ihn kein Unbeteiligter hören. Der Stuhl stand nämlich in einem ehemaligen Lagerhaus, das sich inmitten einer Industriebrache befand.

    Andi war hier allein mit Boris Dupic und dessen Freunden Gregor und Eric.

    Das Blut tropfte von Andis gebrochenen Fingern auf den Boden. Dupic schwenkte die schwere Zange, die er in der Hand hielt, spielerisch hin und her. Der Killer konnte keine Genugtuung empfinden, obwohl es ein Kinderspiel gewesen war, diesen Versager zu kidnappen.

    Dupic hatte mit Hilfe seiner Freunde nur wenige Stunden benötigt, um zumindest einen der beiden Täter einzufangen und zu verschleppen. In der Nähe dieser verfluchten Autobahnbrücke gab es nur ein Dorf, nämlich Löhrfelden. Dupic kannte den Dealer, der in diesem öden Landstrich der Hauptlieferant für Drogen aller Art war. Der Killer hatte ihn einfach nur nach seiner Meinung gefragt.

    „Du kennst doch jede Menschenseele in diesem Kaff. Wem würdest du zutrauen, einen Stein von der Brücke zu schmeißen?"

    Der Dealer hatte nicht lange überlegen müssen: „Die meisten Typen dort sind total bieder und haben Schiss vor den Bullen. Für mich kommen eigentlich nur Andi und Julian in Frage. Der Eine ist ein durchgeknallter Waldschrat, der Andere ein Vollpfosten, der nichts auf die Kette kriegt."

    Gregor und Eric hatten Andi gefunden und in diesen Unterschlupf von Dupic geschleift. Der Killer hatte sich auf seiner Fahrt hierher vergewissert, dass er nicht von der Polizei verfolgt wurde. Auch seine beiden Freunde hatten keine Aktivität der Ordnungsmacht feststellen können. Also gab es keine Hilfe, auf die der Freak hoffen konnte.

    Dupic baute sich breitbeinig vor ihm auf. Dieses Wrack zitterte am ganzen Leib. Andi starrte auf die Zange, mit der Dupic ihm schon so viel Schmerz zugefügt hatte. Und er ahnte wahrscheinlich, dass seine Qualen noch nicht beendet waren.

    „So, dann hat also dein Freund Julian den Stein geworfen?"

    Andi nickte eifrig, antwortete mit krächzender Stimme.

    „Ja, es war Julian. Das schwöre ich!"

    „Und wo finde ich diesen Hurensohn?"

    „Das weiß ich nicht, ich …"

    Dupic ließ Andi nicht ausreden, sondern schlug ihm die schwere Zange ins Gesicht. Es knackte laut, als die Nase des Freaks brach. Nun floss das Blut nicht nur von seinen Händen aus auf den Boden, sondern sickerte auch aus seiner Nase auf sein Sweatshirt. Dupic zog unheilverkündend die Augenbrauen zusammen.

    „Wir sind hier nicht in Disneyland! Glaubst du, ich lasse den Dreckskerl entkommen, der meine Braut getötet hat? Weißt du, warum Tatjana mit dem Wagen unterwegs war? Sie wollte ihr Kleid anprobieren, das sie für unsere Hochzeit ausgesucht hatte. Ich durfte es noch nicht sehen, es sollte eine Überraschung für mich werden. Sie sagte, es brächte Unglück, wenn ich es vor unserer Eheschließung anschaue. Unglück …"

    Dupic ließ sich das Wort auf der Zunge zergehen. Dann schlug er noch einmal zu.

    „Es tut mir leid!", jaulte Andi.

    Der Killer grinste freudlos und wandte sich an seine Freunde.

    „So, es tut ihm leid. Na, wenn das so ist, dann müssen wir ihn wohl gehen lassen. Oder was meint ihr?"

    Gregor zuckte mit den Schultern.

    „Es ist deine Show, Boris."

    „Ja, damit liegst du wohl richtig", bestätigte Dupic.

    „Julian wollte abhauen, wegen der Bullen", sprudelte es aus Andi hervor. „Aber vielleicht hat er mich ja angelogen, keine Ahnung. Ich kann euch sagen, wo seine Familie lebt. Die Adresse ist Ahornweg 1 in Löhrfelden. Das Haus steht ganz dicht am Waldrand, da gibt es keine Nachbarn in der Nähe. Womöglich hat sich

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