Sea of Fear: Reise ins Ungewisse
Von Karin Kaiser
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Über dieses E-Book
Melissa wird durch einen Autounfall in eine völlig fremde Welt katapultiert und landet direkt auf einem Piratenschiff, besser gesagt, auf dessen Kapitän, der unfreiwillig ihren Sturz abbremst. Er stellt sich ihr vor als John Darrowmore, der die "Soul Saver" unter Kommando hat, ein Schiff, das menschliche Seelen zu einem ominösen weisen alten Mann bringt, der darüber entscheidet, was mit diesen Seelen geschieht. Doch der Weg zu seiner Insel führt über die Insel der inneren Dämonen und das düstere und gefährliche Meer der Angst...
- Überarbeitete und erweiterte Neuauflage -
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Buchvorschau
Sea of Fear - Karin Kaiser
Enttäuschungen
Der Himmel draußen war grau und verhangen, zwischen den Wolken blitzte es und kurz darauf folgte lauter Donner. Weltuntergangsstimmung. So wie der Himmel aussah, fühlte sich Melissa. Einsam, traurig, wütend. Vor zwei Monaten hatte sie ihrem Freund Simon freudestrahlend verkündet, dass sie ein Kind erwartete. Wer nicht strahlte, war Simon gewesen. Er mochte keine Kinder und Vater zu werden, war in seiner Zukunftsplanung nicht vorhanden. Wenn das Kind einmal da war, würde er sich ändern. Hatte sie geglaubt. Doch das Schicksal hatte ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nach zwei Monaten und fast täglichen Meinungsverschiedenheiten mit Simon hatte sie unerträgliche Unterleibsschmerzen und Blutungen bekommen. Der Arzt, den sie eilig aufgesucht hatte, hatte ihr bestätigt, dass sie eine Fehlgeburt gehabt hatte. Und ihre Welt war mit einem lauten Krachen zusammengebrochen. Simon hatte nach der Fehlgeburt geradezu erleichtert gewirkt, er hatte wirklich geglaubt, sie würden in ihrer Beziehung genauso weitermachen können wie vor dem Vorfall. Warum hatte sie erst so spät gemerkt, was für ein egoistischer Drecksack ihr Freund war? Sie hatten sich in den zwei Monaten nach der Fehlgeburt derartig auseinander gelebt, dass die Trennung schon vorprogrammiert war. Zum Glück hatte sie von einer Studienkollegin erfahren, dass deren kleine Wohnung kurzfristig frei wurde. Diese hatte eine Auslandsstelle angenommen und ein paar Möbel konnte Melissa auch übernehmen. So war sie schnellstens ausgezogen und hatte es bisher nicht bereut. Obwohl sie immer wieder eine enorme Traurigkeit wegen des Verlustes ihres Kindes überfiel und sie sich oft einsam fühlte, ging es doch besser. Doch oft – so wie heute – fühlte sie sich einsam und mutlos, obwohl ihre Eltern und ihre Freunde ihr Bestes taten, um ihr aus diesem Tief herauszuhelfen.
Melissa verließ ihren Platz am Küchenfenster und stellte die leere Kaffeetasse neben die Kaffeemaschine auf der Arbeitsplatte. Danach schlurfte sie ins Bad, um sich die Tränen aus dem Gesicht zu waschen.
Ein müdes Gesicht mit trüben Augen und wirren kupferbraunen Haaren sah sie an. Die junge Frau schaufelte sich eine Ladung Wasser ins Gesicht. Das machte es auch nicht besser. Die Niedergeschlagenheit in ihren grünen Augen blieb noch immer. Was sollte Melissa nur tun? Wie konnte sie nur aus diesem Loch der Depression herauskommen? Sie ging ins Wohnzimmer und knipste das Licht an. Das Zimmer war mit einer kleinen Schrankwand aus Kirschbaum-Holz eingerichtet, die ihre Eltern aus deren Gästezimmer geholt hatten, einer schwarzen Ledercouch, auf der eine Decke in rot-orange-gelb mit stilisierten afrikanischen Mustern lag und einer hübschen kleinen Stereoanlage, die sie günstig über Ebay erstanden hatte. In der Ecke am Fenster neben der Schrankwand hatte sie sich eine gemütliche Leseecke eingerichtet mit einem großen roten Ohrensessel und einer kleinen dunkelbraunen Kommode, die sie kurz nach Bezug der Wohnung auf einem Flohmarkt erstanden hatte.
Ihr Blick fiel auf ihr Bild von einem sich wütend aufbäumenden Meer im Sturm, in dem ein Schiff in die Wellen geworfen wurde. So hatte sie sich die letzten Jahre oft gefühlt: machtlos und getrieben von einer übermächtigen See.
Mit einem Seufzen nahm Melissa ihr Notizbuch und einen Kugelschreiber vom Wohnzimmertisch und kuschelte sich in ihren Lesesessel.
Vielleicht lenkte es sie etwas ab, ihre neueste Buchidee aus ihrem Kopf aufs Papier zu transportieren.
***
Jons Hände zitterten, als er das Bild von Beth an sich nahm. Wie hübsch sie auf diesem Foto ausgesehen hatte, ihre blonden Haare waren windzerzaust und ihre blauen Augen strahlten mit der Sonne um die Wette. Sanft hielt sie ihren Babybauch und blickte so stolz in die Kamera. Jon spürte, wie seine Augen feucht wurden und eine Träne langsam seine bärtige Wange herunterlief. Beth gab es nicht mehr. Und auch ihr ungeborenes Kind nicht. Vor drei Jahren, als sie auf dem Weg zum Bahnhof war, um ihre Schwester in Manchester zu besuchen, hatte sie ein Lkw erfasst und aus dem Leben gerissen. Brutal und rücksichtslos. Wenigstens hatte er noch ihre Hand halten können und ihr versichern können, dass er sie immer lieben würde und sie nie vergessen würde. Er sah noch ihr schwaches Lächeln vor sich, die Liebe in ihren Augen, bevor das Lebenslicht verlöschte. Nie wieder würde er ihr nahe sein und niemals das ungeborene Kind sehen. Es war, als hätte ein Unhold ihm das Herz aus dem Leib gerissen und nur noch einen Schatten davon in seinem Brustkorb zurückgelassen. Jon stellte das Bild zurück an seinen Platz im Regal und wandte sich um.
Einige Zeit hatte er seinen Schmerz im Alkohol betäubt und hatte sich so viele Besäufnisse geleistet, dass die Universität, für die er als Historik-Dozent arbeitete, ihn abmahnte. Wenn er noch einmal wochenlang nicht zur Arbeit erschien, würde er seinen Job loswerden. Gut, er hatte sich zusammengerissen