Tränen der Trauer - Tränen des Glücks
Von Barbara Hannay
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Über dieses E-Book
Verzweiflung, Trauer, Schmerz ... Nells große Liebe zu Jacob stand bisher unter keinem guten Stern. Zwanzig Jahre liegt ihre Trennung zurück, und sie haben sich nie wiedergesehen, da bringt ausgerechnet ein Unglück sie erneut zusammen. Gemeinsam wollen sie für das Baby ihrer tragisch früh verstorbenen Tochter sorgen. Fragend begegnen sich ihre Blicke über dem Bettchen des kleinen Sam, und plötzlich weint Nell Tränen des Glücks: vor Freude über das Kind und voller Hoffnung auf eine zweite Chance für ihre Liebe. Hat das Schicksal doch noch ein Happy End für sie vorgesehen?
Barbara Hannay
Die Kreativität war immer schon ein Teil von Barbara Hannays Leben: Als Kind erzählte sie ihren jüngeren Schwestern Geschichten und dachte sich Filmhandlungen aus, als Teenager verfasste sie Gedichte und Kurzgeschichten. Auch für ihre vier Kinder schrieb sie und ermutigte sie stets dazu, ihren kreativen Neigungen nachzugehen. Doch erst als sich die beruflichen Träume ihre Kinder erfüllt hatten, dachte Barbara Hannay ernsthaft darüber nach, ihre eigenen künstlerischen Ambitionen zu verfolgen. Zu diesem Zeitpunkt unterrichtete sie eine elfte Klasse in zeitgenössischer Literatur und entdeckte dabei eher zufällig das Genre Liebesgeschichten. Romances begeisterten sie – sie las sie leidenschaftlich gern, und wenig später begann sie mit ihrem ersten Manuskript. Um hauptberuflich als Autorin zu arbeiten, brach sie sogar ihr weiterführendes Studium an der University of Queensland ab. Der bevorzugte Schauplatz für ihre Romances ist das australische Outback. Wie schön diese Landschaft ist, hat sie bei verschiedenen Campingurlauben und Kanutouren erlebt. Barbaras Ehemann, der früher Journalist und Herausgeber einer Zeitschrift war, hat sie immer sehr unterstützt. Inzwischen wohnen sie auf Magnetic Island, einer paradiesischen Insel, die zum Great Barrier Reef gehört und ein geschütztes Landschaftsdenkmal ist. Für Barbara ist es einer der schönsten, unberührtesten Plätze der Welt und zudem nur 20 Minuten mit der Fähre vom lebhaften Townsville entfernt.
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Buchvorschau
Tränen der Trauer - Tränen des Glücks - Barbara Hannay
Barbara Hannay
Tränen der Trauer – Tränen des Glücks
IMPRESSUM
BIANCA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,
20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1
© 2008 by Barbara Hannay
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA
Band 1678 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Maria Poets
Fotos: Masterfile/Peter Griffith
Veröffentlicht im ePub Format im 12/2010 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86295-357-8
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
PROLOG
An einem Sommermorgen trafen sich Nell und Jacob in der Dämmerung am Fluss. Die versteckte Lichtung war der einzige Ort für die Tochter vom Boss und den Hilfsarbeiter, an dem sie ungestört sein konnten.
Sie kamen aus verschiedenen Richtungen. Nell war nervös, und Jacob wartete ungeduldig auf die Neuigkeiten, die sie für ihn hatte. Als er durch den leichten Morgennebel auf sie zuging, trug er den Kopf hoch erhoben und straffte die Schultern, als gehöre ihm die Welt.
Ein paar Schritte vor ihr blieb er stehen, und sie las die stumme Frage in seinen ernsten grauen Augen.
Zu beklommen, um sprechen zu können, schüttelte sie nur den Kopf.
„Du bist also schwanger", sagte er leise.
Nell blickte auf ihre ineinander verschränkten Hände. „Ich bin mir fast sicher. Sie hörte, wie er die Luft scharf einsog, und flüsterte: „Es tut mir leid.
Und zum ersten Mal begriff sie, dass sie sich fast ein wenig vor diesem großen jungen Mann fürchtete.
Plötzlich kam es ihr vor, als würde sie ihn überhaupt nicht kennen, trotz der vielen Stunden, die sie während ihrer langen, heißen Sommerferien heimlich mit ihm verbracht hatte. Eine Schwangerschaft änderte alles. Sie waren gezwungen, an eine gemeinsame Zukunft zu denken, auf die sie nicht vorbereitet waren.
Mehr noch fürchtete Nell sich vor der Reaktion ihres Vaters. Diesen Fehltritt würde er ihr nie verzeihen, und sie war sicher, dass er ihr nur eine einzige Möglichkeit lassen würde.
Bei diesem Gedanken zitterte sie und holte tief Luft. „Meine Eltern werden mich zu einem Abbruch zwingen. Grimmig runzelte Jacob die Stirn. „Das willst du aber nicht, oder?
Nein. Nicht einmal die Vorstellung konnte sie ertragen. Energisch schüttelte sie den Kopf.
„Du musst es nicht tun, Nell. Kommt gar nicht infrage." Er nahm ihre Hand und verflocht seine kräftigen Finger mit ihren. Sie spürte die vertraute Rauheit seiner Haut.
Trotz der Erschütterung ihrer vertrauten Welt schien der Fluss weiterhin sorglos vor sich hinzuplätschern, und der Duft von Eukalyptus und Kängurubäumen hing schwer in der Luft.
„Es tut mir leid", flüsterte sie noch einmal.
„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen." Jacob drückte sanft ihre Hand.
Tränen sammelten sich in ihren Augen. Er hatte ja recht, natürlich musste sie sich nicht entschuldigen. Wenn schon, dann traf die Schuld sie beide. Seit dem Moment ihrer ersten Begegnung, als sie von der Universität auf die Farm ihrer Eltern zurückgekehrt war, fühlten sie sich zueinander hingezogen.
Nell hatte beobachtet, wie hingebungsvoll Jacob die Pferde ihres Vaters versorgte, und sofort eine heftige Zuneigung für ihn empfunden. Der Zauber, der sie gefangen nahm, hatte sie blind für alles andere gemacht und ihren gesunden Menschenverstand ausgeschaltet.
Jetzt zog Jacob Nell an sich, und sie legte ihren Kopf an seine Schulter. Genüsslich sog sie seinen männlichen Geruch ein, der ihr ein Gefühl von Geborgenheit vermittelte.
Jacob küsste sie auf die Augenbrauen. „Willst du mich heiraten, Nell?"
Sie schnappte überrascht nach Luft. Vor Aufregung wurde ihr abwechselnd heiß und kalt. Im Stillen hatte sie gehofft, dass Jacob genau diese Worte sagen würde, hatte gehofft, dass er sie und ihr Baby wollte. Es schien der einzige Ausweg, ihren Eltern überhaupt noch einmal unter die Augen treten zu können.
Mit bebenden Fingern zeichnete Jacob die Linie ihres Kinns nach. „Ich verspreche dir, dass ich für dich sorgen werde. Wir werden es schon schaffen."
Oh ja, sie würden es schaffen. Daran zweifelte Nell nicht. Jacob kannte sich ausgezeichnet mit Tieren aus, fühlte sich auf den Rücken eines Pferdes wie zu Hause und liebte das Land wie kaum ein Zweiter. In den Outbacks, dem weiten Buschland Australiens, konnte er jederzeit Arbeit finden. Es würde ihr nicht viel ausmachen, ihr Studium abzubrechen und arm zu sein, wenn sie nur mit ihm zusammenleben konnte.
Das einzige Problem waren ihre Eltern.
Wären sie nur nicht solche schrecklichen Snobs! Sie hatten Nell bloß auf die Universität geschickt, damit sie sich einen reichen Ehemann angelte. Wenn sie jetzt verkündete, dass sie den Sohn der Köchin heiraten wollte, kam das einer Kriegserklärung gleich.
Und was war mit Jacob? Meinte er es tatsächlich ernst? Er hatte ihr von seinem Traum erzählt, irgendwann einmal selbst Rinder zu züchten, aber das war noch Zukunftsmusik. Eine frühe Ehe passte nicht in seine Pläne.
„Bist du sicher, Jacob?"
Er schlang die Arme um ihre Taille und lehnte sich zurück, um sie anzusehen. Seine Miene war ernst, als ginge es um eine Frage von Leben und Tod. „Noch nie war ich mir einer Sache so sicher. Ich weiß, dass ich dir nicht viel bieten kann. Du verdienst einen reichen, gebildeten Mann."
Genau das würden auch ihre Eltern sagen, aber aus seinem Mund hörte es sich falsch an. Sie wollte schon protestieren, aber Jacob kam ihr zuvor.
„Ich liebe dich, Nell, und ich verspreche dir, dass ich für dich sorgen werde. Ich werde hart arbeiten. Ich werde mir einen zweiten Job suchen. Ich werde genug Geld für dich und das Baby verdienen, und eines Tages werden wir ein eigenes Haus haben. Eine große Farm wie Half Moon."
Seine Unerschrockenheit vertrieb ihre Ängste sofort.
Noch mal sagte Jacob: „Ich liebe dich. Das weißt du doch."
„Ja. Sie lächelte glücklich unter Tränen und schlang die Arme um ihn. „Und ich liebe dich so sehr, dass es wehtut.
Nell hob ihm die Lippen entgegen, und sie küssten sich voller Leidenschaft. Aufseufzend klammerte sie sich an Jacob. Mit seiner Kraft und seiner Stärke würde er sie für immer beschützen.
„Alles wird gut", sagte sie voller Zuversicht, und ein strahlendes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
„Dann wirst du mich also heiraten?"
„Ja, natürlich!"
„Ja!"
Eine Schar Finken stob erschrocken auf. Mit einem weiteren triumphierenden Aufschrei hob er Nell hoch. Ihr glückliches Lachen mischte sich mit dem Vogelgezwitscher, als er sie übermütig im Kreis herumwirbelte.
Sie würden heiraten. Zusammen mit ihrem Baby würden sie eine Familie gründen, und niemand würde sie aufhalten.
Jacob setzte Nell ab, ließ ihren Körper sanft an seinem hinabgleiten, was in beiden sofort heißes Verlangen weckte.
Erneut trafen sich ihre Lippen, hungriger als je zuvor. Nell legte ihre ganze Seele in diesen Kuss. Jacob sollte wissen, wie intensiv und bedingungslos sie ihn liebte.
Seine Hände glitten unter ihre Bluse und strichen sanft über ihre Haut, bis sie lustvoll erbebte.
Abrupt wurde die Stille des Sommermorgens von einem metallischen Klicken zerrissen.
Sie erstarrten.
Nells Herz pochte zum Zerspringen, während sie sich langsam umdrehte.
Im Schatten unter den Bäumen stand ihr Vater. Sein Gesicht war rot vor Wut, als er die Waffe hob und zielte.
1. KAPITEL
Der Gottesdienst war vorüber.
Nell wusste, dass sie aufstehen und hinausgehen musste, aber sie war sich nicht sicher, ob ihre Beine sie tragen würden. Sie hatte sich noch nie so leer gefühlt und wusste nicht, wie sie mit diesem Verlust fertig werden sollte.
Heute war es viel schlimmer als an jenem schrecklichen Tag vor zwanzig Jahren, als man ihr Tegan weggenommen hatte. Damals war sie im Krankenhaus gewesen und hatte unter dem Einfluss von Medikamenten gestanden, sodass sie gar nicht richtig begriffen hatte, was geschah. Doch in dieser Woche hatte ein Autounfall ihr die Tochter endgültig entrissen. Es gab nichts, was Nells Schmerz lindern könnte.
Ihr blieben nur die wenigen Erinnerungen an Tegan. Das neugeborene Baby hatte in ihren Armen gelegen, und die kräftigen Beinchen hatten das Tuch weggestoßen. Schon im Bauch hatte die Kleine kräftig nach ihr getreten. Nell erinnerte sich an das Gesichtchen mit den dunklen Augen, den weichen Flaum dunklen Haars und den winzigen roten Mund. Und an den unverwechselbaren, einzigartigen Babygeruch.
Die Erinnerungen quälten Nell bereits genug. Glücklicherweise blieb ihr das Mitgefühl der Leute erspart, das sich ganz auf Jean und Bill Browne konzentrierte. Sie hatten Tegan adoptiert. Nell wusste, dass sie zu ihnen gehen und mit ihnen sprechen musste, sobald sie ihre Fassung wiedergewonnen hatte.
„Nell?"
Steif drehte Nell sich um. Jean näherte sich der Kirchenbank, in der Nell saß. Ihre Hände spielten nervös mit einem nassen Taschentuch, und ihre Augen wirkten wie erloschen.
„Jean. Nell stand mühsam auf. „Es tut mir leid, dass ich noch nicht mit Ihnen gesprochen habe.
Die beiden Frauen – Adoptivmutter und leibliche Mutter – standen einander gegenüber und sahen sich an. Jean Browne wirkte erschöpft. Ihre hellen Augen waren blutunterlaufen, und das kurze, graue Haar hing schlaff und kraftlos herab.
„Bitte …" Die Frauen waren sich bereits am Tag nach dem Unfall begegnet, aber jetzt fand keine von beiden die richtigen Worte.
Nell nahm Zuflucht zu den Regeln der Höflichkeit. „Ich möchte Ihnen mein aufrichtiges Beileid aussprechen."
Jeans Augen schwammen in Tränen. „Für Sie muss es auch schwer sein."
„Ja. Nell versuchte, den pochenden Kopfschmerz zu ignorieren, nahm ihre Handtasche und schob sich unsicher durch die schmale Bankreihe. „Ich bin Ihnen und Bill sehr dankbar. Sie haben Tegan ein glückliches Zuhause gegeben und – die Liebe, die sie brauchte.
Jean nickte und schenkte Nell ein trauriges Lächeln, das allerdings gleich wieder erlosch. „Sie waren mir neulich eine große Hilfe. Ich hatte gehofft, wir könnten uns mal unterhalten. Über das Baby."
Nell presste ihre bebenden Finger vor den Mund. Während der Trauerrede war sie fast zusammengebrochen, als der Pfarrer Tegans Sohn erwähnte, der erst vor wenigen Wochen geboren worden war.
„Ich habe Sam heute bei der Babysitterin gelassen, sagte Jean. „Aber ich weiß, dass Sie ihn gerne sehen würden. Mr. Tucker ist übrigens ebenfalls hier.
„Mr. Tucker?" Nell zuckte zusammen.
„Tegans Vater."
Hätte Nell sich nicht an der Lehne der Kirchenbank in ihrem Rücken festklammern können, wäre sie wahrscheinlich ohnmächtig geworden.
Jacob Tucker ist hier?
Hatte er an der Trauerfeier teilgenommen?
Ein erstickendes Gefühl der Panik erfasste sie, als Jean einen raschen Blick das Kirchenschiff hinaufwarf. Abrupt fuhr Nell herum. Im hinteren Teil der Kirche, in der Nähe der Tür, stand Jacob. Schlank und aufrecht, mit ernster Miene.
Sein Gesicht lag teilweise im Schatten, trotzdem erkannte sie die kräftigen Brauen, die markante Nase und die kleine Furche in seinem Kinn. Selbst nach zwanzig Jahren war all das Nell noch schmerzlich vertraut.
Obwohl er einen schwarzen Anzug trug, war unschwer zu erkennen, dass er auf dem Land lebte. Die sonnengebräunte Haut, der kräftige Körperbau und die feinen Fältchen um seine Augen verrieten es, ebenso die Art, wie er dastand.
Ihn umgab eine Aura von Ungezähmtheit, die Nell beunruhigte und verstörte.
Noch immer konnte sie sich ganz genau an jenen Moment erinnern, als sie ihn zum ersten Mal im Stall ihres Vaters gesehen hatte. Sie wusste noch sehr gut, wie sehr seine Anziehungskraft sie verwirrt und schließlich in den Bann gezogen hatte. Und sie erinnerte sich an den furchtbaren Morgen am Ufer des Flusses. Damals hatte sie ihn zum letzten Mal gesehen.
Gelegentlich entdeckte sie sein Foto in den