Das Mädchen vom Moor: Sabrina - Band 6
Von Simone Scheffer
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Buchvorschau
Das Mädchen vom Moor - Simone Scheffer
Titel
Das Mädchen vom Moor
Simone Scheffer
Impressum
Copyright: Novo-Books im vss-verlag
Jahr: 2023
Lektorat/ Korrektorat: Chris Schilling
Covergestaltung: Hermann Schladt
Verlagsportal: www.novobooks.de
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie
Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrecht-lich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verfassers unzulässig
1
Die Sonne erhob sich aus ihrem Wolkenbett, um einen neuen Tag zu begrüßen. Sie drängte ihre Strahlen durch leichte Nebelschleier, die träge vom Moor heraufstiegen.
Das kleine Dorf duckte sich hinters Moor, die Heide dehnte sich weit und einsam aus. Der spitze Turm der Kirche stach wie ein mahnender Finger in den Himmel.
Die weißen Mauern des Herrenhauses leuchteten in der Morgensonne. Sigrid von Birgenström betrat die große Halle, die mit kostbaren Möbeln und Teppichen ausgestattet war. Über dem mächtigen Kamin hing das überlebensgroße Bild ihrer schönen Mama. Sie lächelte auf die schöne junge Tochter herab. Siri hob den Blick. Es war ihr, als wenn ihre Mama aus dem Rahmen des Bildes heraustreten müsste, um sie an diesem Morgen zu trösten.
„Mama! Wie schwer doch das Mädchenherz war. Keiner war da, der es getröstet hätte. „Ist es wahr, was mir die Ama erzählt hat? Hast du im Moor den Tod gesucht?
Immer wieder diese schreckliche Vorstellung, mit der Siri nicht fertig wurde. Schmale Hände griffen nervös an die Schläfen. „Marku, wo bist du? Warum kommst du nicht zurück, um mich tröstend an dein Herz zu nehmen?"
Es war ein herrlicher Morgen, doch das Herz des Fräuleins von Birgenström war schwer. Siri wandte sich ab.
Als sie in den Sonnenschein trat, sah sie ihren Vater hoch zu Roß. Er ritt über den Wirtschaftshof. Siri wandte sich schnell ab, denn sie wollte nicht ihrem Vater begegnen. Seit sie erfahren hatte, dass ihre schöne Mama im Moor den Tod gesucht hatte, mied Siri ihren Vater. Aber sie wanderte auch an diesem schönen Morgen, wie schon so oft, zum Moor hinaus, um darüber nachzudenken, warum ihre Mutter dort den Tod gesucht hatte.
Auch an diesem Tag saß sie dort, als hinter ihr im Gebüsch eine Bewegung entstand. Als sie sich umwandte, stand ein junger Mann vor ihr. Dunkelblondes Haar und helle, unternehmungslustige Augen schauten sie erstaunt an. Aber dann huschte ein Zeichen des Erkennens über das hübsche Gesicht des Burschen.
„Siribimba! rief er. Und dieser merkwürdig verspielte Name klang seit vielen Jahren endlich wieder an ihr Ohr. Sie saß zuerst noch völlig regungslos im Heidekraut. Sie lächelte in sich hinein, und ihr schmaler Körper zitterte. Sie schloss die Augen und bat: „Bleibe stehen, wo du bist, Marku! Bitte!
Er blieb stehen. Warf der kleinen Moorelfe einen zärtlichen Blick zu. Mein Gott, wie schön sie geworden war. Marku hatte sie zum letzten Male gesehen, als Siri dreizehn Jahre alt war. Bei der Beerdigung der jungen Gutsherrin.
Als er daran dachte, flog ein Schatten über sein Gesicht. Siris zärtliche Stimme erlöste ihn aus dunklen Gedanken, die in die Vergangenheit wandern wollten.
„Marku, Räuberchen!" rief sie leise und lockend. Da ließ er sich ebenfalls ins Heidekraut fallen und fasste nach ihren Händen. Siribimba lächelte ihrem Räuberchen innig zu.
„Wo warst du? Wie hat es dir in der Fremde gefallen? Wirst du jetzt bei mir bleiben, Räuberchen? Werde ich wieder einen Gespielen haben, wie in unseren sorglosen Kindertagen?"
Ihre veilchenblauen Augen forschten in seinem Gesicht, das sehr männlich geworden war. Sie hob die Hand, ließ Marku gar nicht zu Worte kommen und streichelte ihm über die Wange.
„Du bist ein Mann, Marku, bist gar nicht mehr mein Räuberchen!" sagte sie etwas erstaunt.
„Und du, Siribimba, du bist eine junge Dame geworden! lachte er. „Zum Gespielen werde ich dir nicht mehr dienen dürfen. Das wird dein stolzer Vater nie und nimmer zulassen. Bin ja nur der Sohn vom alten Torfstecher Jan Köllersund.
Siri riß erstaunt die Augen auf.
„Du sprichst eine fremde Sprache, Marku! War dein Vater nicht immer der beste Freund von meinem Vater? Mit wem hat er sich am liebsten unterhalten? Mit dem alten Jan! Der so klug zu schnaken versteht, wie Papa immer sagte. Warum redest du so mit mir?"
Sie war jetzt zornig, und das stand ihr allerliebst:
Marku saß ganz still an ihrer Seite. Er betrachtete sie. Und je länger er sie anschaute, um so zärtlicher klopfte sein Herz. Er war immer schon der Beschützer der zarten Siri Birgenström gewesen. Vier Jahre älter als sie, war er ihr immer stark, groß und zuverlässig erschienen. Quälte sie in den Kindertagen ein Leid, dann ging sie damit nicht zu ihren Eltern, sondern ins Haus des Torfstechers Jan Köllersund. Dort klagte sie ihr Leid, und Frau Senta gab ihr Trost. Und bei Marku suchte sie Schutz!
So waren die beiden schon von Kindheit an innig miteinander verbunden. Nun hatten sie sich seit fünf Jahren nicht mehr gesehen. Siri Birgenström war eine junge Dame und Marku Köllersund ein Mann geworden.
„Warum schaust du mich so an, Marku? Bin ich dir so fremd geworden?" Ihre Stimme klang ängstlich.
„Nein, du bist mir nicht fremd geworden, Siri. Aber ich frage mich, ob es überhaupt Sinn gehabt hat, mir in der Fremde immer wieder zu sagen: ,Du musst die kleine Moorelfe vergessen, Marku! Lache dir ein anderes Mädchen an, das zu dir passt!
Da sprang Siri auf die Füße. Ihre Augen konnten Blitze sprühen. So stand sie vor Marku und blitzte ihn an.
„Marku! So etwas darfst du nie wieder sagen. Du weißt, wir beide gehören zusammen."
Er fühlte sich seltsam angerührt von diesen Worten. Auch er erhob sich. Da standen sie voreinander.
„Siribimba, ich mödite nicgt, dass dir aus deiner Liebe Leid erwächst", sagte er innig. Da hoben sich ihre Arme und legten sich um seinen Hals. Ihr blühender Rosenmund war ihm so nahe, dass er gar nicht anders konnte, als ihn zu küssen. Und sie versanken in diesem Kuss, dass sie nicht bemerkten, wie Gunne Lördal, die hübsdie Angestellte aus dem Herrenhaus, hinter einem Birkenbusch hervortrat und das zärtliche Bild mit hasserfülltem Blick betrachtete.
Sie hatte ein Auge auf Marku geworfen. Sie wollte ihn für sich haben, und jetzt stand er umschlungen mit Siri Birgenström da.
Sie zog sich zurück, ehe die beiden sie bemerkten.
„Mir erwächst kein Leid aus deiner Liebe, Marku. Aber das, Räuberchen, mit den anderen Mädchen, das war ein schlechter Scherz von dir!"
Es sollte eine Maßregelung sein. Aber in ihren Augen stand eine bange Frage. Marku kannte sein Moorelfchen zu gut, als dass er diese bange Frage in ihren Augen nicht erkannt hätte. Er küsste Siri noch einmal sehr zärtlich und strich ihr übers Haar.
„Du bist mein Glück, Siri, sagte er. „Hast du es noch nie gefühlt? Seit du mich unters Joch zwangest, damals warst du erst fünf Jahre alt, bin ich dein mit Leib und Seele!
„Das ist gut, Räuberchen", lächelte Siri glücklich. Sie zog ihn wieder neben sich ins Heidekraut.
„Erzähle, Marku. Ich brenne darauf, wie es dir in der Fremde ergangen ist."
„Siri, ich muss in vier Wochen wieder fort. Ich habe Ferien. Aber im nächsten Jahr mache ich mein Examen, dann ist alles vorbei. Aber ich fürchte, dass ich nicht nach Birgenhain zurückkehren kann. Mein Beruf wird mich in die Welt führen."
Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
„Du hast eben gesagt, dass du mein bist mit Leib und Seele, Marku. Nun zerstörst du meinen wunderbaren Besitz mit unüberlegten Worten. Bin nicht so verträumt, dass ich nicht weiß, dass ein Mann nicht nur von der Liebe einer Frau leben kann. Natürlich muss er arbeiten. Wenn du mein bist, wie ich dein bin, dann bist du bald der Herr von Birgenström. Von unserem Gut, Marku! Du hast früher einmal zu mir gesagt, dass du dich auf dem Gut wohlfühlst. Ist das jetzt anders geworden?"
Marku senkte den Kopf.
„Siri, lass Zeit vergehen, bat er. „Mit deinem Vater müssen wir erst einen Ausweg suchen. Dem werde ich als Schwiegersohn nicht recht sein. Er ist ein reicher Mann. Hat nur das einzige Kind und den schönen Besitz. Der wird sich einen anderen zum Schwiegersohn auserwählt haben.
„Jetzt redest du wieder in der fremden Sprache, die mein Herz nicht erreicht, Räuberchen, sagte sie. „Ja, wir wollen Zeit vergehen lassen, ehe ich es dem Vater sage. Aber das tue ich nur aus egoistischen Gründen, weil ich dich ganz allein für mich haben will. Aber noch ehe du zurück musst, will ich es dem Vater sagen. Er ist ein schweigsamer, einsamer Mann geworden, Marku; Es ist manchmal schwer, mit ihm zu leben. Ich habe oft Angst, dann ist mir, als lebte ich auf Birgenström mit Gespenstern zusammen.
Er hatte den Arm um sie gelegt und fühlte, dass sie zitterte. Da zog er sie ganz innig an seine Brust und liebkoste ihr hübsches Gesicht.
„Siribimba!" lockte seine dunkle, zärtliche Stimme, und alles Leid dieser Welt war für die kleine Moorelfe vergessen.
Die Sonne machte sich auf den Weg zu neuen Pflichten und überließ dem Abend dieses Land.
„Ich muss heim, Räuberchen! Aber du musst mir versprechen, morgen wieder herzukommen."
„Ja, Siri. Ja!" jubelte Markus Stimme. Noch ein Kuss und noch ein Kuss. Ein paar Schritte Trennung. Dann wieder ein seliges Umarmen. Es ist für zwei junge Liebende immer schwer, sich trennen zu müssen.
Marku stand noch lange da und schaute der kleinen Elfe nach.
Sein Herz wurde schwer, als er den Heimweg antrat. Er hatte sich dazu hinreißen lassen, Siri einen Einblick in sein Herz zu gewähren. Er hätte dies nicht tun dürfen, denn er wusste, dass diese Liebe sich nie erfüllen konnte.
Marku wandte sidi dem Dorf zu. Als das Haus seiner Eltern aukauchte, wurde es ihm noch schwer ums Herz.
*
„Siri!" rief Ake Birgenström mit hart klingender Stimme. Siri, die im Garten Blumen schnitt, um