Der Bergpfarrer 424 – Heimatroman: Wirbel um Dr. Elena Winter
Von Toni Waidacher
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Über dieses E-Book
Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
Clemens Hardlinger schleppte sich mit letzter Kraft die steinerne Treppe seines Hauses hinauf und schloß mit einer müden Bewegung die Tür auf. Der Tierarzt von St. Johann hatte einen schweren, arbeitsreichen Tag hinter sich. Der Kollege vom Kreisveterinäramt hatte Seuchenalarm gegeben. Auf einem Bauernhof, in der Nähe von Waldeck, waren bei einer Muttersau Anzeichen der gefürchteten Maul- und Klauenseuche aufgetreten. Dr. Hardlinger war daraufhin den ganzen Tag unterwegs gewesen, um auf den umliegenden Höfen im Wachnertal nach dem Rechten zu sehen. Gottlob gab es keine Hinweise darauf, daß die Seuche sich schon bis hierher ausgebreitet hatte. Aufatmend ließ sich der Tierarzt in seinen Sessel sinken und wischte sich erschöpft über das Gesicht. Ein starker Kaffee, ging es ihm durch den Kopf, das wäre jetzt genau das Richtige. Aber eigentlich war er viel zu müde, sich zu erheben und in die Küche zu gehen. Schließlich raffte er sich doch auf, denn mittlerweile meldete sich auch sein Magen zu Wort. Seit dem Frühstück hatte Dr. Hardlinger nichts mehr zu sich genommen. Ansonsten aß er mittags im ›Löwen‹, oder, wenn er schon früh unterwegs war, kam es vor, daß er auf einem der Höfe zum Mittagessen eingeladen wurde. Doch heute hatte er, angesichts der Umstände, keine Zeit gehabt, einer solchen Einladung zu folgen. Es wird Zeit, daß du endlich in Pension gehst, dachte er, während er in seiner Küche stand und eine Brotscheibe mit Bergkäse belegte. Nebenan, auf dem Kühlschrank, stand die Kaffeemaschine. Sie blubberte und zischte, während der Kaffee durch den Filter lief. Der betörende Duft verstärkte das ohnehin schon vorhandene Hungergefühl.
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Der Bergpfarrer 424 – Heimatroman - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 424 –
Wirbel um Dr. Elena Winter
Toni Waidacher
Clemens Hardlinger schleppte sich mit letzter Kraft die steinerne Treppe seines Hauses hinauf und schloß mit einer müden Bewegung die Tür auf. Der Tierarzt von St. Johann hatte einen schweren, arbeitsreichen Tag hinter sich. Der Kollege vom Kreisveterinäramt hatte Seuchenalarm gegeben. Auf einem Bauernhof, in der Nähe von Waldeck, waren bei einer Muttersau Anzeichen der gefürchteten Maul- und Klauenseuche aufgetreten. Dr. Hardlinger war daraufhin den ganzen Tag unterwegs gewesen, um auf den umliegenden Höfen im Wachnertal nach dem Rechten zu sehen. Gottlob gab es keine Hinweise darauf, daß die Seuche sich schon bis hierher ausgebreitet hatte.
Aufatmend ließ sich der Tierarzt in seinen Sessel sinken und wischte sich erschöpft über das Gesicht. Ein starker Kaffee, ging es ihm durch den Kopf, das wäre jetzt genau das Richtige. Aber eigentlich war er viel zu müde, sich zu erheben und in die Küche zu gehen. Schließlich raffte er sich doch auf, denn mittlerweile meldete sich auch sein Magen zu Wort. Seit dem Frühstück hatte Dr. Hardlinger nichts mehr zu sich genommen. Ansonsten aß er mittags im ›Löwen‹, oder, wenn er schon früh unterwegs war, kam es vor, daß er auf einem der Höfe zum Mittagessen eingeladen wurde. Doch heute hatte er, angesichts der Umstände, keine Zeit gehabt, einer solchen Einladung zu folgen.
Es wird Zeit, daß du endlich in Pension gehst, dachte er, während er in seiner Küche stand und eine Brotscheibe mit Bergkäse belegte. Nebenan, auf dem Kühlschrank, stand die Kaffeemaschine. Sie blubberte und zischte, während der Kaffee durch den Filter lief. Der betörende Duft verstärkte das ohnehin schon vorhandene Hungergefühl. Mit einem wohligen Seufzer biß Clemens Hardlinger in das Brot. Den Kaffee in der Hand, setzte er sich wieder in seinen Sessel und schaute die Post durch, wozu er am Morgen nicht gekommen war. Er hoffte, endlich eine Antwort auf sein Inserat in der tierärztlichen Fachzeitung zu bekommen, das er bereits zum zweiten Mal aufgegeben hatte.
Neben einigen Reklamesendungen diverser Futtermittelhersteller, Informationsschreiben von Unternehmen für Tiermedizin und einer Monatsschrift des Tierschutzvereins, dem Dr. Hardlinger angehörte, befand sich auch ein Brief darunter, dessen Inhalt den Tierdoktor optimistisch stimmte. Der Absender war eine junge Kollegin, die auf sein Inserat antwortete. Dr. Hardlinger las das Schreiben mehrmals durch. Dr. Elena Winter hatte mit Auszeichnung promoviert und war zur Zeit die Assistentin des Laborleiters, einer großen Münchener Tierklinik. Wie sie schrieb, hatte sie schon seit längerem den Wunsch, eine eigene Tierarztpraxis zu übernehmen, wobei sie besonders die alpenländische Umgebung bevorzugte.
Dem Schreiben waren Kopien mehrerer Diplome beigefügt. Frau Dr. Winter hatte eine ganze Reihe von Seminaren besucht und sich auf vielfältige Art und Weise weitergebildet.
Erwartungsvoll griff Clemens Hardlinger zum Telefon und wählte die angegebene Münchner Nummer. Es wurde ein sehr langes Telefonat, das er mit der jungen Tierärztin führte.
»Also schön, Frau Kollegin, wir sehen uns dann in vier Wochen zu einem ersten Gespräch«, sagte er zum Schluß und legte zufrieden den Hörer auf die Gabel.
Er war gespannt auf das erste Treffen mit Elena Winter. Ihre Stimme hatte äußerst sympathisch geklungen, und sie weiß offenbar, was sie will. Wenn er sie richtig einschätzte, war sie eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben stand.
Gewiß würden dem ersten Treffen weitere folgen, bis man sich einig war, was die Übernahme der Praxis betraf. Doch Clemens Hardlinger war ziemlich zuversichtlich, daß er endlich eine Nachfolgerin gefunden hatte.
*
Alois Kammeier schaute nachdenklich auf das Papier, das zusammengeknüllt unter der Kirchenbank lag. Der Mesner von St. Johann konnte sich beim besten Willen nicht erklären, wie es dorthin gekommen war. Zum einen hatte er nach der letzten Messe, wie immer, ordentlich gekehrt, zum anderen war es noch nie vorgekommen, daß einer der Gläubigen während des Gottesdienstes Schokolade gegessen, und dann das Papier einfach unter die Bank geworfen hatte.
Aber dies war eindeutig das Papier eines Schokoladenriegels. Der Mesner hob es auf und steckte es in die Tasche seines Anzugs. Dann schaute er sorgfältig, ob noch mehr solcher Abfälle herumlagen, was aber eigentlich unmöglich sein konnte. Er fand auch nichts, trotzdem rätselte er immer noch herum, wie das Papier dorthin gekommen war.
Er schaute auf die Uhr. Bis zum Abendessen war es noch eine halbe Stunde. Zeit, die er nutzen konnte, um in der Sakristei Ordnung zu schaffen. Er betrat den Raum unter der Empore und blieb wie erstarrt stehen.
Eines der beiden kleinen Fenster stand offen, obwohl Pfarrer Trenker angeordnet hatte, sie beide stets geschlossen zu halten. Alois Kammeier wußte nicht, was er von der ganzen Angelegenheit zu halten hatte. Er hatte das Fenster gewiß nicht geöffnet, und er konnte sich nicht vorstellen, daß Hochwürden es getan hatte. Schließlich saß ihnen allen der Schrecken über den frevelhaften Madonnenraub vor einiger Zeit noch gut im Gedächtnis.
Eine schlimme Ahnung durchfuhr den Mesner. Hatten sich möglicherweise wieder dunkle Elemente hier herumgetrieben, um eine Möglichkeit auszubaldowern, die Kirche auszurauben?
»Das glaub’ ich net«, sagte Pfarrer Trenker.
Der Geistliche war auf den Ruf seines Mesners in das Gotteshaus geeilt. Sein Bruder Max, Polizeibeamter in St. Johann, hatte ihn begleitet. Er schaute sich aufmerksam um.
»Also, ein Fetzen Schokoladenpapier und ein offenes Fenster sind noch lang’ keine Indizien für ein beabsichtigtes Verbrechen«, meinte er.
»Ich werd’ trotzdem meine Augen offenhalten«, erwiderte Kammeier. »So ganz trau’ ich der Sach’ net.«
»Ein bissel merkürdig ist’s schon«, meinte Max, während sie zum Pfarrhaus hinübergingen. »Der Herr Kammeier ist die Sauberkeit in Person. Ich kann mir net vorstellen, daß er solch ein Stück Papier übersieht, beim Reinemachen. Und das mit dem Fenster ist auch net so ohne weiteres zu erklären. Es schaut so aus, als ob sich da jemand einen Einstieg hat offen lassen wollen. Ist dir während der Messe etwas aufgefallen?«
Sebastian überlegte. Nichts, was ungewöhnlich gewesen wäre.
»Naja, ich werd’ später noch mal hineinschauen, ob alles in Ordnung ist«, versprach Max.
*
Das langgestreckte Gebäude lag im Dunkel. Auch die Fenster waren, bis auf eines, unbeleuchtet. Franz Herrschwieger, Nachtwächter in der Münchner Tierklinik, schaute zu dem hell erleuchteten Fleck im dritten Stock empor und schüttelte den Kopf.
Machte die Frau Doktor schon wieder Überstunden!
Seit zwanzig Jahren war Franz schon hier angestellt und hatte eine Menge Ärzte kommen und gehen sehen, aber so eine, wie Elena Winter, war nie darunter gewesen. Die Frau rieb sich für ihre Arbeit regelrecht auf. Morgens war sie die erste und abends die letzte, die ging. Dabei hatte sie für jeden ein sympathisches Lächeln und ein freundliches Wort, egal, ob es sich um Prof. Dr. Birchler handelte, den Gründer und Leiter der Tierklinik, oder um Franz