Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Der Schoppenfetzer und die Gottesanbeterin: Erich Rottmanns einundzwanzigster Fall
Der Schoppenfetzer und die Gottesanbeterin: Erich Rottmanns einundzwanzigster Fall
Der Schoppenfetzer und die Gottesanbeterin: Erich Rottmanns einundzwanzigster Fall
eBook234 Seiten3 Stunden

Der Schoppenfetzer und die Gottesanbeterin: Erich Rottmanns einundzwanzigster Fall

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Im Würzburger Ringpark entdeckt Erich Rottmann die Leiche eines Radfahrers. Er wurde offen-sichtlich ermordet. Seltsame Verletzungen geben Florian Deichler, Leiter der Mordkommission und Rottmann, Rätsel auf. Alarmierend: Es ist bereits die zweite Leiche mit derartigen Spuren.
Hintergrund: Seit Wochen wird die Stadt von einer Bande Radfahrer terrorisiert. Rücksichtslos bret-tern sie in der Dunkelheit mit unbeleuchteten Hochleistungsbikes über die Gehsteige, Radwege und Straßen der Mainmetropole. Die Meldungen von Unfällen und sogar sexuellen Übergriffen häufen sich. Die Stadtregierung wiegelt zunächst einmal ab, da ja prinzipiell das Radfahren massiv geför-dert werden soll. Erich Rottmann wird persönlich betroffen, als er eines Abends mit Öchsle und Schöpple, Elviras jungem Hund, im Ringpark Gassi geht. Plötzlich rast aus dem Nichts ein Radfah-rer heran, übersieht die dünne Leine mit der Rottmann Schöpple führt und fährt mit Karacho zwi-schen dem Hund und Rottmann hindurch. Dabei verfängt er sich, zerrt Schöpple ein Stück mit und rammt Rottmann in ein Gebüsch. Unerkannt flüchtet der Täter. Wütend beschließt Rottmann der Bande und der Tatenlosigkeit des Rathauses den Kampf anzusagen. Im Rahmen ihrer Ermittlungen stoßen Rottmann und Deichler auf eine finstere, bedrohliche Macht. Ein Rottmann-Krimi, der den Schlaf raubt!
SpracheDeutsch
HerausgeberEchter Verlag
Erscheinungsdatum1. Nov. 2023
ISBN9783429066192
Der Schoppenfetzer und die Gottesanbeterin: Erich Rottmanns einundzwanzigster Fall

Mehr von Günter Huth lesen

Ähnlich wie Der Schoppenfetzer und die Gottesanbeterin

Ähnliche E-Books

Krimi-Thriller für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Der Schoppenfetzer und die Gottesanbeterin

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Der Schoppenfetzer und die Gottesanbeterin - Günter Huth

    Nächtlicher Schock

    Wenn Erich Rottmann ein luftiges kariertes Funktionshemd auswählte, täglich seine durchgeschwitzte Feinrippunterhose wechselte und anstatt seiner geliebten Breitcordhose eine aus leichtem Stoff bestehende Kniebundversion trug, musste man das als eindeutiges Zeichen dafür werten, dass die Klimaveränderung mit Saharatemperaturen in Unterfranken angekommen war. Seine Haferlschuhe ersetzte er durch Sandalen ohne Socken und auch auf seine geliebte Lodenjoppe verzichtete er schweren Herzens, aber nur bei Höchsttemperaturen. Zum Glück besaß die Hose eine Beintasche, in der er seine Bruyère nebst Tabak und Pfeifenstopfer unterbringen konnte.

    Kurz nach Mitternacht schleppte sich der Schoppenfetzer mit seinem Mischlingsrüden Öchsle und Schöpple, Elviras Welpen, durch den düsteren Ringpark. Vor einer Viertelstunde hatte sich der Stammtisch für heute aufgelöst. Ein deutliches Zeichen für die hitzebedingte Beeinträchtigung der Schoppenbrüder war die Tatsache, dass alle etwas verschämt zum Schoppen eine Flasche Wasser bestellten. Der Flüssigkeitshaushalt konnte mit Wein allein einfach nicht mehr reguliert werden!

    Elvira Stark hatte Rottmann gebeten, heute auf Schöpple aufzupassen, weil sie am Abend ein Treffen mit einem Dr. Grassmüller hatte. Der Mann war Rottmann gänzlich unbekannt, schien aber in der Stadt ein soziales Projekt zu betreiben, für das sich Elvira in ihrem Rentnerdasein gerne engagieren wollte.

    Bei dieser Besprechung hätte der junge, lebhafte Schöpple doch etwas gestört. Rottmann nahm ihn gerne in seine Obhut, da ihn der kleine Welpe mit seinem fröhlichen Wesen sehr an Öchsle in seinen jungen Jahren erinnerte. Kein Wunder, schließlich war Öchsle sein Erzeuger. In Gedanken versunken ging Rottmann durch den nächtlichen Park, während Vater und Sohn Hund durch die Büsche streiften. Wegen ihres dunklen Fells waren die beiden in der Nacht praktisch unsichtbar. Nur hin und wieder hörte man das Rascheln von Blättern und das Knacken dürrer Äste, wenn sie durch die Botanik sprangen. Der Schoppenfetzer bewegte sich dabei mit dampfender Pfeife quer über die ausgedörrte Rasenfläche, parallel zu der vor einiger Zeit von der Stadt mit viel Medienrummel eröffneten Schnellfahrtrasse für Fahrräder aller Art. Dies war wieder einmal ein seiner Meinung nach ziemlich hirnrissiges Projekt grüner Verkehrslenkungspolitik. Während er so durch das dürre Gras schlurfte, drang ein merkwürdiges Geräusch an sein Ohr. Rottmann blieb stehen, legte den Kopf schief und lauschte. Es klang wie Ächzen und Wimmern. Hatte sich einer der Hunde verletzt? Erich beschleunigte und eilte in die Richtung, aus der die Laute kamen, einer Ansammlung von Büschen in der Nähe der Kreuzung Ottostraße/Sanderring. Da hörte er auch schon das tiefe Bellen von Öchsle, in das Schöpple mit seiner hohen Welpenstimme sehr bemüht einfiel.

    „Bestimmt eine freilaufende Katze!, grantelte Rottmann. Es wäre nicht das erste Mal, dass Öchsle einem Stubentiger hinterherjagte. „Da bringt er dem Kleinen gleich diese Unart bei! Leise vor sich hin brummelnd, näherte er sich mit erhöhter Geschwindigkeit dem Geschehen, was bei der hohen Umgebungstemperatur einen verstärkten Schweißausbruch zur Folge hatte. Schließlich erreichte er die beiden Vierbeiner, die neben der Schnelltrasse in einem Gebüsch etwas verbellten. Im Gras entdeckte er einen Lichtschein.

    „Jetzt gebt aber mal Ruhe!", kommandierte der Schoppenfetzer, dabei trat er näher, um nachzusehen, was die beiden so aufregte. Das Fahrradlicht zeigte ihm die Richtung. Zuerst konnte er eines dieser modernen Lastenfahrräder erkennen, das am Rande des Gebüsches auf der Seite lag. Beim zweiten Hinsehen entdeckte er zu seinem Erstaunen ein menschliches Bein, das teilweise unter dem Kasten des Rads hervorschaute. Das sah ganz nach einem Unfall aus!

    „Aus jetzt …!", befahl er, nun deutlich strenger, weil Öchsle und Schöpple noch immer herumkläfften. Nachdem er die Zweige geteilt hatte, konnte er Einzelheiten erkennen. Von den Büschen verdeckt, teilweise unter dem Rad eingeklemmt, lag da eine junge Frau. Sie trug keinen Fahrradhelm und man konnte ihre blutige linke Gesichtshälfte erkennen.

    „Hallo …, unternahm Rottmann einen Versuch, sie anzusprechen, „hallo, können Sie mich hören? Keine Reaktion. Sie war offensichtlich ohne Bewusstsein. „Zurück mit euch!" Er drängte die mittlerweile verstummten Hunde weg, die sich neugierig genähert hatten, und befreite sich von der Umklammerung der Zweige. Dann griff er zu seinem Mobiltelefon und wählte die Notrufnummer. Er teilte der Einsatzzentrale seinen Standort mit, dann kroch er erneut zu der Verletzten. Vorsichtig zog er das schwere Fahrrad etwas zur Seite, um die Frau zu entlasten. Er löste die festgeklippte, batteriebetriebene Fahrradlampe. Damit konnte er den Fundort besser ausleuchten. Die Frau hatte eine stark blutende Kopfverletzung. Neben ihrem Kopf lag ein blutiger Stein, auf den sie wohl aufgeprallt war. Als er sich wieder über sie beugte, gab sie ein Stöhnen von sich. Mühsam versuchte sie die Augen zu öffnen.

    „Hallo … hallo … ich bin Erich, sagte er leise. „Ich habe Sie gefunden. Bleiben Sie ganz ruhig liegen, Sie sind verletzt. Sie sind anscheinend mit dem Fahrrad gestürzt und haben sich am Kopf gestoßen. Ich habe bereits den Notarzt gerufen. Hilfe wird schnell hier sein. – Haben Sie starke Schmerzen?

    Die letzte Frage war eher rhetorischer Natur und Rottmann erwartete eigentlich keine Antwort. Er fasste nach ihrer Hand und hielt sie zur Beruhigung. – Langsam wurde sie klarer.

    „Mein … Kopf …, klagte sie leise, „… er tut so weh!

    „Das wird schon wieder", entgegnete Rottmann sanft und tätschelte ihr die Hand.

    „Plötzlich … plötzlich war da … ein schwarzer Schatten …, stieß sie erregt hervor. Ihre Stimme wurde lauter. „Ich bin auf dem Radweg gefahren … Sie machte eine Pause. „Dann bekam ich einen harten Tritt in die Seite … ich kam ins Trudeln, dann flog ich in die Büsche … dann weiß ich nichts mehr." Sie verstummte.

    „Regen Sie sich bitte nicht auf, gleich ist Hilfe da." Erich Rottmann wurde schlagartig klar, dass es sich hier nicht um einen bloßen Unfall handelte. Die junge Frau war einem bewussten Angriff ausgesetzt gewesen! Das änderte die Lage, denn das war ein Fall für die Polizei. Eine Minute später hörte er näherkommende Sirenen. Der Schein der Fahrradlampe diente den Rettern als Orientierung auf dem Weg zu der Verletzten. Während sich der Notarzt um die junge Frau kümmerte, griff Rottmann abermals zum Handy und rief die Einsatzzentrale der Polizei an. Er schilderte kurz den Tatbestand, dann bat er um Eile, weil bereits der Notarzt vor Ort sei. Anscheinend war eine Streife in unmittelbarer Nähe der Ottostraße unterwegs gewesen, denn nur wenige Minuten später näherte sich erneut ein Martinshorn. Die Sanitäter schnallten die Verletzte auf eine Trage, als zwei uniformierte Beamte herbeieilten. Rottmann stellte sich vor und erläuterte den Polizisten kurz den Sachverhalt. Öchsle lag in Rottmanns Nähe und beobachtete die Szene. Schöpple war vor dem Eintreffen der Rettung sicherheitshalber von Rottmann angeleint worden. Die Verletzte war noch immer ansprechbar, so konnte einer der Polizisten ihre Personalien aufnehmen, während der andere mit einem Fotoapparat Aufnahmen von der Fundstelle machte. Als die Retter in Richtung Krankenhaus davonfuhren, gesellte sich einer der Polizisten zu Rottmann und nahm auch dessen Personalien auf, dann ließ er sich von ihm den Sachverhalt schildern.

    „Was geschieht jetzt mit dem Fahrrad?", wollte Rottmann im Anschluss wissen.

    „Wir sagen dem Kriminaltechnischen Dienst sofort Bescheid, dass sie es gleich abholen sollen. Schließlich ist es ein Beweisstück – und von Ihnen brauchen wir dann morgen auf der Dienststelle eine Aussage."

    „Geht klar, gab Rottmann zurück und nahm die Visitenkarte des Beamten entgegen. Der steckte sein Notizbuch ein, dann seufzte er: „Sie werden es nicht glauben, aber das ist in diesem Monat bereits der zweite Vorfall, bei dem Radfahrer von Unbekannten attackiert wurden. Das alles, seitdem die Stadt diese Rennstrecke für Radfahrer eingerichtet hat. Anscheinend ist das für einige Fahrrad-Rowdys jetzt ein Freibrief, andere Verkehrsteilnehmer zu belästigen. Ich könnte mir vorstellen, dass uns das noch einigen Ärger bereiten wird. Er grüßte, dann begab er sich wieder zu seinem Kollegen.

    Rottmann sah zu, wie die beiden Beamten das Lastenrad ein Stück an den Wegrand zogen, damit man es besser sehen konnte. Wenig später setzten sie sich wieder in ihren Streifenwagen und fuhren davon. Ihre Nachtschicht war noch lange nicht vorüber.

    Langsam, noch immer gefangen von den Geschehnissen, ging Erich Rottmann mit seinen beiden vierbeinigen Begleitern nach Hause. Schöpple würde heute Nacht bei ihm übernachten. Elvira schlief in ihrer Wohnung einige Stockwerke höher mit Sicherheit schon tief und fest. Dem Welpen stand in Rottmanns Wohnung ja auch ein Körbchen zur Verfügung. Der Schoppenfetzer stellte den beiden Hunden ihr Futter hin und füllte den Wassernapf mit frischem Wasser. Letztlich riss er vor dem Schlafengehen alle Fenster auf und lüftete gründlich durch. Wenig später gab er gleichmäßige Schnarchgeräusche von sich.

    Vor einigen Wochen

    Der Würzburger Kessel und seine Bewohner stöhnten einmal mehr unter einer drückenden Hitzeglocke. Das Thermometer bewegte sich schon seit Tagen gnadenlos auf die 40-Grad-Marke zu. Über Nordbayern lag ein stabiles Hochdruckgebiet, das kaum von der Stelle kam. Das gesamte Maintal dürstete schon seit Wochen nach Regen. Die sonst so lebenspendenden Fluten des Mains glichen bei niedrigem Wasserstand einer braungrauen, träge dahinfließenden Brühe. Der Fluss stand kurz vor dem Umkippen. Die Mauern der Häuser heizten sich massiv auf und fanden auch in der Nacht nur geringe Abkühlung. Der Asphalt warf Blasen und blieb an den Schuhsohlen haften. Selbst den größten Klimaleugnern kam in stillen, schweißtriefenden Minuten der Gedanke, dass an den globalen Klimaveränderungen etwas Wahres dran sein könnte.

    Im Rathaus unterlag die Leistungsfähigkeit der ansonsten stets hochmotivierten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Verwaltung im Tagesverlauf einem exponentiellen Sinkflug. Der Personalrat gab die besorgte Empfehlung aus, sich bei der Arbeit nicht zu sehr zu erhitzen, um die Temperatur in den Büros nicht in gesundheitsschädliche Höhen steigen zu lassen. Das Regierungstriumvirat, bestehend aus dem Oberbürgermeister, dem zweiten Bürgermeister und der dritten Bürgermeisterin, konnte sich derartige Leistungsverluste nicht erlauben, schließlich hatten sie eine Metropole zu regieren. Der Kämmerer erhielt daher als Ergebnis eines kleinen Gipfels dieser drei Leistungsträger den Auftrag, drei Fußwannen anzuschaffen, mit deren Hilfe die Regierenden diskret unter dem Schreibtisch ihre Füße abkühlen konnten, um dadurch die Körpertemperatur von „fast Fieber auf „leicht erhöhte Temperatur zu senken. Als die Vorsitzenden der Stadtratsfraktionen davon Kenntnis erlangten, regten sie in der Kämmerei in seltener Einigkeit ebenfalls eine Sammelbestellung von Fußwannen an. Sie versprachen sich davon, die Leistungsfähigkeit der Rätinnen und Räte während der in der Hitzeperiode grundsätzlich nach Sonnenuntergang stattfindenden Sitzungen zumindest rudimentär zu erhalten. Äußerst problematisch gestaltete sich dabei die Farbgebung der Wannen, weil sich natürlich jede Partei mit ihrer spezifischen Farbe wiederfinden wollte. Schwierig war es beispielsweise, die Farbe Blau zu bekommen, weil offenbar damit schon viele andere Käufer baden gegangen waren.

    Die beiden hochqualifizierten Mitarbeiterinnen der Kämmerei lösten das Problem, indem sie nach längerer interner Beratung kurz entschlossen Wannen in reinem Weiß bestellten, da diese im Handel am günstigsten waren. Einwände von Betroffenen dagegen wischten sie vom Tisch mit der Begründung, Weiß sei die Farbe der Unschuld. Wobei sie sich nicht dazu äußerten, wie ihrer Meinung nach die Arbeit des Stadtrats mit diesem Begriff in Einklang zu bringen sei. Wasser und Handtuch mussten die Räte selbst mitbringen. Dem eigens geschaffenen Amt des Wannenwarts und seinen drei Helferinnen und Helfern oblag es, nach den Sitzungen für die Entsorgung der kontaminierten Flüssigkeiten zu sorgen. Diese übernahm erstaunlicherweise freiwillig der Reinigungsdienst des Hauses. Des Rätsels Lösung? Die findigen Reinigungskräfte hatten herausgefunden, dass das gebrauchte Kühlwasser einen gewissen Prozentsatz Sulfite enthielt, die über die schwitzenden Füße der mit Frankenwein gestärkten Rätinnen und Räte ausgeschwemmt wurden. Wegen der darin enthaltenen antioxidativen und antimikrobiellen Schwefelbestandteile war dieses Abwasser im ganzen Haus hervorragend als wirksamer Bodenreiniger einsetzbar.

    Wie immer und überall in der Politik gibt es auch im kommunalpolitischen Raum Kräfte, die nur darauf lauern, dass beim jeweiligen politischen Gegner Schwächen auftreten, die man für die Durchsetzung eigener Ziele nutzen kann. Schon seit geraumer Zeit ging der Oberbürgermeister der Stadt Würzburg mit dem Wunsch schwanger, seine Stadt zur ersten völlig autofreien Kommune Bayerns auszugestalten. Insgeheim hoffte er, die Grünen für sein Bestreben zu gewinnen, doch bisher schreckte die Mehrheit der Vertreter dieser Partei davor zurück, einen entsprechenden Antrag im Rat einzubringen. Sie befürchteten, die rebellischen Bürger Würzburgs könnten sie erneut mit einem Bürgerbegehren konfrontieren. Noch einmal wollten sie eine solche Schlappe nicht riskieren! Aber nicht nur Butter schmilzt in der Sonne – auch der Wille politisch Verantwortlicher erfuhr in der Hitze des Klimawandels eine deutliche Schwächung. Daher sah der OB die Chance gekommen, das Wagnis einzugehen, einen entsprechenden Antrag ins Bürgerparlament einzubringen. Es ist den Damen und Herren im Ratssaal sicher nachzusehen, dass sie in diesem Tropenklima, das ihnen den Schweiß aus den Poren trieb und die Saugfähigkeit getragener Baumwollbekleidung bis an die Grenzen der Belastbarkeit ausreizte, anstehende schwierige Entscheidungen gerne einmal vertagten. Doch das Stadtoberhaupt blieb hartnäckig, und so landete folgender Antrag auf der Tagesordnung der nächsten Stadtratssitzung:

    „Der Stadtrat möge beschließen, dass im gesamten Ringpark, beginnend an der Friedensbrücke, vorbei am Bahnhof, unterbrochen durch den Berliner Ring, am Hauptfriedhof vorbei und das Klein-Nizza querend, bis hin zur Auffahrt Löwenbrücke eine befestigte, für den Gegenverkehr zweispurig befahrbare, zentrale Schnellfahrtrasse für Fahrräder jeglicher Bauart, mit und ohne elektrische Unterstützung, einzurichten sei. Alle anderen Wege im Ringpark, mit Ausnahme der Zu- und Abfahrten der Schnelltrasse, sind in der Konsequenz für den gesamten Fahrradverkehr zu sperren und ausschließlich den Fußgängern vorzubehalten.

    Begründung:

    Damit soll einerseits das herrschende wilde Radfahren in den gesamten Grünanlagen unterbunden und sollen andererseits die Radfahrer in die Lage versetzt werden, zügig diese Verbindung zu nutzen, um wichtige Punkte der Stadt ohne Beeinträchtigung durch Fußgänger oder Autos zu erreichen. Insgesamt soll sich durch diese Maßnahme der Autoverkehr in der Stadt deutlich reduzieren. Vor einer endgültigen Regelung ist für drei Monate eine Pilotphase vorzuschalten."

    Irgendwie landete dieser Antrag an letzter Stelle der Tagesordnung der nächsten Sitzung – ein Schelm, wer Böses dabei denkt – und kam auch prompt erst zum Aufruf, als schon die meisten der noch körperlich anwesenden Mitglieder des Stadtrats völlig erschöpft in ihren Sitzen hingen und kaum noch zu intellektuellen Leistungen fähig waren. Das Wasser in den Fußwannen hatte mittlerweile Körpertemperatur angenommen und brachte keinerlei Erfrischung mehr. Wen wundert es da, dass eine Aussprache über den Antrag nicht mehr gewünscht wurde? So rutschte der Antrag durch die neurologischen Filter der Anwesenden. Ihm wurde zu später Stunde von den noch wachen Ratsmitgliedern mehrheitlich stattgegeben. Gegenstimmen und Enthaltungen gab es keine, da niemand mehr die Energie aufbrachte, hierfür seine Hand zu heben. Bei einer neutralen, durch Hitze unbeeinträchtigten Betrachtungsweise wäre dies eine Entscheidung gewesen, die hochbrisanten gesellschaftlichen Sprengstoff enthielt!

    Schon am nächsten Tag leisteten die Buschtrommeln in Würzburg ganze Arbeit und verbreiteten die Nachricht in allen Bevölkerungsschichten. Tage danach, als diese Ratsentscheidung bereits in Presse, Rundfunk und Fernsehen Einzug gehalten hatte, erwachten einzelne Ratsmitglieder und es regnete heftige Dementis. In Interviews erklärten sie, sie seien bei dieser ominösen Sitzung, soweit sie sich erinnern könnten, gar nicht anwesend gewesen, sonst wäre dieser verrückte Antrag natürlich niemals durchgegangen! Jetzt war diese Entscheidung in der Welt und man musste damit umgehen. Die Damen und Herren Stadträte konnten ja schlecht zugeben, dass sie von gewissen Kräften richtiggehend über den Ratstisch gezogen worden waren. So erlangte diese Entscheidung Rechtskraft und wurde an das städtische Tiefbauamt mit der Bitte um baldige Erledigung weitergeleitet.

    Der Leiter dieser Behörde nahm den Auftrag am nächsten Tag kopfschüttelnd zur Kenntnis. Hatte die Hitze den Herrschaften bzw. Frauschaften völlig das Hirn weichgekocht? Hatten die eine Ahnung, welche Mengen von Material da aufgeschüttet werden mussten, um eine ordnungsgemäße, stabile Trasse herzustellen? Von den horrenden Kosten gar nicht zu sprechen! War das überhaupt mit dem Kämmerer abgesprochen, der ja die Haushaltsmittel hierfür bereitstellen musste? Letzterer hatte sich vor der betreffenden Ratssitzung zwei Wochen Urlaub genommen und lag zwecks Abkühlung zuhause unter dem Frischwasserzulauf eines Beckens der familieneigenen Fischzuchtanstalt, wo er, von jungen Zandern umschwärmt, ein Karibikgefühl entwickelte. Telefonisch war er leider nicht zu erreichen. Der Leiter des Tiefbauamtes beschloss, in der Probephase erst mal nur ein paar kostengünstige Schilder aufzustellen.

    Konspiratives Treffen

    Während die Bürger der Mainmetropole in den Häusern schwitzten, Klimageräte das Stromnetz an die Grenzen der Belastbarkeit brachten und schwüle Gedanken allenthalben durch die Köpfe geisterten, aber kaum zur physischen Verwirklichung reiften, gab es in einem Gartenhaus in der Kleingartenanlage Hubland in der Nähe der Uni eine Zusammenkunft. Die Hütte und der Kleingarten waren vom Großvater einer der Anwesenden gepachtet, der das Areal so gut wie nie benutzte. Die Einrichtung war rustikal, stark abgenutzt, aber irgendwie gemütlich. Um einen massiven Holztisch standen einige Holzstühle, auf denen sich mehrere Personen lümmelten. Eine Handvoll junger Männer und eine Frau, alle zwischen zwanzig und dreißig einzuordnen, trafen sich hier regelmäßig in ihrer Freizeit, um zu feiern. Die Nachbarn waren sehr angetan von den höflichen jungen Leuten, an deren Verhalten es nichts auszusetzen gab. Die Kleingärtner wussten natürlich nicht, dass alle zur Gang der Buffalo Bikers gehörten, die in Würzburg schon häufiger durch aggressives Verhalten gegenüber Bürgern in Erscheinung getreten waren. Diese Hütte hier hatten sie als ihren Treffpunkt, ihren sicheren Rückzugsort auserkoren. Hier gaben sie sich als harmlose Gruppe, als Wölfe im Schafspelz! Heute Abend trafen sie sich, um die revolutionäre Entscheidung

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1