Unsere eigene kleine Welt: Dr. Norden Bestseller 465 – Arztroman
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Über dieses E-Book
Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration.
Gemeinsam mit Dr. Daniel Norden verließ die Klinikchefin Jenny Behnisch das Krankenzimmer, in dem Nina Woldan nach einer Gehirntumor-Operation mit dem Tod rang. »So was hab' ich auch noch nicht erlebt«, erklärte sie ergriffen und fuhr sich über die müden Augen. »Seit ihre Mutter hier in der Klinik ist, wechseln sich Robin Woldan und seine Schwester Carina in ihrer Betreuung ab. Und das, obwohl wir genügend Personal zur Verfügung haben.« »Schön, dass es noch solche Menschen gibt. Wenn ich dran denke, wie viele Leute alleine in den Pflegeheimen vor sich hin vegetieren, ohne dass sich auch nur eine Menschenseele um sie schert … außer den Pflegern natürlich.« »Nimm zum Beispiel die Türkei. Dort ist es gang und gäbe, dass sich die Familie um kranke Angehörige kümmert, ihnen Essen in die Klinik bringt, die Medikamente kauft, die der behandelnde Arzt verschreibt. Unser Pflegesystem macht es den Menschen schon sehr leicht.« »Wie immer hat alles seine Vor- und Nachteile. Zumindest können hier die meisten Kranken ohne Familie trotzdem sichergehen, gut versorgt zu sein«, gab Daniel zu bedenken. Doch auch ihn hatte der junge Mann, den er eben kennengelernt hatte, sehr beeindruckt. »Wie lange machen die beiden das schon?« »Seit ein paar Wochen. Sie wechseln sich wochenweise ab.« »Und wie vereinbaren sie das mit ihrer Arbeit?« »Carina Woldan ist gut verheiratet und muss offenbar nicht arbeiten gehen.
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Buchvorschau
Unsere eigene kleine Welt - Patricia Vandenberg
Dr. Norden Bestseller
– 465 –
Unsere eigene kleine Welt
Patricia Vandenberg
Gemeinsam mit Dr. Daniel Norden verließ die Klinikchefin Jenny Behnisch das Krankenzimmer, in dem Nina Woldan nach einer Gehirntumor-Operation mit dem Tod rang.
»So was hab’ ich auch noch nicht erlebt«, erklärte sie ergriffen und fuhr sich über die müden Augen. »Seit ihre Mutter hier in der Klinik ist, wechseln sich Robin Woldan und seine Schwester Carina in ihrer Betreuung ab. Und das, obwohl wir genügend Personal zur Verfügung haben.«
»Schön, dass es noch solche Menschen gibt. Wenn ich dran denke, wie viele Leute alleine in den Pflegeheimen vor sich hin vegetieren, ohne dass sich auch nur eine Menschenseele um sie schert … außer den Pflegern natürlich.«
»Nimm zum Beispiel die Türkei. Dort ist es gang und gäbe, dass sich die Familie um kranke Angehörige kümmert, ihnen Essen in die Klinik bringt, die Medikamente kauft, die der behandelnde Arzt verschreibt. Unser Pflegesystem macht es den Menschen schon sehr leicht.«
»Wie immer hat alles seine Vor- und Nachteile. Zumindest können hier die meisten Kranken ohne Familie trotzdem sichergehen, gut versorgt zu sein«, gab Daniel zu bedenken. Doch auch ihn hatte der junge Mann, den er eben kennengelernt hatte, sehr beeindruckt. »Wie lange machen die beiden das schon?«
»Seit ein paar Wochen. Sie wechseln sich wochenweise ab.«
»Und wie vereinbaren sie das mit ihrer Arbeit?«
»Carina Woldan ist gut verheiratet und muss offenbar nicht arbeiten gehen. Für sie ist es leichter als für ihren Bruder. Der fährt nachts Lkw, schläft ein paar Stunden und kommt dann in die Klinik.«
»Bewundernswert. Ich möchte nicht mit ihm tauschen«, erklärte Daniel ehrlich ergriffen, und Jenny lächelte.
»Musst du auch nicht. Ich denke, du tust auch so schon genug für die Menschheit. Ein Wunder, dass Fee das so anstandslos mitmacht.«
»Als Ärztin hat meine liebe Frau gewusst, auf was sie sich einlässt. Aber du hast recht, das ist nicht selbstverständlich, dass sie über all die Jahre so viel Verständnis für meinen Beruf aufbringt.« Daniel warf einen Blick auf die Uhr. Seine Mittagspause war beinahe vorbei. »Aber wenn ich mich jetzt nicht beeile, dann bekomme ich Ärger von ganz anderer Seite. Meine Patienten haben nicht immer so viel Einfühlungsvermögen wie meine Familie.«
»Wär’ ja auch zu viel verlangt, findest du nicht?« Jenny Behnisch warf ihrem Kollegen und Freund einen augenzwinkernden Blick zu, ehe sie sich verabschiedete. Auch auf sie warteten noch zahlreiche Aufgaben. Der Tag war lange noch nicht vorbei.
*
»Es wird schon dunkel draußen«, erklärte Robin Woldan Stunden später mit leiser Stimme. Seine Mutter Nina antwortete mit einem kaum merklichen Nicken. Sie hielt die Augen geschlossen und atmete flach. Müde fuhr sich Robin übers Gesicht. Er wusste gar nicht mehr, wie viele Stunden er schon am Krankenbett verbracht hatte. Er hatte seiner Mutter zu trinken gegeben, sie gefüttert, als die Schwester das Essen gebracht hatte. Und er war ihr mehrmals bei ihrem Gang ins Bad behilflich gewesen, hatte ihr den Schweiß von der Stirn gewischt und ihr wieder zu trinken gegeben. Tagein, tagaus ging das so, fünf Tage die Woche. Nur am Wochenende gönnten sich die Geschwister eine Pause, überließen den Schwestern die Pflege der Schwerkranken. An diesen Wochenenden fühlte sich Robin aber nicht so ausgebrannt und müde, wie er eigentlich hätte sein müssen. Ganz im Gegenteil lechzte er ausgerechnet zu dieser Zeit nach Leben, sehnte sich trotz seiner Sorgen nach Unbeschwertheit und Leichtigkeit und stürzte sich voller Übermut in seine Tage. Er war jung, und auch wenn seine Mutter schwer krank war, wollte er das Leben in jedem Augenblick genießen. Es konnte so schnell vorbei sein. Diese Erfahrung hatte er schon öfter machen müssen.
Während er seinen Gedanken nachhing, verriet Ninas leiser, ruhiger Atem, dass sie endlich eingeschlafen war. Die einsetzende Dämmerung schluckte langsam das Licht im Zimmer, und Robin erhob sich seufzend. Es war Freitagabend, ein erholsames Wochenende lag vor ihm, das er wieder bis zur letzten Sekunde mit Leben füllen wollte. Der viele Kaffee, den er den ganzen Nachmittag lang getrunken hatte, tat seine Wirkung. Er fühlte sich hellwach, als er die Klinik verließ, um zuerst einmal einkaufen zu gehen. Dann wollte er weitersehen. Für ihn, der es gewohnt war, nachts zu arbeiten, war der Tag noch jung. Nach dem schleichenden Tod in der Klinik erwartete ihn das Leben in dieser Nacht!
*
Erleichtert begrüßte dagegen Natascha Brand den kommenden Abend. Der Tag im Tierladen war wie immer anstrengend gewesen, und heimlich linste sie wieder und wieder auf die Uhr, wann endlich Feierabend sein würde.
»Können Sie mir helfen?« Die Kundin, die schon länger ziellos im Geschäft herumgewandert war, schien sich endlich entschieden zu haben. »Unsere Tochter soll ein Tier bekommen. Aber mein Mann und ich sind uns einfach nicht einig, welches das richtige ist.«
»An was hatten Sie denn gedacht?« erkundigte sich Natascha freundlich und unterdrückte ein Seufzen. Das klang nach längerer Beratung. So schnell würde es wohl nichts mit ihrem wohlverdienten Feierabend werden.
»Mein Mann wollte einen Hamster anschaffen, je kleiner, je lieber. Aber Jenny wünscht sich einen Hasen. Und mir wären Vögel am liebsten. Wissen Sie, damals zu Hause hatten wir immer Wellensittiche. Die waren einfach zu drollig«, geriet die Kundin ins Schwärmen.
»Wie alt ist Ihre Tochter denn?«
»Sieben.«
»Dann rate ich entschieden von einem Hamster ab. Diese Tiere sind nachtaktiv. Tagsüber wollen sie ihre Ruhe haben. Das ist kaum die geeignete Unterhaltung für ein Kind.«
»Hab’ ich’s doch gewusst.« Auf dem Gesicht der Frau erschien ein triumphierendes Lächeln. Natascha konnte erraten, was sie ihrem Mann als Erstes berichten würde, wenn sie von ihrem Ausflug zurückkehrte. Ein weiterer Kunde betrat den Laden, den Natascha mit einem kurzen Nicken begrüßte, ehe sie ihre Aufmerksamkeit wieder der Frau zuwandte. »Wellensittiche sind allerdings auch nichts für ein kleines Kind. Man braucht schon viel Geduld, um die kleinen Clowns handzahm zu machen. Ich würde Ihnen zu Meerschweinchen raten. Die sind nicht so wild wie Hasen, brauchen nicht so viel Auslauf und lassen sich gerne streicheln. Zum Einstieg die idealen Haustiere.« Robin, der im Laden herumstriff und nach Katzenfutter suchte, lauschte dem Beratungsgespräch amüsiert.
»Meerschweinchen? Ich weiß nicht.« Angewidert verzog die Kundin das Gesicht. »Die erinnern mich immer ein bisschen an Ratten. Aber gut, zu einem könnte ich mich vielleicht überwinden.«
»Und wer soll den Käfig sauber machen, wenn Sie sich vor dem Tierchen ekeln?«
»Das muss Jenny tun. Sie will ja schließlich ein Tier«, kam die prompte Antwort. Natascha wurde immer unwilliger. Die Familie schien sich keine Gedanken über die Verantwortung gemacht zu haben, die die Haltung eines Haustiers mit sich brachte.
»Ich finde, Sie sollten die Sache noch einmal in Ruhe zu Hause besprechen. Vielleicht ist eine Jahreskarte für den Zoo das bessere Geschenk. Außerdem verkaufe ich Tiere, die von Natur aus in Familienverbänden leben, nur als Paar.«
Die Frau warf ihr einen empörten Blick zu.
»Das kann ja wohl noch ich selbst entscheiden.«
»Bei mir nicht«, antwortete Natascha entschieden. Wenn es um das Wohl ihrer Tiere ging, kannte sie kein Pardon. Die Kundin schnappte wütend nach Luft auf der Suche nach einem bösen Kommentar, als eine dunkle, sympathische Männerstimme durch den Raum tönte.
»Sie können also guten Gewissens entscheiden, ein Lebewesen zu lebenslanger Einzelhaft zu verdammen? Würden Sie etwa gerne alleine in einem Käfig leben?« fragte Robin frech. Zornesrot wandte sich die Kundin zu ihm um.
»Was geht Sie das an? Und überhaupt, ich glaube nicht, dass ich mich mit einem Meerschweinchen vergleichen lassen muss.« Ihre wütenden Blicke funkelten von einem zum anderen.
Angesichts der Überzeugung, die ihr entgegenschlug, trat sie den Rückzug an.