Ein Sommer mit Ariane: Fürstenkrone 275 – Adelsroman
Von Lydia von Carmin
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Über dieses E-Book
Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit.
"Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken.
»Die vielen hellen Stellen an den Wänden. Es hingen einmal Gemälde dort, nicht wahr, Herr Friedhelm?« Ratlos sah Ariane den alten Diener an, der von Buchenau nicht fortzudenken war. Er bemühte sich sehr, die gebeugten Schultern zu straffen, doch es gelang ihm nicht. Er nickte traurig, und seine Augen verschleierten sich. »Ja, es hingen sogar sehr kostbare Gemälde dort, darum haben wir sie ja auch verkaufen können.« »Wir?« fragte sie und merkte nicht einmal, wie heftig ihre Stimme klang. »Wer ist wir?« Sein Gesicht war voll stiller Würde. »Jedes Bild, das wir verkauften, suchte Ihr Herr Vater persönlich aus, Komteßchen. Ohne Wissen Ihres Herrn Vaters wurde nichts veräußert.« »Papa wußte es also«, murmelte Ariane. Sie drehte sich um und ging zum Fenster hinüber, lehnte die Stirn an das kühle Glas, und starrte auf den Park. Er hörte nicht mehr so gut, der alte Diener von Buchenau, er mußte sich sehr anstrengen, um Arianes leise Worte zu verstehen. »Nur dieser Teil des Parks wird gepflegt. Der hintere Garten sieht genauso schrecklich aus wie diese Zimmer.« Der alte Diener ahnte, wie es der jungen Komteß zumute sein mußte. Er hätte ihr so gern etwas Tröstliches gesagt.
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Buchvorschau
Ein Sommer mit Ariane - Lydia von Carmin
Fürstenkrone
– 275 –
Ein Sommer mit Ariane
Unveröffentlichter Roman
Lydia von Carmin
»Die vielen hellen Stellen an den Wänden. Es hingen einmal Gemälde dort, nicht wahr, Herr Friedhelm?«
Ratlos sah Ariane den alten Diener an, der von Buchenau nicht fortzudenken war. Er bemühte sich sehr, die gebeugten Schultern zu straffen, doch es gelang ihm nicht.
Er nickte traurig, und seine Augen verschleierten sich.
»Ja, es hingen sogar sehr kostbare Gemälde dort, darum haben wir sie ja auch verkaufen können.«
»Wir?« fragte sie und merkte nicht einmal, wie heftig ihre Stimme klang. »Wer ist wir?«
Sein Gesicht war voll stiller Würde.
»Jedes Bild, das wir verkauften, suchte Ihr Herr Vater persönlich aus, Komteßchen. Ohne Wissen Ihres Herrn Vaters wurde nichts veräußert.«
»Papa wußte es also«, murmelte Ariane. Sie drehte sich um und ging zum Fenster hinüber, lehnte die Stirn an das kühle Glas, und starrte auf den Park.
Er hörte nicht mehr so gut, der alte Diener von Buchenau, er mußte sich sehr anstrengen, um Arianes leise Worte zu verstehen.
»Nur dieser Teil des Parks wird gepflegt. Der hintere Garten sieht genauso schrecklich aus wie diese Zimmer.«
Der alte Diener ahnte, wie es der jungen Komteß zumute sein mußte. Er hätte ihr so gern etwas Tröstliches gesagt.
»Wir sind alle so froh, daß Sie gekommen sind, Komteßchen. Ihre Großmutter war außer sich vor Freude. Sie wissen doch, sie kann ihre Gefühle nicht so zeigen. Entschuldigen Sie, daß ich mir die Freiheit nehme, darüber zu sprechen, aber ich meine, Sie sollten wissen, wie wichtig Sie für Buchenau sind und in erster Linie natürlich für unsere von uns allen so verehrte Gräfin.«
Ariane nickte. Sie hätte ihm sagen können, daß sie nicht gern gekommen war. Sie wollte nur wenige Wochen bleiben, denn ab Oktober würde sie die Universität besuchen.
»Ich habe Angst gehabt, zu kommen«, sagte sie leise, wider Willen, und sie sah den Diener bei ihren Worten nicht an. »Papa hat mich gewarnt, er sagte, daß vieles hier verändert ist. Aber ich habe nicht damit gerechnet, wie sehr sich alles verändert hat.« Sie steckte die Hände in die Taschen ihres weitgeschnittenen Rocks und blickte noch immer gedankenvoll auf den Park.
»Wir versuchen, die drei Zimmer, die die Gräfin bewohnt, so instand zu halten, wie sie früher waren. Und auch diesen Teil des Parks. Von ihren Fenstern sieht sie nur diese Eckchen.«
Ariane hob erstaunt den Kopf mit den rotbraunen Haaren.
»Heißt das, daß Großmama nur drei Zimmer bewohnt?« fragte sie ungläubig.
Sein Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Wie sehr Ariane ihrer Großmutter glich, die Letzte der Buchenau, das letzte Glied einer langen Kette. Als er aufs Schloß gekommen war, war die alte Gräfin so alt gewesen wie dieses Mädchen jetzt und hatte auch genauso ausgesehen. Nur hatte sie sich nie herabgelassen, so natürlich mit ihm zu sprechen, wie die Komteß.
»Ja, sie bewohnt nur die unteren drei Zimmer. Sie verlangt nie danach, die anderen Räume zu sehen. Und wir können unmöglich alle Zimmer in Ordnung halten. Im Laufe der Zeit ist das übrige Personal entlassen worden, nur die Köchin, ein Stubenmädchen und ich sind übriggeblieben.«
»Großmama ist wirklich eine kluge Frau.« Ariane sprach langsam und drehte sich zögernd ins Zimmer zurück. Die vielen leeren Stellen an den Wänden betrachtete sie nicht mehr.
»Sie weiß bestimmt, wie es im Schloß aussieht, auch wenn sie nicht darüber spricht. Es wäre alles leichter, wenn Papa Landwirt geworden wäre.«
»Das Gut erbte bei den Buchenaus immer der älteste Sohn, und als Graf Ulrich mit fünfundvierzig Jahren starb, war Ihr Vater längst Professor und lehrte an der Universität. Sollte er damals noch den Beruf wechseln? Die Gräfin hat es nie von ihm verlangt.«
»Aber sie hoffte, daß Mama noch einen Buben bekäme. Die Tatsache, daß ich ein Mädchen war, ist für Großmama eine große Enttäuschung gewesen. Ja, wenn ich noch einen Bruder hätte, dann wäre alles leichter für sie.«
In Arianes Augen standen Tränen, und die fein geschwungenen Lippen zuckten.
»Ich bin als Kind so gern auf Buchenau gewesen.«
»Aber dann sind Sie nicht mehr gekommen«, sagte der getreue Alte mit leisem Vorwurf.
Sie nickte nachdrücklich und strich sich ungeduldig eine Locke aus der Stirn.
»Nein, danach bin ich nicht mehr gekommen. Ich hörte einmal zufällig, wie Großmama zu Papa sagte: Warum, zum Donnerwetter, ist Ariane denn kein Junge geworden? Ich bin sehr unzufrieden mit euch!«
Trotzig hob sie den Kopf und sah den alten Diener an.
Sie erinnerte sich noch so genau an jenen Tag und daran, wie sie damals davongelaufen war und sich im hintersten Winkel des Parks versteckt hatte.
Sie war zornig und traurig zugleich gewesen.
»Ich liebte Großmama so sehr«, sagte sie leise, mit spröder Stimme, »aber ich wollte sie nicht mehr gern haben. Als Kind bildete ich mir ein, sie habe mich nicht lieb.«
»Aber wie konnten Sie so etwas glauben?« rief Friedhelm entsetzt. »Haben Sie denn nicht mit Ihren Eltern über das Gehörte gesprochen?«
»Nein. Dazu war ich zu stolz oder zu dumm. Nein, ich habe es für mich behalten und hatte schreckliches Mitleid mit mir selbst. Aber ich wollte meine Ferien nicht mehr auf Buchenau verbringen.«
»Und haben Ihre Großmutter damit sehr traurig gemacht.« Friedhelm schüttelte resigniert den Kopf. »Sie hat so sehr auf Ihren Besuch gewartet, von einer Ferienzeit zur anderen. Und oft sagte sie: ›Herr Friedhelm, das Kind hat uns vergessen, auch wenn es seine pflichtschuldigen Briefe schreibt. Es ist eben kein Landkind, es ist ein Stadtfratz wie ihre Mutter.«
»Das Heimweh nach Buchenau ist immer in mir gewesen, aber ich redete mir ein, ich wäre hier nicht willkommen, und es war mir auch ganz verständlich, daß Großmama lieber einen Enkel gehabt hätte als eine Enkelin.«
Friedhelm winkte heftig ab.
»Nicht für sie selbst war es wichtig, sondern nur für Buchenau. Sie hoffte natürlich, daß ein Junge geboren wurde, der den Namen Buchenau weiterträgt und vielleicht das Gut erben konnte. Sie bildete sich auch ein, ein Buchenau könnte das Wunder vollbringen und das Gut in seinem alten Glanz wieder erstehen lassen.«
Eine schrille Klingel gellte durch das Haus.
»Zweimal, das ist für Sie, Komteßchen!« rief Friedhelm nervös. »Wollen Sie gleich zu ihr gehen? Sie ist es nicht gewohnt zu warten.«
»Ich gehe ja schon. Friedhelm, bitte, sagen Sie nicht Komteßchen zu mir. Diese Anrede ist mir fremd. Bei allen Freunden und Bekannten zu Hause bin ich nur Ariane oder Fräulein Ariane. Auch Papa führt kaum seinen Titel.«
Friedhelm schüttelte nur entrüstet den Kopf über solch lockere Sitten und humpelte zur Tür. Er öffnete sie und machte sogar eine kleine Verbeugung, als Ariane hindurchschritt.
Hier schien die Zeit stehengeblieben zu sein. Unwillkürlich sah Ariane sich in der mit herrlichen antiken Möbeln eingerichteten Halle um.
»Da bist du ja endlich!« Die gereizte Stimme der Großmutter empfing Ariane schon, bevor sie die dunkle Eichentür geöffnet hatte. »Du hast mich lange warten lassen.«
Ariane hatte schon eine heftige Entgegnung auf der Zunge, denn sie war es nicht gewohnt, daß man in diesem Ton zu ihr sprach. Aber dann sah sie in das schmale, von vielen Falten durchzogene Gesicht unter den weißen, kunstvoll frisierten Haaren. Heißes Mitleid überflutete Arianes Herz.
»Entschuldige, Großmama.« Der dicke Teppich verschluckte Arianes leichten Schritt. Sie lächelte die alte Dame liebevoll an. Die Großmutter saß kerzengerade auf dem Gobelinsessel, lehnte nicht einmal den Rücken an das gestickte Polster. »Ich habe mit Herrn Friedhelm meine Zeit verplaudert.«
Eine senkrechte Falte erschien auf der hohen Stirn.
»Du hast mit Friedhelm geplaudert? Du drückst dich ein wenig sonderbar aus, Kind. Man plaudert nicht mit dem Personal, man gibt diesen Menschen Anweisungen oder wechselt einige Worte mit ihnen.«
Ariane setzte sich auf den Fußschemel und sah lächelnd zu der Großmutter auf. »Wie sonderbar das auf Buchenau alles ist. In der Stadt kümmert sich niemand um Titel oder Herkunft. Ich meine, da ist der Mensch wichtig, nicht seine Herkunft. Warum siehst du mich so strafend an? Wenn du mich so ansiehst, bist du im höchsten Grade unzufrieden, das habe ich nicht vergessen. Jetzt möchte ich am liebsten meine Frisur richten oder mein Kleid betrachten, ob etwas daran nicht in Ordnung ist.«
Wider Willen mußte die Gräfin lächeln. Ach, es lag ihr so viel daran, daß dieses Kind verstand, was sie von ihr wollte.