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Sternendämmerung - Von Schatten befreit: Band 3 der Romantasy-Trilogie
Sternendämmerung - Von Schatten befreit: Band 3 der Romantasy-Trilogie
Sternendämmerung - Von Schatten befreit: Band 3 der Romantasy-Trilogie
eBook351 Seiten4 Stunden

Sternendämmerung - Von Schatten befreit: Band 3 der Romantasy-Trilogie

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Über dieses E-Book

**Bist du bereit für das Ende?**
Von Sternen geküsst...
Von Göttern verraten...
Von Schatten befreit?
Manchmal müssen wir kämpfen.
Manchmal müssen wir fallen.
Und manchmal hält das Schicksal andere Pläne für uns bereit...
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum26. Mai 2023
ISBN9783910615755
Sternendämmerung - Von Schatten befreit: Band 3 der Romantasy-Trilogie

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    Buchvorschau

    Sternendämmerung - Von Schatten befreit - Poppy A. Robin

    Sternendaemmerung3_neu.jpg

    Copyright 2022 by

    Dunkelstern Verlag GbR

    Lindenhof 1

    76698 Ubstadt-Weiher

    http://www.dunkelstern-verlag.de

    E-Mail: info@dunkelstern-verlag.de

    Alle Rechte vorbehalten

    Inhalt

    Prolog

    Das Lied des Mantikors

    Allein auf weiter Flur

    Wenn das Schicksal drei Mal spricht

    Die Geister der Vergangenheit

    Von Schmerz und Leid

    Alte Fehler

    Es ist nicht einfach, das Richtige zu tun

    Wenn Nebel sich lichten

    Wolkendrachen

    Lavitae

    Im Auge des Vulkans

    Tanz der Schlangen

    Hochmut kommt vor dem Fall

    Das Rätsel der Amalthea

    Auf den Spuren der Weisen

    Yuco

    Die Bestimmung kann mich mal

    Wissen ist Macht und Macht braucht Wissen

    Indiana Jones goes Iron Man

    Jupiter Lapis

    Kennst du den rechten Namen?

    Von Schatten zu Ketten

    Wo sich Höllenhund und Tod »Gute Nacht« sagen

    Von Monstern und gebrochenen Herzen

    Die Schatten, die mich riefen

    Was auf dem Pluto passiert, bleibt auf dem Pluto

    Rot wie Blut

    Wenn Sterne fallen

    Nereus

    Die Zeit heilt nicht immer alle Wunden

    Und wenn ein Licht mein Herz verlässt

    Epilog

    Danksagung

    Prolog

    Der harte Klang von Metall auf Metall zerschnitt die unendliche Stille. Schlag um Schlag, unermüdlich traf der Hammer sein Ziel. Das Geräusch rollte über die einsame Ebene, prallte an den hohen Bergen ab und kehrte ungehört zu seinem Erschaffer zurück. Der würzige Geruch nach heißem Eisen schwängerte die eisige Luft. Funken des göttlichen Feuers sprangen aus den Kohlen und drohten, sich in den kräftigen Muskeln des Schmieds festzubeißen. Doch der Gott, der wie getrieben auf den Amboss einschlug, bemerkte sie nicht. Genauso wenig, wie all die vorangegangenen, die schon Löcher in seinen Bart und seine lederne Schürze gefressen hatten. Schweiß lief ihm in Bächen die Stirn hinab, benetzte sein Gesicht und Tropfen vergingen zischend im heißen Feuer.

    Tagelang stand er schon hier und rang dem Glutstropfen, den er der Sonne gestohlen hatte, seine Form ab und endlich war er seinem Ziel nahe. Nur noch ein gezielter Schlag und er hätte seinen Auftrag erfüllt. Mächtig spannten sich die Muskelberge seines Oberarms und ein letztes Mal hieb er auf die Scheibe, die er aus dem Sonnentropfen geformt hatte. In einer fließenden Bewegung zog er sie vom Amboss und versenkte sie mit lautem Zischen in dem Bottich, der mit den Tränen der Nereiden gefüllt war.

    Heiße Dampfschwaden raubten ihm die Sicht, als er triumphierend die geschmiedete Scheibe gen Himmel reckte und rief: »Es ist vollbracht! Hört ihr mich, ihr Parzen? Nun lasst mich in Frieden weiterleben.«

    Diese Scheibe barg das Schicksal der Welten in sich und Vulcanus hatte sie geschmiedet.

    Er sank auf die Knie, die Scheibe neben sich im Sand und murmelte: »Oh, ihr Götter, was habe ich getan?«

    Kapitel 1

    Das Lied des Mantikors

    Steine spritzten zur Seite und schlugen laut klackernd wieder auf, als ich mich über den Boden rollte, um den rasiermesserscharfen Klauen des Novensiles zu entkommen. Heißer, nach Verwesung stinkender Atem umwehte mich. Für Übelkeit blieb keine Zeit.

    Kaum wieder auf den Füßen, stießen mir spitze schwarze Fänge entgegen. Aufkeuchend bog ich meinen Rücken durch und das grausige Geräusch zusammenschlagenden Zähne jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken. Gleichzeitig ließ ich mein flammendes Schwert auf die Schulter der Bestie niederfahren. Es zerschnitt seinen Leib diagonal und so mühelos wie weiche Butter. Mit ohrenbetäubendem Kreischen wanden sich beide Hälften, bevor sie sich wieder in die Schatten auflösten, aus denen sie entstanden waren. Kraftlos ließ ich mein Schwert sinken. Meine Muskeln zitterten und protestierten gegen jede Bewegung. Dieser Kampf dauerte schon viel zu lange.

    Ich riss meinen Kopf herum, als ich höhnisches Gelächter hörte. Zwei der Novensiles hatten Lua eingekreist, die verzweifelt versuchte, sie mit Tritten und Schlägen auf Abstand zu halten. Geifer tropfte von den Lefzen der Kreaturen und verätzte alles, was er berührte. Luas Haut warf bereits an vielen Stellen Blasen. Qualm stieg aus ihren offenen Wunden auf. Galle kroch mir den Hals hoch, als ich ihr verbranntes Fleisch roch. Wie zwei Katzen mit ihrer Beute, spielten sie mit der Amazone. Ließen sie entkommen, nur um ihr gleich danach wieder den Weg abzuschneiden.

    Mächtiges Gebrüll zerriss die Nacht. Faunus in Gestalt eines riesigen Panthers raste mit großen Sprüngen heran. Stahlharte Muskeln spielten unter dem schwarz schimmernden Fell. Die Krallen seiner mächtigen Pfoten ausgefahren, sprang er einen der Novensiles an. Sein eleganter Körper durchstieß den schwarzen Schatten und ließ ihn in Rauch aufgehen. Gleichzeitig rauschte Nereus auf einer Welle heran, nahm Anlauf und sprang mit gezücktem Dreizack auf den zweiten nieder. Den Schwung des Sprungs ausnutzend, trieb er seine Waffe mit einem gewaltigen Stoß zwischen die Augen der Bestie. Kreischend schlug sie um sich und versuchte, ihn abzuschütteln. Doch er stemmte seine Füße gegen die Brust seines Gegners, unter dessen halbverwester Haut schwarze Rippen hervortraten. Mit einem schnellen heftigen Ruck zog Nereus seinen Dreizack wieder heraus und hinterließ klaffende Wunden. Dort, wo eben noch Augen gewesen waren, sah ich nun dunkle Höhlen, aus denen schmieriger Eiter lief. Nereus versenkte seine Waffe an der Stelle, an der das Herz sitzen würde, hätten diese Kreaturen eines. Wild zuckend und schreiend hieb die Bestie um sich und ein letzter gewaltiger Schlag wischte Nereus von ihrer Brust, bevor auch sie sich in Schatten auflöste.

    Mein Herz setzte aus, als ich zusehen musste, wie die Liebe meines Lebens durch die Luft geschleudert wurde, hart auf dem Boden aufprallte und reglos liegen blieb. Meine Instinkte übernahmen das Kommando und ich rannte blind für alles andere zu ihm. Erst der faulige Atem an meinem Nacken, ließ mich die Gefahr ahnen, die sich hinter mir aufbaute. Instinktiv warf ich mich auf den Boden und rollte zur Seite. Gerade noch rechtzeitig, denn direkt neben mir bohrten sich messerscharfe Klauen in die Erde.

    »Ihr könnt einfach nicht sterben, oder?«, brüllte ich dem Novensiles wütend entgegen, den ich eben noch hatte in Schatten aufgehen lassen. Der baute sich zu seiner vollen Größe auf und zog genüsslich die Luft ein. Mir war, als würde er sogar noch ein Stück wachsen.

    »Du bist so köstlich.« Zischend durchschnitt die Stimme meinen Geist. Ekel überfiel mich, diese Kreatur in meinem Kopf zu wissen. Ich starrte sie entsetzt an. Es war schlimm genug, gegen gottähnliche Wesen zu kämpfen, die sich von Gefühlen wie Angst, Neid, Hass oder Wut nährten und die Welten erobern wollten. Noch schlimmer war, dass jedes Mal, wenn wir einen von ihnen in die Schatten zurückbefördert hatten, kurze Zeit später wieder einer auftauchte, was diesen Kampf zu einer SisyphosArbeit machte. Aber diese Stimme in meinem Kopf, dieses Eindringen in mein Allerheiligstes ließ mich erstarren.

    Langsam beugte sich der Novensiles zu mir herunter, dunkle Strudel bildeten sich in seinen Augen und nahmen mich gefangen. Um mich herum tobte der Kampf unerbittlich weiter, ich hörte Harmonia Befehle schreien, den Panther fauchen und Discordias Peitsche knallen. All dies vernahm ich wie durch eine Wand: entfernt und verwaschen. Immer dichter schob der Novensiles sein Gesicht an meines heran, die Wirbel in seinen Augen lockten mit verheißungsvollen Versprechen nach ewiger Ruhe. Sie vergrößerten sich, so dass ich nichts mehr sah außer der sich immer träger drehenden Schwärze. Ich fühlte mich so müde und erschöpft von diesem aussichtslosen Kampf, meine Arme und Beine wurden schwer. Fast schon hieß ich den Novensiles willkommen, als er mit zärtlicher Geste über die Haut meiner Wange strich und meinen Mund sanft öffnete.

    »Du wirst ein Festmahl sein.«, hörte ich ihn sagen, bevor er sich in Schatten auflöste, die ich mit meinem nächsten Atemzug einatmete. Eis legte sich um mein Herz und mit jedem seiner Schläge breitete sich die Kälte in mir aus.

    Nein, nein, nein, das durfte nicht sein! Innerlich bäumte ich mich auf, kämpfte dagegen an. Doch Schwärze verschlang mich, umhüllte mich, füllte mich aus. Hilflos trieb ich im ewigen Nichts. Immer tiefer sank ich, bis nichts mehr übrig war. Keine Sorgen, keine Freude. War es das? War das das Ende? Es interessierte mich nicht.

    Meine wunderbare Gleichgültigkeit wurde nur von einem kleinen Funken gestört, den ich wahrnahm. Langsam näherte ich mich ihm und streckte die Hand danach aus, berührte den Funken, der nun zu einer kleinen Lichtkugel angeschwollen war. Wohltuende Wärme floss auf mich über und Bilder entstanden in meinem Geist. Ich sah einen Mann und eine Frau mit einem kleinen Mädchen, das mir verblüffend ähnlichsah. Waren das meine Eltern? Ich sah eine hochschwangere Frau, die mich umarmte. Eine Freundin? Azurblaue Augen lächelten mich liebevoll an und ein Duft nach Meer und Wildheit umschmeichelte meine Nase. Mein Herz machte einen Satz. Nereus?

    Gleißender Schmerz durchschoss meine Glieder, als würde ich auf einem Bett heißer Kohlen liegen und die Lichtkugel zerplatzte vor meinen Augen. Ich fühlte einen fremden Geist in mir wühlen. Neue Bilder zogen vor meinen Augen vorbei: Das Mädchen, das in der Schule gemein zu mir war. Das Geschenk, das ich mir so gewünscht und nicht bekommen hatte. Die Beerdigung meines geliebten Hundes. Die grauenvollen Altäre der Novensiles. Tränen strömten über mein Gesicht und ich rollte mich in dieser ewigen Schwärze zu einer kleinen Kugel zusammen. Immer weiter zerpflückte der Novensiles meinen Geist, all die kleinen und großen Verletzungen, Ängste und Enttäuschungen zerrte er unerbittlich aus meinem Leben hervor. Und dann, als leinwandgroßes Standbild: Nereus, der mein Herz brach. Ich krümmte mich weiter zusammen, presste mir die Hände auf die Ohren und hätte mir am liebsten die Augen ausgerissen, während ich immer und immer wieder erleben musste, welch unermesslichen Schmerz ein zersplittertes Herz mit sich bringt.

    Zitternd trieb ich in der Dunkelheit, als sich langsam, nach und nach ein vertrauter Duft um mich legte. Meer und Weite streichelten mich. Lockten mich zurück an die Oberfläche. Verdrängten das grausame Bild. Gleichzeitig schlich sich ein Gedanke in mein Hirn: Das ist nicht wahr! Nereus liebt dich.

    Ich bäumte mich auf, kämpfte und trat gegen das dunkle Nichts an. Spürte, wie langsam wieder Wärme in meine Glieder kam, wie Liebe durch meine Adern floss. In meinem Kopf kreischte der Novensiles, krallte sich an meinem Geist fest. Doch ich stemmte mich mit all meiner Kraft gegen ihn und folgte der Spur, die Nereus Duft mir hinterlassen hatte. Ich spürte das Ende der Dunkelheit. Ich stellte mir vor, wie ich die Bestie in meinem Inneren mit ausgestreckten Armen von mir stieß.

    »Raus aus meinem Kopf, du Mistvieh!«, brüllte ich ihr entgegen und katapultierte das widerliche Ding aus meinem Geist und in die Schatten zurück.

    »Kaum wieder wach, beleidigst du mich schon«, hörte ich den geliebten Bariton zitternd flüstern. Tief atmete ich den Geruch ein, der mir den Weg gewiesen hatte.

    »Bist du wieder bei mir?« Zärtlich strich mir Nereus über Stirn und Wangen.

    Ich öffnete die Augen und nickte zögerlich. Langsam kehrten die Kampfgeräusche in mein Bewusstsein zurück, jedoch immer noch seltsam gedämpft. Ich spähte an Nereus besorgtem Gesicht vorbei und sah einen silbrig schimmernden Flügel über uns ausgebreitet. Kumas Körper schützte uns wie eine Höhle. Er stieß drohendes Gebrüll aus.

    »Es ist noch nicht vorbei? Wie lange war ich weg?«

    »Nur ein paar Minuten. Als ich mich von meinem Sturz erholt hatte, sah ich, wie der Novensiles in dich fuhr. Ich musste in deinen Geist eindringen, um dich zurückzuholen.« Mit bebenden Händen fuhr sich Nereus durchs Haar. »Bei den Göttern, Mina, ich dachte, ich hätte dich verloren.«

    Kumas Gebrüll ging in ein Fauchen über und ich vermutete, dass mein Freund unsere Feinde gerade mit Feuer in Schach hielt.

    »Hast du nicht. Lass uns weiterkämpfen.« Ich hielt ihm meine ausgestreckte Hand hin und er zog mich auf die Beine. Meine Knie wackelten und mir war kalt, aber das war nichts, auf das ich jetzt Rücksicht nehmen konnte. Ich ging zum Rand von Kumas Flügel, kniete mich nieder und spähte hinaus.

    Harmonias schillernde Schwingen durchschnitten die Dunkelheit und hinterließen einen blaugrünen Schweif, als sie auf einen Novensiles niederstieß, der gerade Janus mit seiner riesigen Hundeschnauze packen wollte. Im selben Moment, in dem sie ihren gleißenden Speer auf den Nacken des Novensiles schleuderte, verschwand Janus in seinen grünen Nebeln. Der Angriff der Bestie verlief ins Leere und getroffen von Harmonias Speer kreischte der Novensiles, bevor er sich ein letztes Mal aufbäumte und in Schatten verging.

    Ich kroch unter Kumas Flügel hervor und konnte nun das ganze Schlachtfeld überblicken. Ich rieb mir über meine fröstelnden Arme. Discordia enthauptete gerade einen skelettartigen Novensiles, dem nur noch Fetzen seiner Haut an den schwarzen Knochen hingen. Sofort verdichtete sich schwarzer Nebel an einer anderen Stelle des Plateaus und eine zweiköpfige Kreatur materialisierte sich, die auf Arges zuschoss. Der hieb gerade mit weitausholenden Axtschwüngen auf einen so hünenhaften Novensiles ein, dass er daneben wie ein Kind wirkte. Bevor ich reagieren konnte, machte Kuma einen riesigen Satz auf die Bestie zu und hüllte sie unter lautem Fauchen in sein Drachenfeuer ein. Kreischend löste sich der Novensiles in die Schatten auf, aus denen er gekommen war. Auch Arges hatte seinen Gegner besiegt und sah sich schwer keuchend nach dem nächsten um. In diesem Moment wurde mir klar, dass wir diesen Kampf nicht gewinnen konnten. Meine Freunde waren am Ende und je verzweifelter wir kämpften, um so stärker schienen die Novensiles zu werden. Kälte breitete sich in mir aus.

    Ein Zischen ließ mich herumfahren und das Schwert hochreißen. Gerade noch konnte ich die langen dolchartigen Krallen zu Seite schlagen, die auf mich zugeschossen kamen. Anstatt meine Brust zu treffen, auf die der Novensiles gezielt hatte, bohrten sie sich schmerzhaft in meine Schulter und zerrissen Haut und Fleisch. Ich schrie auf, als sengender Schmerz durch meinen Arm schoss und schleuderte einen Feuerball auf meinen Gegner, der ihm die geifernden Lefzen verbrannte.

    Sie wurden mit jeder Stunde, die verging, stärker. Nereus schleuderte wie besessen Eispfeile auf die Bestie und spickte damit ihren Rücken. Ich mobilisierte meine letzten Reserven und griff den Gegner von der Seite an. Adrenalin flutete meine Adern. Ich holte aus, um mein Schwert in die weiche Flanke des Novensiles zu treiben, als plötzlich die Welt langsamer wurde. Wie in Zeitlupe bewegten wir uns. Selbst die Geräusche verlangsamten sich, wurden leiser und gedämpft. Wir alle schienen in einem langsamen Tanz gefangen. Darüber erhob sich Gesang.

    Eine einzelne, klare Männerstimme. Sie floss über das Plateau, breitete sich aus und umfing jeden einzelnen von uns. Sie umschmeichelte, beruhigte und tröstete. Etwas Verlockenderes hatte ich noch nie in meinem Leben gehört. Schläfrigkeit breitete sich in mir aus und ich sah, wie auch Kuma seinen majestätischen Drachenkopf langsam senkte.

    Zimtrot schimmerndes Fell blitzte zwischen den Kontrahenten auf, die völlig erstarrt waren, eingefroren in der Pose ihres Kampfes. Janus, halb in seinen Nebeln verborgen, Arges die Axt erhoben. Faunus geduckt und zum Sprung bereit.

    Ich sah eine mächtige Pranke hinter Harmonia auftauchen, die gerade den Angriff des halbverwesten Novensiles abwehrte. Immer noch schwebte dieser wunderschöne Gesang über uns. Das Wesen, das so unbeschwert zwischen den Kämpfenden herumspazierte, trat nun völlig hinter Harmonia hervor.

    Ich zog scharf die Luft ein, als der Pranke ein attraktives männliches Gesicht auf einem Löwenkörper folgte. Den Skorpionschwanz musste ich nicht mehr sehen, um zu wissen, wer unseren Kampf unterbrochen hatte. Der Namensgeber dieser Landschaft war aufgetaucht: der Mantikor. Langsam strich er durch unsere Reihen, schnüffelte an den Novensiles und verzog angewidert das Gesicht. Faunus´ mächtige Panthergestalt betrachtete er fast schon begehrlich, bevor er weiter zu Discordia schlenderte und ihren Duft genussvoll einsog.

    Langsam wurden seine Kreise enger. Witternd hob er seine Nase in den Wind und seine Augen blitzten auf. Schnurgerade hielt er nun auf Nereus zu, ein Lächeln auf seinen Lippen. Mir wurde heiß und kalt vor Sorge. War dieses Wesen Freund oder Feind? Der Mantikor umrundete Nereus langsam, immer wieder tief die Luft einatmend. Er war so gewaltig, dass er, als er seine Pranke hob, mit Leichtigkeit Nereus Kopf erreichte und ihn genießerisch streichelte. Mir lief der Schweiß, verzweifelt versuchte ich mich zu bewegen, Nereus zu schützen. Doch meine Glieder waren wie festgefroren. Der Mantikor öffnete seinen Mund und ließ seine Zunge langsam über Nereus ungeschützten Hals gleiten. Dann legte er den Kopf in den Nacken und riss seinen Mund zur Gänze auf. Drei Reihen nadelspitzer Zähne kamen zum Vorschein. Nein, das darf nicht sein! Nein, nein …

    »Nein!«, schrie ich. Nur dieses eine Wort. Es schwang sich machtvoll empor und wie ein Donnerhall erklang darin die Göttin, die ich einmal sein würde.

    Der Mantikor riss den Kopf herum und seine Augen weiteten sich verblüfft. Mit einer fließenden Bewegung löste er sich von Nereus und erreichte mich mit einem einzigen weiten Sprung. Elegant beugte er die Vorderbeine und neigte seinen Kopf vor mir.

    »Verzeiht Herrin, ich habe Eure äußerliche Gestalt nicht gekannt.« Er hob den Kopf und lächelte mich an. »Auch ein Mantikor muss essen.«

    »Meine Freunde wirst du aber in Frieden lassen. Von mir aus kannst du die anderen gerne fressen.« Der Bann auf mir war gelöst und nun konnte ich auf die Novensiles deuten. Könnte es etwa so einfach sein?

    Angeekelt verzog das Wesen sein Gesicht. »Sie bestehen nur aus Neid, Hass und Angst. Das ist nichts für mich.« Natürlich nicht. »Schade, du wärst wirklich hilfreich gewesen. Ich weiß nicht, wie wir sie besiegen sollen.« Kraftlos ließ ich die Schultern sinken. »Vielleicht kann ich Euch doch behilflich sein, Herrin.« Geziert leckte sich der Mantikor über die Schulter.

    »Achja?«

    »Wie Ihr bemerkt habt, verfüge ich über gewisse Fähigkeiten.«

    Zustimmend nickte ich.

    »Diese Wesen sind noch neu in dieser Welt, wie frisch geschlüpfte Greifenjunges. Sie brauchen noch Zeit, um sich voll zu entfalten. Genau wie Ihr, Herrin.«

    Wieder nickte ich und wünschte sehnlichst, er würde endlich zum Punkt kommen.

    »Ich kann sie ebenso wenig töten wie Ihr. Aber ich kann ihnen einflüstern, sich zurückzuziehen und erst zu Kräften zu kommen.«

    Nachdenklich betrachtete ich mein Gegenüber. Fürs Erste hätten wir damit Zeit gewonnen. Wohin würden die Novensiles gehen und was dort tun? Konnte ich noch auf die Hilfe von Mars und den anderen Göttern bauen? Was war mit ihnen geschehen? Nein, ich musste meine Entscheidung allein, hier und jetzt treffen. Wenn uns der Mantikor nicht half, würden uns die Novensiles besiegen. Bei dem Gedanken, was uns dann bevorstünde, kroch mir wieder Kälte die Arme entlang. »Tu es!«

    Das Wesen neigte sein Haupt und der Gesang, der auch während unserer Unterhaltung nicht abgerissen war, änderte seine Melodie. Die Töne hüpften fröhlich über die Ebene und erzählten von Aufbruch, Abenteuer und Reise. Es dauerte nicht lange und ich sah, wie sich die Novensiles nach und nach in Schatten auflösten. Diesmal jedoch, ohne wiederzukehren. Wilde Erleichterung durchflutete mich. Ich streckte meine Hand aus und ließ sie über die weiche sandfarbene Mähne gleiten. »Danke, ich bin dir etwas schuldig.«

    »Das nächste Mal werde ich Euch nicht helfen können, Herrin. Dann wird ihre Macht meine unbedeutenden Kräfte bei Weitem übersteigen. Ich wünsche Euch alles Glück der Sterne. Die Götter wissen, Ihr werdet es brauchen.« Ein letzter warmer Blick und er sprang mit weiten Sätzen davon.

    Kaum war er aus meinem Sichtfeld verschwunden und der Gesang verklungen, kam Bewegung in meine Freunde. Ich hörte überraschtes Ausrufen und erleichtertes Stöhnen. Mit drei schnellen Schritten war Nereus bei mir. Sein Blick scannte mich von oben bis unten.

    »Was ist passiert? Wo sind sie hin? Du bist verletzt.«

    Die letzte Erkenntnis begleitete ein wütendes Knurren. Doch ich war so erleichtert, dass die Novensiles fort waren, dass ich nur auflachte und abwinkte. Dann erzählte ich ihm und den anderen, die sich inzwischen bei uns eingefunden hatten, von unserer Rettung durch den Mantikor. Dass er Nereus Hals abgeleckt hatte, behielt ich jedoch lieber für mich.

    Vorsichtige Feiertagsstimmung breitete sich unter uns aus. Die erste Schlacht war geschlagen. Wenn auch nicht gewonnen, so hatten wir doch eine Atempause.

    »Zagreus!« Discordias schmerzverzerrte Stimme hallte über die weite Ebene.

    Ich trat aus dem Kreis meiner Freunde heraus und sah ihren Körper über den toten Leib ihres Vaters gebeugt. Janus stand bei ihr und hatte tröstend eine Hand auf ihre Schulter gelegt. Das Zittern ihres Körpers verriet, dass sie heftig weinte. Ich sollte Genugtuung empfinden, dass der Mörder meiner Mutter endlich seine Strafe bekommen hatte. Discordias offensichtliches Leid dämpfte meinen Triumph jedoch deutlich. Langsam und unendlich erschöpft machte ich mich auf den Weg zu dem Geschwisterpaar. Es gab so viel zu besprechen, zu klären und vielleicht auch irgendwann zu verzeihen. Ich trat neben sie und betrachtete die leere ausgebrannte Hülle ihres Vaters. Jetzt war weder Ort noch Zeit, um diese Dinge zu klären. Erst musste ich ihnen ein wenig Raum geben. Ich legte meine Hand auf Janus kühlen Unterarm und sagte: »Lasst ihn uns nach Hause bringen und bestatten.«

    Kapitel 2

    Allein auf weiter Flur

    Was mussten wir für einen kläglichen Anblick bieten. Alle hingen ihren Gedanken nach. Niemandem war nach Sprechen zumute. Ich flog auf Kuma und betrachtete die anderen unter mir.

    Nereus stand mit starrem Blick auf der Schaumkrone seiner Welle, Harmonia an den Rücken von Faunus geschmiegt, der immer noch in Panthergestalt war und sie leichten Schrittes trug. Arges´ Blicke huschten immer wieder über die Ebene, als wäre er sich nicht sicher, ob die Novensiles gleich zurückkommen würden. Janus hatte sich, Discordia und Zagreus Hülle bereits zum Palast teleportiert. Lua benötigte anscheinend viele wunderschöne Blüten, um das Erlebte zu verarbeiten, denn sie schwebte auf einem Meer aus weißen und hellrosa Blüten, die aus ihren Handflächen wehten. Was Heros wohl erlebt hatte? Hoffentlich ging es ihm und den Göttern gut.

    Ich strich Kuma sanft über die Schuppen und übte einen leichten Druck auf seine Flanken aus. Unruhe überkam mich. Wir mussten so schnell es ging zurück.

    Wieder und wieder spielten sich die letzten Momente des Anfangs vom Ende vor meinem geistigen Auge ab.

    Zagreus irres Lachen, das Abprallen unserer Waffen an ihm und dann die Novensiles, die aus ihm herausbrachen, sich herausfraßen und befreiten.

    Ich musste unbedingt mit meinem Vater sprechen. Mars wusste bestimmt, was zu tun war. Er und die anderen Götter waren sicher schon zurückgekehrt und beratschlagten, wie wir die dunklen Schatten wieder verbannen

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