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Sternendämmerung - Von Göttern verraten: Band 2 der Romantasy-Trilogie
Sternendämmerung - Von Göttern verraten: Band 2 der Romantasy-Trilogie
Sternendämmerung - Von Göttern verraten: Band 2 der Romantasy-Trilogie
eBook344 Seiten4 Stunden

Sternendämmerung - Von Göttern verraten: Band 2 der Romantasy-Trilogie

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Über dieses E-Book

**Minas Reise geht weiter.  Folgst du ihr in eine Welt voller dunkler Bedrohungen und düsterer Vorzeichen?**
Zwölf Götter.
Neun Welten.
Eine Prophezeiung.
Du glaubst, ein göttliches Schicksal wäre einfach?
Du glaubst, die Liebe überwindet alles?
Lass uns hoffen. Für uns alle
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum25. Nov. 2022
ISBN9783910615625
Sternendämmerung - Von Göttern verraten: Band 2 der Romantasy-Trilogie

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    Buchvorschau

    Sternendämmerung - Von Göttern verraten - Poppy A. Robin

    ebookcover.jpg

    Copyright 2022 by

    Dunkelstern Verlag GbR

    Lindenhof 1

    76698 Ubstadt-Weiher

    http://www.dunkelstern-verlag.de

    E-Mail: info@dunkelstern-verlag.de

    ISBN: 978-3-910615-62-5

    Alle Rechte vorbehalten

    Für Marco

    und Sören

    die uns in dieser Welt den Rücken stärken,

    damit wir andere Welten erschaffen können.

    Inhalt

    Prolog 7

    Ich seh rot 9

    Der Gesegnete 25

    Das kämpferische Marsmäulchen 31

    Wüstensau trifft Wurm 39

    Drachenstern 53

    Über sieben Brücken musst du gehen 63

    Guruffel on the Rocks 73

    Kampfkäfer 82

    Wir können nicht alle die Prinzessin sein 87

    A Star is Born 102

    Truth Hurts 114

    Childramund tut Wahrheit kund 129

    Du kriegst mich nicht 141

    Frühstück in Schwarz 158

    In meinem Herzen 170

    Das Universum hat einen Plan 192

    Das schnurrende Buch 201

    Kuma the Wedding Planner 211

    Dunkelste Nacht 221

    Göttinnen und Götter Glossar in der Galaxie von Sternendämmerung: 234

    Danksagung 236

    Triggerwarnung:

    Dieses Buch nutzt Inhalte, die bei einigen Leserinnen und Lesern Unwohlsein hervorrufen oder eventuelle persönliche Trigger darstellen könnten. Eine genaue Auflistung der inbegriffenen Themen bzw. Szenen ist am Ende des Buches zu finden, da sie explizite Spoiler zur Geschichte enthält.

    Prolog

    Er träumte … befand sich auf einer weiten Ebene, die ihm wohlbekannt war. Tiefschwarze Nacht wurde nur durch das Funkeln der Sterne erhellt. Gesteinsbrocken waren auf dem Plateau verteilt, als wäre ein Riese beim Murmelspiel gestört worden. Kein Gras, kein Baum, kein Strauch, nichts unterbrach die endlose Weite. Hier gab es nur düstere Einsamkeit.

    Es war still und eisig, eine Atmosphäre, in der er geradezu erwartete, dass der verschwundene Riese zurückkommen und nun mit seinen Knochen spielen würde, da er der Steine überdrüssig war.

    Freudige Schauer überliefen den Mann, wie jedes Mal, wenn er in diesem Traum erwachte. Er war bei seinem Herrn und der endgültigen Macht wieder ein Stück näher.

    Zuckende Schatten flogen über das Geröll und verdichteten sich zu einer großen, dunklen Gestalt, die wabernd in der Luft stand. Donner rollte über das flache Land, als eine uralte Stimme anhob und sprach: »Die Zeit schreitet voran und das Tor wird schwächer. Wir können unsere Essenz immer öfter in die Welt hinaussenden.«

    Der Mann nickte eifrig, obwohl es nicht sein Verdienst war.

    Erneuter Donner brandete heran, die Schatten zogen sich stärker zusammen und die fast körperlose Stimme fuhr fort: »Nun, da wir uns nach so langer Zeit wieder nähren können, spüren meine Brüder und Schwestern, wie die alte Kraft langsam wiederkehrt. Es wird nicht mehr lange dauern, bis wir uns erheben können.«

    Die Knie des Mannes wurden weich vor Vorfreude, war dies schließlich der Moment, in dem auch er seine größte Macht erlangen würde.

    »Du wirst uns ein letztes Opfer bringen, wenn die Zeit gekommen ist und alle Götter in einer Reihe stehen. Meine Geschwister und ich werden über die Welt herfallen, und für diese verräterischen, erbärmlichen Götter gibt es dann nur noch die Dämmerung.«

    Und noch während ein schwarzer Blitz den Himmel zerriss, ihn aufzuzehren schien, nickte der Mann, denn für die Herrschaft über die Planeten würde er alles geben.

    Ich seh rot

    Ich starrte blicklos aus dem Fenster. Mein Kopf, der auf ein Kissen gebettet war, schien leer zu sein. Endlich. Endlich setzte die Taubheit ein, nach der ich mich die ganze Zeit gesehnt hatte. Das Blinzeln fiel mir schwer. Zeit und Raum hatten keine Bewandtnis. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich nun auf dem Mars war. Einen Tag? Fünf? Eine Zeit, in der ich mich nicht aus diesem gottverdammten Zimmer bewegt hatte, geschweige denn aus dem Bett. Man hatte mich in Ruhe gelassen. Lediglich Essen wurde regelmäßig in mein Zimmer gebracht. Ich ließ die Vergangenheit an mir vorbeiziehen und kämpfte wieder mit den Tränen. Tränen der Scham, Tränen der Trauer und Tränen der Verzweiflung.

    Ein Gefühl schien ich dabei leider komplett begraben zu haben: meine Wut. So sehr ich vorher dazu fähig war, genau diese Emotion jederzeit abzurufen, so sehr versteckte sie sich gerade vor mir und enthielt mir ihre lebensnotwendige Energie vor. Meine Stärke war verloschen wie Feuer ohne Sauerstoff.

    Nereus, immer wieder Nereus. Ich kam einfach nicht dahinter, wie ich mich so hatte täuschen können. War mein Wunsch nach einem passenden Gegenüber so übermächtig gewesen, dass ich alle Warnhinweise in den Wind geschossen hatte? Jeden Blick, jede Berührung und jede Geste ging ich immer und immer wieder durch, denn auf seine Worte konnte ich mich nicht verlassen. Seine Worte waren das, was mich an den Rand des Abgrunds gebracht hatten. Sie ist noch nicht so weit Sein Projekt Minerva. Doch mein verräterisches Herz wollte den letzten Hoffnungsfunken noch nicht aufgeben, und so ging ich seine Gesten, seine Berührungen und seine Blicke wieder von vorne durch. Abermals kroch mir die Scham, die Ausweglosigkeit meiner Gefühle und der Verrat den Nacken hoch. Und doch wollte die Wut nicht kommen. Ich vermisste sie schmerzlich.

    Ebenso wie meine Eltern. Was sie wohl gerade taten? Ich vermisste Clint und Molly. Fragten sie sich langsam, wo ich bleibe? Und ich vermisste Csilla. Könnte ich ihr jemals verzeihen? In den vergangenen Tagen hatte ich viel Zeit, auch über meine ehemalige Mitbewohnerin und Hebamme meiner wahren Mutter Rhea nachzudenken. Wie ich es drehte und wendete, ich konnte sie nicht rehabilitieren. Unsere gesamte ›Freundschaft‹ war eine Lüge. Sie kannte mich angeblich mein ganzes Leben und war immer in anderer Gestalt bei mir gewesen. Diese Vorstellung war nicht nur gruselig, sondern absurd. Allerdings, was war hier nicht absurd? Vor zwei Wochen war ich noch glücklich und zufrieden in St. Andrews. Ich hatte meine Leidenschaft zu den Sternen mit meiner Professorenstelle gekrönt, hatte witzige Abende mit meinen Freunden verbracht, hatte viel gelacht und ein unbeschwertes Leben geführt. Doch dann lernte ich Nereus kennen und alles geriet aus den Fugen. Plötzlich bin ich das Kind von Göttern und habe eine Bestimmung zu erfüllen. Meine geliebten Sterne sind mir so viel näher und doch meilenweit entfernt.

    Azurblaue Augen streiften wieder meine Gedanken und schienen nach mir zu suchen. Diese Farbe, die sich anscheinend in mein Innerstes gebrannt hatte und nicht wieder verblassen wollte. Augen, die für mich sehr schnell die Welt bedeutet hatten. Ein Lächeln, welches mich tief in meinem Inneren berührte, immer noch. Verräterische Grübchen, denen ich besser den Kampf hätte ansagen sollen, aber diesen eigentlich schon beim ersten Einsatz verloren hatte.

    Ich konnte gerade gar nichts mehr. Mein Herz fühlte sich an, als hätte es jemand fest in seinem Griff und würde mit voller Kraft zudrücken. Das Atmen fiel mir schwer, die Augen aufzuhalten fiel mir schwer, aufzustehen, zu essen, zu trinken, zu fühlen, das alles fiel mir schwer. Es fiel mir schwer weiterzuleben. Unendlich schwer. Ich machte einen tiefen Atemzug und entschied mich, dass heute auch noch nicht der geeignete Tag war, um aufzustehen. Morgen, morgen würde ich es erneut versuchen.

    ***

    Rötlicher Sand fegte am Fenster vorbei, gefolgt von bordeauxfarbenen, handtellergroßen Blättern. Ich runzelte die Stirn. Die Blätter passten nicht zu dem, was ich bisher von meinem Fenster aus vom Mars gesehen hatte. Neugier. Mein Geist hieß diese Emotion, die sich ihren Weg aus der dumpfen Masse meiner Gefühle herausgebahnt hatte, willkommen. Ich setzte mich auf. Mir tat alles weh. Mein Kopf schmerzte, meine Glieder schienen taub und schlapp und ein dicker Kloß aus Selbstzweifeln und Freudlosigkeit hatte es sich in meinem Magen gemütlich gemacht.

    Wann hatte ich das letzte Mal etwas gegessen? Mein Blick fiel auf den Teller mit frischem Obst und ich wollte dem Drang gar nicht widerstehen, der mich automatisch dorthin zog. Ich stand auf und schwankte. Mit wurde wieder schwarz vor Augen, wie in dem letzten Moment auf dem Neptun, bevor ich das Bewusstsein verloren hatte. Ich hielt mich an einem der emporragenden Bettpfosten fest und schloss kurz die Augen. Ich hatte wirklich ganze Arbeit im Projekt »Zerstörung von Mina« geleistet.

    Meine Gedanken kreisten wieder um dieses eine Rätsel. Wie, um aller Götter willen, hatten mich diese gerade erst aufkeimenden Gefühle für Nereus so aus der Bahn werfen können? Es war erst ein paar Wochen her, seit ich ihn kennengelernt hatte, und doch fühlte es sich an wie eine Ewigkeit. Wo war mein Kämpferherz hin? Konnte ich nicht irgendetwas tun, damit ich mich nicht so hundeelend fühlte?

    Die Blätter.

    Mein Blick huschte wieder zum Fenster und meine Neugier trieb mich voran, denn ich hatte bisher keine einzige Pflanze gesehen. Ich lehnte mich seitlich an das Fenster meines Schlafzimmers – Discordias ehemaligen Gemächern. Mars hatte sie mir gleich nach unserer Ankunft gegeben, ganz zum Leidwesen meiner wie-auch-immer Schwester. Zum ersten Mal seit Tagen sah ich aufmerksam aus dem Fenster.

    Rot. Überall Rot.

    Der Gott des Krieges hatte bei der Gestaltung seines Planeten nicht viel Mühe auf eine vielfältige Farbpalette verschwendet. Der Blick aus dem Fenster zeigte mir Vis, die Hauptstadt des Mars. So viel hatte ich noch an Informationen aufgenommen, bis ich mich meinem Leid hingegeben hatte. Mitten in der weitverzweigten Stadt, die aus vielen Lehmbauten bestand, thronte eine Art riesiges Kolosseum. Allerdings war es so länglich wie der römische Circus Maximus. Das Kolosseum zierten unzählige kleine, versetzte Rundbögen. Oben auf der elliptischen Balustrade, die von etlichen dorischen und ionischen Säulen verziert wurde, waren kämpfende Statuen in Stein gemeißelt. Eine Kampfszene war brutaler als die andere. Den Eingang bildete eine Statue im Mittelpunkt des Geschehens. Mein Vater. Mars’ Beine waren wie bei dem Koloss von Rhodos der Eingang zur Arena.

    Ich wandte den Blick ab und versuchte herauszubekommen, woher die Blätter stammten. In diesem funktionalen Stadtbild gab es umso mehr Sand, denn hinter den Stadtmauern von Vis erstreckte sich eine riesige karmesinfarbene Wüste, die in Teilen in der Stadt wiederzufinden war. Fifty shades of red. Sarkasmus – noch eine Emotion, die ich sehr willkommen hieß.

    Wieder wehten ein paar Blätter an meinem Fenster vorbei. Diesmal folgte ich ihnen mit meinem Blick, beziehungsweise suchte ihren Ursprung und fand ihn. Ein wunderschöner, riesiger Baum mit tiefroten Blättern wuchs in einem Garten, von dem ich nur einen Bruchteil sehen konnte. Er schien ein Teil des Palastes zu sein. Ich hatte keine Ahnung, denn ich hatte bisher noch nicht viel gesehen, außer ›meinen‹ Gemächern.

    Ein weiterer Grund, warum ich heute aufgestanden war, war, dass ich in der vergangenen Nacht einen Entschluss gefasst hatte. Ich musste zurück zur Erde. Ich konnte nicht hierbleiben. Alles, wirklich alles schien hier falsch zu sein. Mein Herz, mein Verstand und mein Körper brauchten Hilfe. Ich brauchte meine Familie und meine besten Freunde. Außerdem wollte ich meine alte Stärke zurück. Ich brauchte sie dringend, wenn ich zurück zur Erde wollte. Zu irgendwas musste mein göttliches Dasein doch gut sein. Ich kniff die Augen zusammen und drückte mir die Handballen an die Schläfe, denn zu allem Überfluss hatte ich, seitdem ich auf dem Mars war, das Gefühl, irgendetwas stimmte mit meinem Kopf nicht. Er pochte immer mal wieder, als ob jemand in meinem Geist um Aufmerksamkeit bitten würde.

    Das musste jetzt ein Ende haben, ich …

    Es klopfte an der Tür. Erschrocken wandte ich mich vom Fenster ab. Bisher hatten die Bediensteten niemals angeklopft. Immer hatten sie leise und dezent das Essen gebracht und wieder abgeholt. Es klopfte erneut, diesmal wesentlich energischer. Ich räusperte mich, da ich mir nicht sicher war, ob ich überhaupt noch sprechen konnte.

    »Herein«, krächzte ich und wankte langsam in Richtung des kleinen Tisches, auf dem das Obst stand. Die Tür wurde geöffnet und Zagreus betrat den Raum.

    »Wie ich sehe, hast du dich dazu entschlossen aufzustehen.« Spöttisch kräuselten sich seine Lippen und seine wässrigen, grünen Augen suchten die meinen.

    »Mars will dich sehen. In zwanzig Minuten haben wir eine Audienz. Wasch dich, zieh dich an und wage es nicht, zu spät zu kommen. Ich warte vor der Tür.« Noch während er sprach, drehte er sich um und verschwand.

    Ich nahm mir eine Weintraube und biss zu. Der süße, fruchtige Geschmack war das Schönste seit Langem. Ich nahm mir noch ein paar und seufzte. Ergeben tat ich, was mir aufgetragen wurde und verkniff es mir, darauf hinzuweisen, dass ich ohnehin zu ihm gewollt hatte.

    Meine Gemächer bestanden aus mehreren funktional eingerichteten Zimmern. Im Gegensatz zum Neptun, auf dem ich die Räume per Wunschgedanken so umformen konnte, wie ich sie gerade brauchte, war hier jeder Raum in seiner Funktion schon vorhanden. Mein Schlafzimmer, inklusive eines Betts, mündete in eine mit kleinen Mosaiksteinen versehene Badlandschaft. Im Gegensatz zur rauen Sandwüste außerhalb des Palastes waren meine Gemächer sehr stilvoll, wenn auch rustikal, eingerichtet. Die Detailverliebtheit in der Inszenierung der Mosaike war sagenhaft. Sie zeigten mystische Gestalten im Einklang mit der Natur. Diese Geschöpfe hatte ich allerdings nicht auf dem Neptun gesehen und fragte mich, ob es sie nur auf dem Mars gab.

    Neben einer im Boden eingelassenen Badewanne, die stets heißes Wasser führte, war auch eine Art Sprühnebeldusche vorhanden, aus der rosafarbenes Wasser kam.

    Ein drängendes Räuspern vor der Tür machte mich darauf aufmerksam, dass ich mich beeilen sollte. Nach einer Katzenwäsche zog ich mir schnell die Gewänder an, die für mich bereitgelegt worden waren. Ich war hier nicht wählerisch. Ich wollte dieses Treffen so schnell wie möglich hinter mich bringen und dann packen. Nachdem ich fertig war, schlurfte ich zur Tür.

    »Mein Herr, wir haben wieder neue Male entdeckt. Was sollen wir damit machen?« Diese Stimme kannte ich nicht. Dann zischte Zagreus ein »Jetzt nicht« und wandte sich mir zu.

    Ich musste einen elenden Anblick abgeben. Völlig entkräftet und ausgelaugt schaute ich in Zagreus Gesicht. Dieser rümpfte nur die Nase und ging ohne ein weiteres Wort voraus. Ihm gefiel anscheinend nicht, dass er für Mars den Laufburschen spielen und mich auch noch eskortieren musste.

    Als wir aus dem Gang traten, der zu meinen Gemächern führte, sah ich mich zum ersten Mal wirklich um und bekam große Augen. Wir schritten durch einen riesigen, tempelartigen Saal, der sicher so groß wie ein halbes Fußballfeld war. Links und rechts säumten Statuen der zwölf Götter und ihrer jeweiligen Partner den Raum.

    Als wir dem großen Bogen näher kamen, der anscheinend zu Mars führte, blieb ich stehen. Links und rechts neben dem Eingang standen meine Eltern – also meine leiblichen Eltern als Stauen, Mars und Rhea. Mars’ Erscheinung war mir schon etwas vertrauter, deshalb wandte ich mich meiner Mutter zu, die ich bisher nur von einer Wandmalerei aus dem Palast des Neptuns kannte. Die Ähnlichkeit mit mir war frappierend. Wir hatten sogar fast die gleiche Größe. Ihr Lächeln und ihre Gesichtszüge waren bezaubernd. Tränen stiegen mir in die Augen. Es war alles so ungerecht. Wieso war es mir nicht vergönnt gewesen, sie kennenzulernen, sie in den Arm zu nehmen und von ihr geliebt zu werden? Ein weiterer Punkt auf meiner schier endlosen Liste, warum ich hier wegmusste. Jede Erinnerung, die ich außerhalb der Erde gesammelt hatte, schien in einem Berg aus Schmerzen zu gipfeln.

    »Mars wartet ungern und ich bin dafür zuständig, dass du pünktlich bist. Komm. Oder soll ich dich wieder transportfähig machen?« Transportfähig? Der Luftzug? Hatte er mir etwa das Bewusstsein genommen?

    Zagreus zeigte mit seinem ausgestreckten Arm auf den Rundbogen. Dann sagte er in kühlem Ton: »Mars wird mir schon vorhalten, warum du so aussiehst, als wäre gerade eine Herde von Mantikoren über dich hergefallen.«

    Ich fühlte mich tatsächlich, als wäre ich von einer Horde dieser löwenähnlichen Gestalten mit Skorpionsschwänzen überrollt worden. Aber auch diese Bemerkung ließ ich über mich ergehen. Ich war hier bald weg, es lohnte sich nicht, meine sowieso nur noch kläglich vorhandenen Emotionen nach meiner Wut zu durchforsten. Es lohnte sich einfach alles nicht mehr.

    Schweigend stellte ich mich vor die Tür zu Mars’ Audienzzimmer und vernahm zänkische Stimmen. Ich runzelte die Stirn und versuchte genauer hinzuhören, als die Tür aufschwang und ich von der Szene, die sich mir bot, komplett erschlagen wurde.

    Mars saß auf einem einfachen, blutroten Thron und hielt sich mit einer Hand und geschlossenen Augen den Kopf. Die eigentliche skurrile Szene spielte sich vor ihm ab. Ein seltsames, hüfthohes Plüschwesen, das mich stark an ein überdimensionales Chinchilla erinnerte, hatte beide Hände in die moppeligen Hüften gestemmt und fixierte Discordia.

    »Mein gereiztes Tontöpfchen, wenn du nicht immer so furchtbar dramatisch sein würdest, hättest du längst mitbekommen, dass ich nicht länger in deinen Diensten stehe«, sagte das Chinchilla-Wesen und zwirbelte mit einer plüschigen Pfote seine langen Schnurrhaare.

    Das Wesen hatte geredet. Warum wunderte mich das überhaupt noch?

    Die Reaktion von Discordia, die bereits einen hochroten Kopf hatte, ließ nicht lange auf sich warten. »Oh, du kleiner, dreckiger Pelz…«

    »Na, na, na, Schätzchen, das lassen wir mal lieber bleiben. Mars«, nun wandte es sich an meinen Vater, »kannst du ihr nicht endlich sagen, dass sie keinen Zugriff mehr auf mich hat? Ich soll ihr immer noch Sachen bringen, das habe ich lange genug mitmachen müssen. Meine Krallen hatten gestern eine Maniküre, ich bitte dich –«

    »Schweigt. Beide.« Mars erhob sich mit vor Wut funkelnden Augen. »Discordia, Nero ist nicht mehr dein Eigentum. Du bist nicht meine Tochter. Sei froh, dass Minerva sich für deinen Verbleib ausgesprochen hat. Ihr hast du dein noch privilegiertes Leben zu verdanken.«

    Oh, oh, wo war ich hier hineingeraten? Ich hätte gerne kehrtgemacht und mich ganz leise wieder aus dem Saal geschlichen, aber –

    Zagreus räusperte sich laut. »Herr, hier ist Minerva, wie Ihr es befohlen habt.«

    In diesem Moment drehten sich alle Köpfe in meine Richtung. Yeah … genau das, was ich jetzt brauchte …

    »Tochter.« Mars machte einen Schritt auf mich zu, hielt dann aber inne.

    Ich ließ den Blick schweifen: Hellgrüne Augen bohrten sich in meine. Dafür, dass ich Discordia den Allerwertesten gerettet hatte, schien sie dennoch nicht erfreut zu sein, mich zu sehen. Aber für diese Plänkeleien hatte ich keinen Kopf. Ich schaute das grau-weiß melierte Wesen an, das seine drolligen Pfoten vor der Brust verschränkt hatte. Nero, wenn mich nicht alles täuschte. Große, kugelrunde, braune Augen schauten mich erstaunt an. Dann bewegten sich seine Mundwinkel ganz langsam nach oben und entblößten eine Reihe spitzer, kleiner Zähne. Waren Chinchillas nicht Nagetiere? Dieses Grinsen sah so urkomisch aus, dass ich das erste Mal seit Tagen eine gewisse Erheiterung tief in meinem Inneren verspürte.

    Allerdings hatte ich keine Kraft, um mich dieser hinzugeben.

    »Ist sie das? Oh, bitte sag mir, dass sie das ist. Du hast ›Tochter‹ gesagt, jippie! Darf ich sie jetzt behalten? Ich habe schon immer davon geträumt, mit einer Dunkelhaarigen –«

    Mars und Discordia fauchten Nero gleichzeitig ein »Schweig!« entgegen, so dass dieser seine großen Ohren geknickt hängen ließ. Danach bedachte Mars Discordia mit einem Blick, der sie dazu brachte, ihre Augen niederzuschlagen.

    »Minerva, schön, dass du da bist. Wir haben heute einiges vor. Da wir in den vergangenen Tagen leider keine Möglichkeit hatten, uns auszutauschen, sind wir jetzt doch sehr im Zeitverzug. Meine Planung sah etwas anderes vor. Sei es drum. Zagreus.« Mars winkte seinen Seneschall mit einer knappen Geste zu sich. Dieser stellte sich an seine Seite und musterte mich abschätzig.

    »Du wirst Minerva ab sofort in unseren Kampftechniken ausbilden. Leg besonderen Wert auf ihre Flammenschwertausbildung.«

    Zagreus nickte knapp.

    Was ging hier vor sich? »Ähm, stopp, Moment. Ich glaube, hier herrscht ein großes Missverständnis. Ich bin nur hier, um den Lapid zu erbitten, besser gesagt, um zu fragen, ob du mich zur Erde zurückbringst.«

    Nun herrschte ein unangenehmes Schweigen, das durch das scharfe Einatmen von Nero unterbrochen wurde.

    »Das ist gar nicht gut, gar nicht gut …«

    Mars ignorierte Neros Einwand und baute sich zur vollen Größe auf. »Ich werde dich weder zur Erde bringen noch werde ich dir einen Lapid geben. Du bist meine Tochter, mein Erbe. Du wirst mir gehorchen und das tun, was ich wünsche. Und ich will, dass du lernst, was es heißt, einen Planeten zu regieren. Du wirst Land und Leute kennenlernen und du wirst die beste Kämpferin im gesamten Sonnensystem werden. Vor mir sehe ich nur einen kläglichen Haufen, der seine Gefühle über das Wohl seines Volkes gestellt hat. Sieh dich nur an. Abgemagert, fahl, taub. Ich dulde nicht länger, dass du dich in deinem Zimmer verkriechst und deine Wunden leckst. In zwei Wochen wird deine Hochzeit stattfinden. Du wirst Nereus heiraten. Finde dich damit ab.«

    Schockiert zog ich die Luft ein.

    Ein Albtraum – ich war in meinem persönlichen Albtraum gefangen.

    Doch es ging noch weiter.

    »Bis dahin werde ich die Herrscherin aus dir machen, die mein Volk braucht. Ich dulde deine Schwäche nicht länger. Von nun an wird Zagreus dein Training übernehmen und Discordia deine Ausbildung in Hofetikette.«

    Discordia wollte gerade zum lautstarken Protest ansetzen, als Zagreus ihr einen harschen Blick zuwarf, der sie augenblicklich verstummen ließ. Ich runzelte abermals die Stirn.

    Da spürte ich etwas meinen Nacken hochkriechen, ein kleiner Funke meiner Wut. Ich öffnete mein Innerstes, um ihn willkommen zu heißen, aber er zog sich so schnell zurück, wie er gekommen war. Verzweifelt schüttelte ich den Kopf. Tränen bahnten sich ihren Weg in meine Augen. Hilfesuchend schaute ich mich um. Das durfte doch nicht wahr sein. Ich saß hier fest und ich konnte rein gar nichts tun.

    »Mars, ich … ich werde Nereus nicht heiraten. Nicht nach dem, was er mir angetan hat. Willst du für mich etwa kein Glück? Willst du alles, was wir vielleicht noch miteinander teilen könnten, von vornherein zunichtemachen? Denn das, was du von mir verlangst, wird mich dich hassen lassen. Willst du das?«, endete ich nach Fassung ringend.

    Mars sagte einige Momente nichts. »Raus. Alle, außer meiner Tochter.«

    Zagreus und Discordia machten sich

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