Alle waren gegen sie: Der Bergpfarrer 367 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
Vorsichtig rangierte Wenzel Ottinger die Zugmaschine über den Festplatz. Christel, seine Tochter, wartete in dem PKW, der den Wohnwagen zog, bis ihr Vater den Hänger, mit dem Karussell darauf, an die richtige Stelle gebracht hatte. Karsten Steiner hatte unterdessen das zweite Auto, das den anderen Wohnwagen zog, abgestellt und war ausgestiegen. Er eilte seinem Chef zur Hilfe und half Wenzel, die Räder des Hängers und der Zugmaschine zu blockieren, indem er schwere Bremsklötze darunter schob. Christel schaute sich um. den sollte, daß alles ordentlich aussah. Dreiundzwanzig Jahre war Christel Ottinger jetzt alt, und etwas anderes, als das Leben auf Jahrmärkten und Volksfesten kannte die hübsche junge Frau nicht. Aber sie liebte es, wenn das Kinderkarussell sich drehte, die Musik spielte und sie die glänzenden Augen der Buben und Madln sah, die vergnügt auf den kleinen Motorrädern, den Feuerwehr- und Polizeiautos oder auf den bunten Holzpferden ihre Runden drehten und vor Vergnügen jauchzten. Christel war das Kind einer Schaustellerfamilie, geboren auf einem Rummelplatz, und es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, etwas an diesem Leben ändern zu wollen. Karsten Steiner, der Gehilfe, den der Vater eingestellt hatte, weil es für ihn allein zu schwer geworden war, das Fahrgeschäft aufzubauen und zu transportieren, kam her-übergelaufen und hängte den Wohnwagen ab. »Hier steht er gut«, meinte er, mit einem Kopfnicken. »Den anderen schieben wir dort hinüber.« Er wies mit dem Kopf auf ein Stück Wiese, hinter der Zugmaschine. Christel nickte und packte mit an. »Wir müssen uns beeilen«, drängte er. »Um drei ist die Messe, und dann geht's los.« »Dann kümmer' ich mich gleich ums Essen«, sagte Christel und öffnete die Tür des Wohnwagens.
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Buchvorschau
Alle waren gegen sie - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 367 –
Alle waren gegen sie
Schnell gerät man in Verdacht..
Toni Waidacher
Vorsichtig rangierte Wenzel Ottinger die Zugmaschine über den Festplatz. Christel, seine Tochter, wartete in dem PKW, der den Wohnwagen zog, bis ihr Vater den Hänger, mit dem Karussell darauf, an die richtige Stelle gebracht hatte. Karsten Steiner hatte unterdessen das zweite Auto, das den anderen Wohnwagen zog, abgestellt und war ausgestiegen. Er eilte seinem Chef zur Hilfe und half Wenzel, die Räder des Hängers und der Zugmaschine zu blockieren, indem er schwere Bremsklötze darunter schob.
Christel schaute sich um. Überall auf der Festwiese waren die Schausteller damit beschäftigt, ihre Fahrgeschäfte aufzubauen, es herrschte ein geschäftiges Treiben, das im Moment eher noch einem Chaos glich, und das junge Madl fragte sich, wie es bis zur Eröffnung der Kirchweih, am Nachmittag, geschafft wer-
den sollte, daß alles ordentlich aussah.
Dreiundzwanzig Jahre war Christel Ottinger jetzt alt, und etwas anderes, als das Leben auf Jahrmärkten und Volksfesten kannte die hübsche junge Frau nicht. Aber sie liebte es, wenn das Kinderkarussell sich drehte, die Musik spielte und sie die glänzenden Augen der Buben und Madln sah, die vergnügt auf den kleinen Motorrädern, den Feuerwehr- und Polizeiautos oder auf den bunten Holzpferden ihre Runden drehten und vor Vergnügen jauchzten.
Christel war das Kind einer Schaustellerfamilie, geboren auf einem Rummelplatz, und es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, etwas an diesem Leben ändern zu wollen.
Karsten Steiner, der Gehilfe, den der Vater eingestellt hatte, weil es für ihn allein zu schwer geworden war, das Fahrgeschäft aufzubauen und zu transportieren, kam her-übergelaufen und hängte den Wohnwagen ab.
»Hier steht er gut«, meinte er, mit einem Kopfnicken. »Den anderen schieben wir dort hinüber.«
Er wies mit dem Kopf auf ein Stück Wiese, hinter der Zugmaschine. Christel nickte und packte mit an. Ihr Vater kam hinzu
»Wir müssen uns beeilen«, drängte er. »Um drei ist die Messe, und dann geht’s los.«
»Dann kümmer’ ich mich gleich ums Essen«, sagte Christel und öffnete die Tür des Wohnwagens.
Seit Mutters Tod lebte sie alleine darin. Der Vater teilte sich den anderen, größeren Wagen mit dem Schaustellergehilfen. Hier drinnen war auch die Küche untergebracht, mit einem dreiflammigen Gaskocher, auf dem das Madl das Mittag-essen zubereitete.
Während Kartoffeln geschält wurden, und Gemüse geputzt, lauschte Christel der Musik aus dem kleinen Kofferradio, das auf einem Regal über der Spüle stand. Zwischendurch schaute sie aus dem Fenster, um zu sehen, wie weit die Männer mit dem Aufbau waren. Das Gerüst des Karussells stand bereits, und Karsten und ihr Vater waren dabei, die Autos, Pferde und Motorräder abzuladen und zu montieren.
Papa hat recht, dachte sie, als sie auf die Uhr schaute. Bis zur feierlichen Messe, die der Pfarrer unter freiem Himmel vollziehen würde, blieb nicht mehr viel Zeit. Außerdem mußte erst noch der Sachverständige vom Technischen Überwachungsverein das Fahrgeschäft auf seine Sicherheit überprüfen und für den Gebrauch freigeben. Christel schaltete die Flamme niedriger und ließ den Eintopf langsam vor sich hinkochen, dann eilte sie hinaus und legte letzte Hand mit an.
Wenzel Ottinger unterwarf das Karussell einer ersten eigenen Prüfung und befand alles sei in Ordnung. Der Sachverständige würde zufrieden sein. Jetzt schnell gegessen und sich umgezogen, und dann konnte der feierliche Teil der Kirchweih beginnen.
Christel hatte inzwischen Tisch und Stühle unter dem Dach des Vorzelts aufgestellt und das Essen aufgetragen.
»Hoffentlich hält’s Wetter«, meinte ihr Vater mit einem skeptischen Blick zum Himmel. »Wenn’s regnet, kommen die Leut’ net.«
Christel nickte. Lange genug war sie in diesem Geschäft, um zu wissen, daß Regen die Leute davon abhalten würde, auf die Kirchweih zu gehen. Es war ohnehin nicht mehr so lukrativ, wie früher, ein Kinderkarussell zu betreiben. Die Kleinen wollten auch in diesem Alter oft lieber in rasanten Fahrgeschäften den Kitzel im Bauch spüren, wenn sie aus hundert Metern Höhe zur Erde stürzten, oder in rasender Geschwindigkeit um die eigene Achse gewirbelt wurden. Da war mit einem altmodischen Kinderkarussell nicht mehr viel Geld zu verdienen. Abgesehen davon mußte Karsten Steiner seinen Lohn bekommen, Standgebühren und Versicherungen bezahlt werden.
Dennoch, Christel liebte dieses Leben in Freiheit, heute hier, morgen dort, es war immer wieder eine Freude, auf anderen Plätzen Freunde und Schaustellerkollegen zu treffen und am Abend, wenn die Besucher nach Hause gegangen waren, noch lange bei einem Plausch zusammenzusitzen.
»Lecker, die Suppe«, sagte Karsten Steiner und nahm sich noch eine Kelle voll.
Dabei zwinkerte er der jungen Frau zu. Christel erwiderte den Blick nicht. In den drei Jahren, seit der Bursche bei ihnen war, hatte er öfter versucht, ihr den Hof zu machen. Zugegeben, sie mochte den immer lustig aufgelegten Schau-stellergehilfen, und eigentlich konnte sie sich gar nicht mehr vorstellen, wie es ohne ihn war, aber mehr empfand sie für Karsten nicht.
»Möchtest auch noch was?« fragte sie ihren Vater.
Der schüttelte den Kopf und lehnte sich zurück.
Während er seine Pfeife hervorzog und bedächtig stopfte, glitt sein Blick über den Platz. Gerade kam eine Zugmaschine herangefahren. Wenzels Miene verfinsterte sich, als er erkannte, wer hinter dem Lenkrad saß.
»Na, die Bande hat uns gerad’ noch gefehlt«, raunzte er ungehalten.
Christel schaute zu den Ankömmlingen.
»Kümmer’ dich einfach net darum«, sagte sie.
Allerdings wußte sie auch, daß das leichter gesagt, als getan war. Wo immer die Familie Kaiser mit ihrem Losgeschäft und der Schießbude auftauchte, da war Ärger vorprogrammiert.
Schad’, dachte die hübsche junge Frau mit den dunklen Locken, eigentlich hatte ich gehofft, daß Anton Kaiser und seine Familie zur Kirchweih nach Unterstellingen fahren würden.
Aber offensichtlich hatten sie es sich anders überlegt. Jetzt hieß es, das Beste daraus zu machen.
Wie das allerdings gehen sollte, war Christel ein Rätsel, denn die Zugmaschine hielt genau auf den letzten freien Platz zu, direkt neben ihnen...
*
Im Pfarrhaus saß man um diese Zeit ebenfalls beim Mittagessen. Sophie Tappert hatte Fleischpflanzerl gebraten und reichte dazu geschmorten Wirsing und Kartoffeln. Max Trenker langte tüchtig zu. Fleischpflanzerl gehörten zu seinen Lieblingsgerichten, und wenn es dazu auch noch den mit Sahne und Speck geschmorten Kohl gab, dann konnte sich der junge Polizeibeamte kaum noch zurückhalten.
»Wie schaut’s auf dem Festplatz aus?« erkundigte sich sein Bruder.
»Sehr schön«, antwortete Max. »Fast alle sind dabei, die auch im letzten Jahr hier waren.«
Der Polizist war nicht nur für die Sicherheit und Ordnung in St. Johann zuständig, während der alljährlichen Kirchweih mußte Max auch dafür sorgen, daß es auf dem Festplatz nicht zu Ausschreitungen und Raufereien kam. Dabei wurde er von drei Kollegen aus der Kreisstadt unterstützt.
Sebastian Trenker schaute auf die Uhr.
»Zeit wird’s«, sagte der Seelsorger und stand auf.
Die Messe unter freiem Himmel war der erste Höhepunkt der Kirchweih. Die Schausteller freuten sich darauf, und natürlich kamen auch viele Einheimische hinzu, um dem feierlichen Gottesdienst beizuwohnen. Anschließend wurde das Festwochenende, das am Donnerstag begann und am Samstagabend endete, von Markus Bruckner, dem Bürgermeister von St. Johann, mit einem Faßanstich und Freibier für jedermann, im Festzelt eröffnet.
Alois Kammeier, der Mesner, hatte mit Hilfe einiger Schausteller, am Rande der Wiese einen Altar aufgebaut. Für die Älteren gab es ein paar Sitzgelegenheiten, die anderen standen, als Pfarrer Trenker und die Meßdiener vor die Gemeinde traten.
Wie es seine Art war, hielt Sebastian die Predigt in einer humorvollen Art, und so manches Schmunzeln glitt über die Gesichter der Gläubigen, aber sie waren auch