Drei aus einem Nest: Sophienlust Extra 82 – Familienroman
Von Gert Rothberg
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Über dieses E-Book
In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg.
Die drei Kinder hatten schon eine Weile zugeschaut. Als eine Pause im leidenschaftlichen Völkerballkampf der Sophienluster Kinder eintrat, fragte das blonde Mädchen mit verblüffender Selbstverständlichkeit, ob sie mitspielen könnten. Henrik von Schoenecker betrachtete die drei fremden Kinder, die offensichtlich Geschwister waren, prüfend. »Wenn ihr es könnt?«, meinte er achselzuckend. »Je mehr mitmachen, desto besser.« Nun, eigentlich beteiligten sich schon genug Kinder an dem Völkerballspiel. Henrik, Fabian, Heidi, Vicky, Angelika, Pünktchen und noch ein paar andere Kinder nahmen an diesem warmen Sonntagnachmittag daran teil. »Du kommst in meine Partei, und dein Bruder kann auf der anderen Seite spielen«, bestimmte Henrik, ohne sich damit aufzuhalten, sich nach den Namen der drei Fremdlinge zu erkundigen. Dass deren ehemals hellblaue Baumwolljeans reichlich schmutzig waren, fiel ihm nicht auf. In solchen Dingen war Denise von Schoeneckers Jüngster sehr großzügig. »Ati guckt zu. Sie ist noch zu klein«, erklärte das fremde Mädchen. Pünktchen warf einen kurzen Blick auf Ati. »Das ist also ein Mädchen«, meinte sie. »Lustig schaut sie aus, die Ati.« Zu weiteren Betrachtungen blieb keine Zeit, denn das Spiel ging weiter.
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Buchvorschau
Drei aus einem Nest - Gert Rothberg
Sophienlust Extra
– 82 –
Drei aus einem Nest
Eine kleine Rasselbande sorgt für Aufregung …
Gert Rothberg
Die drei Kinder hatten schon eine Weile zugeschaut. Als eine Pause im leidenschaftlichen Völkerballkampf der Sophienluster Kinder eintrat, fragte das blonde Mädchen mit verblüffender Selbstverständlichkeit, ob sie mitspielen könnten.
Henrik von Schoenecker betrachtete die drei fremden Kinder, die offensichtlich Geschwister waren, prüfend. »Wenn ihr es könnt?«, meinte er achselzuckend. »Je mehr mitmachen, desto besser.«
Nun, eigentlich beteiligten sich schon genug Kinder an dem Völkerballspiel. Henrik, Fabian, Heidi, Vicky, Angelika, Pünktchen und noch ein paar andere Kinder nahmen an diesem warmen Sonntagnachmittag daran teil.
»Du kommst in meine Partei, und dein Bruder kann auf der anderen Seite spielen«, bestimmte Henrik, ohne sich damit aufzuhalten, sich nach den Namen der drei Fremdlinge zu erkundigen. Dass deren ehemals hellblaue Baumwolljeans reichlich schmutzig waren, fiel ihm nicht auf. In solchen Dingen war Denise von Schoeneckers Jüngster sehr großzügig.
»Ati guckt zu. Sie ist noch zu klein«, erklärte das fremde Mädchen.
Pünktchen warf einen kurzen Blick auf Ati. »Das ist also ein Mädchen«, meinte sie. »Lustig schaut sie aus, die Ati.«
Zu weiteren Betrachtungen blieb keine Zeit, denn das Spiel ging weiter. Die beiden kleinen Fremdlinge erwiesen sich als recht gute Spieler und trugen dazu bei, dass das Spiel noch spannender wurde, als es vorher schon gewesen war.
Schwester Regine, die an diesem Nachmittag die Verantwortung für die kleinen Bewohner des Kinderheims Sophienlust übernommen hatte, kam etwa eine Stunde später in den Park. Sie stellte mit einiger Verwunderung fest, dass drei Kinder zu viel vorhanden waren. Das war eine höchst erstaunliche Entdeckung, nachdem sie sich hatte vergewissern wollen, dass auch kein Kind fehlte.
Schwester Regine unterbrach das Spiel nicht.
Sie hockte sich neben Ati ins Gras. Jedes Mal, wenn der Ball durch die Luft flog, lachte das schmutzige kleine Ding laut und begeistert. Manchmal klatschte es auch in die Händchen.
»Wie heißt du?«, fragte die Kinderschwester freundlich.
Ati wandte ihr das pausbäckige Gesichtchen zu und nannte ihren Namen. »Ati.«
Damit war nicht viel anzufangen. Schwester Regine überlegte, ob Ati ein Bub oder ein Mädchen sei. Die Frage, woher diese drei Schmutzfinken gekommen sein könnten, blieb offen, bis das Spiel endlich abgebrochen wurde, weil beide Mannschaften völlig außer Atem geraten waren.
Erst jetzt wurde Henrik, Pünktchen und den übrigen Sophienluster Kindern bewusst, dass sie Gäste hatten. »Du musst mit Schwester Regine reden«, wandte sich Fabian an das fremde blonde Mädchen, das etwa ein Jahr älter sein mochte als der fremde Junge mit den lustigen braunen Augen, der noch nicht viel gesagt, dafür aber umso eifriger gespielt hatte.
Schwester Regine ging auf die beiden Geschwister zu, und Ati gesellte sich ebenfalls zu ihnen. Fröhlich und ohne jede Scheu schauten diese die Kinderschwester an. Den Eindruck unglücklicher, in Not geratener Kinder machten sie durchaus nicht. War Sophienlust, die Zufluchtsstätte für Kinder in Bedrängnis, für diese drei der rechte Ort? Wohl kaum.
»Willst du mir erzählen, wer ihr seid? Möchtet ihr uns hier in Sophienlust besuchen?«, wandte sich Schwester Regine an das Mädchen.
»Besuchen? Nein, eigentlich nicht. Wir sahen die Kinder spielen und haben gefragt, ob wir mitmachen können.«
»Müsst ihr jetzt nach Hause? Wo wohnt ihr überhaupt?«
»Wir …, wir haben uns ein bisschen verlaufen«, gestand das Mädchen.
»Ach so, da können wir euch ganz gewiss helfen. Du bist schon ziemlich groß und gehst gewiss bereits zur Schule. Also wirst du mir sagen können, wie ihr drei heißt und wo ihr wohnt.«
Das Kind nickte. »Ich bin Bea. Richtig heiße ich Beatrix Holte.«
»Und ich heiße Harald Holte«, erklang die etwas raue Stimme des Jungen. »Dies ist Ati.«
Schwester Regine setzte das kleine Verhör behutsam fort. Oft genug hatte sie erlebt, dass Kinder bei allzu vielen Fragen verstummten, doch diese drei Geschwister antworteten ihr freimütig. Die Sophienluster Kinder, die im Kreis um sie herumstanden, erfuhren so, dass Beatrix, Harald und Astrid – so lautete Atis voller Name – sieben, sechs und zwei Jahre alt waren. Auch ihre genaue Anschrift nannten die Geschwister. Sie wohnten in der Kreisstadt Maibach, in der Brunnenstraße acht. Harald wurde übrigens Raldi gerufen.
»Und wie seid ihr ausgerechnet zu uns nach Sophienlust verschlagen worden?«
Bea hob die Schultern. »So richtig wissen wir das nicht«, gestand sie. »Gestern musste Vati nämlich verreisen. Es war ziemlich wichtig, aber er wollte bis zum Nachmittag bestimmt zurück sein. Na ja, und dann ist er einfach nicht gekommen. Erst haben wir gewartet, dann wollten wir ihm entgegengehen.«
»Du meine Güte«, entfuhr es Schwester Regine. »Wie ging die Geschichte dann weiter?«
»Eine Geschichte ist es nicht«, wandte Raldi ernsthaft ein. »Wir haben es richtig erlebt. Es wurde nämlich dunkel, und wir merkten, dass wir den Weg zurück nicht finden konnten. Natürlich haben wir keine Angst gehabt.«
»Aber der Wald war so fremd im Dunkeln«, fügte Bea hinzu. »Wir sind immer weitergelaufen, bis wir müde waren. Kalt war es ja nicht. Schließlich haben wir irgendwo unter ein paar Büschen geschlafen.«
Woher sie so bemerkenswert schmutzig geworden waren, erklärte sich mit dieser Erzählung hinlänglich.
»Und weiter?«, drängte Schwester Regine sanft.
»Nichts weiter«, meinte Raldi treuherzig. »Aber Hunger haben wir.«
»Ja, Hunger.« Ati nickte eifrig.
»Ihr seid also dann heute weiter herumgeirrt. Von Maibach bis hierher ist es ziemlich weit.« Schwester Regine war erschüttert. Sie führte die drei Geschwister ins Herrenhaus von Sophienlust, das nach dem Vermächtnis der früheren Besitzerin Sophie von Wellentin in ein Kinderheim umgestaltet worden war. Glücklicherweise kehrte Frau Rennert, die Heimleiterin, eben von einem Besuch in Bachenau zurück, sodass Schwester Regine sie um Hilfe bitten konnte.
»Der Vater der drei Kinder heißt Dr. Friedrich Holte, sagen sie«, berichtete die Kinderschwester atemlos. »Ob Sie versuchen könnten, dort anzurufen? Brunnenstraße acht in Maibach.«
»Natürlich. Die Eltern sind gewiss schon in größter Sorge.« Frau Rennert war sofort bei der Sache. Es war nicht der erste Fall solcher Art in ihrer langen Praxis.
»Bloß Vati«, meinte Bea unbekümmert. »Denn unsere Mutti ist nicht da.«
Daraus erklärte sich wohl manches.
Obgleich bei Schwester Regine Reinlichkeit groß geschrieben wurde, führte sie die drei Kinder zunächst in Magdas riesige Küche, wo bereits die Vorbereitungen für das Abendessen der Kinderschar im Gange waren. Bea, Raldi und Ati tranken die angebotene Milch so gierig wie drei kleine Kälbchen.
»So, das ist genug für den Anfang. Später gibt es mehr, Kinder. Jetzt wollen wir euch erst einmal in die Wanne stecken.«
Bea betrachtete ihre Jeans sowie ihre verschmierten Hände und nickte.
Im Badezimmer staunte Schwester Regine, wie rasch die drei kleinen Gäste ihre Kleider abgelegt hatten und voller Eifer in die Wanne kletterten. Kein Zweifel, sie waren daran gewöhnt, zu dritt zu baden.
»Wir zwei können uns allein waschen«, sagte Bea fröhlich. »Nur Ati muss man abschrubben. Das tut sonst Vati.«
Nach reichlicher Anwendung von Seifenschaum und warmem Wasser erwies sich, dass Sophienlust drei besonders niedliche kleine Gäste beherbergte. Schwester Regine musste diese unbekümmerten Ausreißer immer wieder anschauen, während sie ihnen die Haare wusch und diese anschließend mit dem Fön trocknete. Schließlich steckte sie Bea, Raldi und Ati in frische Kleidung aus den Vorräten des Kinderheims.
Frau Rennert erschien mit etwas ratloser Miene. Doch beim Anblick der drei entzückenden Kinder hellte sich ihr Gesicht sofort auf.
»Ich habe die Nummer im Telefonbuch gefunden. Es stimmt genau: Dr. Friedrich Holte, Brunnenstraße acht. Aber ich kann keinen Anschluss bekommen, obwohl das Telefon einwandfrei durchläutet.«
Bea schlug die langbewimperten Lider zu Frau Rennert auf. »Dann ist er noch immer nicht gekommen. Komisch!«
Sorgen, dass etwas passiert sein könnte, schienen sich weder Bea noch Raldi oder gar Ati zu machen. Ati war ohnehin noch zu klein, um die Tragweite des Geschehens zu ermessen.
»Weißt du, was für einen Beruf dein Vati hat?«, bemühte sich Frau Rennert den Dingen auf den Grund zu gehen.
Bea nickte. Sie trug jetzt rote Cordhosen und einen weißen Baumwollpulli. »Vati schreibt dicke Bücher. Zuerst tippt er alles auf der Schreibmaschine, und später wird es natürlich gedruckt. Wenn Vati arbeitet, darf man ihn nicht stören.«
»Und eure Mutti? Wollte sie sehr lange fortbleiben? Ist sie zusammen mit euerm Vater weggefahren?«
Jetzt meldete sich Raldi zum Wort. »Nein, Mutti ist immer weg. Aber ich weiß, wie die Stadt heißt.«
»Die Stadt, in der eure Mutti ist?«, fragte Schwester Regine hoffnungsvoll.
»Nein, in die Vati fahren wollte, meine ich – Heidelberg!« Es klang wie ein Fanfarenstoß, so stolz war der Junge, dass er sich diesen Namen gemerkt hatte.
Heidelberg – das war immerhin etwas. Trotzdem würde es schwer sein, am Sonntagabend Erkundigungen einzuziehen, falls Dr. Holte tatsächlich nicht in sein Haus in Maibach zurückgekehrt war.
Frau Rennert tat das, was sie angesichts der Sachlage für ihre Pflicht hielt. Sie ging ans Telefon und benachrichtigte Denise von Schoenecker, drüben auf Gut Schoeneich.
Denise hatte einmal einen ungestörten Sonntag mit ihrem Mann verbringen wollen. Doch sie wusste, das unvermutete Auftauchen der drei Kinder rechtfertigte die Handlungsweise der Heimleiterin.
»Wir müssen die Polizei verständigen. Wir kommen zum Abendessen hinüber, liebe Frau Rennert. Selbstverständlich