Ein Opfer wird belohnt: Sophienlust Extra 71 – Familienroman
Von Gert Rothberg
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In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg.
Denise von Schoenecker beobachtete verstohlen die beiden kleinen Mädchen, die unruhig auf ihren Stühlen hin und her rutschten. Es waren hübsche Kinder, denen man auf den ersten Blick ansah, dass sie Schwestern waren. Beide Mädchen hatten blonde Haare und große blaue Augen, die aber im Augenblick sehr ängstlich und verstört blickten. Es war den Kindern anzusehen, dass sie in der letzten Zeit oft geweint hatten. Wie zwei verängstigte Vögelchen, die aus dem Nest gefallen sind, hockten sie auf ihren Stühlen. Sie waren sehr geschmackvoll und modisch gekleidet. Sie trugen bunte Faltenröcke und dazu passende rote Jacken. »Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie Daniela und Stefanie vorläufig in Sophienlust aufnehmen wollen«, sagte der weißhaarige Herr, der Denise gegenübersaß. »Ich hoffe, dass es sich nur um eine kurze Zeit handelt. Ich werde bereits morgen nach Berlin fliegen und mit Frau Stetten sprechen.« »Frau Stetten ist die Tante der Kinder, nicht wahr, Herr Dr. Buchner?« fragte Denise. Der Anwalt nickte. »Frau Stetten ist Danielas und Stefanies Tante. Die Mutter der Kinder war die Schwester von Frau Stetten. Diese ist jetzt die einzige Verwandte der Kinder. Wie ich Ihnen bereits schrieb, war es der Wunsch der Verstorbenen, dass die Kinder nach Deutschland gebracht werden und dass ihre jüngere Schwester Irene die Vormundschaft übernimmt. Frau Stetten wird entscheiden müssen, was mit den Kindern geschieht.
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Sophienlust Extra
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Buchvorschau
Ein Opfer wird belohnt - Gert Rothberg
Sophienlust Extra
– 71 –
Ein Opfer wird belohnt
Wie sich Irene um ihre kleinen Nichten kümmerte ...
Gert Rothberg
Denise von Schoenecker beobachtete verstohlen die beiden kleinen Mädchen, die unruhig auf ihren Stühlen hin und her rutschten. Es waren hübsche Kinder, denen man auf den ersten Blick ansah, dass sie Schwestern waren. Beide Mädchen hatten blonde Haare und große blaue Augen, die aber im Augenblick sehr ängstlich und verstört blickten. Es war den Kindern anzusehen, dass sie in der letzten Zeit oft geweint hatten. Wie zwei verängstigte Vögelchen, die aus dem Nest gefallen sind, hockten sie auf ihren Stühlen. Sie waren sehr geschmackvoll und modisch gekleidet. Sie trugen bunte Faltenröcke und dazu passende rote Jacken.
»Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie Daniela und Stefanie vorläufig in Sophienlust aufnehmen wollen«, sagte der weißhaarige Herr, der Denise gegenübersaß. »Ich hoffe, dass es sich nur um eine kurze Zeit handelt. Ich werde bereits morgen nach Berlin fliegen und mit Frau Stetten sprechen.«
»Frau Stetten ist die Tante der Kinder, nicht wahr, Herr Dr. Buchner?« fragte Denise.
Der Anwalt nickte. »Frau Stetten ist Danielas und Stefanies Tante. Die Mutter der Kinder war die Schwester von Frau Stetten. Diese ist jetzt die einzige Verwandte der Kinder. Wie ich Ihnen bereits schrieb, war es der Wunsch der Verstorbenen, dass die Kinder nach Deutschland gebracht werden und dass ihre jüngere Schwester Irene die Vormundschaft übernimmt. Frau Stetten wird entscheiden müssen, was mit den Kindern geschieht. So war es der Wunsch von Frau Korten, der Mutter der beiden Mädchen.«
»Und der Vater?« fragte Denise bedrückt.
»Der Vater der Kinder ist leider vor zwei Jahren verstorben. Er war wie seine Frau beim amerikanischen Fernsehen tätig. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, dass Frau Korten eine bekannte und beliebte Fernsehansagerin war. Ich kannte die Familie seit Jahren und habe als Anwalt die Interessen der Familie wahrgenommen. Deshalb ist mir jetzt auch die Aufgabe zugefallen, die Kinder nach Deutschland zu bringen. Ich möchte hierbei noch einmal betonen, wie dankbar ich Ihnen bin, dass sie die Kinder zunächst in Ihrem Kinderheim aufnehmen wollen. Ich hoffe, dadurch in Kürze nach New York zurückfliegen zu können.«
»Frau Stetten, die Tante der Kinder, kennen Sie nicht persönlich?« fragte Denise. Tiefes Mitleid mit den elternlosen Kindern erfasste sie.
»Leider nein. Frau Korten war zwölf Jahre älter als ihre Schwester. Soviel ich weiß, haben sich die Schwestern nicht besonders gut verstanden. Wahrscheinlich war der Altersunterschied zu groß. Sie hatten kaum noch Kontakt und tauschten nur zu den Festtagen Kartengrüße aus. Frau Korten lebte seit zwanzig Jahren in Amerika und Frau Stetten in Berlin, der Heimatstadt der Schwestern. Irene Stetten ist übrigens Schauspielerin.«
Wieder warf Denise den beiden Mädchen einen verstohlenen Blick zu. Wie schrecklich ist das alles für die Kinder, dachte sie traurig. Nicht nur, dass sie die Mutter verloren haben und in ein Land gebracht wurden, in dem ihnen alles fremd ist, obendrein ist ihr Schicksal vollkommen ungewiss. Es hängt davon ab, wie sich diese Tante, die sie gar nicht kennen und von der sie wahrscheinlich nicht einmal viel gehört haben, entscheidet.
Denise nahm sich in diesem Augenblick vor, um diese beiden Kinder zu kämpfen: Da sagte der Anwalt, als habe er ihre Gedanken erraten: »Für die Kinder kommt es nun darauf an, wie sich Frau Stetten entscheidet. Ich hoffe sehr, dass die Kinder wenigstens beisammenbleiben können. Gut wäre es, wenn Frau Stetten die Kinder zu sich nehmen würde, aber ich glaube kaum, dass das der Fall sein wird. Frau Stetten ist fünfundzwanzig Jahre alt und Schauspielerin. Sicher hofft sie auf eine große Karriere. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich mit einem sieben und einem fünfjährigen Kind belasten wird. Zum Glück sind die Kinder nicht ganz mittellos. Das kleine Vermögen ist in recht sicheren Papieren angelegt und wird für eine gute Ausbildung reichen.«
»Wann fahren wir zu Tante Irene?« piepste in diesem Augenblick die siebenjährige Daniela. »Ich möchte zu Tante Irene nach Berlin.«
»Nach Berlin, zu Tante Irene.« Die um zwei Jahre jüngere Stefanie war das Echo ihrer älteren Schwester.
»Wann fahren wir?« Das war wieder Daniela. »Wir wollen zu Tante Irene. Hier gefällt es uns nicht.« Die Stimme des kleinen Mädchens konnte recht energisch klingen. »Onkel Buchner, du hast uns versprochen, dass du uns zu Tante Irene bringst.«
Daniela begann zu weinen, und prompt kullerten auch bei ihrer Schwester die Tränen.
»Ihr sprecht aber gut Deutsch«, sagte Denise bewundernd und hoffte, die Kinder damit auf andere Gedanken zu bringen.
»Deutsch ist doch unsere Muttersprache. Das hat Mutti immer zu uns gesagt. Und wir sind doch in einen deutschen Kindergarten gegangen. Dort haben wir nur Deutsch gesprochen«, erklärte Daniela.
»Ich möchte in den Kindergarten«, jammerte Stefanie. Sie kletterte von ihrem Stuhl herab und lief zur Tür. »Ich will nicht hierbleiben. Ich will nach Hause, ich will nach New York.«
»Ich auch«, schrie Daniela nun. »Hier ist es doof.«
»Doof«, echote Stefanie hinterher und versuchte, die Tür zu öffnen.
Denise sprang auf. »Hiergeblieben, ihr Ausreißer!« sagte sie scherzend und fasste die Kinder fest an den Händen. »Jetzt bleibt ihr erst einmal bei uns in Sophienlust. Passt auf, es wird euch hier gefallen. Sophienlust ist ein Kinderheim. Hier leben viele Kinder.«
»Kinderheim, was ist das?« fragte Daniela gedehnt. »Ist das so etwas wie ein Kindergarten?«
Denise nickte. »Das ist so etwas Ähnliches wie ein Kindergarten«, bestätigte sie.
»Und wo sind die Kinder?« fragte Daniela und sah sich um. »Ich sehe keine Kinder.«
»Keine Kinder«, piepste Stefanie.
»Ich werde jetzt nach Schwester Regine läuten. Sie wird mit euch zu den anderen Kindern gehen und euch euer Zimmer zeigen.«
»Wer ist Schwester Regine?« erkundigte sich Daniela misstrauisch. »Ist das eine Krankenschwester wie bei Mutti im Krankenhaus?«
»Ich will nicht zu einer Schwester Regine aus dem Krankenhaus.« Stefanie schrie plötzlich wie am Spieß.
Es kostete Denise viel Mühe, das Kind zu beruhigen. »Schwester Regine ist sehr lieb. Sie ist so lieb, wie es sicher eure Kindergartentante war«, versicherte Denise immer wieder.
Für einen kurzen Augenblick klärte sich Danielas Gesicht etwas auf, während Stefanie noch immer leise vor sich hin weinte. »Tante Resi war lieb«, sagte Daniela leise und versonnen.
»War lieb.« Stefanie nickte ein wenig mit dem Kopf.
»Seht ihr! Und bald werdet ihr auch Schwester Regine lieb haben. Und nun verabschiedet euch von Herrn Dr. Buchner, denn gleich wird Schwester Regine kommen.«
»Nein«, erklärte Daniela energisch und stampfte ein wenig mit dem Fuß auf. »Er hat gesagt, dass er uns zu Tante Irene bringt. Er hat es uns versprochen. Was man verspricht, muss man halten.«
»Muss man halten«, ließ sich Stefanie weinerlich vernehmen.
Der alte Anwalt warf Denise einen flehenden Blick zu, den diese verstand. »Glaubt mir, es ist bestimmt besser, ihr bleibt zunächst ein Weilchen bei uns in Sophienlust. Herr Dr. Buchner wird erst einmal allein nach Bern fliegen und mit eurer Tante sprechen. Es muss vieles besprochen und erledigt werden. Danach wird euch eure Tante sicher zunächst einmal besuchen. Alles Weitere sehen wir dann schon«, versuchte Denise den Kindern ihre Lage möglichst vorsichtig zu erklären.
Daniela sah Denise misstrauisch an. »Will sie uns nicht?«
»Will sie uns nicht?« fragte nun auch Stefanie und begann wieder zu weinen. Es war gut, dass in diesem Augenblick Schwester Regine das Zimmer betrat. Dadurch wurden die Kinder erst einmal abgelenkt. »Wer weint denn hier?« fragte die junge Kinderschwester und beugte sich liebevoll zu der kleinen Stefanie hinab.
»Ich«, murmelte Stefanie.
»So, und warum weinst du?«
»Wir wollen nicht hierbleiben«, übernahm Daniela das Wort und legte beschützend ihren Arm um die Schulter der jüngeren Schwester. »Wir wollen zu Tante Irene.«
»Nun, sicher werdet ihr auch bald zu eurer Tante kommen«, meinte Schwester Regine mit einem lieben Lächeln, denn sie war von Denise bereits über das Schicksal der Kinder unterrichtet worden. »Jetzt bleibt ihr aber am besten erst einmal bei uns in Sophienlust. Die Kinder hier freuen sich schon auf euch. Sie sind gespannt auf euch, weil ihr aus Amerika kommt. Sie werden staunen, wenn sie hören, wie gut ihr Deutsch sprecht. Könnt ihr denn auch Englisch sprechen?«
»Natürlich«, sagten beide Mädchen wie aus einem Munde. Sie begannen sofort in englischer Sprache zu erzählen, dass sie nur zu Hause mit der Mutti und im Kindergarten Deutsch gesprochen hatten, aber auf der Straße und beim Einkaufen und in dem großen Haus, in dem sie gewohnt hatten, Englisch. Sonst hätte sie ja niemand verstanden.
Für einen Augenblick hatten die Kinder ihren Kummer tatsächlich vergessen. Sie bemerkten kaum, dass Schwester Regine sie aus dem Zimmer führte. Erst auf dem Flur verstummte Daniela. Sie sah sich misstrauisch um und wollte dann zurücklaufen, aber Schwester Regine hielt sie am Arm fest.
»Ich zeige euch jetzt das Zimmer, in dem ihr schlafen werdet, und dann werden wir zusammen in den Speisesaal gehen, wo ihr die anderen Kinder kennenlernen werdet. Heute Abend gibt es Würstchen und Salat. Ist das nicht etwas Gutes?«
»Ich habe gar keinen Hunger.«
»Keinen Hunger«, echote Stefanie und schüttelte zur Bekräftigung ihrer Worte den Kopf.
»In Gesellschaft der Kinder wird sich der Hunger und der Appetit schon einstellen. So, und jetzt müssen wir hier die Treppe hinaufgehen.«
»Wo ist der Lift?« fragte Daniela. Misstrauisch musterte sie die schön geschwungene Treppe, die von der Halle hinauf in den ersten Stock führte, wo die Schlafräume der Kinder lagen.
»Hier gibt es keinen Lift. Wir brauchen hier auch keinen. Diese Treppe führt zum ersten Stock hinauf.«
»So ein kleines Haus«, staunte Daniela beeindruckt. »Wir haben in