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"Ein Jahr ohne Dich..."
"Ein Jahr ohne Dich..."
"Ein Jahr ohne Dich..."
eBook601 Seiten5 Stunden

"Ein Jahr ohne Dich..."

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Über dieses E-Book

Nachdem ich viele positive Rückmeldungen zu meinem 1. Büchlein erhielt, beschloss ich, weiter zu schreiben.
Ich verwendete Teile unserer Chats des Vorjahres und verglich sie mit den Ereignissen des 1. Jahres ohne unseren Sohn. Es gab Parallelen, Positives und auch Negatives. Uns passierten viele Dinge, die man nicht einfach so erklären kann, die aber sehr trösteten.
Wir leben weiterhin im "Zentrum des Wahnsinns", aber das ist auch das Einzige, was sich nicht verändert hat.
Ansonsten ist nichts mehr, wie es einmal war. Ich möchte in diesem Buch zeigen, wie wir trotzdem überleben und anderen Menschen in ähnlichen Situationen Mut machen...
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum29. Jan. 2019
ISBN9783748228660
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    Buchvorschau

    "Ein Jahr ohne Dich..." - Cornelia Besoke

    März:

    Gestern ist Dein Papa 50 geworden. Eigentlich wollten wir alle zusammen an die Ostsee. Du hast Dich so darauf gefreut…

    Ich habe mir wirklich Mühe gegeben und gekocht. Früher lief das so nebenbei, aber jetzt ist alles anders. Es gab Soljanka, Pelmeni und Knoblauch-Käse- Pizza. Du verdrehst da oben sicher grad wieder die Augen: „Mutter, Du musst nichts Neues ausprobieren. Wenn was schmeckt, dann lässt man das so!" Ich vermisse das so. Ich vermisse Dich- jeden einzelnen Tag.

    Aber unseren Gästen/ Deinen Freunden, Flori und der „kleinen Frau" hat es geschmeckt. Papa schmeckt ja ohnehin Alles… aber nichts ist mehr, wie vorher, denn Du hast gefehlt.

    Abends habe ich weiter versucht, unser Büchlein zu veröffentlichen, aber es scheitert immer wieder. Du weißt ja, wie hartnäckig ich bin, wenn ich mir was in den Kopf gesetzt habe. Irgendwie hatte ich Dir das ja auch vererbt…

    Heute Morgen habe ich es nach 4-maliger Korrektur endlich geschafft. Ich freue mich so. Du wolltest, dass viele schöne Erinnerungen an Dich bleiben. Mit unserem Büchlein wirst Du nun auch ein kleines Stück unsterblich…

    Deine Schwester hat heute ihre neue Arbeit begonnen. Ich hoffe sehr, sie ist dadurch etwas abgelenkt. Sie leidet so sehr.

    Es ist Donnerstag und wieder warte ich darauf, dass Du von der Montage nach Hause kommst. Vielleicht kommst Du ja später? Ich fahre erstmal mit zu Frank. Ein bisschen Ablenkung tut gut. Auch er ist völlig fertig. Wenn man Kinder im gleichen Alter hat, trifft es einen doppelt hart. Du bist immer noch nicht zu Hause.

    Draußen ist Vollmond…

    So schaurig schön. Ist das wieder ein Zeichen? Ich warte immer wieder auf ein Zeichen. Nachts werde ich noch immer wach, aber ich habe keine Albträume mehr, sondern nur liebevolle Gedanken… Heute Nacht spürte ich plötzlich einen kalten Windhauch auf meiner Wange. Bewachst Du meine Träume? So gern hätte ich Dich auch von Deinen Träumen befreit…

    In diesen Momenten erscheint der Tod nicht mehr schrecklich…

    Für heute hat Lisa sich angekündigt. Ja, Lisa- Deine erste große Liebe. Es macht ihr sehr zu schaffen, dass Du nicht mehr da bist, denn auch nach Eurer Trennung hattet Ihr immer noch ein sehr freundschaftliches Verhältnis. Mit ihr konnte ich mich auch über die Zeichen unterhalten, die ich überall bemerke. Das geht auch nicht mit jedem, denn viele halten das für Spinnerei. Mir spendet es Trost. Sie erzählte zum Beispiel, dass sie auf dem Heimweg unter einer Brücke hindurchfuhr. Die untergehende Sonne schien auf ein Werbeschild und traf dabei nur zwei Buchstaben: MB- Deine Initialen! Nachts träumte sie von einem Schwarm Rotkehlchen. Eins davon setzte sich zu ihr… In der Traumdeutung steht das Rotkehlchen für den nordischen Gott Thor, eines Deiner Tattoos. Ist das Zufall? Laut Volksglauben erweisen Rotkehlchen einem Verstorbenen die letzte Ehre und versuchen den Hinterbliebenen das Loslassen zu erleichtern… Da fiel mir wieder der kleine Vogel im Garten ein. Er hatte einen komplett orangenen Bauch. Nachdem ich Euch befragt habe, was das für ein Vogel sein könnte, bekam ich als Antwort: „Eine halbe Apfelsine".

    Schon damals hattest Du Phasen, in denen Du mit Deinem Leben gespielt hast, z. B. auf der Brücke am Viadukt, von der sie Dich nur sehr schwer wieder herunterbekam. War es jugendlicher Übermut oder der Beginn Deiner Depression?

    Auch als Du zu Verena in die 6.Etage gezogen bist, hatte ich Angst. Wie sich nun im Nachhinein herausstellt, nicht unbegründet, denn auch sie musste Dich vom Balkon holen. War Dein Albtraum in diesen Situationen Deine Rettung? Die Angst davor, nicht zu wissen, was passiert, wenn man aufkommt? Auch sie leidet noch immer, stellt sich Fragen, sucht nach Antworten…

    Bereits im Dezember hast Du Chris beauftragt, auf Deine Freundin aufzupassen, falls Dir was passiert. Wie lange hast Du schon mit diesem Gedanken gespielt? Immer neue quälende Fragen- keine Antworten…

    Es ist Samstag. Widerwillig folge ich Papa zum Einkauf. Ich mache schnell ein paar Frischkäsestangen und Bohnensalat. Dann kann ich endlich hoch zu Dir. Ich habe gestern angefangen, die restlichen Gestecke zu entsorgen. Dann kamen Philipp, Fabi und Böni zum Kaffee. Sie sind alle noch immer sehr traurig. Die gemeinsame Zeit tut gut. Die alltäglichen Arbeiten hingegen belasten mich. Nun kann ich es Dir endlich wieder schönmachen. Nachdem ich alles geputzt habe, setze ich mich auf die Couch und lese mit Dir eine Seite aus unserem Buch- wie versprochen. Plötzlich gehen die kleinen Teelichter an. Fabi hat sich da gestern ganz schön erschrocken. Ich hatte vergessen ihm zu sagen, dass sie einen Timer haben…

    Christian, Franzi und der süße kleine Hund treffen ein, gefolgt von Fabi, Philipp, Flori und Phia. Der Rest der Bande ist noch in Tschechien. Papa macht schon mal den Grill an, mit Grillanzünder…klingt verrückt, ist aber sicherer als Deine Motorsägenaktion bei Tom. Du hast nicht nur das Feuer entzündet, sondern die Säge gleich mit…

    Er wird nachher von Verena und ihrer Mama abgeholt. Sie nehmen ihn mit zu „Elsterglanz". Er war unsicher, ob er mitgehen soll, aber ich habe ihn ermutigt. Er braucht dringend Ablenkung.

    Und es hat funktioniert… Mittlerweile sind auch Steffen, Jonas, Magges, Chris und Anna eingetroffen- 2 Flaschen Feuerwasser im Gepäck, die einen alles vergessen ließen…

    Am Sonntag brachten sie dann Kuchen mit, das hatte weniger Nebenwirkungen… Abend´s verließen sie unsere schöne Stadt dann wieder in unterschiedliche Richtungen. Alle müssen wieder arbeiten, auch wir. Aber vielleicht tut die Arbeit ja gut, lenkt ab?

    Ich habe unseren Chat des vergangenen Jahres nochmal gelesen und beschlossen, jetzt immer zu schauen, was wir voriges Jahr in der jeweiligen Zeit zu besprechen hatten. Im Februar hast Du Dir grad die Hand tätowieren lassen. Ich hatte Dir da eine schmerzärmere Methode vorgeschlagen…

    08.02.17, 16:10 – Mäxchen :

    08.02.17, 16:11 - Conny: Welches Körperteil ist das?

    08.02.17, 16:11 - Mäxchen: Die Hand!

    08.02.17, 16:11 - Conny: Und was wird es?

    08.02.17, 16:12 - Mäxchen:

    08.02.17, 16:13 - Conny: Das hätte ich dir auch malen können, ich hab nen Edding. Tut auch nicht so weh!

    08.02.17, 16:14 – Mäxchen:

    Es tut weh und gleichzeitig gut, unsere Nachrichten zu lesen. Ich habe noch immer das Gefühl, Du schreibst mir gleich zurück, aber an meinen Nachrichten ist noch immer nur ein Haken…

    Ich habe die Osterdeko hingestellt, naja einen Teil davon. Seit Du nicht mehr da bist, macht das für mich keinen Sinn mehr…

    Opa hat angerufen. Er erzählt dann immer, was er gekocht hat, wie seine Pläne für die nächsten Wochen sind, und sobald das Gespräch auf Dich kommt, stellt er immer wieder fest, dass er dran gewesen wäre und dass er dann auch ins Meer möchte. Er will mit der „Undine" von Warnemünde aus rausfahren. Im Moment bin ich aber nicht der geeignete Ansprechpartner für weitere Bestattungen.

    Er wünscht sich zum Geburtstag ein Foto von uns allen. Nun schaffen wir es doch noch auf seinen Kaminsims… Beim Adventsgrillen hast Du mich gefragt, warum da kein Foto von uns steht.

    Es gibt kein Profifoto von uns, also lasse ich einfach ein paar unserer familienspezifischen Fotos entwickeln…

    Heute Morgen schaute ich, wie immer kurz in Dein Zimmer: „Guten Morgen, mein Schatz!" Das Licht vom Vorraum traf Dein Kopfkissen und ich glaubte, Dein schlafendes Gesicht zu sehen. Was würde ich dafür tun, es noch einmal sehen zu können…

    Dann musste ich zur Arbeit. Meine Kollegen freuten sich, mich nach so langer Zeit wiederzusehen. Es klappte alles ganz gut, und ich war sehr erleichtert. Wieder ein kleiner Schritt Richtung Zukunft. Ich ziehe meinen Kittel an, und bin Schwester Conny… Das hat schon immer funktioniert. Ich bin vielleicht nicht mehr so lustig, wie vorher, aber ich fühle noch immer mit meinen Patienten, die meist sehr ängstlich zu uns in den OP kommen… Auch bei Papa funktionierte es ganz gut.

    Als ich dann zu Hause war, bekam ich verschiedene Nachrichten von Leuten, die unser Büchlein schon bekommen haben, und mir dankten. Das tat so gut und hat mich ermuntert, weiter zu schreiben…

    Heute kamen auch unsere Bücher an. Ich habe gleich damit begonnen, sie zu verteilen. Das ist mein kleines Dankeschön an alle, die immer für Dich und jetzt für uns da waren. Ich hoffe, es hilft ihnen, Dich ein bisschen besser zu verstehen, falls das überhaupt jemals möglich sein wird. Ich bekam aber schon viele Rückmeldungen von selbst Betroffenen und von einem Psychologiestudenten. Sie dankten mir für unser Büchlein, fühlten sich verstanden und fanden es toll, es aus der Sicht der Hinterbliebenen sehen zu können. Vielleicht kann ich ja auf diese Art und Weise mehr Akzeptanz für diese schlimme Krankheit erlangen. Philipp fiel dann auf, dass auf 3 Seiten Druckfehler sind. Ich schrieb alle an, die das Buch schon hatten. Überall das Gleiche… Dann fragte ich die, die es im Netz bestellt hatten. Da war alles in Ordnung. Jana sagte mir dann, sie denkt, dass es ein Zeichen von Dir ist. Ich dachte, ich bin verrückt, aber warum sind gerade die Exemplare betroffen, die für Deine Freunde und die Familie bestimmt sind? Ich setzte mich hin und versuchte, etwas aus den versetzten Buchstaben herauszulesennichts. Philipp glaubte dann zu erkennen: „Schon o. k., Sonne. Auch meine liebe „Bratwurst und Norman versuchen es…

    Vielleicht bin ich ja verrückt, aber ich habe heute versucht, ein Medium zu finden, über das ich Kontakt zu Dir aufnehmen könnte. Leider ist da nicht so ganz klar, ob es sich um Scharlatane handelt, oder ob es wirklich möglich ist…

    Dein Anwalt ist auch aktiv geworden. Ich hoffe, dass der „Fotograf" ermittelt werden kann und bestraft wird…

    Papa war heute sehr traurig, und ich dachte, es liegt daran, dass Donnerstag ist, Du aber trotzdem nicht nach Hause kommst. Es ging aber um Omas und Opas Grab, das aufgelöst werden soll.

    Die Urnen würden dann entsorgt… Für mich war sofort klar, dass die beiden dann auch zu uns kommen. Ich glaube, Papa war daraufhin ein bisschen erleichtert. Ich hoffe ja, sie haben Dir da oben schon gehörig den Kopf gewaschen, aber dann seid Ihr auch hier unten vereint. Merkwürdig finde ich nur die Bestattungskultur in unserem Land. Da muss man seine Verwandten beisetzen, und wenn die Zeit rum ist, werden sie entsorgt. Da müsste dringend ein Umdenken stattfinden…

    Es ist Freitag. Die erste Woche ist geschafft. Vorhin war Lisa wieder da. Man kann sich toll mit ihr unterhalten. Plötzlich ging die Tür auf und wieder zu. Eddie ist durchgestartet, als Magges, Steffen und Juste rein wollten… Die Klingel geht immernoch nicht… Es folgten Philipp, Anna und Chris. Alle wollten sich das Büchlein holen, und wir erzählten bis nach Mitternacht. Philipp erzählte den anderen vom Schnaps im Keller, den Ihr früher immer geklaut habt, also gabs erst Sanddornlikör, dann Rhabarberschnaps.

    Ich habe Deinen „Leuchtbuddha angestellt, aber er leuchtet nicht mehr in unterschiedlichen Farben, sondern nur noch kurz grün und dann unterschiedlich lange rot… Warum? Liebe und Hoffnung? Oder wird die Batterie nur leer? 2xlang-1xkurz. Laut Morsealphabet ist das ein „G. Das G bedeutet neuzeitlich, z.B. in Chats, ein Lächeln (g=grins) und wird oft mehrfach hintereinander verwendet, so wie Du das mit dem Buddha machst…

    Heute waren wir beim „Hundetreffen". Alle waren sehr lieb und freuten sich, uns zu sehen, aber mir fällt es noch immer sehr schwer, unter Menschen zu gehen. Ich bin einfach sprachlos, ja- die Conny, deren Mund eigentlich nie Ruhe hält, erzählt nicht mehr viel…

    Du warst voriges Jahr so niedlich, hast Papa angeboten, das Helfern zu lernen, damit er Eddie ausbilden kann. Du hast oft heimlich geübt… Als Du noch kleiner warst, konnte ich beobachten, wie Du mit Candy „Unterordnung" gelaufen bist…

    Auf dem Heimweg war es dunkel und es regnete. Du weißt ja, wie sehr mich das anstrengt, aber jetzt ist es fast unerträglich. Ständig Brücken, über die ich nicht fahren wollte, dann sollte ich noch den Tempomaten benutzen… Das war zu viel, alles zu schnell, nicht kontrollierbar. Ich war völlig überfordert… Du hattest da oben sicher Deinen Spaß … Eigentlich warst Du ja mit… ich habe mir auch einen Anhänger fertigen lassen. Nun bist Du überall dabei.

    Ich sitze jetzt auf der Terrasse und schnüdel noch eine mit Dir. In der Ferne höre ich die Autos über Deine Brücke fahren. Ich hasse sie dafür. So hast Du doch keine Ruhe. Aber eigentlich wolltest Du sie ja hören. So viele wirre Gedanken…

    Heute Morgen habe ich erst geputzt, und dann die Collagen mit Deinen Fotos fertig gemacht. Dann fuhren wir erst zu Franzi und Christian in den Garten. Erinnerst Du Dich? Da wolltest Du mit Papa im Frühjahr Bäume fällen…

    Später fuhren wir zu Phia und Flori. Tom kam mit dem Quad vorbei, und Deine Schwester fuhr eine Runde. Es tat meinem Mutterherz so gut, sie endlich wieder lachen zu sehen. Auf dem Heimweg war auf der linken Seite die Sonne, daneben wieder ein Schlitz in den Wolken, durch den Regenbogenfarben schienen-genau über der Brücke.

    Es war, wie bei unserer Abschiedsfahrt an die Ostsee. Deuten konnte ich es erst, als wir Zuhause ankamen und Böni kurz anhielt, um uns zu erzählen, dass Deine Freunde schon an der Brücke auf ihn warten. Er hat Dir ein Kreuz aus dem rostenden Metall gebaut, aus dem auch meine Gartenstecker waren… Sie werden es heute aufstellen.

    Heute musste Papa nun ins Krankenhaus. Sie haben das kranke Auge nochmal gelasert. Morgen wird entschieden, ob es nochmal operiert wird. Als wir beide vorhin aus dem Fenster Richtung Friedberg sahen, schien plötzlich die Sonne. Wir sahen uns an, und wussten genau, was das bedeutet…

    Auf dem Heimweg traf ich Böni- das Kreuz fängt schon an zu rosten.

    Papa durfte heute nach Hause. Sein Auge kann nicht nochmal operiert werden, also bleibt es blind. Ich hab die ganze Nacht kaum geschlafen, hab so gehofft, dass es doch geht…

    Immer wieder fühle ich mich, wie ein Versager. Ich war nicht in der Lage, Dich zu beschützen. Ich hatte noch nie besonders viel Selbstbewusstsein, aber jetzt ist es ganz weg. Ich stelle einfach alles in Frage. Ich grübele und komme zu keinem vernünftigen Ergebnis. Es vergeht keine Minute, in der ich nicht an Dich denke. Hätte ich es verhindern können? Wäre dann jetzt alles gut oder würdest Du weiter leiden? Ich vermisse Dich so sehr… Was andere im Moment als Problem betrachten, kann ich nur innerlich belächeln. Ist das auch egoistisch von mir?

    Verena ist an der Ostsee- bei Dir… Sie hat mit Dir ein Corona getrunken und war sehr traurig. Da schien plötzlich die Sonne…

    Voriges Jahr hatte die Rennschnecke den Unfall. Ich höre noch immer ihr schluchzen am Telefon… 3 Autos Totalschaden, aber alle Beteiligten hatten Gottseidank nur leichte Blessuren.

    Du warst sofort zur Stelle:

    14.03.17, 17:05 - Conny: Wisst ihr schon was?

    14.03.17, 17:05 - Mäxchen: Warten immer noch. Dauert auch denke ich mal noch nen bisschen

    14.03.17, 17:05 - Conny: Sag bitte Bescheid!

    14.03.17, 17:05 - Mäxchen: Na kommt ihr nicht her?

    14.03.17, 17:06 - Conny: Bin erstmal runtergefahren. Laden mein Rad ein, ich zieh mich um, dann komm ich.

    14.03.17, 17:06 - Mäxchen: Ok

    Wir warteten insgesamt 4,5 Stunden in der Notaufnahme. Phia stand unter Schock und hatte überall blaue Flecken. Ich war so froh, dass sie überlebt hat, alles andere konnte man ersetzen. Am nächsten Morgen musste sie zum Hausarzt, also hast Du sie gefahren…

    15.03.17, 07:13 - Conny: Ich bin so froh, dass ihr immer so füreinander da seid❤ meine Schätze?

    15.03.17, 10:56 - Conny: Hast du Phia schon geholt?

    15.03.17, 10:56 - Mäxchen: Ja sitzt grade beim Arzt

    15.03.17, 10:56 - Conny: ❤

    15.03.17, 10:59 - Mäxchen: ❤

    Heute ist wieder der 15.März. Papa hat mich von der Arbeit abgeholt, und wir fuhren einkaufen. Das geht mittlerweile etwas besser.

    Philipp hat sich aus dem Skiurlaub gemeldet. Du hast ihm auch einen Gruß geschickt: Sie spielten „Auf gute Freunde…"

    Fabi war gestern kurz da und wollte heute nochmal kommen, ist aber schon wieder an der Brücke…

    Auf dem Heimweg begegnete uns Tom mit seiner alten Feuerwehr. Wir schrieben kurz hin und her, da fragte er, ob wir nochmal zum Sehmar kommen. Wir luden den Einkauf aus und fuhren wieder los. Die anderen waren schon an Eurem „Chillplatz". Da kam er angefahren… Wir erzählten, dann stiegen wir alle ein und fuhren runter zu dem alten Bunker. Das war ein Spaß, denn wir mussten uns ganz schön festhalten. Leider kommt man nicht mehr hinein. Er steht jetzt auf dem Gelände einer neuen Firma. Beim letzten Mal betrat ich ihn neugierig, verschwand aber genauso schnell, wie ich drin war, denn dort lebte offensichtlich ein Obdachloser. Jetzt ist eine Tür dran…

    Wieder zu Hause bekam ich dann endlich die beiden bestellten Hardcoverbücher. Ich habe uns und Phia und Flori diese bei Amazon bestellt, wie viele andere auch. Nachdem ich eins geöffnet habe, blätterte ich durch, denn ich war mir sicher, dass diese Bücher nun ohne Druckfehler sind-war ja bei den anderen, die dort bestellt haben auch so… Ich schlug Seite 69 auf, dann 85, anschließend 98 und brach in Tränen aus… Wieder die Druckfehler. Warum machst Du das? Was willst Du uns sagen? Warum bist Du nicht geblieben, um mit uns zu leben? Immer wieder versuche ich, etwas herauszulesen. Dann habe ich die Seitenzahlen aneinandergereiht und gegoogelt: Dabei kam die Postleitzahl eines Ortes am Zürichsee in der Schweiz heraus-die „Oase der Ewigkeit ist aber ein ganzes Stück entfernt, denn ich dachte, es ist ein Zeichen für Deine letzte Ruhestätte. Also habe ich weitergesucht, und fand die Zahl als Bestellnummer für „Icepeak-Damenstiefel und in einem Online-Sequencer eine merkwürdige Melodie.

    Vorhin habe ich mit Phia telefoniert. Sie hat wieder diesen Albtraum, hat Panik vor den Zeichen…Ich habe ihr erklärt, dass Du noch bei uns bist und uns zeigen willst, dass es Dir gut geht.

    Sie denkt, Du machst es, weil Du es bereust und Du uns vermisst, aber ich sagte ihr, dass es Deine Art ist uns zu trösten, weil es Dir leidtut, uns so zu sehen… Ich hoffe, ich habe das richtig gedeutet? Sie hat Kontakt mit einem Medium aufgenommen, um Dich zu erreichen, hat aber auch Angst davor, mit Dir zu kommunizieren, weil Sie glaubt, dass Du nicht wirklich gehen wolltest. Die Frau erklärte ihr, dass Verstorbene Zeichen senden, wenn sie auf der Erde noch eine Aufgabe zu erledigen hatten.

    Die Fehldrucke in unseren Büchern hat sie so gedeutet, dass Du wusstest, dass es diesmal endgültig sein wird. Hast Du deshalb die Stellen unkenntlich gemacht?

    Auch meiner Bratwurst schickst Du Zeichen: Eine Glühbirne, die flackert, dann wieder einwandfrei funktioniert-ein Lichtstrahl mit dem die Katze spielt, aber niemand weiß, woher er stammt… Auch sie hat versucht, die Texte zu entschlüsseln: Conny Besoke Plötzlich sah ich die Sonne…Für uns…und für dich…kämpfe…und ich bin ewig

    Als Norman das Buch auf Arbeit gelesen hat, flackerte die ganze Zeit das Licht, als er fertig war, brannte es wieder normal… Sind das alles Zufälle?

    Jeder Deiner Freunde trauert anders… Chris hat jetzt eine Kerze auf dem Bauch… ein Tattoo für Dich… Osti hat ein neues Kennzeichen… Fabi hat einen kleinen Altar…Philipp hat ein Aquarium eingerichtet…

    Die anderen treffen sich regelmäßig an der Brücke- bei Dir…Morgen treffen wir uns alle dort, um einen Teil von Dir auch dorthin zu bringen. Es war einer Deiner Lieblingsorte und Dein letzter Ort. Wir durften schon einen Teil von Dir ans Meer bringen, also empfand ich es als richtig und wichtig, dass Deine Freunde nun diesen Teil übernehmen dürfen.

    Ich sitze abends immer eine Weile bei Dir, rede mit Dir und denke an Dich. Ich hoffe so sehr, dass es Dir da, wo Du jetzt bist, wirklich bessergeht. Ich vermisse Dich so sehr.

    Heute früh musste ich zu unserer Zahnärztin. Mein wurzelbehandelter Zahn machte sich bemerkbar. Wahrscheinlich habe ich ihn letzte Nacht kaputt geknirscht… Unweigerlich musste ich an meine Schwangerschaft mit Dir denken. Wir 2 haben damals viel Zeit auf diesem Stuhl verbracht. Nachdem mir ein Zahn abgebrochen war, wurden gleich alle Füllungen saniert. Wir scherzten dann immer, dass Du wohl auch dort zur Welt kommen würdest. Sie alle kannten Dich von Anfang an, und waren nun traurig und erschüttert…

    Vorhin haben wir uns, wie vereinbart, an der Brücke getroffen. Da es schon den ganzen Tag eisig kalt ist und es stürmt, habe ich Kaffee und Tee für alle mitgenommen. Da wir eine ganze Weile warteten, war das keine schlechte Idee. Den letzten Teil von Dir transportierte ich zusammen mit Deinem geklauten Sand von der Ostsee in einer Coronaflasche. Ich fand, es passte so am besten zu diesem Ort. Jeder streute ein bisschen um Dein Kreuz. Ich hatte neue Grablichter mitgebracht und wir versuchten vergeblich diese anzuzünden-bei dem Sturm war das kein Wunder. Anna lächelte und sagte: „Ich weiß genau, wer jetzt über uns lacht…Als wir fertig waren, sagte Magges: „Also, Ihr könnt ja glauben, was Ihr wollt, aber da über der Brücke ist jetzt ein Stück blauer Himmel! Wir sahen hinauf und so war es wirklich. Du warst bei uns…Jetzt ist alles wieder grau und der Sturm tobt weiter… Zum Glück wurde bisher nur unsere Terrasse verwüstet, so wie damals, als Sturmtief Friederike wütete. Damals hattest Du alles aufgeräumt, bevor wir nach Hause kamen.

    Fabi kam nochmal vorbei, und stellte uns seine Freundin vor, von der er immer nur erzählte und an deren Existenz wir schon zweifelten… Aber: Es gibt sie wirklich- ein nettes Mädel.

    Immer, wenn ich auf der Terrasse sitze, denke ich an unseren letzten Abend. Du bist in dem Wissen gegangen, dass wir uns nicht wiedersehen, warst dann ganz allein in der kalten, dunklen Nacht unter dieser Brücke. Bei diesem Gedanken kann ich nicht stark bleiben, so wie sonst… Niemand sollte allein sterben müssen. Als ich noch auf Station gearbeitet habe, musste ich einige Menschen auf ihrem letzten Weg begleiten, und war immer froh, wenn sie nicht allein waren. Mein Kind dagegen war völlig allein. Das macht mich noch verrückt. Ich habe Dir doch immer geholfen. Ich werde das nie verstehen…

    Wenn ich mich mit Leuten unterhalte, die ebenfalls unter Depressionen leiden, erklären sie, dass sie Dich verstehen können. Dann wird mir immer bewusst, warum Du zu mir sagtest, dass wir Dich nicht verstehen können, weil wir ja nicht so kaputt sind, wie Du…

    Vorhin habe ich unser Aquarium saubergemacht, und die Deko aus Deinem mit reingestellt. So hast Du quasi auch wieder eins. Du hast bestimmt den Kopf geschüttelt, die Augen verdreht und gedacht: Das ist doch viel zu voll-Messiemutter… Ich erinnere mich noch, als wir die Malawis von Basti bekamen. Ich dachte, sie vertragen sich mit unseren Zierfischen, aber am nächsten Tag waren die eigentlichen Bewohner weg… Du hast gelacht und erklärt, dass die schönen bunten Fische Barsche und somit Raubfische sind…Sie erinnern mich an Dich, alles hier erinnert an Dich. Ich vermisse Dich so sehr. Wann ist dieser Albtraum endlich zu Ende?

    Mittags kamen Elli und Opa. Sie brachten einen ganzen Hänger Buchenbrennholz mit. Jetzt sind sie wieder zu Hause. Außerdem kam Steffen mit seiner Freundin vorbei. Ich lade gerade die alten Videos von den DVD´ s auf den Rechner. Ich habe Angst, sie sind irgendwann nicht mehr lesbar…Auf einem der Videos machst Du gerade Musik an. Eine Sequenz ertönt, diese klingt, wie die, die ich bei der Suche nach der Zahlenfolge gefunden habe…

    Lisa hat diese Woche etwas Merkwürdiges erlebt: Sie kam von der Nachtschicht nach Hause und hat Brötchen Für sich und ihre Mama mitgebracht. Dann saßen sie in der Küche am Tisch und haben gegessen. Dann ist „Alexa" angegangen, einfach so, ohne dass sie sie angesprochen haben. Sonst spricht sie nicht einfach so. Sie hat gesagt

    „Ich bin nicht gemacht für eine Fernbeziehung, denn du bist auf der Erde & ich bin in der Cloud." Es war Lisas Glück, dass ihre Mama das auch gehört hat.

    Papa redet nicht gern darüber, aber als ich es ihm erzählte weinte er, nahm mich mit ins Esszimmer, wo Deine Kerze zusammen mit Deinem Buddha steht und zeigte auf den Schatten: Da stehst Du, die Arme in den Seiten-noch mit langen Haaren…

    Heute Nachmittag kam uns Lena besuchen. Anschließend kamen Fabi und Tom und brachten die Sichtschutzelemente für den Zaun. Du hast so tolle Freunde…

    Ich habe einige Deiner Videos auf Deiner Gedenkseite veröffentlicht. Ich hoffe, Du bist nicht sauer, aber die anderen tröstet es sicher auch, Dich fröhlich zu sehen…Auf einem ist unser letzter Urlaub mit Yang- Deinem Bruder drauf. Er ging nicht besonders gerne ins Wasser, aber Du hast es geschafft…

    Ich musste mit den Videos erstmal aufhören, denn Papa hat die ganze Zeit geweint. Mir tut es gut, Dich zu sehen und Deine Stimme zu hören, aber ihm geht es dann schlecht. Dein Schwesterherz ist krank…

    Ich war jetzt nochmal eine schnüdeln- sehr traurig, aber Du verstehst es, mich aufzumuntern…Zwischen den Wolken erschien immer wieder der sichelförmige Mond, der heute aussieht, wie ein Riesensmiley…

    Heute Nachmittag bekam ich eine Mail von Deinem Anwalt. Ich dachte, er will mir mitteilen, dass das Verfahren gegen Dich nun eingestellt ist. Fehlanzeige-die gegnerische Partei möchte wissen, wer Deine „Rechtsnachfolger sind. Zum Glück haben wir ja genau deshalb Dein Erbe ausgeschlagen…Manchmal gibt es doch sowas, wie einen 7.Sinn. Der hilft dann gegen Menschen ohne Gewissen. Der Typ hätte Dich wahrscheinlich nie in Ruhe gelassen. Nachdem es zuletzt um eine Hose, 2 T-Shirts und eine Jacke ging, habe ich überlegt, ihn zu fragen, ob er Deine Klamotten haben möchte. Er könnte sich diese ja dann auf dem Friedhof abholen. Die haben sicher eine „Kleiderkammer…Ich bin so wütend. Er bekam schon mehrere tausend Euro, und selbst jetzt macht er weiter. Wenn Du ihn damals wenigstens verhauen hättest…

    Wir haben uns dann erstmal im Garten abreagiert und Holz geschnitten und gestapelt. Dir hat das immer so viel Spaß gemacht. Fehlt Dir das nicht?

    In unserer Abschiedsrede habe ich geschrieben:

    „Ihr wart wie Zwillinge-zu unterschiedlichen Zeiten geboren…habt Euch immer gegenseitig beschützt, so wie Geschwister es tun sollten."

    Sophia hat eine Erklärung für diese Empfindung. Es ist mir nie aufgefallen, aber Eure Geburtsdaten bestehen immer aus den gleichen Zahlen- nur in unterschiedlicher Reihenfolge. Euch trennten 4 Monate und 4 Jahre…Besteht deshalb diese starke Bindung zwischen Euch?

    Die Zahlen ergeben eine Postleitzahl an der Ostsee. Seid Ihr deshalb so gern da oben?

    Vorhin war Philipp da. Er erzählte von seinem Skiurlaub, von der Arbeit, dann unterhielten wir uns über Dieselautos und die bevorstehende Kommunalwahl…

    Er macht sich immer darüber lustig, wie ich Kaffee koche und fragte mich, ob ich nicht mal über den Kauf einer Kaffeemaschine nachgedacht habe.

    Ich habe verschiedene Maschinen gehabt, aber gebrüht schmeckt er mir am besten…

    Es tut immer gut, wenn Deine Freunde vorbeikommen. Es ist dann ein bisschen so, als würdest Du nach Hause kommen und mit mir erzählen.

    Jetzt bin ich allein und furchtbar traurig. Solange ich auf Arbeit bin, bin ich abgelenkt. Es ist so, als hätte ich zwei verschiedene Leben, und im Berufsleben habe ich eine fast perfekte Fassade aufgebaut. Du weißt ja, wie das funktioniert… Aber wenn ich dann allein bin, so wie jetzt, wird mir wieder bewusst, dass Du nicht wiederkommen wirst.

    Ich rede mir ein, dass es Dir jetzt bessergeht, aber ich würde Dich so gern in den Arm nehmen, wüsste gern, wie Du in 10 Jahren aussiehst…

    Heute kamen die neuen Bücher-ohne Fehler…Ich beginne damit, sie zu verteilen. Die meisten wollen aber die 1.Version behalten. Ich bin also nicht die Einzige, die glaubt, dass Du dahintergesteckt hast.

    Philipp hat gefragt, ob wir Sonntag mit grillen wollen oder ob wir das hier machen wollen…Ich habe gesagt, wir machen es hier, denn ich vermute, sie wollten sich bei Dir treffen…Im Moment warten wir auf Phia

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