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Lettres d'Amour: Romantische Erinnerungen
Lettres d'Amour: Romantische Erinnerungen
Lettres d'Amour: Romantische Erinnerungen
eBook356 Seiten5 Stunden

Lettres d'Amour: Romantische Erinnerungen

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Über dieses E-Book

Drei Frauen durfte Wolfgang Faber lieben und sie haben ihn mit ihrer Liebe glücklich gemacht. Zwei von ihnen nahm ihm der Tod, die erste schon nach einem Jahr, die zweite nach 45 Jahren inniger Gemeinschaft. Dass ihm im Alter noch einmal eine wundervolle Liebe geschenkt wurde, ist die frohe Botschaft dieses Buches, eine romantische Erinnerung an das Leben des Autors.
Jede dieser Liebesbeziehungen begann damit, dass die Partner weit entfernt voneinander lebten. Aber gerade der dadurch notwendige intensive schriftliche Austausch machte sie viel vertrauter miteinander, als wenn sie sofort ständig beieinander gewesen wäre.
Ausgewählte Abschnitte aus dem Briefwechsel mit "Diethild", "Kerstin" und "Rosana" und kurze Berichtspassagen geben ein bewegendes Bild von Beginn und Bestand der wundervollen Liebesbeziehungen zu diesen Frauen. Die Auswahl beginnt mit dem Finden einer neuen dritten Liebe 15 Monate nach dem Tode von Wolfgangs erster Ehefrau, seiner zweiten großen Liebe, und setzt sich dann im Wechsel mit den Erinnerungen an die ersten Liebesbeziehungen fort.
Angesichts der großen Zahl langer Briefe und Mails aus 51 Jahren kann hier nur eine kleine Auswahl der schönsten und wertvollsten von ihnen dargestellt werden. Die Liebe zu den verstorbenen Frauen wird über einen Zeitraum von 48 Jahren in der Vergangenheitsform dargestellt, die ersten 16 Monate der neuen dritten Liebe, die auch nach 12 Jahren noch wundervoll blüht, steht in der Gegenwartsform.
Liebe ist das Einswerden von Seele, Geist und Leib. Immer wenn ein Mensch einem anderen in Liebe begegnet, ist Gott in ihm. Nie kommt seine Würde, seine Innigkeit, seine ureigenste Bestimmung schöner zum Ausdruck als in diesem Moment, und das geschieht gleichermaßen im Handeln des Samariters wie im Koitus.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum12. Mai 2015
ISBN9783737545419
Lettres d'Amour: Romantische Erinnerungen
Autor

Ernst-Günther Tietze

Dipl.-Ing. Ernst-Günther Tietze, hat in seiner beruflichen Tätigkeit die zentrale Führung und Überwachung von Versorgungsnetzen durch zahlreiche Veröffentlichungen maßgeblich beeinflusst. Zur Belletristik ist er erst im Ruhestand gekommen. Seit 2000 hat er mehrere Romane geschrieben und veröffentlicht.

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    Buchvorschau

    Lettres d'Amour - Ernst-Günther Tietze

    Prolog

    Drei Frauen durfte Wolfgang Faber lieben und sie haben ihn mit ihrer Liebe glücklich gemacht. Zwei von ihnen nahm ihm der Tod, die erste schon nach einem Jahr, die zweite nach 45 Jahren inniger Gemeinschaft. Dass ihm im Alter noch einmal eine wundervolle Liebe geschenkt wurde, ist die frohe Botschaft dieses Buches, das eine romantische Erinnerung an das Leben des Autors darstellt.

    Jede dieser Liebesbeziehungen begann damit, dass die Partner weit entfernt voneinander lebten. Aber gerade der dadurch notwendige intensive schriftliche Austausch machte sie viel vertrauter miteinander, als wenn sie sofort ständig beieinander gewesen wären.

    Ausgewählte Abschnitte aus diesen Briefen und kurze Berichtspassagen geben ein bewegendes Bild von Beginn und Bestand der wundervollen Liebesbeziehungen zu diesen Frauen. Die Auswahl beginnt mit dem Finden einer neuen dritten Liebe 15 Monate nach dem Tode von Wolfgangs erster Ehefrau, seiner zweiten großen Liebe, und setzt sich dann im Wechsel mit den Erinnerungen an die ersten Lieben fort.

    Angesichts der großen Zahl langer Briefe und Mails aus 51 Jahren kann hier nur eine kleine Auswahl der schönsten und wertvollsten von ihnen dargestellt werden. Die Liebe zu den verstorbenen Frauen wird über einen Zeitraum von 48 Jahren in der Vergangenheitsform dargestellt, die ersten 16 Monate der neuen dritten Liebe, die auch nach 12 Jahren noch wundervoll blüht, steht in der Gegenwartsform.

    Liebe ist das Einswerden von Seele, Geist und Leib. Immer wenn ein Mensch einem anderen in Liebe begegnet, ist Gott in ihm. Nie kommt seine Würde, seine Innigkeit, seine ureigenste Bestimmung schöner zum Ausdruck als in diesem Moment, und das geschieht gleichermaßen im Handeln des Samariters wie im Koitus.

    20. September 2002

    Ich suche einen lieben Partner, ab 62/1.75/NR, der zu mir passt, mit dem ich Pferde stehlen kann und für den ich die Richtige bin, auch wenn der Weg noch so weit ist, Löwin

    Beruf Buchhändlerin, Wohnort Dresden,

    Jahrgang 1938, 1 Kind, 1 Enkel

    Motto: Sage nie nie; Es ist immer später als du denkst

    Hobbies: Natur und Kultur

    Elektrisiert springt Wolfgang Faber auf, als er diese Zeilen im Forum für Senioren liest. Da sucht eine Frau einen lieben Partner zum „Pferde stehlen" und offenbart dabei ihr ganzes Wesen in der kurzen und prägnanten Vorstellung des gesuchten Mannes. Wie Glockenklang weckt der Text die Erinnerung an die vielen glücklichen Jahre mit Kerstin, die er nach aufregenden Erlebnissen immer gelobt hat, man könne mit ihr Pferde stehlen. Eine Weile nach ihrem Tod hat Wolfgang sich mit Heiderose Henke angefreundet und sie auch geliebt, aber inzwischen hat er gemerkt, dass er mit dieser oft unbeherrschten Frau nie glücklich werden kann.

    Seit Wolfgang 1990 zum ersten Mal in Dresden war, liebt er diese Stadt. Die Löwin ist zwar sieben Jahre jünger als er, aber er fühlt sich, weiß Gott, noch nicht wie 71 und ihr Beruf zeugt von Geist und Kultur. Und sie ist eine Mutter, ein Gefühl, das der kinderlosen Heiderose immer unverständlich war. Ohne lange zu zögern schreibt er eine ebenso nüchterne Antwort. Sein Pseudonym im Forum ist sein alter Pfadfindername Fyps:

    Hallo, Löwin,

    Ihr Inserat im Forum interessiert mich. Schauen Sie doch mal in meine Webseite, ob das Interesse auf Gegenseitigkeit beruht. Ich bin gespannt. Gruß, Fyps

    Dann kann er lange nicht einschlafen. Könnte diese Frau wirklich für ihn die „Richtige" sein, würde er zum dritten Mal in seinem Leben eine Frau finden, der er seine ganze Liebe schenken kann und die ihn mit ihrer Liebe glücklich macht? Wundervoll war die Liebe der beiden Frauen, die ihm der Tod genommen hat, seine erste Freundin Diethild Trefel schon vor 48 Jahren, und dann vor 15 Monaten seine Frau Kerstin, die ihm 45 Jahre zur Seite gestanden hat. Ganz von selbst gehen seine Gedanken zurück zu dem Mädchen, das ihm zum ersten Mal in seinem Leben Liebe schenkte.

    Januar 1953

    Stuttgart, den 24. 1. 53, Lieber Fyps!

    Ich habe mich über Deine schnelle Antwort gefreut, da kann ich mir eine Scheibe abschneiden. So langsam merke ich, wie schön die Zeit mit Euch in Berlin war! Von meinem ersten Geld will ich mir eine Klampfe kaufen, denn Klampfe spielen ist eine gute Pille gegen so ein blödes Gefühl, wenn einem die Gedanken nach Hause weglaufen. ... Heute haben wir ein herrliches Wetter, warm und wie im Frühling. Da juckt es einen nur so, den Affen zu packen und hinaus zu gehen. Hoffentlich habe ich später Glück mit meiner Stelle, dass mir mal ein Wochenende bleibt, um Schwarzwald und schwäbische Alb zu bewandern, wie es seinerzeit meine Eltern getan haben. ... Drück‘ mir am 30. 1. die Daumen, da habe ich mein Beschäftigungsexamen! Und nun Schluss für heute.

    Viele Grüße, Deine Diethild

    Mit Diethild Trefel hatte Wolfgang bei den Pfadfindertanzstunden in Berlin-Zehlendorf am liebsten getanzt, doch das Verhältnis war stets kameradschaftlich geblieben. Nach Diethilds Umzug von Kleinmachnow nach Stuttgart hatte er eine Karte von ihr kurz beantwortetet. Doch jetzt nach diesem Brief fühlte er zum ersten Mal eine Zuneigung zu diesem Mädchen, das war ganz neu für ihn.

    Wolfgang stand kurz vor dem Abschluss einer Maschinenbaulehre, die er nach dem Abitur begonnen hatte. Seine Eltern hatten sich scheiden lassen, als er 10 war. Nach dem Freitod seiner Mutter vor vier Jahren hatte er bei den Christlichen Pfadfindern eine neue Gemeinschaft gefunden. Der 7 Jahre ältere Gruppenführer Klaus forderte die Jungen streng, gab aber Wolfgang die Zuwendung und Charakterbildung, die er noch dringend brauchte. Dabei spielte die Achtung gegenüber Mädchen eine wesentliche Rolle. Im drei Jahre jüngeren „Kaekke" fand Wolfgang einen vertrauten Freund.

    Auf Wanderfahrten mit Schlafen im Zelt lernten die Jungen Kameradschaft und Selbstbeherrschung, und die Abende am Lagerfeuer mit Liedern und Geschichten waren unvergessliche Erlebnisse für sie. Bei den wöchentlichen Gruppennachmittagen lernten sie Volkslieder und beschäftigten sich mit interessanten Themen, wobei Bibel und christliche Ethik einen wesentlichen Anteil hatten. An der Ernst-Moritz-Arndt-Gemeinde hatte Wolfgang begonnen, eine „Siedlung" mit zwei Gruppen aufzubauen.

    Berlin, den 4. 2. 53, Liebe Diethild!

    ... So schreibfaul bist Du gar nicht. Deine Antwort hat doch lediglich 20 Tage gedauert. Ich war früher ebenso. ... Deinen Wunsch auf Daumen drücken am 30. 1. habe ich befolgt. Und nun bitte ich Dich um das Gleiche für meinen Lehrabschluss, obwohl mir der Prüfungsrummel etwas lächerlich vorkommt.

    ... Wenn ich fertig bin, werde ich erst mal in vollen Zügen die Freiheit genießen. Über Ostern bin ich bei meiner Tante in Hamburg, dann geht’s auf große Tour quer durch Deutschland. Da werde ich auch bestimmt in Stuttgart vorbeikommen. ... Sei herzlich gegrüßt, Dein Wolfgang

    Stuttgart, den 18. 2. 53, Lieber Fyps!

    ... Du bist schon zu beneiden, dass Du noch so viel Schönes sehen darfst, ehe Du an die Kette gelegt wirst. Genieße es nur recht. ... Für Fastnacht hatte ich dieses Jahr gar keine Zeit, ich musste ganz brav lernen und konnte nur sehnsüchtig den Ausführungen anderer Leute lauschen. Habt Ihr immer noch die Tanzstunden? ... Für heute viele Grüße und alles Gute zur Prüfung, Deine Diethild

    Berlin, den 4. 3. 53, Liebe Diethild!

    Jetzt bin ich mitten drin in der Prüfung. Äußerlich tat ich ja immer ruhig und behauptete, die ganze Prüfung komme mir lächerlich vor. Aber als es gestern so weit war, hatte ich doch ziemliches Herzklopfen. Feilen, feilen, feilen heißt die Devise, und man muss sich mächtig beeilen, um mit der Zeit auszukommen. Morgen ist die dritte Runde. ... Ich hatte nie geglaubt, dass Du auch Interesse an Fastnacht haben könntest. Du warst doch sonst so ein „Mauerblümchen".

    Meine Siedlung gab ich Sonntag ab. Wenn ich mir jetzt als Außenstehender das Fazit meiner 1½ Jahre Führertum ziehe, kann ich nur sagen: „Allzu viel habe ich nicht erreicht." Irgendetwas fehlte an dem Ganzen, und ich habe mich vergeblich bemüht, das zu finden. Ich weiß nur, dass ich ab und zu Klaus hätte um Rat fragen sollen. Der ist uns allen doch immer noch gewaltig über. Seine klare und einfache Denkart ist manchmal verblüffend und er kann einem mit ein paar Worten zeigen, was man jahrelang falsch gemacht hat.

    Wachse doch mal über Dein Einheitsbriefformat hinaus und lass mich nicht so lange auf Antwort warten. Herzliche Grüße und alles Gute, Dein Wolfgang

    Stuttgart, den 6. 3. 53, Lieber Wolfgang!

    Als ich eben nach der mündlichen Prüfung nach Hause kam, fand ich Deinen Brief. Und da habe ich mich erst mal mächtig gefreut, dass Du vor der Prüfung ein Herzklopfen zugibst, wie Du beim vorigen tatest, als könnte Dir nichts passieren, worüber ich mich geärgert habe. ... Ich denke oft an die netten und ungezwungenen Tanzabende mit Euch CP-Führern. Na und „Mauerblümchen" (hm, hm!)!

    Es ist Quatsch, wenn Du sagst, Du hättest in Deiner Siedlung nicht viel erreicht. Du warst doch Deinen Jungen Vorbild, und ich nehme an, kein schlechtes. Und Du hast Dich mit allem, was Du hast, dafür eingesetzt, dass Ihr innerlich wachst. Meinst Du denn, Klaus hat gleich das Richtige gefunden, als er anfing? Und letzten Endes lernt man doch aus Erfahrungen. Sieh mal, ich bin ja klein und dumm und hässlich, aber ich habe in den letzten Tagen viel über Deine Briefe nachgedacht, dabei auch über mich und meine Lebensauffassung. Wenn ich könnte, würde ich Dir gerne helfen. Ich freue mich, wenn Du nach Stuttgart kommst, da können wir über alles viel besser sprechen. Viele herzliche Grüße, Deine Diethild

    Berlin, den 12. 3. 53, Meine liebe Diethild!

    ... Ich habe mich mächtig gefreut, dass Du den Fyps abgelegt hast. Ich vergesse ja sonst, dass ich noch einen anderen Namen habe. ... Auch ich habe viel darüber nachgedacht, warum ich Dir das alles schreibe, was mich so bewegt. Es ist für mich eine Erleichterung, wenn ich manches zu Papier bringen kann und weiß, dass jemand das auch liest. Aber das muss ich auch sagen, es macht mir große Freude, Dir zu schreiben, und dafür habe ich auch immer Zeit, weil ich glaube, Du verstehst mich.

    Es ist so gut wie sicher, dass ich Ende April in Stuttgart eintreffe. Ich möchte zu gerne mal wieder mit Dir tanzen. Weißt Du noch, wie vor uns alles die Flucht ergriff? ...

    Und nun wieder ganz herzliche Grüße von Deinem Wolfgang

    Stuttgart, den 13. 3. 53, Lieber Wolfgang!

    Heute habe ich Dir viel zu erzählen. Ich habe nämlich eine Radtour nach dem 60 km entfernten Kloster Lorch gemacht, wo meine Großeltern im Altersheim wohnen. Es war eine wunderschöne Fahrt. Hier ist jetzt schon richtig Frühling. Im Wald blühen Blumen, die ich bisher nur vom Erzählen gekannt habe, wie Anemonen, Himmelsschlüsselchen und viele, viele andere. Als ich einmal mein Rad schieben musste, fand ich abseits des Weges eine echte Quelle. Das war das erste Mal, dass ich aus einer Quelle getrunken habe. Ein seltsamer Kontrast waren hier und da Schneeflecken, die an den Straßenrändern noch nicht weg getaut waren, und unmittelbar daneben blühten Schlüsselblumen.

    Viele herzliche Grüße bis bald, Deine Diethild

    Nach der Facharbeiterprüfung begann Wolfgang seine Fahrt durch Westdeutschland und schrieb viele Ansichtskarten an Diethild.

    Köln, den 17. 4. 53, Liebe Diethild!

    ... Gestern Abend habe ich einen Bummel am Rheinufer entlang gemacht, und dieser breite, ruhige Strom hatte in der Dunkelheit eine ganz eigenartige Wirkung auf mich. Ich war wie verzaubert und musste die Hände falten und danken, dass ich leben und hier stehen darf. Wie groß und gewaltig ist doch Gottes Schöpfung und Güte! In einer Woche bin ich in Stuttgart und freue mich mächtig, Dich zu sehen.

    Lass Dich ganz herzlich grüßen von Deinem Wolfgang

    Als Wolfgang Samstag abends in Stuttgart ankam, begrüßte Diethild ihn freundlich und sagte, sie habe sich sehr auf seinen Besuch gefreut. Sonntag gingen sie tanzen. Beim ersten Walzer verging alles andere für Wolfgang – endlich konnte er sie wieder in den Armen halten und fühlte sich viel mehr zu ihr hingezogen, als früher in Zehlendorf. Auch sie schaute ihm in einer Weise in die Augen, wie er es noch nie erlebt hatte. Als sie sich zum Abschied die Hände fest drückten, fiel ihnen beiden die Trennung schwer. Ganz leicht strich Diethild ihm über das Haar, dann war sie schnell im Haus. Wolfgang lag noch lange wach, tief in seiner Seele wusste er, dass ihm dieses Mädchen so viel bedeutet, wie kein Mensch bisher in seinem Leben! Noch verdrängte er den Begriff „Liebe, er durfte doch als Pfadfinder kein Mädchen lieben, aber was zog ihn denn sonst zu ihr? Und er hatte auch gemerkt, dass er ihr so wenig gleichgültig war, wie sie ihm. „Gott, gib, dass wir näher zueinander finden, war sein Nachtgebet.

    Schramberg, den 2. 5. 53, Meine liebe Diethild!

    Ich möchte Dir herzlich zu Deinem 20. Geburtstag gratulieren und Dir alles Gute wünschen. Viel Glück und Freude mögen Dich begleiten, wo Du auch immer bist. Ich habe Dir noch ein kleines Geschenk zugedacht, das bringe ich im Sommer mit. Ich besuche Dich nämlich auf jeden Fall, wenn ich dann in die Schweiz fahre.

    Von Freiburg aus wanderte ich ganz alleine und brachte die letzte Nacht in einer unbewohnten Hütte zu. In solcher Situation merkt man erst, was wirklich alleine sein heißt. Ein Gedicht fiel mir ein:

    Allein bin ich in tiefer Nacht;

    weiten Weg hab ich heut gemacht.

    Die Hütte steht am Waldesrand –

    allein bin ich – in Gottes Hand.

    Allein bin ich, weil ich es will;

    die Menschen fragten mich zu viel.

    So zieh ich schweigend durch das Land –

    allein bin ich – in Gottes Hand.

    Allein bin ich, heut und auch morgen;

    ich weiß noch, dass sich um mich sorgen,

    die Freunde, die mich gut gekannt –

    und doch: allein in Gottes Hand.

    Weißt Du, ich habe viel an die schönen Stunden gedacht, die wir in Stuttgart zusammen verbrachten. Ich denke täglich immer wieder an Dich und freue mich schon mächtig auf den Sommer, wenn wir uns wieder sehen. ... Schreib mir recht oft, wenn ich wieder in Berlin bin und sei vielmals recht herzlich gegrüßt von Deinem Wolfgang

    Stuttgart, den 11. 5. 53, Lieber Wolfgang!

    Jetzt will ich Dir erst mal für alles, alles danken. Ich habe mich ja so über Deinen Besuch gefreut. Ebenso freue ich mich schon auf das nächste Mal, wenn Du wieder herkommst. Auch für die vielen Reisegrüße bin ich Dir dankbar, weil ich doch sonst in punkto „Post erhalten" wirklich nicht verwöhnt bin. ... Mutti sagte, ich hätte mich sehr verändert, besonders wegen meiner spontanen Einsicht, dass ich in Hauswirtschaft schnellstens meine Bildungslücken füllen müsste. Ich sei auf dem besten Wege, eine biedere, hausbackene Schwäbin zu werden. Das ist so ziemlich das Schlimmste, was man mir sagen kann. Bitte, lieber Wolfgang, schreib‘ mir doch mal Dein ehrliches Urteil, denn noch ist es Zeit, umzubiegen. Ich möchte doch kein Spießbürger werden, auch, wenn ich ab 4. 5. Hausgehilfin bin. Ich glaube, dass Du mir in dieser Sache am besten helfen kannst, und ich bin Dir dankbar, wenn Du mir mal darüber schreibst.

    Nun alles Gute und viele herzliche Grüße! Deine Diethild

    Berlin, den 19. 5. 53, Meine liebe Diethild!

    Herzlichen Dank für Deinen Brief. Er erwartete mich, als ich gestern Abend nach Hause kam, und es war wirklich das Schönste am ganzen Abend, dass unter der vielen Post auch etwas von Dir war. ... Zu der Beurteilung Deiner Mutter: Ich habe Dich in Stuttgart nur in einer Beziehung verändert gefunden, Du bist ruhiger und überlegender geworden. Aber gerade das halte ich für äußerst wertvoll. Jungen gibt es nämlich genug, da braucht nicht noch ein Mädchen ein halber Junge zu sein. Das warst Du aber in Berlin. Ich bemerkte diese Veränderung schon aus Deinen Briefen. Deshalb setzte ich alles daran, nach Stuttgart zu kommen, und deshalb freue ich mich so sehr auf unser nächstes Zusammensein, weil ich Dich als Mädel schätze und – liebe. ...

    Was die Hauswirtschaft anbetrifft, als Kindergärtnerin brauchst Du sie bestimmt. Aber ich glaube, Du willst nicht als alte Jungfer sterben, sondern selbst einmal einen Haushalt führen. Wenn Du jetzt gründlich Haushaltsführung lernst, kannst Du das im Leben mindestens ebenso gut gebrauchen wie Kinderpsychologie. Es ist natürlich schwer für Dich, jetzt Dienstmädchen zu spielen, das ist aber ein Kurzschluss. Auch mir ging es bei Siemens gegen die Ehre, als Abiturient ebenso mit „Du angeredet zu werden, wie die anderen Lehrlinge, die „nur die Volksschule besucht hatten. Doch dann merkte ich, dass diese Volksschüler mich verdreschen konnten, dass sie im Praktischen zum Teil besser waren als ich und dass einige von ihnen prima Kameraden waren. Und heute freue ich mich, dass ich diese Lehre gemacht habe. Denn ich kenne die Probleme und Sorgen dieser Leute, wenn ich später mal Betriebsingenieur bin. Deswegen bin ich für diese Zeit so dankbar, wenn ich auch offen sage, dass ich sie nicht noch einmal machen möchte. Doch genug davon. Ich wollte Dir nur sagen, dass ich Dich als Kindergärtnerin ebenso gern habe wie jetzt als Dienstmädchen. Und Du hast ja auch mit mir getanzt, als ich noch Lehrling war.

    Schreib mir nur recht oft, denn ich freu’ mich doch so toll über jede Nachricht von Dir. Ich denke immer an Dich und unser Zusammensein. ... Meine liebe Diethild, sei recht herzlich gegrüßt von Deinem Wolfgang

    Stuttgart, den 25. 5. 53, Lieber Wolfgang!

    ... Ich glaube, Du hast mich ein bisschen falsch verstanden, wenn Du glaubst, ich hielte mich zu fein für die Arbeit. Es ist nur verletzend, wenn man nur als minderwertiger Mensch, als blöde Unschuld vom Lande angesehen wird. Dabei könnte ich es geistig mit allen Frauen in unserem Hause aufnehmen, nur in Haushaltsführung nicht. Ich bin so froh, dass ich jemanden wie Dich habe, dem ich alles auspacken kann, weil ich das Gefühl habe, Du verstehst mich.

    Heute war ich wieder mal wütend: Wir haben abscheuliches Regenwetter, und der Gärtner, ein alter Mann von 65 Jahren bekam bei uns Mittag. Frau Barth sagte zu mir: „Sehen Sie doch mal nach, ob es gerade regnet, sonst bringen Sie ihm die Suppe hinaus. Stell Dir vor, in der Nässe und Kälte auf so ‘nem dreckigen triefenden Gartentisch sollte der alte Mann essen. „Er sitzt doch sonst auch an dem Tisch, hieß es. Und warum das alles? „Er hat so dreckige Schuhe." Da solltest Du mal sehen, mit welchen Dreckquanten die Kinder durch die frisch geputzte Küche latschen. Und wie sorgfältig der alte Mann seine Stiefel an einem Bodenlappen abputzt. Ich glaube, ich muss wieder in die DDR, wenn ich ab und zu solche kommunistischen Anwandlungen bekomme.

    Viele herzliche Grüße und viele gute Wünsche Deine Diethild

    Berlin, den 6. 6. 53, Meine liebe Diethild!

    ... Am Abend hatten wir ein edles Lagerfeuer mit Erzählungen von Fahrten und dann ging ich drei Stunden mit Kaekke durch die Gegend. Weißt Du, es ist schön, solch einen Freund zu haben. Und wir hatten uns viel zu erzählen, ich von meiner Fahrt und von Dir, ich hatte ja nicht nur viel gesehen und erlebt, sondern vor allen Dingen viel nachgedacht, auch über Dich und mich. Kaekke hatte in dem Heim, wo er hospitiert, so viel gesehen und erlebt, dass er den Entschluss gefasst hat, Pfarrer zu werden. Du wirst Dir denken können, dass die drei Stunden wie im Fluge vergingen. Aber solche Abendstunden, wo man hinterher nicht mehr weiß, wer gesprochen hat, der Freund oder ich, gehören zu den schönsten Erinnerungen. ... Sei ganz herzlich gegrüßt von Deinem Wolfgang

    Stuttgart, den 21. 6. 53, Mein lieber Wolfgang!

    Es ist völlig ungewiss, ob ich am 25. 7. noch hier sein werde. Was wird nun aus unserem Zusammenkommen? Ich möchte Dich bitten, wenn es geht, nicht kurz vor oder nach dem Umzug zu kommen, da ich bei der vielen Arbeit meine Gedanken zusammen halten muss. ... Ich freue mich sehr, dass Du Kaekke zum Freund hast. In seiner ruhigen Art ist er der richtige Ausgleich für Dich. Ganz herzliche Grüße, Deine Diethild

    Berlin, den 27. 6. 53, Meine liebe Diethild!

    ... Ich habe Arbeit! Endlich! Ich bin Hilfsarbeiter in einer Drahtzaunfabrik. Meine Arbeit: hauptsächlich Zaunpfähle anstreichen. Jetzt machst Du wahrscheinlich „Oooch!" Aber ich finde, Dienstmädchen und Hilfsarbeiter passen auch ganz gut zusammen. Es ist ein wunderbares Gefühl, wenn man abends nicht wusste, was man am nächsten Morgen zu essen hat, jetzt in den Laden zu gehen und zu kaufen, was einem schmeckt.

    Ich werde schon am 18. 7. bei Dir sein, gleich nach der Aufnahmeprüfung für die Ingenieurschule. Du brauchst also nicht unglücklich zu sein. ... Samstag soll ich mit der 18 jährigen Jutta Schütze zum Tanzstundenball gehen. Sie ist die ältere Schwester von Nuddle, auf den ich einige Hoffnung als Führer setze. Seine Mutter veranstaltet manchmal Tanzabende in ihrer Wohnung, Was meinst Du, gehe ich hin? Doch ich muss wohl der Mutter den Gefallen tun. Jetzt sind es nur noch drei Wochen, bis ich wieder bei Dir bin.

    So lange sei herzlichst gegrüßt von Deinem Wolfgang

    Stuttgart, den 4. 7. 53, Mein lieber Wolfgang!

    ... Ich freue mich, dass Du Deinen Fahrplan ändern konntest. ... Hoffentlich hast Du Dich auf dem Tanzstundenball mit Jutta wohl gefühlt und gut amüsiert Und das nicht nur Nuddles Mutter zuliebe, Du oller Mönch! ... So, für heute mache ich Schluss. Herzliche Grüße, Deine Diethild

    Berlin, den 9. 7. 53, Meine liebe Diethild!

    ... Drück mir bitte am 16. und 17. die Daumen, ich sitze in der Prüfung für die Ingenieurschule, von der viel für mich abhängt. ... Ich machen jetzt Schluss, damit der Brief noch den Nachtbriefkasten kommt und Du ihn vor dem Wochenende hast. ... Ich grüße Dich ganz herzlich, Dein Wolfgang

    Am 18. 7. erreichte Wolfgang abends Stuttgart und Sonntag konnte er endlich wieder mit Diethild tanzen. Es war herrlich, dieses wunderbare Mädchen im Arm zu halten. Ganz anders als noch im Frühjahr wusste er, dass er sie nie wieder lassen würde. Und als sie nach dem Tanz vor ihrer Haustür standen, überwand er sich und drückte seine Lippen auf ihren weichen Mund. Wie im Himmel fühlte er sich, als sie ihm liebevoll über die Wange strich. Eine Stunde lief er durch die Nacht, er musste einfach alleine sein. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er ein Mädchen geküsst. Der „Page von Hochburgund kam ihm in den Sinn, sie war die Königin seiner Liebe! „Danke, Gott für dieses Mädchen, flüsterte er vor dem Einschlafen.

    München, den 20. 7. 53, Meine liebe Diethild!

    Noch sind keine 24 Stunden vergangen, dass wir voneinander Abschied genommen haben. Ich habe über die Notwendigkeit solcher Trennungen nachgedacht und finde, dass sie nötig sind, damit man erkennt, wie viel man sich gegenseitig bedeutet. Mir ging heute den ganzen Tag ein Gedicht durch den Kopf: „Der Page von Hochburgund" von Börries Freiherr von Münchhausen, ahnst Du, warum?

    Meine liebe Diethild, ich möchte Dir noch einmal herzlich für den schönen Tag in Stuttgart danken. Weißt Du, man hat es ja als Junge unheimlich schwer, durch diesen ganzen Wust der Entwicklung hindurch zu kommen, ohne sich Schrammen und Risse zuzuziehen. Da sind Alte und Junge, von denen man wegen seiner Einstellung verachtet und verlacht wird, da sind Mädchen, die im Gegensatz zu der Würde, die man von weiblichen Wesen erwartet, ihre Reize in aufstachelnder Form spielen lassen, und da ist nicht zuletzt der innere Schweinehund, der einem manchmal auch ganz schön zusetzen kann. Deshalb bin ich Dir so dankbar, für Deine Art, für das Bewusstsein, dass Du da bist und mir unsichtbar in diesem Kampf hilfst.

    So sei nun vielmals herzlich gegrüßt von Deinem Wolfgang

    Ich bin der Page von Hochburgund

    und trage der Königin Schleppe.

    Heut lachte ihr Mund, heut sprach ihr Mund

    auf marmorner Pfeilertreppe:

    „Page, was führtest du heimlicherweis’

    zum Munde der Schleppe Spitzen?

    Page, ich glaube du küsstest leis’

    am seidenen Saum die Spitzen!"

    Auf meine Knie warf ich mich hin

    und bat um Gnade mit Stocken,

    da lachte die junge Königin und zauste in meinen Locken:

    „Die Heide dampft und die Stute stampft,

    zur Strafe – darfst du mit jagen.

    Den Falken, der um die Hand sich krampft,

    meinen Falken, den sollst du tragen!"

    Und wir ritten von dannen, fern blieb das Gefolg’

    und ein Lachen lag mir im Blute;

    an meiner Seite tanzte der Dolch

    und unter mir tanzte die Stute.

    Ich bin der Page von Hochburgund,

    und trage die weiße Seide;

    ich küsste heut’ einer Königin Mund

    beim Reiterzug auf der Heide.

    Stuttgart, den 22. 7. 53, Mein lieber Wolfgang!

    ... Ich weiß, dass es für einen Jungen ungleich schwerer ist, anständig zu bleiben, als für ein Mädchen. Deshalb schätze ich Deine saubere Art, in der Du mir gegenüber getreten bist, sehr hoch. Das habe ich bisher noch bei keinem Jungen so erlebt, und deshalb habe ich auch so großes Vertrauen zu Dir. Auch wenn Du von anderen verspottet wirst, darfst Du immer wissen, dass ich Deinen Kampf achte und würdige. ...

    Und nun viele herzliche Grüße, ganz allein Deine Diethild

    Das Pfadfindertreffen in der Schweiz dauerte zwei Wochen. Um danach die Freundin am Chiemsee zu besuchen, trampte Wolfgang Samstag früh los. Mehr als 600 km lagen vor ihm. Als er Sonntagmittag an Innsbruck vorbeikam, hätte er gerne seine Schwester besucht, doch ihm kam das Bibelwort in den Sinn: „Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen. An die Fortsetzung „und sie werden sein ein Fleisch, dachte er nicht, das war noch unendlich weit entfernt. Um 20 Uhr erreichte er endlich den Chiemsee und sie hatten sich gefunden. Er hätte Diethild liebend gern wieder geküsst, aber wollte sie das auch? Als er sie verlegen anschaute, blickte sie ihm liebevoll in die Augen und dann auf den Mund. Das war ihr „Ja" zu ihm, das sie ihm in der feinen Art edler Frauen gab! Er umarmte die geliebte Freundin, presste die Lippen auf die ihren und ohne dass sie es gelernt hatten, spielten ihre Zungen miteinander. Lange und immer wilder wiederholten sie dieses wundervolle Spiel und waren sich einig, nie vorher so glücklich gewesen zu sein. In tiefem Ernst gelobten sie sich Treue, weil sie beide wussten, dass Liebe zwischen ihnen war.

    Endorf, den 11. 8. 53, Mein lieber Wolfgang!

    ... Es war ja so wunderschön, dass Du doch noch gekommen bist. Ich weiß nicht, was ich gemacht hätte, wenn ich den ganzen Tag umsonst gewartet hätte. Das mindeste wäre ein Anfall von Idiotie gewesen. Nun muss es aber wieder lange vorhalten! Ich möchte auf keinen Fall, dass Du alles Geld, in einer Stuttgartreise anlegst und Dich meinetwegen so verausgabst, nicht nur geldlich, sondern auch kräfte- und zeitmäßig. Ich behalte Dich immer gleich lieb, auch wenn ich Dich sehr lange nicht sehen kann. Schreib mir bitte recht oft. ... Nun noch viele liebe Grüße, und ich habe Dich ganz schrecklich lieb! Deine Diethild

    Berlin, den 14. 8. 53, Mein liebes Mädel!

    Zuerst einmal eine ganz große Freude: Ich habe die Aufnahmeprüfung bei der Ingenieurschule bestanden. Ach, ich bin so froh, denn diese Prüfung hat mir ziemliche Kopfschmerzen bereitet. Und eine halbe Stunde später hatte ich dann Deinen lieben Brief in Händen. Da war die Freude vollständig. Ich danke Dir dafür. ... Ich weiß nicht ob es Dir ebenso gegangen ist, mir fiel die Trennung viel leichter als der Abschied

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