Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Liebe gibt es nicht zum Nulltarif: Sie kommt von selbst, aber sie will bewahrt werden
Liebe gibt es nicht zum Nulltarif: Sie kommt von selbst, aber sie will bewahrt werden
Liebe gibt es nicht zum Nulltarif: Sie kommt von selbst, aber sie will bewahrt werden
eBook216 Seiten3 Stunden

Liebe gibt es nicht zum Nulltarif: Sie kommt von selbst, aber sie will bewahrt werden

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Der Student Reinhard Wulff wird Mitte 1961 von der Stasi verhaftet und unter Androhung eines Prozesses wegen Hochverrats als informeller Mitarbeiter (IM) verpflichtet.
Kurz vor dem Bau der Mauer wird er nach Westberlin geschickt, um dort seinen Pfadfinderbund, die Kirche und die Universität zu observieren und seiner Kontaktperson regelmäßig Bericht zu erstatten.
Er tanzt viel mit Stefanie Kroll, die Ende des Jahres mit der Familie nach Braunschweig übersiedelt, wo ihr Vater einen geheimen Auftrag für die Weltraumforschung erhält. Reinhard wird angewiesen, die Tätigkeit des Vaters auszuforschen.
Ostern besucht er Stefanie und die beiden verlieben sich ineinander. Er erhält von ihrem Vater einige Informationen über seine Arbeit, gibt sie aber nur unvollständig an die Kontaktperson weiter. Gleichzeitig entschließt er sich, bei der Stasi auszusteigen.
Die Stasi lässt Reinhard von der informellen Mitarbeiterin Tina überwachen, der es beinahe gelingt, ihn zu verführen. Erst im letzten Moment besinnt er sich auf seine Liebe zu Stefanie.
Zu Pfingsten offenbart Reinhard sich mit Hilfe von Stefanies Vater dem Verfassungsschutz, soll aber zum Schein weiter für die Stasi arbeiten. Stefanie und er kommen sich seelisch und körperlich immer näher.
Während vier Wochen Campingurlaub in den Vogesen fällt die letzte Schranke zwischen den beiden und sie geben sich ihrer tiefen Liebe hin. Anschließend arbeitet Reinhard als Werkstudent in Hamburg, wo er auch für die Stasi spionieren muss.
Die Stasi erkennt seine Doppeltätigkeit und will ihn in Ostberlin verhaften. Tina warnt Reinhard heimlich und er benachrichtigt Stefanie. Der Verfassungsschutz holt ihn kurz vor Ostberlin aus dem Zug und bringt ihn nach Westdeutschland.
Reinhard will in Braunschweig weiter studieren und verlobt sich mit Stefanie. Die Stasi denkt über eine gewaltsame Entführung nach, verzichtet dann aber wegen Reinhards relativer Unwichtigkeit.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum17. Aug. 2014
ISBN9783737504966
Liebe gibt es nicht zum Nulltarif: Sie kommt von selbst, aber sie will bewahrt werden
Autor

Ernst-Günther Tietze

Dipl.-Ing. Ernst-Günther Tietze, hat in seiner beruflichen Tätigkeit die zentrale Führung und Überwachung von Versorgungsnetzen durch zahlreiche Veröffentlichungen maßgeblich beeinflusst. Zur Belletristik ist er erst im Ruhestand gekommen. Seit 2000 hat er mehrere Romane geschrieben und veröffentlicht.

Mehr von Ernst Günther Tietze lesen

Ähnlich wie Liebe gibt es nicht zum Nulltarif

Ähnliche E-Books

Romanzen für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Liebe gibt es nicht zum Nulltarif

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Liebe gibt es nicht zum Nulltarif - Ernst-Günther Tietze

    Schock

    Die Wohnung war leer, vollkommen leer!

    Als Jannik Wieland die Wohnungstür aufschloss, wunderte er sich, dass der Garderobenschrank in der Diele fehlte. Die leere weiße Wand tat seinen Augen weh. Doch richtig traf ihn der Schock im Wohnzimmer: Weder Möbel im Raum noch Teppiche auf dem blanken Fußboden, an den Wänden keine Bilder und vor den Fenstern keine Gardinen. Selbst die Grünpflanzen, der Fernseher und die Stereoanlage fehlten! Gespannt öffnete Jannik die Tür zu seinem Arbeitszimmer. Hier fehlte kaum etwas, Schreibtisch und Couch waren vorhanden, im Bettkasten lag das Bettzeug, und die wertvolle Lithographie „Brautpaar mit Eiffelturm" von Chagall, die seine Mutter ihnen zur Hochzeit geschenkt hatte, hing auch noch über dem Schreibtisch, nur der WLAN-Drucker fehlte. Auf der Couch lag seine gesamte Kleidung, die Anzüge, Hemden, Pullover und Wäsche, davor standen seine Schuhe. Das ließ auf weitere Überraschungen in den anderen Räumen schließen. Wie befürchtet, waren auch Schlaf- und Kinderzimmer sowie Sonjas Arbeitszimmer vollkommen leer. In der Küche fehlte nur die Spülmaschine, während die Kühl-Gefrierkombination ausgeschaltet und leer an ihrem Platz stand. In den Schränken gab es keine Lebensmittel, keine Kochgeräte, kein Geschirr, kein Besteck und nichts zum Saubermachen. Im Bad fehlten die Waschmaschine und sämtliche Waschmittel. Nur drei Handtücher lagen auf dem Rand der Dusche. Das durfte doch nicht wahr sein! Was war denn hier passiert?

    Jannik war ein sportlich schlanker Mann von 42 Jahren, blond mit blauen Augen, der alle Frauenherzen gewinnen konnte, wenn er denn gewollt hätte. Doch in den letzten Jahren hatte er keinen Blick für Frauen gehabt und nur noch seine Arbeit gesehen. In seinem Zimmer ließ er sich auf die Couch fallen und versuchte, das Gesehene zu begreifen. Nach drei Wochen in Santiago de Chile hatte er sich wie immer auf den Abend mit der kleinen Melanie gefreut. Auf Sonja hatte er sich weniger gefreut, mit der hatte es nur noch Streit gegeben, weil er so viel unterwegs war. Wo war sie mit der Tochter und all den Sachen? Hatte sie jetzt seine Abwesenheit genutzt, um sich von ihm zu trennen? Dann hätte sie doch wenigstens eine Nachricht hinterlassen müssen! Nicht mal über das Festnetz telefonieren konnte er, denn die Telefonzentrale mit den sechs Mobilgeräten fehlte auch. Ihm fiel ein, dass er das alte Analogtelefon, das im Keller einstaubte, in die Anschlussbox stecken könnte und darüber mit der Welt verbunden wäre. Doch im Keller erwartete ihn die nächste Überraschung: Alle Maschinen und ein Großteil der guten Werkzeuge fehlten. Er nahm das Telefon und schaute auf dem Weg nach oben in den Briefkasten, da war der Brief eines Anwalts an ihn. Nachdem er das Telefon in die Box gestöpselt und probiert hatte, öffnete er den Brief. Der Anwalt Dr. Johannes Gollusch teilte ihm in dürren Worten mit, dass seine Frau Sonja sich wegen seiner ständigen Abwesenheit und häufiger Differenzen von ihm getrennt und mit der Tochter Melanie eine eigene Wohnung bezogen habe. Für ihren Unterhalt fordere sie monatlich 2.000,- € und für das das Kind 700,- €, zahlbar auf eine Sonderkonto des Anwalts.

    Das war zu viel, er musste erst mal raus an die frische Luft. Ein starker Wind blies ihn heftig an, den er vorhin beim Aussteigen aus dem Taxi gar nicht bemerkt hatte, aber das war jetzt gerade das Richtige. Sein BMW stand nicht in der Garage, den hatte sie also auch mitgenommen. Um wenigstens etwas zu essen zu haben, ging er zum EDEKA-Markt am Fleetplatz und deckte sich auch mit etwas Geschirr ein. Eine Flasche Rotwein nahm er mit, aber den Cognac, den er schon in der Hand hatte, stellte er wieder zurück. In diesem Zustand wollte er nicht das Risiko eingehen, sich vor Kummer zu betrinken. Wieder zu Hause schmierte er sich ein paar Brote und setzte sich mit dem Rotwein an seinen Schreibtisch. Nachdem er gemütlich gegessen und getrunken hatte, fotografierte er zur Beweissicherung die leeren Räume. Ein Blick ins Onlinebanking zeigte ihm, dass auch das gemeinsame Girokonto leergeräumt war. Zum Glück war sein Gehalt noch nicht überwiesen. So konnte Sonja sich nur 2.223,- € bar auszahlen lassen. Das Wertpapierdepot hatte sie anscheinend vergessen, es war nicht angerührt.

    Doch dann wurde Jannik müde, er hatte seit 29 Stunden kein Bett gesehen. Zwar konnte er in der Business Class ein wenig schlafen, aber das genügte natürlich nicht. Wie schon in den letzten Monaten machte er sich das Bett auf der Couch, und war mit dem Gedanken „Morgen ist ein neuer Tag, da kann die Welt schon wieder ganz anders aussehen", bald eingeschlafen. Seine positive Sicht aller Dinge hatte ihm bisher immer das Leben erleichtert.

    Jannik war so müde, dass er die ganze Nacht durchschlief. Eine Windbö, die ins offene Fenster stürmte und den Vorhang in ein Segel verwandelte, weckte ihn, er wusste zuerst gar nicht, wo er war. Nachdem er seine Brille gefunden hatte, schaute er auf die Uhr, sie zeigte Mittwoch 7:03, in Chile war es um diese Zeit 2 Uhr nachts. Wie konnte dieser Wind ihn mitten in der Nacht wecken! Er wollte weiterschlafen und drehte sich auf den Bauch, doch langsam kam ihm zum Bewusstsein, dass er in Hamburg war und um 10 Uhr in der Firma über seinen Einsatz in Chile berichten musste. Er quälte sich aus dem Bett und wurde erst unter der Dusche richtig wach.

    Nach dem Frühstück zog er einen frischen Anzug an und rief Klaus Bollmann an, seinen Vorgesetzten und guten Freund. Als er ihm von seinem Fiasko berichtete, meinte der: „Ich dachte immer, du bist glücklich verheiratet, und Jannik antwortete, bis gestern Abend habe er das auch geglaubt. „Fühlst du dich denn in der Lage, deinen Bericht zu geben? Wenn ja, lasse ich dich zur Besprechung abholen, sagte Klaus, „und hier kriegst du erst mal einen Firmenwagen." Jannik bestätigte, dass er sich vollkommen wach fühle, dann nahm er sich noch mal den Laptop vor. Er wollte den Bericht über die drei Wochen in Chile verinnerlichen, den er schon im Flugzeug geschrieben hatte. Eine Reihe von Fotografien hatte er in einer PowerPoint-Präsentation zusammengefasst, daran wollte er seinen mündlichen Vortrag aufbauen. Er war froh, dass er zu der Besprechung nicht in Jackett und Binder kommen musste, wozu er in Chile aus Respekt vor dem Kunden drei Wochen lang verpflichtet war. Als der Fahrer um halb zehn klingelte, war er gut vorbereitet.

    „Du musst dir unbedingt sofort einen Anwalt nehmen, sagte der Freund. „Bevor wir gleich in medias res gehen, schau dir doch mal diese Adresse an. Das ist eine versierte Familienanwältin in einer Sozietät mit drei anderen Anwälten, über die ich schon viel Gutes gehört habe. Gleich nach der Besprechung solltest du dich mit ihr in Verbindung setzen. Übrigens, die Geschäftsführung muss von deiner Misere vorläufig nichts wissen. „Eigentlich wollte ich erst noch eine einvernehmliche Regelung versuchen, warf Jannik ein. „Das hat jetzt keinen Zweck mehr. Deine Frau hat mit der Kanone Anwalt auf dich geschossen, da kannst du nur mit demselben Kaliber zurück schießen, sonst wirst du bis aufs Hemd ausgezogen. Und nun komm und schlag‘ dich wacker.

    Das renommierte Architekturbüro Archidesign Germany GmbH entwarf weltweit Großbauten wie Sportstätten, Shopping Malls und Tagungskomplexe bis zur Fertigungsreife. Janniks Aufgabe war es, vom ersten Spatenstich an den Baufortschritt zu beobachten und die Einhaltung der architektonischen Vorgaben zu überwachen. In Santiago hatte er gerade den Baubeginn eines riesigen Gebäudekomplexes beobachtet, der aus einem Sportstadion, einem Einkaufszentrum und einem komfortablen Tagungshotel bestand.

    Wie Jannik beim Eintreten feststellte, hatte sich der Besprechungsraum seit seinem letzten Besuch kaum verändert. Lediglich das Bild eines weiteren fertiggestellten Projektes war an der Wand aufgehängt worden. Er verband seinen Laptop mit dem Beamer, dann nahmen auch schon die anderen Besprechungsteilnehmer Platz, zuletzt kam die Geschäftsführerin Frau Dr. Jansen. Sie war eine hochgewachsene Frau Mitte 50 mit kurzen grauen Haaren und recht strengem Gesicht, als einzige standesgemäß gekleidet in einen modischen Hosenanzug und durchaus noch attraktiv. Als Schmuck trug sie nur einen kunstvoll geschnittenen Anhänger an einer goldenen Kette.

    Was Jannik zu berichten hatte, war nicht wenig. Er hatte sein hartes Verhandlungsgeschick bis zur Grenze ausreizen müssen, damit der Bauträger eine bindende schriftliche Zusage abgab, sich künftig an die Vorgaben der Archidesign zu halten. „Sie haben hervorragende Arbeit geleistet, lobte ihn Frau Dr. Jansen. „Und dabei meine Ehe ruiniert, dachte Jannik verbittert, musste aber ein freundliches Gesicht machen. Auch andere Mitarbeiter der Firma hatten noch Fragen, die Jannik zufriedenstellend beantwortete, dann war das Gespräch über den Bericht beendet. „Ich glaube, angesichts dieser Leistung sollten wir Herrn Wieland ein paar Tage Sonderurlaub geben, damit er sich hier wieder akklimatisieren kann, schlug Klaus Bollmann vor und die Chefin fragte, ob eine Woche genüge. Dankend nahm Jannik den Vorschlag an, der ihm Zeit für seine privaten Angelegenheiten gab. „Für den Urlaub bin ich dir dankbar, da kann ich mich wenigstens ein bisschen um meine Probleme kümmern, sagte Jannik nach der Sitzung zu seinem Freund. „Genau deshalb habe ich das ja angeregt, und du hast dir die Zeit wirklich verdient, aber jetzt solltest du gleich die Anwältin anrufen." Schweren Herzens wählte Jannik die Nummer, die Klaus ihm nannte.

    „Sie sprechen mit Franziska Töpfer, was kann ich für Sie tun?, hörte er eine frische Stimme aus dem Hörer. Die Anwältin war direkt am Apparat, er hatte mit einer Sekretärin gerechnet. Er riss sich zusammen, schilderte kurz sein Problem und las ihr den Brief von Dr. Gollusch vor. „Puh, das ist ja ein dicker Hammer, antwortete die Frau, „aber es sieht meinem Kollegen Gollusch ähnlich. Da müssen wir gleich einen schweren Riegel davor schieben. Können Sie um 15 Uhr bei mir sein? „Aber gerne gab Jannik zurück, „ich muss hier vorher nur noch ein paar Dinge erledigen."

    Als erstes ging er zur Gehaltsabrechnung und bat, sein Gehalt und die Reisespesen nicht auf sein altes Konto zu überweisen, er werde demnächst ein neues nennen. Dann ließ er sich 2.000,- € als Barvorschuss geben. Bei seiner Bank zahlte er den Betrag, den er gestern per Scheckkarte bezahlt hatte, auf sein altes Konto ein und eröffnete ein neues. Leider sei der Onlinezugriff darauf erst morgen möglich, weil er das Passwort mit der Post bekomme, sagte der Bearbeiter. Ebenso eröffnete er ein neues Wertpapierdepot und ließ die Papiere darauf transferieren. Wieder in der Firma gab er der Gehaltsabrechnung das neue Konto an und informierte über das Internet die abbuchenden Institutionen über den Kontowechsel. Inzwischen war es Mittag geworden und er genoss in der Betriebskantine ein gutes Menü. Nachdem er noch ein bisschen mit Klaus geklönt hatte, war es Zeit, die Anwältin aufzusuchen.

    Frau Dr. Töpfer beeindruckte ihn, sie sah hinreißend aus, war höchstens 35 Jahre alt mit langen kastanienfarbenen Haaren und dunkelrot lackierten Fingernägeln, sie trug ein elegantes, recht kurzes Kleid. Würde sie genügend Erfahrung haben für seinen Fall? Die Anwältin sagte zunächst, sie stelle neuen Klienten stets einige Fragen, um sie kennen zu lernen und richtig vertreten zu können. Wenn er dazu nicht bereit sei, würde sie gleich auf den Fall eingehen. Als Jannik nickte, begann sie: „Wo sind Sie aufgewachsen und was haben Sie gelernt oder studiert? „Ich bin im Juli 1970 in Wittenberg als Sohn einer Krankenschwester geboren worden und meine Mutter hat sich kurz nach meiner Geburt von meinem Vater getrennt, ich habe ihn nie kennen gelernt, berichtete Jannik. „Sie lebte mit mir bei ihren Eltern, die sie bei meiner Erziehung unterstützten. 1989 machte ich das Abitur und nach dem Zivildienst begann ich in Hamburg ein Architekturstudium, das ich 1996 erfolgreich abschloss. Ich fand zunächst eine Stelle in einem Architekturbüro und wechselte 2002 zu Archidesign, weil ich dort mehr verdienen konnte."

    „Das genügt mir für Sie und jetzt möchte ich noch etwas über Ihre Frau wissen, meinte die Anwältin. Jannik musste kurz nachdenken bevor er antwortete: „1996 lernte ich Sonja kennen, sie ist vier Jahre jünger als ich und hat nach dem Abitur ein Jahr in Neuseeland verbracht, danach studierte sie Webdesign. 2000 hatte sie ihre Ausbildung beendet, da nahmen wir eine größere Wohnung und heirateten. Nach zwei Jahren machte sie sich selbstständig und hatte bald einen brauchbaren Kundenstamm, bei dem sie recht gut verdient. Ein Jahr später wurde unsere Tochter Melanie geboren.

    „Dr. Gollusch hat geschrieben, dass Ihre Frau sich wegen Ihrer ständigen Abwesenheit und häufiger Differenzen von Ihnen getrennt hat, was ist daran richtig?, wollte die Anwältin wissen. „Nach ein paar Jahren war ich bei Archidesign für die Bauüberwachung bei Großprojekten im Ausland verantwortlich, überlegte Jannik, „eine Tätigkeit, die mir viel Freude machte, doch ich musste oft und lange unterwegs sein. Allmählich klagte meine Frau, ich ließe sie so viel allein und es gab immer öfter Streit deswegen. Doch nie habe ich mit einer derartigen Entwicklung gerechnet. „Aus Ihren Worten vermute ich, dass Sie Ihre Frau ziemlich vernachlässigt haben, aber das will ich nicht bewerten, antwortete Frau Dr. Töpfer. „Ich muss jetzt nur überlegen, was ich für Sie tun kann. Momentan ist Dr. Gollusch unser einziger Ansprechpartner. Ich werde einige Forderungen an ihn richten:

    Zum ersten werde ich ihn auffordern, Ihnen den Wohnort Ihrer Tochter mitzuteilen, denn Sie beide sind gemeinsam erziehungsberechtigt und der Kontakt zu Ihrem Kind ist ein Grundrecht für Sie. Im Weigerungsfall werde ich mit einer Klage drohen.

    Da Diebstahl in einer Ehe kein strafbares Delikt ist, darf Ihre Frau beliebig über alle gemeinsamen Güter verfügen, allerdings nicht in diesem Umfang. Deshalb werde ich Dr. Gollusch auffordern, seine Mandantin zu veranlassen, Ihnen einen Teil der Einrichtung zurückzugeben. Sonst würde ich auch hier eine Klage androhen.

    Und als drittes werden wir die Geldforderungen Ihrer Frau vollständig ablehnen. Zunächst muss ein Einkommensvergleich zwischen Ihnen beiden stattfinden, um die Höhe des Unterhalts sowohl für Ihre Noch-Ehefrau als auch für die Tochter festzulegen. Daraus ergibt sich die Höhe Ihrer Zahlungen, von denen zunächst der Betrag abzuziehen ist, den Ihre Frau von ihrem Konto geholt hat. Und solange sie die gesamte Einrichtung bei sich hat, müssen Sie eh‘ nichts zahlen.

    Sind Sie mit diesen Vorschlägen einverstanden? Dann schreibe ich das gleich an Dr. Gollusch. „Ich glaube, das ist das Beste, was wir im Moment tun können, antwortete Jannik erleichtert. „Ich will Ihnen noch einen Rat geben, fuhr Frau Dr. Töpfer fort: „Sobald Sie überzeugt sind, dass Ihre Ehe unrettbar gescheitert ist, sollten Sie die Scheidung einreichen. Von diesem Zeitpunkt an müssen Sie an Ihre Frau keinen Unterhalt mehr zahlen und Ihre Rente gehört Ihnen wieder alleine. Dafür müssen Sie natürlich erfahren, wie sie sich ihre Zukunft vorstellt. Jannik dankte der Anwältin, er wusste, dass er bei ihr in guten Händen war. Er überlegte, wie er den Aufenthalt von Sonja und Melanie heraus bekommen könnte, vermutlich war es irgendwo in Neuengamme. Doch dazu fühlte er sich heute nicht mehr in der Lage.

    Weil Jannik keine Lust hatte, in die leere Wohnung zu gehen, fuhr er zum Johanniter-Krankenhaus in Geesthacht, wohin seine Mutter nach der Wende gewechselt war. Sie sah ihm an, dass er Probleme hatte, und sagte, in einer halben Stunde habe sie Feierabend, da könnten sie miteinander reden. Ihr Freund Hermann habe heute Abend ein Treffen mit ehemaligen Kollegen. Jannik staunte immer wieder über seine Mutter, die schon kurz vor der Pensionierung stand. Allgemein wurde sie zehn Jahre jünger geschätzt, ihre halblangen Haare waren noch so blond wie in jungen Jahren und ständig lag ein Lachen auf ihrem Gesicht. Wegen ihres ausgeglichenen Wesens war sie in der Klinik überall beliebt. Jannik war einfach stolz auf sie. Als er nach langer Zeit wieder ihre Wohnung betrat, fühlte er sich gleich zu Hause. Sechs Jahre hatte er die Räume mit der Mutter geteilt und sich in der gemütlichen Atmosphäre immer wohl gefühlt. Auf dem Fensterbrett und einer kleinen Bank standen Pflanzen und an den Wänden hingen neben Bildern aus Wittenberg ein paar Drucke von Chagall, den die Mutter sehr liebte.

    Nach dem Abendbrot berichtete Jannik der Mutter über sein Missgeschick und das Treffen mit der Anwältin. „Ich habe ja leider nur noch wenig Kontakt mit euch gehabt und wenn ich dich mal anrufen wollte, warst du auf Reisen, klagte sie, „ist denn was dran an Sonjas Vorwürfen? „Ja, sie hat schon in gewisser Hinsicht Recht, meinte Jannik mit gequälter Miene. „Seit fünf Jahren muss ich ständig ins Ausland, um Probleme zu klären und bekomme das auch meist fertig, doch allmählich klagte Sonja, ich ließe sie immer öfter und länger allein. Wir sprachen häufig darüber, ohne eine Lösung zu finden, und leider arteten diese Gespräche immer mehr in Vorwürfe und Streit aus, bis ich schließlich zusah, dass ich schon nach zwei Tagen wieder fahren konnte, um Ruhe zu haben. Schließlich verdächtigte Sonja mich, sie wegen einer anderen Frau ständig alleine zu lassen, was überhaupt nicht stimmt, ich hatte ja gar keine Zeit dafür. Zuletzt haben wir kaum noch miteinander gesprochen.

    Maria setzte sich neben ihn und nahm ihn in den Arm. „Ich muss schon sagen, dass du deine Frau ziemlich vernachlässig hast und ich habe Verständnis für sie, sagte sie leise. „Ich hatte schon länger das Gefühl, meinte aber, ich sollte mich nicht in euer Leben einmischen. Vielleicht hätte ich diese schlimme Entwicklung zumindest teilweise verhindern können, denn ich hatte immer ein sehr vertrauensvolles Verhältnis zu Sonja. Hast du denn wenigstens manchmal etwas mit ihr unternommen, zum Beispiel einen Theaterbesuch oder seid ihr zusammen ausgegangen, wenn du in Hamburg warst? „Nein, eigentlich nicht, du weißt ja, dass ich an kulturellen Dingen kein so großes Interesse habe. „Und auf die Idee, einfach aus Liebe zu ihr mitzugehen und vielleicht dabei etwas zu lernen, bist du nie gekommen? Jannik wäre am liebsten im Boden versunken,

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1