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Denn wer da hat, dem wird gegeben: Küsten-Krimi
Denn wer da hat, dem wird gegeben: Küsten-Krimi
Denn wer da hat, dem wird gegeben: Küsten-Krimi
eBook323 Seiten4 Stunden

Denn wer da hat, dem wird gegeben: Küsten-Krimi

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Über dieses E-Book

Direkt an der Ostsee soll eine höchst mondäne Urlaubsanlage entstehen, die
"Bernsteinstadt", mit Wellnesshotels, Hafen und exklusiver Flaniermeile.
Und diese Idee hat natürlich nicht nur Freunde, ganz im Gegenteil: Kleinbetriebe
sollen verschwinden, eine skurrile Bürgerinitiative kämpft für den Erhalt der
Küstenlandschaft und zwielichtige Investoren wollen sich das Grundstück unter
den Nagel reißen. Tom Schroeder, der neue Polizeiseelsorger, stößt auf verborgene
Netzwerke und die ganz alltägliche Korruption. Und findet nach und nach heraus,
worum es wirklich geht.
SpracheDeutsch
Herausgebercmz
Erscheinungsdatum4. Juli 2017
ISBN9783870622534
Denn wer da hat, dem wird gegeben: Küsten-Krimi

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    Buchvorschau

    Denn wer da hat, dem wird gegeben - Volker Pesch

    Autoreninfo

    Volker Pesch, Jahrgang 1966, Dr. phil., Studium der Politikwissenschaft, Geschichte und Philosophie in Köln. Selbständiger Texter und dtp-Gestalter, Leiter eines städtischen Eigenbetriebs. Er lebt mit seiner Frau in einem Fünfhäuserdorf nahe Greifswald. Denn wer da hat, dem wird gegeben ist sein erster Roman.

    Titel

    Volker Pesch

    Denn wer da hat,

    dem wird gegeben

    Küsten-Krimi

    Der erste Fall für Polizeiseelsorger Tom Schroeder

    Impressum

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    © 2017 by CMZ-Verlag

    An der Glasfachschule 48, 53359 Rheinbach

    Tel. 02226-9126-26, Fax 02226-9126-27, info@cmz.de

    Alle Rechte vorbehalten.

    Umschlagfoto (Danish Wiek, Greifswald 2016):

    Heck S. Plover, Glasgow

    Umschlaggestaltung:

    Lina C. Schwerin, Hamburg

    eBook-Erstellung:

    rübiarts, Reiskirchen

    ISBN 978-3-87062-199-5 (Paperback)

    ISBN 978-3-87062-253-4 (eBook epub)

    ISBN 978-3-87062-254-1 (eBook kindle)

    20170318

    www.cmz.de

    Motto

    Handlung und Personen sind frei erfunden.

    Das Thema leider nicht: So oder ähnlich könnte

    es sich jederzeit und an vielen Orten zutragen.

    Inhalt

    Political Animals

    Und kann nicht anders

    Probleme finden im Vorwärtsschreiten

    Sie ruhen in Unfrieden

    Keine Buschzulage

    Krisenintervention

    Die Dampfmaschine des 21. Jahrhunderts

    Paradise by the dashboard light

    Halterlose Strümpfe

    Einheitsbrunch

    Isotonie

    Big Five

    Augen und Ohren

    Kulturnacht

    La Paloma

    Intercity Express

    Waterloo

    Gut gegen Gefühle

    Fangschuss

    Sackgasse

    Der Saal kocht

    Prolog

    Das meint der nicht ernst, beruhigt sie sich, der wird nicht auf dich schießen, nicht hier und jetzt, der will dir nur Angst machen, will dich einschüchtern mit der Knarre. Hält dir hier Geldscheine unter die Nase, zugegeben einen dicken Packen Scheine, nur damit nichts rauskommt, damit die alle einfach so weitermachen können mit ihren feinen Freunden und fetten Frauen. Unglaublich!

    Aber so leicht mach ich’s euch nicht, denkt sie sich in Rage, mach ich’s dir nicht, du mieser Handlanger, so billig bin ich nicht zu haben! Mir geht es nicht um Geld. Ich will, dass ihr blutet, richtig blutet! Nicht nur ein paar Euro bezahlt, die tun euch doch nicht weh. Was ich weiß, das reicht, um euch alle fertigzumachen, richtig fertigzumachen. Kein Bein werdet ihr mehr auf den Boden kriegen, jedenfalls nicht hier, nicht in dieser Stadt, nicht in diesem Leben!

    »Du glaubst wohl, du kannst mir Angst machen«, sagt sie also mit einem spöttischen Lächeln und Blick auf die Waffe, »aber das kannst du glatt vergessen. Steck dir deine Kohle sonstwohin, und das Ding da gleich hinterher!« Sie sieht ihn fest an und lässt ihre Worte kurz wirken. Ein wenig fühlt sie sich wie Pippi Langstrumpf. »Glaub mal, euer dreckiges Geld ist wirklich das letzte, was ich will!«

    »Und was willst du dann?«, fragt er trocken.

    »Ich will einfach nur, dass rauskommt, was für Schweine ihr seid! Ich will, dass alle es wissen! Und dass die Leute mit den Fingern auf euch zeigen, wenn ihr über den Marktplatz geht. Deswegen bin ich zurück.«

    Für den Bruchteil einer Sekunde sieht sie die Überraschung in seinen Augen, eine erstaunte Unsicherheit. Kann das sein, dass die Kleine nicht einknickt, scheint er sich zu fragen, trotz der fünfzigtausend Euro in bar? Kann es das geben?

    Jetzt weiß der nicht weiter, denkt sie mit Genugtuung.

    Dann knallt der Schuss. Ganz kurz nur spürt sie einen stechenden Schmerz in der Brust, bis sie, von einer wohligen Taubheit umfangen, durch ein helles Licht ins Nichts verschwindet.

    Political Animals

    Zuerst hörte er nur ihren Schrei. Aber schon Sekunden später stürmte sie mit der Lokalzeitung wedelnd ins Schlafzimmer. Ihr verhärmtes Gesicht hatte sogar ein wenig Farbe angenommen, bemerkte er, ein paar blassrote Flecken zeichneten sich auf der bläulichen Haut ab. Worum es darin auch ging, der Artikel schien sie sehr zu erregen. Freudig zu erregen, soviel war sicher. Er bemerkte auch, dass ihre Creme nicht ganz eingezogen war und glänzend in die Fältchen der Augen verlief. Und dass ihr seidener Bademantel sich geöffnet hatte. Sein Blick blieb für eine Sekunde an den kleinen Brüsten hängen und wanderte dann weiter hinab. Doch zunächst obsiegte seine Neugierde.

    »Die haben es geschluckt«, rief sie, »die haben es wirklich geschluckt!«

    Er selbst saß aufrecht im Bett. Mit beiden Kopfkissen hatte er den Rücken ausgepolstert, um die Schmerzen der Bandscheibe zu lindern. Seinen Körper hatte er nur bis knapp unterhalb des Nabels mit dem grauschwarzen Samtbettzeug bedeckt. Sie hätte in diesem Moment durchaus seinen Bauch sehen können, diesen Rettungsring aus Haut und Fett, wie seine Frau den mal genannt hatte, oder auch die schwarzen Haare auf seinen Schultern. Aber das war ihm gleichgültig. Er bildete sich ohnehin nicht ein, dass sie ästhetischen Gefallen an ihm fand. Er hatte andere Vorzüge.

    Etwa fünfundzwanzig Minuten zuvor war sie aus dem Bett gestiegen und barfuß ins Bad gegangen. Er hatte zum Smartphone auf dem Nachtschrank gegriffen und auf dem Display die Termine des Tages überflogen. Ach, richtig, hatte er noch etwas schlaftrunken gedacht, die Ortsbegehung mit diesem komischen Architekten, das ist ja heute. Die winzige Anzeige der Uhrzeit oben links hatte er ohne Brille nicht entziffern können. Aber genau deswegen trug er ja auch im Bett seine Breitling am rechten Handgelenk. Zeit satt, hatte er mit Blick auf die klunkerhafte Uhr gedacht. Durch die offene Tür war ein plätscherndes Geräusch von der Toilette zu hören gewesen, lauter als ihm wahrzunehmen lieb war. Lauter sogar als die Amseln und Meisen in den Gärten des Professorenviertels.

    Mit seinem dicken rechten Zeigefinger hatte er dann auf den kleinen Bildschirm getatscht. Die Wettervorhersagen waren verhältnismäßig gut und ließen einen durchschnittlichen Spätsommertag erwarten. Immerhin keinen Regen. Die Börse blieb unentschieden. Minutenlang hatte ihn das Brummen ihrer elektrischen Zahnbürste genervt. Am Abend würde Bayern München auf Real Madrid treffen. Champions League. E-Mails mit Werbung und Spam hatte er in den Datenmülleimer verschoben, genau wie die digitale Bewerbung einer Jacqueline Soundso. Ungefragt, also weg damit. Die anderen Mails würde er später irgendwann lesen, vielleicht. Vielleicht auch nicht, manchmal löschte er am Ende des Tages einfach den ganzen Mist.

    Er hatte dann die Dusche gehört und anschließend längere Zeit nichts. Jetzt steht sie vor dem Spiegel und hübscht sich auf, hatte er vermutet, während sein Blick interesselos auf einen Salvador Dalí über dem Bett gefallen war. Ein schwacher Sonnenstrahl hatte den Kunstdruck durch die halb geschlossenen Plissees beleuchtet. Was machte die nur immer so lange im Bad? Dann endlich hatte er aus der Küche die zischenden Geräusche des italienischen Kaffeevollautomaten gehört und fast zeitgleich das Klappern des Postkastens an der Eingangstür.

    »Lies selbst!«, forderte sie ihn auf.

    Er streckte die rechte Hand aus und nahm ihr die Ostseezeitung ab.

    »Holst du uns den Kaffee?«, fragte er dabei, ohne sie anzuschauen.

    Er überflog die Überschriften und fand den unscheinbaren Artikel auf der dritten Seite des Lokalteils. Dem Leiter des Bauamtes wurde die Verschwendung öffentlicher Mittel vorgeworfen. Walter K., las er amüsiert. Wenn der Name schon abgekürzt wird, ist das Urteil ja fast gefällt. Fünfundvierzigtausend Euro für die Sanierung einer Nebenstraße, irgendwo in der Stadtrandsiedlung. Der Landesrechnungshof hatte sich eingeschaltet und Zweifel an der Rechtmäßigkeit des gesamten Vorgangs angedeutet.

    Ganz schlau wurde er aus dem Artikel nicht. Er las ihn ein zweites Mal. Entweder haben die das nicht ordentlich recherchiert, dachte er, oder die haben es nicht durchschaut. Oder beides. Oder war es vielleicht gar nicht durchschaubar? Der ganze Aufriss wegen fünfundvierzigtausend Euro? Haben die eine Null vergessen? Aber egal, dachte er dann, Hauptsache der Korthase ist weg vom Fenster.

    »Den sind wir wohl erst mal los«, sagte er zufrieden grinsend, als sie mit zwei randvollen französischen Kaffeegläsern zurück ins Schlafzimmer kam. Jetzt schaute er sie vergnügt an, der Kaffeeduft erfüllte den Raum.

    »Ganz sicher«, sagte sie spitz, »auf die öffentliche Erregungskultur in unserer Stadt ist Verlass.«

    »Ja, da hast du wohl Recht. Die Zeitung ist jedenfalls voll eingestiegen«, gab er zurück und las die Unterzeile vor, in der die Worte Skandal und pikant vorkamen. »Das klingt, als sei der Korthase mit einer minderjährigen Azubine und der gesamten Stadtkasse nach Madeira abgehauen.« Er schüttelte ungläubig den Kopf.

    »Genau. Und das wird Wunder wirken«, erwiderte sie stolz, »verlass dich drauf. Der Hühnerstall ist aufgescheucht, und alle rennen sie laut gackernd durcheinander. Am Ende ist doch ganz egal, ob überhaupt ein Fuchs drin ist.«

    »Hut ab, meine Liebe!« Er deutete mit der rechten Hand an, einen imaginären Hut zu heben. Sie hielt sich die rechte Hand vor die Brust und neigte in gespielter Dankbarkeit den Kopf. Es war nicht zu übersehen, dass sie sich in diesem Moment sehr gefiel. Er übersah es auch nicht.

    »Ja«, sagte er nach eine Weile, während er die anderen Artikel der Seite überflog, »so ein kleiner Nebenkriegsschauplatz kann Wunder wirken. Aber sag mal,« fuhr er dann fort und blickte von der Zeitung auf, »ist der Korthase wirklich so blöd? Ich meine, nach ’zig Jahren in der Verwaltung hätte der doch merken müssen, wenn deine Unterschrift gefälscht ist. Der hätte doch niemals in eine derart offene Falle tappen dürfen!«

    »Ist der auch nicht«, sagte sie und machte eine kurze Pause, in der sie seine Verwunderung auskostete, »ich habe den Antrag ja mit ihm gemeinsam formuliert.«

    Jetzt war er wirklich überrascht.

    »Nur kann ich mich jetzt partout nicht mehr daran erinnern.« Sie grinste ihn breit an und ließ sich dann auf das Bett plumpsen. Es federte leicht nach.

    »Wie hinterhältig du bist, meine Liebe. Aber hast du keine Angst, dass das ’rauskommt? Ich meine, der Korthase wird das doch nicht einfach so auf sich nehmen.«

    »Das streite ich einfach alles ab«, sagte sie heiter und gelassen, »die Unterschriften sind doch heute digital, die hätte jeder darunter setzen können, das kann man nicht beweisen. Aber wenn der Korthase versuchen sollte, mich da reinzuziehen, erstatte ich Anzeige gegen Unbekannt, wegen Urkundenfälschung. Und wenn das an ihm kleben bleibt, hat der ein echtes Problem. Dann ist sie nämlich weg, die schöne Pension des Herrn Amtsleiters. Nein, das wird der sich zweimal überlegen.«

    »Also wirst du ihn einfach nur beurlauben, bis Gras über die ganze Geschichte gewachsen ist, richtig?«

    »Genau, mir bleibt ja gar keine andere Wahl«, sagte sie in gespielt weinerlichem Ton, »ich muss den armen Kerl doch aus der Schusslinie nehmen. Ich stelle mich gewissermaßen schützend vor meinen Mitarbeiter. Und eine hoffnungsvolle junge Mitarbeiterin, die den Korthase beerben wird, habe ich auch schon ausgesucht. Noch formbar, verstehst du?«

    »Ganz schön hinterhältig«, wiederholte er anerkennend und legte ihr dabei die Hand auf die Hüfte.

    »Ach was. Der Korthase ist über sechzig. Der kriegt ja nur eine Rüge, das reicht nicht mal für ein Disziplinarverfahren. Man wird das nie ganz aufklären können. Vielleicht beurlaube ich ihn auch bis zum vorzeitigen Ruhestand, mal sehen, dann kann er ein wenig um die Welt reisen. Hat er sich doch verdient, findest du nicht?«, schmunzelte sie.

    »Auf jeden Fall«, stimmte er zu, »ganz klar. Außerdem rennt der dann nicht durch die Stadt und redet dummes Zeug, von wegen Intrige und so.«

    »Das durchschaut der doch gar nicht«, sagte sie und winkte dabei ab, »der Korthase ist auch kein besonders tiefer Teller. Außerdem wird er den schwarzen Peter reflexhaft an den Sanierungsträger weiterschieben, die verwalten schließlich diese Mittel. Das ist sogar noch ein angenehmer Nebeneffekt der ganzen Konstruktion, die wurden mir nämlich in letzter Zeit zu selbstgefällig. Denen kann ein Dämpfer nicht schaden.«

    »Dich möchte ich nicht zum Gegner haben«, sagte er, und in seinem Tonfall klang deutlich die Bewunderung durch, obwohl es selten geschah, dass er irgendwen außer sich selbst bewunderte. Er grübelte und malte sich aus, wie es jetzt weiter gehen würde.

    »Aber glaubst du, die Bürgerschaft wird deswegen kalte Füße kriegen?«, fragte er nach einiger Zeit. »Ich meine, es gibt ja erst einmal keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen der Geschichte mit Korthase und dem Bau dieser Bernstein City.«

    »Das stimmt zwar«, antwortete sie, »aber die Bürgerschaft wird jetzt garantiert kein Millionenprojekt beschließen, wenn alle schon wegen dieser läppischen fünfundvierzigtausend vom großen Skandal reden. Da wird sich einer sparsamer geben als der andere, ganz egal, welcher Partei die angehören. Du wirst sehen: Plötzlich haben die alle nur noch das Wohl der Stadtkasse im Blick, zumindest solange, bis eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird.«

    Die sind alle so blöd!, dachte er und war darüber für einen kurzen Moment sogar ein wenig erstaunt. »Und notfalls wirst du das ein wenig steuern, richtig?«

    »Das wird kaum nötig sein«, winkte sie abermals ab, »du wirst sehen, das geht jetzt ganz von alleine. Erst einmal werden sich die Ausschüsse und Fraktionen damit ’rumschlagen, da muss ich nicht eingreifen.«

    Sie grinste vielsagend. »Jedenfalls liegt diese bescheuerte Bernsteinstadt erstmal auf Eis. Ein paar Monate mindestens, da bin ich ganz zuversichtlich, und das war’s dann. Denn so langen Atem haben deren Investoren nicht mehr, denen steht das Wasser bis zum Hals, das weiß ich aus sicherer Quelle. Wenn die nicht in kürzester Zeit anfangen können, ist das ganze Projekt mausetot. Wellness und Tourismus, schöner Traum, nette Idee, aber eben wirtschaftlich nicht realisierbar. Verstehst du?«

    Seine Züge erstarrten. Nur du nicht, dachte er, du bist gar nicht so blöd wie die anderen, im Gegenteil. Bei dir muss ich höllisch aufpassen – bis du mir den Weg frei gemacht hast für meine Raffinerie. »Bald ist der Weg frei für unsere Raffinerie«, sagte er.

    »Hoffentlich«, erwiderte sie, »wir dürfen uns auch nicht zu früh freuen. Vor allem jetzt keine Fehler machen, es darf noch nichts durchsickern. Sonst kippt die Stimmung schnell wieder in Richtung Touristenklitsche.«

    »Das brauchst du mir nicht zu sagen, ich pass’ schon auf«, sagte er und betonte dabei die Wörtchen mir und ich, »sorge du nur dafür, dass deine Verwaltung die Füße still hält. Die soll Dienst nach Vorschrift machen, aber keinen Handschlag mehr.«

    »Verlass dich drauf!«, sagte sie gelassen und ein wenig überheblich, »die das jetzt auf den Schreibtisch kriegen, die habe ich fest im Griff. Aber du und deine holländischen Geschäftsfreunde, ihr macht mir mehr Sorgen. Ihr solltet es nicht übertreiben mit euren Geschenken. Hier eine Spende, da ein Sponsoring. Das ist mir im Moment zu viel, zu leicht durchschaubar. Fünftausend hier, zehntausend da. Und die Trikots für den FC hättet ihr euch wirklich sparen können, das ist ja echt zu platt!«

    »Hm, du hast wahrscheinlich Recht«, räumte er ein und wurde kurz nachdenklich, »das war wirklich nicht gut. Kontraproduktiv. Ich werde mit den Holländern reden, die sollen sich vorläufig etwas zurückhalten.«

    »Sehr gut«, sagte sie und erhob ihr Kaffeeglas, »dann lass uns in die Zielgerade gehen.«

    »Herr Harreis!«

    »Frau Francke!«

    »A votre santé«, sagte sie.

    Er sagte darauf nichts.

    »A la votre, müsstest du jetzt antworten«, sagte sie.

    »Und was bedeutet das?«

    »Du mich auch«, sagte sie und stupste ihm dabei den Zeigefinger auf die Nasenspitze. Sie stießen mit ihren Gläsern an und tranken.

    Dann zündete sie sich eine superschlanke Zigarette an und paffte mit gespitzten Lippen, er blätterte derweil oberflächlich durch die restlichen Seiten der Zeitung. Nur Unsinn und Werbung, dachte er und kratzte mit einem kleinen Löffel den Kaffeeschaum aus dem Glas. Obschon sie nicht inhalierte, ließ sie der Rauch räuspernd husten. Deswegen legte sie die glimmende Zigarette auf die Nachtschrankkante, streckte beide Arme seitlich ab, um besser durchatmen zu können, und verdrillte anschließend ihr langes Haar zu einem Dutt. Dabei hielt sie ihren Oberkörper sehr aufrecht, so dass er wieder ihre Brüste sehen konnte. Und diesmal wollte er das auch.

    »Das muss doch gefeiert werden«, sagte Michael Harreis, erfolgreichster Bauunternehmer der Region und seit vielen Jahren Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Haus- und Grundbesitzer, nahm die Zigarette, drückte sie in den Aschenbecher und zog die Oberbürgermeisterin der altehrwürdigen Universitäts- und Hansestadt Greifswald Verena Francke zurück unter die noch feuchtwarme Decke.

    Und kann nicht anders

    Jochen Ruhnke stand am Fenster seines Büros im zweiten Stock und blickte hinunter auf den Parkplatz. Ein VW-Bus mit Bootsanhänger fuhr langsam an den Parkbuchten entlang. Die waren allesamt belegt, obwohl das Kriminalkommissariat schon länger zur Außenstelle herabgestuft worden war und jetzt zur Polizeiinspektion Anklam gehörte. Nur eine Handvoll Kollegen war noch in dem alten Kasernengebäude geblieben, als eine Art Zugeständnis, ohne das die Stadt Greifswald dieser ersten Stufe der Polizeistrukturreform niemals zugestimmt hätte. Die meisten mussten seitdem täglich die 40 Kilometer fahren. Anklam oder Greifswald, Ruhnke war es eigentlich egal, wo er seine letzten Dienstjahre abreißen sollte, aber die Sozialauswahl hatte ihm die Pendelei erspart. Und da er üblicherweise früh zum Dienst kam, stand er meist schon am Fenster, wenn die Studentinnen mit ihren geschenkten Kleinwagen die Parkplätze belegten und hektisch in Richtung Universität stöckelten.

    Die Bremslichter leuchteten rot auf. Er bemerkte, dass ein Licht des Anhängers nicht funktionierte. Das Gespann war beinahe am Ende des Platzes angekommen. Sackgasse, dachte er, gleich wird der merken, dass es nicht weiter geht. Mal sehen, was er dann macht. Das konnte nur ein Mann sein, da war sich Ruhnke sicher, obwohl er den Wagen noch nie gesehen hatte und von oben nicht erkennen konnte, wer am Steuer saß. Aber eine Frau hätte so ein langes Gespann auf der Straße vor der Kaserne stehen lassen und gar nicht erst versucht, es durch die enge Einfahrt zu bugsieren. Frauen waren schlechte Fahrer, meinte er, aber das machte sie auch vorausschauender. Das gestand er ihnen immerhin zu. Der Bus stand immer noch bewegungslos da. Ruhnke wartete gespannt.

    Er hatte auch keinen echten Grund, vom Fenster weg und an den Schreibtisch zu gehen. Oder irgendwo anders hin. Aktuell lag nichts vor, jedenfalls nichts, was ihn beschäftigen musste. Mit den drei Frauenmorden kam er nicht mehr weiter. Seine Ermittlungen hatten erst zu ein paar halbseidenen Zeugen und Tatverdächtigen und dann nur noch ins Leere geführt. Er hatte keinerlei Beweise gegen irgendwen. Wahrscheinlich ein Psychopath, einer dieser Professoren oder so. In Gedanken hatte er die drei Fälle schon bei den ungeklärten abgeheftet. Wir sollten noch ein paar DNS-Proben nehmen, dachte er, falls es doch nochmal einen Verdächtigen gab, durch Schicksal oder Zufall, wer konnte das schon wissen. Und dann ab ins Archiv. So dachten wahrscheinlich alle im Haus, selbst der Leitende, wenn er denn mal ins Haus kam. Aber noch waren der öffentliche Druck und die Empörung zu groß, um diesen Schritt auch offiziell zu machen.

    Aktuell war nur ein lächerlicher Einbruchdiebstahl aufzunehmen, außerdem hatten ein paar Kinder in der Nacht einen Bauwagen abgefackelt und warteten im Flur auf ihre Eltern. Ein Mann hatte einem anderen ein Küchenmesser in den Bauch gerammt, wohl aus Liebe und Eifersucht oder irgendeinem anderen Gefühl, das die tägliche Flasche Sprit noch zuließ. Die Dame, der dieses Gefühl galt, war Zeugin und befand sich zur beaufsichtigten Ausnüchterung im Uniklinikum.

    Mit solchen Lappalien musste sich der dienstälteste Kriminalhauptkommissar ohnehin nicht mehr befassen, das war eine der goldenen Regeln hier. Genau wie die, dass ihm kein Kollege in seine Fälle reinpfuschte. In den Fällen eines KHK hatte kein anderer was zu suchen. Das waren Regeln, die er früher ebenso inbrünstig gehasst hatte wie er sie heute gegen die Jungspunde verteidigte. Kamen frisch von der Polizeischule, diese Queckse, und wollten gleich die dicken Fälle übernehmen. Aber nicht mit ihm!

    In diesem Moment sah er, wie hinter dem Gespann ein Auto aus der Parkbucht fuhr und somit eine Lücke öffnete. Das ist deine Chance zu wenden, dachte er und sah im gleichen Moment schon die weißen Leuchten an Bus und Anhänger aufleuchten, einfach mit dem Hänger rückwärts in die Lücke stoßen, dann in zwei Zügen ’rum und ’raus. Mal sehen, was du drauf hast.

    Er beobachtete, wie die Vorderreifen bis zum Anschlag in eine Richtung eingeschlagen wurden. In die falsche Richtung, dachte er sofort, so wird das nichts! Der Bus stieß langsam zurück, der Anhänger bewegte sich entgegengesetzt. Der Fahrer schien das zu bemerken, denn sofort leuchteten die roten Lichter auf. Immerhin. Die Vorderreifen bewegten sich zurück, die Leuchten erloschen und der Bus fuhr ein paar Meter nach vorn, noch näher an das Ende des Parkplatzes, wie Ruhnke nicht ohne Häme dachte. Dann wurden die Vorderreifen in die andere Richtung eingeschlagen, der Bus setzte erneut zurück, diesmal bewegte sich der Anhänger richtig. Allerdings war der Einschlag zu stark und folglich auch die Bewegung des Anhängers. Das Gespann wurde abrupt gebremst.

    Das war knapp, dachte Ruhnke, hättest fast den fetten Audi in der Parklücke daneben erwischt. Da hätte sich aber einer geärgert. Ruhnke grinste, doch in diesem Moment klingelte das Telefon und ließ seine Miene wieder erstarren.

    »Ruhnke«, knurrte er in den Hörer des altertümlichen Telefons. Wegen des verhedderten Kabels konnte er seine Beobachtung am Fenster für die Dauer des Telefonats nicht fortsetzen. Die Telefonanlage stammte noch aus den Materialspenden der Partnerstadt Osnabrück, Anfang der Neunziger.

    Die Stimme am anderen Ende kannte er, der Anrufer hätte seinen Namen nicht eigens nennen müssen. Ruhnke hätte auch gut und gerne auf diesen Anruf verzichten können. Er stellte notgedrungen auf Freundlichkeit um.

    »Was kann ich für Sie tun?«

    Der Anrufer redete aufgebracht. Ruhnke hörte zu. Gelegentlich unterbrach er, kurz und einsilbig, das fand er in seiner Rolle angemessen. Es wurde wohl von ihm erwartet. »Sie ist hier in der Stadt? – Ganz sicher? – Und weiß man, was sie vorhat? – Verstehe. – Harreis? – Nein, das ist nicht gut. – Richtig. – Haben Sie eine Adresse für mich? – In ihrer alten Wohnung, okay. – Gut, ich kümmere mich darum.«

    Ruhnke legte ohne weitere Verabschiedung auf. Für einen Moment hatte er das Parkplatzkino vergessen. Was will sie hier in der Stadt?, fragte er sich verärgert. Hatte er sich nicht klar genug ausgedrückt? Doch, das hatte er. Ich will Dich hier nie wieder sehen, hatte er gesagt. Wenn sie trotzdem hier wieder auftauchte, konnte das nichts Gutes bedeuten. Nur – was hatte sie vor? Zur Polizei konnte sie schließlich schlecht gehen. Und auch sonst konnte sie hier nichts erwarten. Von niemandem. Wir zwei beide werden uns wohl nochmal unterhalten müssen, dachte er. Aber dann fiel ihm das Geschehen auf dem Parkplatz ein, und er trat noch einmal ans Fenster und blickte hinunter.

    Bus und Anhänger standen mittlerweile wieder parallel zu den Parkbuchten. Der Fahrer war ausgestiegen, ein Typ in Jeans und dunkelblauer Fischerjacke. Typ Dreitagebart. In meiner Badewanne bin ich Kapitän, dachte Ruhnke und sah zu, wie der Mann auf einen uniformierten Kollegen zuging. Im Gehen nahm er seine Brille ab und wischte die Gläser mit einem Papiertaschentuch. Er gab dem Polizisten die Hand, zeigte dann auf Bus und Anhänger, wies mit der Hand in die Parklücke, zeichnete Längenmaße und Rückwärtsbewegungen in die Luft. Offensichtlich erklärte er, was er vorhatte, wie er glaubte, das Gespann wenden zu können. Ruhnke beobachtete weiter, wie der Polizist hinter den Anhänger ging und nach Augenmaß über den Daumen das mögliche Manöver peilte. HK Seidelmann, dieser Schwachkopf, dachte Ruhnke spöttisch, das wird doch nichts. Irgendwie freute ihn das.

    Der Fahrer war unterdessen zurück zum Bus gegangen, hatte die wollene Jacke aufgeknöpft und ausgezogen und mit Schwung auf den Beifahrersitz geworfen. Ganz schön

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