Seltsame Geschichten I
Von Wolff Wieland
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Über dieses E-Book
Wolff Wieland
Von Wolff Wieland sind bereits erschienen: Dicker Hintern im Café auf Eis (2009), ISBN: 9-783-8370-3454-7 Dicker Hintern im Café auf Eis 2 (2012), ISBN: 9-783-8370-3454-7
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Buchvorschau
Seltsame Geschichten I - Wolff Wieland
Wolff Wieland (Pseudonym), im anderen Leben seit vielen Jahren als erfolgreicher Journalist tätig, legt mit Seltsame Geschichten I dieses Mal eine außergewöhnliche Sammlung von Kurzgeschichten vor, die das Leben schreibt.
Von Wolff Wieland bereits erschienen:
Dicker Hintern im Café auf Eis (2009),
ISBN: 9-783-8370-3454-7
Dicker Hintern im Café auf Eis 2 (2012),
ISBN: 9-783-8370-3454-7
wolffwieland.prembuch.de
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Brief an eine verflossene Liebe
Begegnung mit dem Tod
Der Holländer
Der gute Mann aus N
Der seriöse Herr
Der schöne Klaus
Der Rasen
Die Erscheinung
Das kranke Kind
Das Wunderwasser von Granada
Der Schmetterling
Der Eisenmann
Die Verschwiegenheit
Nur ein altes Haus in der Mancha
Reinhard
Walburga, die Schreckliche
Mari-Carmens später Bruder
Die eiserne Rose
Vorwort
Verehrte Leserin und Leser, ich habe jene Gewohnheit, der vermutlich sehr viele Menschen auch erliegen. Das Geschichtenerzählen. Ich stamme aus einer Generation, in der es keine große Sache war, echte Abenteuer zu erleben. Selbstmörderische Sportarten, die es heute für sehr viel Geld zu kaufen gibt, waren uns fremd. Unsere Jugendzeit war gepflastert mit Abenteuern, auch sehr lebensgefährlichen!
Als Kinder badeten wir im Sommer oft in den vom Regenwasser aufgefüllten Bombentrichtern oder in den offenen Kellern der zerstörten Häuser in den vernichteten Städten. Bei dem Heimweg von der Schule konnte man unendlich viel Kriegsmaterial finden. Deshalb war es nichts Besonderes, wenn wir Handgranaten scharf zogen und in die Äcker warfen. Wir fanden es toll, wenn die Erde wie eine Fontäne in die Luft spritzte. Übrigens, der Weg zur Schule musste immer gelaufen werden. Mein Weg war täglich 6 km einfach. Dicke Kinder waren damals mit Sicherheit krank und das ADHS oder Allergien gab es nicht. Denn jeder musste sich täglich richtig bewegen. Das Essen war einfach und wir aßen praktisch alles. Es ist eine Zeit, die wohl in nicht allzu fernen Tagen auch als die gute alte Zeit beschrieben wird, obwohl sie letztlich karg und übel war.
So bin ich meinem Trieb gefolgt und habe begonnen, kurze Geschichten, die in meiner Erinnerung gefesselt sind, aufzuschreiben und einige zu veröffentlichen. Dass die Leser manchmal erstaunt sein werden oder zumindest sein sollten, ist sicherlich mein größter Wunsch. Doch das Wichtigste ist, dass Sie wissen müssen, dass alles, was Sie hier lesen der Wahrheit entspricht! Manchmal schreibe ich in der Ich-Form. Wenn das Erlebte recht peinlich ist, gebe ich dem Protagonisten eben einen Namen. In meiner Zeit als Praktikant bei einer Wochenzeitung war es Standard, normale Sätze mit ca. 25-35 Worten zu schreiben. Das ist heute nicht mehr möglich: Maximal 10 Worte pro Satz! Also, liebe Leser, verzeihen Sie mir, wenn ich mal auf 13 oder 15 Worte komme. Dass der Philosoph Immanuel Kant Sätze mit über 100 Wörtern schrieb und seine Leser diese sogar verstehen konnten, ist unglaublich. Sind wir doofer geworden? Bei einigen Geschichten können Sie auch erfahren, dass mein Lebenslauf recht verschlungen war. Ende des 2. Weltkrieges geboren, erzogen von Lehrern, die ihre Ausbildung noch zu Adolf Hitlers Zeiten hatten! Sie können sich vielleicht doch noch vorstellen, wie auch unsere Hirne vernagelt wurden. Ob das heute nicht auch so ist, wage ich schon zu bezweifeln. Es sind eben immer wieder neue Menschen, die dieselben Torheiten und Fehler machen.
Dazu möchte ich auch noch ein Zitat des Autors Gilbert Chesterton (1874-1936), der den bekannten Pater Brown erfunden hatte, zu dem Thema Krieg und Fanatismus hier niederschreiben:
„Der Mensch ist bereit, für jede Idee oder Religion zu sterben, vorausgesetzt, dass ihm diese Idee oder Religion nicht ganz klar ist."
Viel Spaß beim Lesen.
Brief an eine verflossene Liebe
Nach Jahren und einer Nacht des Nachdenkens.
Edi war ein noch junger Bursche von vielleicht 22 Jahren. Doch in seinem bisherigen kurzen Leben war ihm nicht allzu viel Gutes widerfahren. Seine Mutter starb ganz plötzlich, da war er gerade mal sieben Jahre alt. Nun musste seine Großmutter für ihn sorgen, das war nicht sehr gut für den kleinen Eduard. Sie liebte ihn überhaupt nicht, wohl deshalb, weil er seinem Großvater wie aus dem Gesicht geschnitten zu sein schien. Dazu mochte die Oma auch noch recht gerne Klosterfrau Melissengeist, die Belohnungsdroge der Hausfrauen jener Zeit. Damit konnten sie ihre latente Trunksucht wunderbar tarnen.
Auch körperlich war Edi kein Riese, eher zäh und grazil und sein schmaler, lockiger Kopf mit den großen dunklen Augen und seinen schmalen Lippen erinnerte an einen heranwachsenden, melancholischen Südländer. Er war ein stiller braver Junge. In der Schule hatte er wenige Freunde. Hätte man ihn gefragt, hätte er wohl gesagt. dass er keinen echten Freund habe. Er hatte noch eine ältere Schwester. Lydia mochte ihn auch nicht. Wohl, weil der gemeinsame Vater den kleinen Edi immer etwas in Schutz nahm, wenn die Großmutter wieder ihre alkoholisierten Launen an dem Jungen abreagierte.
Als Edi mit 14 Jahren mit seinem Jahreszeugnis nach Hause kam und es seinem Vater voll Freude zeigen wollte, fand er ihn nicht. Er suchte überall im Haus und Garten und fand den Vater dann endlich - mit einer Schlinge um den Hals - ganz oben auf dem Dachboden, am Balken hängend, die Beine freischwingend, der Schemel umgestürzt.
Edi lernte den guten Beruf des Maschinenbauers, war fleißig und hatte auch das Haus und etwas Barvermögen geerbt. Da begegnete er Lo, sie war alleine von Ost- nach Westdeutschland geflüchtet und begann eine Lehre in seiner Heimatstadt. Er verliebte sich in sie. Für Edi war es die große und wohl einzige Liebe seines Lebens. Beide lebten in seinem Haus, waren verlobt und planten ein gemeinsames Dasein. Dann kam die deutsche Wiedervereinigung. Die Eltern und Verwanden von Lo gingen bei ihm ein und aus. Er glaubte, endlich eine Familie zu haben und war stolz und glücklich. Alles schien in den richtigen Bahnen zu laufen. Sicherlich, es gab manchmal auch Differenzen. Doch der Hochzeitstermin war geplant und die Vorbereitungen begannen.
Es war Mitte September, Edi kam nach Hause und das war leer. Er suchte nach Lo im Haus und Garten. Er fand nur ein Blatt Papier auf dem gemeinsamen Bett, auf dem sie geschrieben hatte, dass sie ihn verlassen habe. Einfach so. Die Antwort auf die Frage, warum sie das getan hatte, blieb ihm verborgen. So vermutete er vielleicht zu Recht, dass es Intrigen von ihrer Familie oder von seiner Schwester gewesen waren. Es blieb für ihn ein Rätsel.
Es sind Jahre vergangen. Ein halbes Leben. Irgendwie hat er sein Dasein weiter gelebt. Eine feste Beziehung wollte er nicht, weil er Angst vor dem Seelenschmerz hatte. Doch, so glaubte er, dass nun die Zeit reif wäre, seiner Verflossenen einen Brief zu schreiben. So fasste er wohl den folgenschwersten Entschluss seines Lebens und begann zu schreiben:
Liebste Lo,
viel Zeit ist vergangen, Du hast einen Sohn, der Dir wohl alles bedeutet. Der stressige Alltag überwuchert Dich und ist für Dich überall. Schnelle Jahre sind verflogen, untergetaucht im ewigen Nichts. Zum Verweilen, um an gute frühere Dinge zu denken, ist Deine Zeit zu gering oder Du willst nicht so recht daran denken. Doch, dass es Dir genau so geht wie mir und vermutlich allen Menschen, die irgendwann das unvergleichliche Gefühl der sorgenfreien Liebe und Lust erlebt haben, dies zu verdrängen ist sinnlos.
Die Menschen erkennen immer erst, was Glück ist, wenn es vorbei ist. Mir geht das manchmal so. Immer wieder steigt aus dem Unterbewusstsein genau all das nach oben, was Mann/Frau unbedingt vergessen wollten. Seltsamerweise erinnert man sich viel genauer an die schönen und originellen Dinge. Wenn ich - nach Dir - mit irgendeiner Frau intim zusammen war und danach meine Gedanken wandern ließ, erscheinen manchmal genau die Bilder in meiner Erinnerung, die ich vergessen wollte. Und dabei spieltest Du sogar eine Hauptrolle. Das, was bei der Trennung einst so schlimm erschien, dieses tiefe unendlich schwarze Nichts nach diesem Schock, wird unwichtiger und die Gedanken dazu werden milder.
Es beginnt irgendwann, dass Vergleiche anders, realistischer ausfallen, als noch vor einer früheren Zeit. Natürlich weißt Du, warum das so ist. Ich hatte Dir das mit dem Einfluss durch die Hormone auf unser Verhalten und Denken sicherlich genauestens erklärt, deswegen will ich jetzt nicht so oberschlau zu diesem Thema weiter schreiben. Doch eines weißt Du auch: Es ist ganz einfach, jetzt ist auch für Dich längst die Zeit angebrochen, in der die Lebensöde auch bei Dir beginnt. Doch dein Junge, er fordert Dich und gibt Dir den Lebenssinn Deiner Existenz auf dieser Welt. Es sind diese wunderbaren Momente mit ihm, die Du erleben kannst, die es wert machen, zu leben. Nur ein Kind kann das Leben lebenswert machen.
Ich hoffe natürlich, und das meine ich ganz ehrlich, dass Deine Partnerwahl damals wirklich richtig war und Du noch so unbeschwert frei lachen kannst, dass Du keinen Streit und keine Lügerei, die Du wie die Pest hasst, ertragen musst. Ich weiß aber auch, dass Du alles tust, um einen Mann nicht zu verlieren. ALLES! Selbst die größten Dummheiten und Fehler. Nicht nur ich; auch Du gehst mit offenen Augen bis zum Ende. Bis die ewige Nacht Dich umschließt und vielleicht sogar erlöst.
Ich erinnere mich gerne daran, dass wir keinen einzigen Streit hatten, nicht mal, als wir uns noch einmal heimlich in München getroffen hatten. Weißt Du noch, ich hatte ganz stark abgenommen und konnte meine Augen nicht von Dir lassen! Und ich denke oft daran, als wir vor dem Hotel standen und wir uns in die Hand geschworen hatten, im Kontakt zu bleiben, zueinander immer offen zu sein. Nicht nur, weil wir diverse „Leichen im Keller" haben und diese immer unsere Geheimnisse bleiben werden, sondern weil Du auch genau weißt, dass mein Rat und meine Hilfen Dir ein ganzes Leben lang sicher und von großem Vorteil waren und auch wären. Weil Du weißt, dass das Meiste Deines wirtschaftlichen Lebens durch meine Raffinesse entstanden ist. Wobei ich jetzt NICHT sagen will, dass Du das ohne mich nicht geschafft hättest! Warum das so kindisch und kleinlich gekommen ist mit uns, das verstehe ich nicht, doch ist das jetzt auch total unwichtig.
Aber, ich will Dir schon sagen, dass ICH dieses Versprechen, das wir uns gegeben haben, bis heute gehalten habe! Übrigens, ich hatte doch nicht die geringste Chance, mit Dir diese lächerlichen Unklarheiten ALLEINE zu bereden und einen sinnvollen Plan zu machen, denn, wenn wir unter vier Augen gesprochen hätten, wüsstest Du vieles richtig! Es ist doch lächerlich, dass ich Dich finanziell betrogen haben soll, wie viel Geld hast Du denn auf dem schwei.... Konto? Und vieles gäbe es, nach wie vor, zu besprechen. Aber dafür brauche ich Dich, oder nicht? Nun gut, das Zeug kann ich jetzt nicht schreiben.
Du hast ja mitbekommen, dass ich vor einigen Jahren einen großen finanziellen Fehler begangen hatte. Es war MEINE GIER und auch die unterschwellige Angst, im Alter arm zu sein! Nun habe ich mich wieder langsam erholt, es wird besser! Schade ist nur, dass ich meinen Besitz immer noch nicht verkaufen konnte, vielleicht will ich zu viel, aber es wird schon klappen. Oder es bleibt für meine Erben. Na ja, ich schaue natürlich auch auf meinen „Abreißkalender" und der wird jetzt schon verdammt dünn! Liebe Lo..., Geld ist nicht alles und ist sicherlich nicht der Lebenssinn.
Nun, ich fühle mich wohl, den Krebs habe ich vermutlich besiegt, ich hoffe dass auch bei Dir, liebe LO..., keine dunklen Wolken der Ungewissheit zu sehen sind. Ich möchte Dir soviel erzählen und berichten, möchte Geschichten von Deinem Jungen hören. Weißt Du, das Leben ist mehr als die Ansammlung und das Anreihen von Alltäglichem. Es ist die Pflege des EIGENEN Lebens. Im letzten Drittel eines Lebens zehrt jeder Mensch vom Erlebten aus früheren Zeiten, er braucht ECHTE Freunde, denn sonst verkümmert er, nicht nur geistig.
Mach’ die Augen auf und erinnere Dich an die vielen Gespräche, die wir hatten. Erinnere Dich an Andalusien, an diese uralte, gefasste Schwefelquelle, in der schon römische Legionäre gebadet haben. Denke an diesen Baum, am Hang der Schlucht, mit der verwunschenen, seit Jahrhunderten vergessenen Römerstraße, in den Bergen von Málaga und Ronda. Der unsere Initialen, umrahmt von einem Herzen, trägt. Dieses Zeichen unserer ehrlichen Liebe, wird für uns in dieser Wildnis, um viele Jahrhunderte überleben. Vielleicht kannst Du das irgendwann einmal Deinem erwachsenen Sohn erzählen, dann wenn Du alt und verbraucht bist, dann, wenn die Erinnerungen aus dieser unbeschwerten Zeit wieder ganz in dein Gedächtnis zurückkommen. Vielleicht hast Du die Größe dazu, wer weiß?
Aber ich kenne Dich wohl besser als Du Dich selbst, wenn Du das jetzt gelesen hast, ach Gott, was Du da jetzt denkst! Sei sicher, ich habe keinerlei Hintergedanken. Im Bezug auf Dich hatte ich nie ein einziges schlechtes oder gar bösartig berechnendes Denken. Vielleicht hast Du das eher in Deiner Nähe um Dich, ohne es zu wissen! Niemals hätte ich von Deiner