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ATEMLOS GELEBT, geliebt, gekämpft, gesiegt: Gib nicht auf, auch nicht, wenn du besiegt wirst …" (Almafuerte)
ATEMLOS GELEBT, geliebt, gekämpft, gesiegt: Gib nicht auf, auch nicht, wenn du besiegt wirst …" (Almafuerte)
ATEMLOS GELEBT, geliebt, gekämpft, gesiegt: Gib nicht auf, auch nicht, wenn du besiegt wirst …" (Almafuerte)
eBook282 Seiten3 Stunden

ATEMLOS GELEBT, geliebt, gekämpft, gesiegt: Gib nicht auf, auch nicht, wenn du besiegt wirst …" (Almafuerte)

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Über dieses E-Book

"ATEMLOS GELEBT" ist die faszinierende Lebensgeschichte eines Teenagers, der gezwungen wird, sein Zuhause und den Schutz der Familie zu verlassen. Danach beginngt ein verzweifelter Kampf ums Überleben. Eine unglaubliche Achterbahnfahrt der Gefühle führt ihn vom Fünf-Sterne-Hotel zur billigen Absteige, von Argentinien über Rumänien, Bulgarien, Russland, Madrid und durch den Rest Europas, von Radio und TV bis auf die Bühnen der vielkritisierten "Kaffeefahrten" in Deutschland.
Und immer begleitet auch von der Sehnsucht im Herzen nach Liebe.

Um die Geschichte in diesem Buch zu verstehen, muss man sich von allen festgelegten Vorstellungen freimachen. Die Protagonistin ist eine rastlose Seele auf der Suche nach ihrem Lebensglück.
Nie habe ich jemanden getroffen, der eine so facettenreiche Persönlichkeit hat und bereit ist, das Leben in vollen Zügen zu genießen, wie diese Frau.
Steile Aufstiege und tiefste Abstürze kennzeichnen ihr außergewöhnliches Leben, Erfahrungen, die sich wie eine wilde Landschaft in ihre Seele gruben.
"ATEMLOS GELEBT, geliebt, gekämpft, gesiegt" erzählt von ihrem unglaublichen Talent, sich immer wieder neu zu erfinden, wenn ihre Welt zusammenbricht. Ich habe erlebt, dass sie wie ein Phönix aus ihrer eigenen Asche auferstand und allen Stürmen trotzte. Sie ist imstande, liebevoll mit anderen Menschen in Beziehung zu treten und dabei ganze Räume mit Wärme zu füllen. Oft verwandelte sie Dunkelheit in Licht.
Eine solche Geschichte wie die vorliegende, kann niemand erfinden.
Gustavo Gall
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum30. März 2022
ISBN9783347502765
ATEMLOS GELEBT, geliebt, gekämpft, gesiegt: Gib nicht auf, auch nicht, wenn du besiegt wirst …" (Almafuerte)

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    Buchvorschau

    ATEMLOS GELEBT, geliebt, gekämpft, gesiegt - Linda Morales

    Am 24. Juli 1949 erblickte ich in Buenos Aires das Licht der Welt. Was meine Mutter am Tag meiner Geburt in dieser großartigen Stadt gemacht hatte, wusste ich nicht, und ich fragte sie nie danach, und heute ist es leider zu spät, um das zu tun.

    Als ich 15 Tage alt war, wurde ich nach Córdoba gebracht. Zwar wusste ich das, doch erst heute, nach 71 Jahren, habe ich erfahren, dass es meine Großeltern waren, die auf Bitten meiner Mutter von Córdoba nach Buenos Aires reisten, um mich vor einer schrecklichen Epidemie zu „retten", die sich in der Hauptstadt Argentiniens ausbreitete und Tausende von Kindern gelähmt zurückließ.

    Ob meine Eltern einander liebten, weiß ich nicht. Falls es so war, verschwand die Liebe spätestens an dem Tag, als meine Mutter meinen Vater mit zwei Frauen und einem befreundeten Polizisten in ihrem Bett vorfand. Sie hielt mich in ihrem Arm. Völlig geschockt und wutentbrannt, dann ergriff sie voller Hass und Verzweiflung die Waffe des Polizisten, um meinen Vater zu erschießen.

    Gerade noch rechtzeitig setzte ihr Verstand wieder ein, und sie gab ihre gefährliche Absicht auf.

    Ihre Versuche nach dieser Geschichte, die Ehe noch zu retten, scheiterten. Danach landete ich dauerhaft bei meinen Großeltern und einer Tante, die mich fortan liebte wie eine Mutter. Ich war klein, hatte einen grazilen, zarten Körper und ein perfektes Gesicht. Romantisch und idealistisch veranlagt, war ich ein naives Kind mit einer beneidenswerten Energie – fanden die einen, doch manch anderen erschien mein überschäumendes Temperament einfach nur nervig. Talentiert war ich und mutig, denn ich liebte Fußball, Motorradfahren, Tanzen und vor allem das Singen.

    Ich war gerade 13 Jahre alt, als ich, ohne Wissen meines Großvaters, an einem Radiowettbewerb teilnahm und ihn gewann. Glücklich über den Erfolg war ich, doch gleichzeitig fühlte ich große Angst. Ich wusste ja nicht, wie mein Großvater reagieren würde, wenn er davon erfuhr. Viele Stunden quälte ich mich mit der Angst, aber dann beschloss ich, ihm mein Geheimnis doch anzuvertrauen.

    Schließlich musste ich ja seine Einwilligung haben, um die Auftritte in Radio und Fernsehen, die ich als Preis erhalten hatte, wahrnehmen zu dürfen.

    Als er von der Arbeit heimkam, rannte ich sogleich hinaus, um ihn zu empfangen. Ich drückte ihm einen Kuss auf die Wange, nahm ihn bei der Hand und führte ihn entschlossen zu einer weißen Steinbank, die in einer Ecke des Hofes und im Schatten eines Zitronenbaumes stand.

    „Was ist los, Chinita?, fragte er, und mit einem süßen Lächeln wiederholte er: „Was ist los mit dir?

    Da konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Atemlos gestand ich ihm, dass ich ohne seine Erlaubnis an einem Gesangswettbewerb teilgenommen und ihn gewonnen hatte.

    Mein Großvater hatte eine harte Schale, aber einen butterweichen Kern. Er war sensibel, was recht selten war unter den Männern seiner Zeit. Höflich und freundlich war er, hatte weißes Haar und sanfte braune Augen sowie ein tadelloses Benehmen.

    Einen Hauch von Enttäuschung bemerkte ich in seinem Blick. Aber ich kannte seine unkonventionelle, zärtliche und bedingungslos liebende Seite an ihm und wusste, dass er mich verstehen würde. Sofort stand er auf, holte aus seiner Hosentasche ein weißes, mit seinen Initialen besticktes Taschentuch und wischte mir sanft die Tränen meiner Reue von den Wangen.

    „Weine nicht, Chinita, sagte er und umarmte mich. „Ich werde nicht derjenige sein, der dir das Glück verweigert, den Erfolg zu genießen, den du erreicht hast, flüsterte er mir ins Ohr. „Wir werden mit deiner Großmutter sprechen, und wenn sie einverstanden ist, wirst du die Radio- und Fernsehauftritte in ihrer Begleitung machen können."

    Natürlich war meine Großmutter dazu bereit. Sie ließ beinah alles stehen und liegen, um mit mir durch Argentinien zu reisen und mich in die Welt des Showbusiness zu begleiten.

    Der 24. Juli rückte näher. Mein 15. Geburtstag.

    Aus dem Grund war meine Tante mit mir zu meiner Mutter gefahren, um sie zu bitten, mir die Geburtstagsfeier zu erlauben, die sie liebevoll organisiert hatte. Wie alle Mädchen in Lateinamerika wartete ich ungeduldig auf diesen wunderschönen Tag. Ich träumte von dem langen Kleid, das ich tragen würde, welches ich mit meiner Tante ausgesucht hatte, und von meinen langersehnten, ersten Stöckelschuhen. Ich erwartete schon mit klopfendem Herzen den Walzer, den ich mit meinem Großvater tanzen würde, und vor allem auch die mehrstöckige Torte, die wir gemeinsam feierlich anschneiden würden.

    Jahrelang träumen wir Mädchen davon, diese wunderschöne Tradition auszuleben, die den Moment symbolisiert, da wir aufhören, ein Mädchen zu sein und uns zur Frau zu verwandeln. Ich träumte in dieser Nacht, die schöne Prinzessin in einem Märchen zu sein.

    Aber ich durfte das alles nicht erleben. Für mich war der Traum ausgeträumt, noch bevor er begann, weil meine Mutter mich unangemessen bestrafte für eine Antwort, die ich ihr gegeben hatte. Es war ein Verhalten meinerseits, wie es für Teenager typisch ist, doch sie nahm es als Grund, meine Tante zu zwingen, meine Geburtstagsparty abzusagen. Wie gelähmt und mit ungläubigem Blick sah ich, wie sie meine traumhaften Stöckelschuhe und mein langes, rosa Seidenkleid gewaltsam in einen Karton steckte. Weder die Bitten ihrer Schwester noch meine Tränen änderten ihre Meinung.

    Am nächsten Tag wartete wie jeden Nachmittag, wenn ich von der Schule kam, meine Großmutter auf mich. Sie saß auf der Steinbank im Schatten des Zitronenbaums und hatte ihre Pflanzen bereits gegossen, was sie immer tat, wenn die Sonne unterging. Und obwohl ich diese Augenblicke an ihrer Seite liebte und den Geruch der gerade feuchten Erde immer wunderschön empfand, war es für mich ein schlimmer Tag. Ich war untröstlich über die grausame Entscheidung, die meine Mutter getroffen hatte.

    Meine Großmutter gab mir zur Begrüßung einen Kuss und holte, wie immer, den Kessel mit heißem Wasser und ihre weiße Spitzenserviette aus der Küche. Sie setzte sich neben mich und tröstete mich mit dem heißesten süßesten „Mates", die für mich immer die leckersten waren und sein werden.

    Meine Tante hatte die Party bereits abgesagt, und ich bin sicher, sie war genauso traurig wie ich. Während sie Radio hörte und dabei summte, um mich aufzumuntern, bürstete sie mir die Haare. Sie war fröhlich, groß und schlank, mit feinen, ausgeprägten Gesichtszügen. Zweifellos war sie das Gegenteil ihrer Schwester. Sie löste jeden Tag die Zöpfe, die meine Großmutter mir täglich voller Liebe für den Schulbesuch geflochten hatte. Sie waren so perfekt und fest, dass sie es sogar schaffte, meine Augen asiatisch aussehen zu lassen, wenn sie meine Haare beim Bürsten straff nach hinten zog.

    Trotz meiner tiefen Traurigkeit teilte ich mit meiner Großmutter schweigend die Frische des Nachmittages und bewunderte, wie so oft, ihre an den Wänden befestigten Tontöpfe, von denen jene roten Geranien herunterwuchsen, die den Raum ihres andalusischen Innenhofs verschönerten.

    Plötzlich hielt ein Taxi vor dem Haus. Nichts ließ mich ahnen, dass dies der Beginn einer schwindelerregenden Reise ins Unbekannte sein würde, und dass mein Leben zu einer faszinierenden und gefährlichen Achterbahnfahrt werden würden.

    Ich erkannte meine Mutter. Wir waren alle überrascht, sie zu sehen, denn es war ungewöhnlich, dass sie zu dieser Zeit ihre Kliniken verließ, um mich zu besuchen. Sie stieg aus dem Auto und ging mit festen Schritten zielstrebig zum Tor, das zum Innenhof führte. Sie trat ein, und grüßte nur kurz, bevor sie sagte: „Ich muss mit euch reden!"

    Mein Großvater, der das Auto ankommen hörte, kam aus dem Haus und war auch sehr überrascht, sie zu sehen.

    Sie stand direkt vor ihm, sah ihm in die Augen und sagte: „Ich habe eine Entscheidung getroffen, Papa. Ich werde alles verkaufen, was ich habe, und für immer nach Spanien gehen."

    Ihre Rede wirkte wie eine Bombe, die in der Stille, die über uns lag, platzte. Niemand war fähig, etwas zu sagen. Und sie fügte hinzu: „Ich werde nicht allein gehen. Ich nehme meine Tochter mit."

    Als ich solchen Unsinn hörte, reagierte ich wütend.

    „Ich will nirgendwo hin!", rief ich verzweifelt.

    Meine Mutter ignorierte, was ich sagte. Weder mein Großvater noch meine Tante konnten etwas sagen, um sie zu überreden, diese verrückte Idee aufzugeben, sie daran zu hindern, ihren Plan umzusetzen.

    Meine Großmutter klammerte sich an ihrem Mate-Gefäß fest, hielt tapfer ihre Tränen zurück und versuchte, meine Verzweiflung zu besänftigen. Sie zog mich nah zu sich heran und flüsterte: „Freu dich, Chinita. Und mit einem schwachen Lächeln, das sie Überwindung kostete, fuhr sie fort: „Du fliegst nach Spanien, in das Land, in dem meine Mutter geboren wurde. Ich würde alles dafür geben, Andalusien kennenzulernen, bevor ich sterbe.

    Mein Großvater hingegen konnte seine Traurigkeit nicht verbergen. Seine honigfarbenen Augen wurden plötzlich rot. Ich bedeutete ihm sehr viel; immer war ich seine „Chinita, wenn er mir unter dem schönen Zitronenbaum, der im Sommer Schatten spendete, einige seiner Liebesgedichte vorlas. Ich war auch „La Galleguita, wenn er mich schon als Kind dazu brachte, an diesen langen und ersehnten Sonntagnachmittagen zu Hause Flamenco zu singen und zu tanzen. Stets spürte ich, wie stolz er darauf war, dass ich seine Enkelin war. Die Entscheidung meiner Mutter tat ihm nun so weh, als würde man ihm einen Dolch in die Brust stoßen. Opa wusste genau, welchen Schaden die anstehende Trennung und unvermeidliche Entfernung anrichten würde.

    Nichts und niemand war imstande, meine Mutter umzustimmen, ihre Entscheidung zu ändern. Als der schreckliche Tag kam, verabschiedete ich mich von allen mit vielen Küssen, Umarmungen und Tränen. Besonders leid tat es mir für Patricia, die einzige Tochter meiner Tante, und Marcelita, mein Patenkind. Sie war ein wunderschönes Mädchen, das ich in meinen Armen hielt, als der Priester sie taufte. Ich wusste im Augenblick des Abschieds, dass die beiden Mädchen, weil sie noch so klein waren, vermutlich vergessen würden, dass es mich gab.

    Meine Mutter wartete im Taxi auf mich. Als ich mit einem Koffer und einer Tasche auf die Straße ging, hatte ich das Gefühl, einen Sack Zement auf dem Rücken zu tragen, so schwer fühlte es sich an. Nach dem Einsteigen drehte ich mich um und schaute über meine Schulter. Da sah ich zum letzten Mal auf das Haus, in dem meine Kindheit nun begraben war. Eine unsichtbare Schere schnitt mir mein Herz in tausend Stücke.

    Die harte Stimme meiner Mutter erschütterte mich, als sie sagte: „Zum Flughafen, bitte, zum Flughafen!"

    Wir erreichten Buenos Aires und warteten darauf, ins Flugzeug nach Madrid einzusteigen. Die Stunden vergingen, und mit ihnen brach mein Widerstand, die Reise anzutreten. Immer mehr erwachte in mir eine unerklärliche Neugierde auf dieses Abenteuer. Mir schien, als würde Argentinien allmählich verschwinden und sich die Tür zu einer neuen, hellen und lustigen Welt öffnen. Ich erinnerte mich an meine ersten Schritte als Sängerin, an die Auftritte in Begleitung meiner Großmutter und an das magische Gefühl, das ich stets empfand, sobald ich eine Bühne betrat.

    Die Idee meiner Mutter, nach Spanien zu reisen, erschien mir langsam nicht mehr so verrückt, und ich dachte, dass ich sogar eine künstlerische Karriere in Europa machen könnte … gerade jetzt, als meine Mutter mich über Nacht volljährig machte, indem sie meine Geburtsurkunde fälschen ließ, um mich ohne die Zustimmung meines Vaters außer Landes bringen zu können. Niemals hätten wir ihn ausfindig machen können, da er vor einer Ewigkeit fortgegangen war, um Zigaretten zu kaufen und nie wieder zurückkam.

    Es war das Jahr 1965, als wir in Madrid eintrafen, ohne zu wissen, dass es in Spanien keine Meinungsfreiheit gab, und dass sogar Bikinis verboten waren. Wir trafen mit den Beatles ein. Sie waren die berühmteste Gruppe der Welt, aber die Regierung von Franco versuchte bis zum letzten Moment, ihren Auftritt zu verhindern. Die Freiheit, die sie in ihren Liedern zum Ausdruck brachten, und ihre jugendliche, rebellische Art wurde als subversiv und trotzig angesehen. Für diese Gesellschaft waren die Beatles nichts weiter als ein Haufen rebellischer Jungen mit langen Haaren, tuntig und schrill. Es gab so viel Polizeipräsenz, dass nur wenige den Mut hatten, einer so kontroversen Veranstaltung beizuwohnen.

    Polizisten in Autos, auf Motorrädern und Pferden umringten die „Plaza de Toros de las Ventas" in Madrid, und so erreichte die Regierung, dass dieser Auftritt schließlich kein Erfolg wurde.

    Die politische Situation in Spanien war mir völlig unbekannt. Für Politik interessierte ich mich nie, und ich hatte absolut keine Ahnung, dass man allein dadurch, dass man etwas gegen die damalige Regierung äußerte, im Gefängnis landen konnte.

    Ich war geblendet von dem fantastischen Hotel, das meine Mutter für uns gebucht hatte. Es lag neben der Plaza de Cibeles im Herzen von Madrid, wo unsere Taschen in Karren transportiert wurden, die aussahen, als wären sie mit Gold überzogen. Meine Neugierde kannte keine Grenzen. Ich war beeindruckt vom geschäftigen Treiben an der Puerta del Sol und der großen Uhr im Turm des ältesten Gebäudes der Hauptstadt, wo sich noch heute mehr als 20.000 Menschen an jedem 31. Dezember versammeln, um die berühmten Silvestertrauben zu essen, die die meisten Spanier bei jedem Glockenschlag einzeln kauen.

    Unsere ersten Monate in Madrid hätten jeden begeistert. Meine Mutter war genauso erfreut wie ich. Noch nie hatte ich sie so gut gelaunt erlebt, und obwohl ich sie in ihrem Alltag nicht gut kannte, schien mir, dass von dem Stress, der sie anscheinend zum Reisen gezwungen hatte, nichts mehr vorhanden war. Sie kaufte alles, was sie sah und erlaubte auch mir, nach meiner Laune unnötige Sachen zu kaufen, die nur ein Kind erfreuen konnten, das wie ich, noch nie die Welt gesehen hatte.

    Woran sie nie gedacht hatte, war Rückflugtickets zu kaufen. Ohne dass sie es bemerkte, wurde das schließlich für uns unerreichbar.

    Meine Mutter hatte an der Universität von Córdoba ein Medizinstudium abgeschlossen und ihre Karriere in einer Zeit begonnen, in der die meisten Frauen nicht mal allein ausgehen durften und ihre Röcke so lang sein mussten, dass sie ihre Knie bedeckten. Andernfalls hätte man sie für Huren gehalten. Man erzählte mir, dass mein Vater ihren weißen Kittel im Schlamm wälzte, um sie am Studium zu hindern. Mit Hartnäckigkeit und Entschlossenheit beendete meine Mutter dennoch ihr Studium und begann, im Krankenhaus zu arbeiten, in dem mein Großvater Direktor war. Ich denke, die Erfahrungen in dieser reinen Männerwelt machten meine Mutter hart, entschlossen und kämpferisch.

    Das Festgehalt im Krankenhaus bot Sicherheit, doch das war ihr noch zu wenig. So gründete sie mit viel Mühe wie aus dem Nichts noch zwei Kliniken. Das gab ihr die Unabhängigkeit, von der sie träumte, mehr Vertrauen in sich selbst und vor allem Geld, das es ihr sogar erlaubte, ein Auto aus Deutschland zu fahren sowie einen Bungalow zu kaufen, der in einem malerischen Dorf am See von Carlos Paz lag.

    Aber nichts von alldem genügte ihr. Parallel zu ihren Kliniken stellte sie im Zentrum der Stadt einen Nachtclub auf die Beine, in dem sich die Nachtschwärmer, Musiker, Ärzte, Maler und Dichter trafen. Heute glaube ich, dass ihr Leben definitiv ein stressiges war, und gar nicht zu vereinbaren mit den Verpflichtungen, für die sie tagsüber in den weißen Kittel schlüpfen musste. Ich stelle mir vor, dass meine Mutter von diesem Leben voller Widersprüche, die sie lebte, überfordert war, und dass dies einer der Gründe sein könnte, warum sie ihr Leben Knall auf Fall änderte, eine Karriere aufgab, die sehr erfolgreich war. Aber ich habe sie nie gefragt, warum sie ihr Land verlassen hat, und sie hat es mir nie erzählt.

    Tatsächlich war sie für mich eine Fremde, und ich wusste nicht viel über sie. Aber meine Tante erzählte mir, dass meine Mutter es liebte zu lesen, klassische Musik zu hören und Gedichte zu schreiben, und dass sie als junge Frau in einem Akt von Rebellion gegen den sehr konservativen Geist ihrer Mutter davonlief, um einer Gruppe von Zigeunern zu folgen. Die brachten ihr sogar bei, in den Händen derer, die gut dafür zahlten, die Zukunft zu lesen.

    Sie gab meiner Tante immer genügend Geld, damit sie mit mir ins Kino und in den Zirkus gehen konnte, aber auch, um Kleider in den besten Boutiquen Córdobas zu kaufen.

    Ich selbst habe nur wenige Erinnerungen an meine Kindheit an ihrer Seite, aber ich werde nie vergessen, als ich eines Sommerabends, während ich bei geöffnetem Fenster tief schlief, von Stimmen und Gitarren geweckt wurde, mit einem Liebeslied, das im Hof des Hauses meiner Großeltern und in meiner Seele zu schweben schien. Ich öffnete meine Augen und sah sie an meinem Bett sitzen. Sie hatte mir eine Mariachis-Gruppe mitgebracht, die mich mit ihrer Musik sanft aus dem Schlaf holten. Ich war so bewegt von diesem Moment, dass ich lange Zeit die Liebe mit Gitarrenklängen, mit warmen Sommernächten und dem Geruch der feuchten Erde sowie dem Duft von Jasmin in Verbindung brachte.

    Wie das Leben meiner Mutter war, davon hatte ich keine Ahnung. Ich wusste nicht, wie viel Hass und Groll sie mit sich trug, wie viel Schaden ihr Mann ihr zugefügt hatte. Das Wenige, das ich wusste, hatte mir meine Tante erzählt. Sie hatte eigentlich schöne Erinnerungen an meinen Vater, obwohl böse Zungen versicherten, dass er ein Schürzenjäger war, völlig verantwortungslos, ein Macho, der sein Geld ausgab mit Freunden und bei Huren, zwischen Tangos und Trunkenheit. Ich weiß nicht genau, wann er aus unserem Leben verschwand. Als ich noch ein Kind war, habe ich selten von ihm gehört, und es hat mich nie interessiert zu erfahren, wo er war. Bis ich 30 Jahre später beschloss, nach ihm zu suchen. Aber davon erzähle ich dir später.

    Die ersten Monate in Madrid also genoss ich ein schönes Leben. Ohne Schule und Verpflichtungen. In meiner Mutter hatte ich so etwas wie eine Freundin gefunden: Wir gingen zusammen aus, spazierten die Gran Vía entlang, vergnügten uns stundenlang im noblen und eleganten Madrid. Nichts ließ mich vermuten, dass wir auf dem Weg zu einem tiefen Abgrund waren.

    Nach und nach begann ein unvermeidlicher wirtschaftlicher Abstieg. Einige Monate nach unserer Ankunft stellte ich fest, dass das Geld, das wir aus Argentinien mitgebracht hatten, zur Neige ging. Wir kamen nicht umhin, das fantastische Vier-Sterne-Hotel an der Plaza de Cibeles gegen eine heruntergekommene Pension an der Gran Vía zu tauschen. Das war ein armseliges, zerstörtes Haus in einer engen Straße in der Altstadt von Madrid, an dem der Putz an den Wänden nach Farbe schrie. Es war mal ein stattliches Herrenhaus, das nun jedoch – wie seine Besitzer – den Bach runterging. Sie bedienten die Rezeption, reinigten die Böden, kochten und servierten das Essen; meistens in einer Atmosphäre von unerträglichem Gestank nach altem, verbranntem Olivenöl.

    Durch einen Fotografen, den ich in der Pension kennenlernte, machte ich meine ersten Schritte, um in Spanien eine künstlerische Karriere zu starten. Ohne Kontakte und Erfahrung wurde die Idee schnell zu einem Albtraum. Die Besitzerin der Pension, die meinen Kampf ums Überleben schätzte, besorgte mir einen Job als Staubsaugervertreterin. Obwohl ich von früh bis spät von Haus zu Haus zog, um das „Ding" zu verkaufen, blieb der ersehnte Erfolg aus. Die Schulden in der Pension wurden hingegen immer größer.

    Trotz meiner 15 Jahre, ohne Lebenserfahrung und naiv, machte ich mir vor dem Einschlafen viele Gedanken darüber, wie wir aus der Misere herauskommen könnten, ohne nach Argentinien zurückzumüssen. Schon beim Aufwachen war es mein erster Gedanke.

    Meine Sorgen behielt ich meistens für mich, damit meine Mutter keine Pläne für eine Rückkehr schmiedete. Was ich allerdings nicht ahnte, war, dass es ihr gar nicht in den Sinn kam, nach Argentinien zurückzukehren. Mit der Zeit keimte in mir der Verdacht, dass es eine sehr verrückte Idee von meiner Mutter war, ein Grundstück in der Stadt, ein Landhaus und ein

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