Verlass uns nicht, geliebte Mutti!: Fürstenkinder 23 – Adelsroman
Von Hella Birken
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Über dieses E-Book
Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit.
Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann.
Liebster Papi, Mami weiß nichts von diesem Brief, und bitte erwähne ihn nie! Du weißt, sie kann sehr zornig werden, wenn man etwas heimlich tut. Wir wissen nicht genau, warum Du so plötzlich nach der Ravensburg gefahren bist, aber Nanni sagte uns im Vertrauen, daß der Baron von Speyer daran schuld ist. Du weißt, Papi, wir mögen den Baron gar nicht leiden. Die Mami aber anscheinend sehr, denn sie sind fast den ganzen Tag zusammen. Für uns hat die Mami überhaupt keine Zeit mehr. Papi, bitte, bitte, komm zurück! Wir vermissen Dich so sehr. Kann denn nicht wieder alles wie früher sein? Wenn Du nicht kommst, kommen wir zu Dir. Nanni ist in unseren Plan eingeweiht, sie würde mit uns kommen und auch für uns das Fahrgeld bezahlen. Schöner wäre es aber, Du kämst hierher. Sicherlich würde der Baron dann nicht mehr so oft kommen, und Du und Mami, Ihr könntet wieder glücklich sein. Mit einer müden Bewegung faltete Harald Graf von Ravensburg den Brief zusammen. Seine Kinder! Was sollte aus ihnen werden, wenn Tanja wirklich auf einer Scheidung bestand? Aber warum überhaupt eine Scheidung? Waren sie nicht immer glücklich gewesen in den vierzehn Jahren ihrer Ehe? Ja, er war es, aber Tanja offenbar nicht, und doch war er bis vor wenigen Wochen der Meinung gewesen, eine Idealehe zu führen. Verwandte und Freunde hatten Tanja und ihn immer um ihr anhaltendes Glück beneidet.
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Buchvorschau
Verlass uns nicht, geliebte Mutti! - Hella Birken
Fürstenkinder
– 23 –
Verlass uns nicht, geliebte Mutti!
Wir wollen endlich eine glückliche Familie sein!
Hella Birken
Liebster Papi, Mami weiß nichts von diesem Brief, und bitte erwähne ihn nie! Du weißt, sie kann sehr zornig werden, wenn man etwas heimlich tut.
Wir wissen nicht genau, warum Du so plötzlich nach der Ravensburg gefahren bist, aber Nanni sagte uns im Vertrauen, daß der Baron von Speyer daran schuld ist.
Du weißt, Papi, wir mögen den Baron gar nicht leiden. Die Mami aber anscheinend sehr, denn sie sind fast den ganzen Tag zusammen. Für uns hat die Mami überhaupt keine Zeit mehr.
Papi, bitte, bitte, komm zurück! Wir vermissen Dich so sehr. Kann denn nicht wieder alles wie früher sein?
Wenn Du nicht kommst, kommen wir zu Dir. Nanni ist in unseren Plan eingeweiht, sie würde mit uns kommen und auch für uns das Fahrgeld bezahlen.
Schöner wäre es aber, Du kämst hierher. Sicherlich würde der Baron dann nicht mehr so oft kommen, und Du und Mami, Ihr könntet wieder glücklich sein.
Viele Grüße und Küsse von Deinen Dich liebenden Kindern Erika und Jochen
Mit einer müden Bewegung faltete Harald Graf von Ravensburg den Brief zusammen.
Seine Kinder! Was sollte aus ihnen werden, wenn Tanja wirklich auf einer Scheidung bestand?
Aber warum überhaupt eine Scheidung? Waren sie nicht immer glücklich gewesen in den vierzehn Jahren ihrer Ehe? Ja, er war es, aber Tanja offenbar nicht, und doch war er bis vor wenigen Wochen der Meinung gewesen, eine Idealehe zu führen. Verwandte und Freunde hatten Tanja und ihn immer um ihr anhaltendes Glück beneidet.
Er hatte daher an einen bösen Scherz geglaubt, als Tanja ihm vor acht Wochen mitteilte, daß sie sich von ihm trennen wolle, daß ihre Liebe zu ihm schon lange erloschen sei.
Und dann hatte er nachgedacht, lange nachgedacht, und da war ihm plötzlich erschreckend klargeworden, daß Tanja sich wirklich schon seit mehr als einem Jahr gewandelt hatte. Es gab keine leidenschaftlichen Umarmungen mehr, und auch die kleinen Zärtlichkeiten beschränkten sich nur mehr auf die Kinder, aber auch das nur selten.
Tanja, die früher größere Geselligkeiten nur im beschränkten Maße liebte, verpaßte jetzt keinen Ball, keine Jagd und kein Picknick –, immer aber war der Baron von Speyer an ihrer Seite.
Otto von Speyer war ein gutaussehender, etwa fünfunddreißigjähriger Mann, der vor Jahren von seiner Frau, einer französischen Prinzessin, geschieden worden war.
Vor etwa zwei Jahren hatte der Baron die ›Villa Isolda‹ gekauft und war somit ein Nachbar der Ravensburg geworden. Otto von Speyer war ein Gesellschaftsmensch, intelligent und sympathisch, und so wurde er schnell ein gerngesehener Gast in der ›Villa Miranda‹, die Harald von Ravensburg von seiner Patentante geerbt hatte.
Der Graf, der seine Frau über alles liebte und der den Baron in seiner frohen, leichten Art schätzte, wäre nie auf die Idee gekommen, diesen beiden Menschen zu mißtrauen. So fand er anfangs auch nichts dabei, daß der Baron seine Frau begleitete, wenn er selbst durch geschäftliche Verpflichtungen davon abgehalten wurde. Ja, er selbst war es sogar gewesen, der den Baron bat, seine Frau auf ihrem geliebten Morgenritt zu begleiten, da er für mehrere Wochen nach Deutschland fahren mußte, es aber nicht sehr gern sah, wenn Tanja allein ausritt.
So kam es, daß man in der Gesellschaft schon lange über die Gräfin und den Baron flüsterte, ehe der Graf selbst auch nur die leiseste Idee hatte, daß seine Frau in Otto von Speyer mehr sah als nur einen Nachbarn und Freund.
In den letzten Monaten war ihm Tanja oft befremdlich erschienen, aber in seiner unveränderten Liebe zu dieser Frau fand er immer Entschuldigungen für ihr Handeln und suchte die Schuld bei sich.
Die Eröffnung, daß sie sich scheiden lassen wollte, kam daher wie ein Blitz aus heiterem Himmel für ihn, und noch immer konnte er nicht glauben, daß sie es auch wirklich ganz ernst meinte.
Auf der Ravensburg waren einige größere Reparaturen notwendig geworden, und so benutzte er dies als Vorwand, um sich für kurze Zeit von Tanja zu trennen. Er war fest davon überzeugt, daß Tanja nun, da sie Muße zum Nachdenken hatte, ihren Scheidungswunsch bereuen und zurückziehen würde. Schließlich kann man vierzehn Jahre Ehe doch nicht einfach so auswischen, so tun, als wären sie gar nicht gewesen…
Nun aber baten ihn die Kinder, zurückzukommen. Was sollte er nur tun?
In diesem Augenblick meldete ihm Jobst, sein Kammerdiener und Vertrauter, daß ihn sein älterer Bruder Hubert zu sprechen wünsche.
Wie schön! Hubert, den er sehr liebte, wußte sicherlich Rat. Mit ausgestreckten Händen ging er ihm entgegen und war betroffen, als er des Bruders ernstes Gesicht sah.
Graf Hubert fühlte sich nicht sehr wohl in seiner Haut, und es tat ihm weh, als er sah, wie das frohe Aufleuchten in Haralds Augen erlosch. Trotzdem kam er gleich auf den Zweck seines Besuches zu sprechen, und ohne Umschweife sagte er: »Wie ich höre, hat Tanja nun tatsächlich die Absicht, sich scheiden zu lassen. Das muß natürlich auf alle Fälle verhindert werden.
In der jahrhundertealten Geschichte unserer Familie hat es noch keine Scheidungen gegeben, und so soll es auch bleiben. Viele unserer Vorfahren haben nicht aus Liebe geheiratet, und trotzdem haben sie ihr Ehegelübde bis zum Tode gehalten.
Du und Tanja aber, ihr habt aus Liebe geheiratet – gegen den Willen der Familie, wie du wohl erinnerst –, und was immer auch geschehen sein mag, kann nicht so schlimm sein, daß man es nicht wieder einrenken könnte.
Man hat mich, als Oberhaupt der Familie, gebeten, dir das zu sagen. Harald, du mußt dich mit Tanja wieder versöhnen! Wir können uns einfach keinen Skandal leisten. Es geht doch nicht nur um euch beide, du mußt doch auch an die Familie und vor allen Dingen an deine Kinder denken.
Harald, du warst mir immer mein liebster Bruder. Glaube mir, es tut mir in der Seele weh, daß du Kummer hast, und ich wünschte, ich wüßte, wie ich dir helfen kann. Soll ich noch einmal mit Tanja sprechen?«
Resigniert meinte der Bruder: »Sehr lieb von dir, Hubert, aber das dürfte nicht viel Zweck haben.
Tanja ist seine sehr schöne, leidenschaftliche, aber wie ich jetzt feststellen mußte, auch sehr egoistische Frau. Sie tut das, was ihr Freude macht, und nichts weiter. Rücksicht auf Familientradition ist ihr unbekannt. Du weißt, ihre Familie ist reich, aber der Adel noch sehr jung. Man ist modern und großzügig. Ihre beiden Schwestern sind auch geschieden, und niemand nahm Anstoß daran, nicht einmal der uralte französische Adel.
Ich liebe Tanja nach wie vor. Der Gedanke, sie zu verlieren, ist mir unerträglich. Ein Leben ohne sie kann ich mir einfach nicht vorstellen…«
Seine Stimme brach. Mit zitternden Händen versuchte er, sich eine Zigarette anzustecken, aber es gelang ihm nicht.
Lange schwiegen die Brüder. Es gab nichts mehr zu sagen. Das weitere Schicksal des Grafen Harald und seiner beiden Kinder hing nur davon ab, wie sich die Gattin und Mutter entscheiden würde.
Frühjahrsstürme umtosten die trutzige Burg, die aus dem 11. Jahrhundert stammte und der weder Kriege noch Katastrophen bisher etwas anhaben konnten. Unheimlich heulte der Wind in den Kaminen und ließ die Flammen tanzen.
Als Harald seinen Bruder bis zum Wagen begleitete, setzte ein heftiger Regen-Hagel-Schauer ein, und der Diener Jobst, der ihnen mit einer Laterne den Weg leuchtete, fragte besorgt: »Graf Hubert, wollen Sie nicht lieber auf der Ravensburg bleiben? Der Sturm ist gefährlich und der Weg nach Schloß Berneck selbst bei gutem Wetter nicht gerade harmlos…«
»Unke nicht schon wieder, lieber Jobst«, sagte der Graf lachend, »du weißt doch, Unkraut vergeht nicht, und so ein bißchen Sturm ist halb so schlimm.«
Die Brüder reichten sich fest die Hände. Hubert wollte noch etwas sagen, etwas Tröstendes, aber Worte schienen so banal, und so schlug er seinem Bruder nur freundschaftlich-verstehend auf die Schulter, dann stieg er schnell ein, und schon Sekunden später sah man von dem großen Wagen nur noch die Schlußlichter hin und wieder in den Kurven auftauchen.
Graf Harald fühlte sich plötzlich unendlich verlassen. Die entfesselten Naturgewalten entsprachen so ganz dem Sturm, der in seinem Innern tobte.
Mit schleppenden Schritten, ein wenig gebeugt wie ein alter Mann, ging er in das Schloß zurück.
*
Es war wenige Tage später, als Amanda, die Frau des Kammerdieners Jobst, das kleine Wäschegeschäft der Sophie Hartmann betrat.
Sie und Sophie waren zusammen zur Schule gegangen, und obwohl Amanda, seit sie auf der Burg wohnte, allgemein keinen Umgang mehr mit ›den Bürgern da unten‹ pflegte, war ihre alte Freundschaft zu Sophie nie ganz abgebrochen. Nun ja, schließlich mußte man ja auch einen Menschen haben, mit dem man mal über alles sprechen konnte.
Der Jobst war schließlich nur ein Mann, und mit den anderen Angestellten der Burg konnte sie, da ihr Mann eine Vertrauensstellung bekleidete, unmöglich schwatzen.
So wartete Amanda also geduldig, bis die Kundin abgefertigt war, die Sophie gerade bediente. Kaum aber hatte diese den Laden verlassen, da sagte sie in ihrer etwas überschwenglichen Art: »Ach, Sophie, wenn du wüßtest, was wir für Sorgen haben!«
Sophie Hartmann, die sich immer wieder darüber amüsierte, daß die Freundin ständig von ›wir‹ sprach, wenn sie die Herrschaft meinte, sagte ruhig: »Na, denn komm man mit nach hinten. Ich hatte mir gerade einen Kaffee aufgesetzt, und den Laden kann ich auch schließen, es wird ja doch niemand mehr kommen.«
Das Wohnzimmer der Sophie Hartmann war klein, aber urgemütlich. Als die beiden Damen eintraten, erhob sich eine jugendliche Gestalt aus einem der zierlichen, etwas unbequemen Sessel und machte Anstalten, mit einem freundlich gemurmelten Gruß den Raum zu verlassen, aber da erkannte Amanda sie, und erstaunt meinte sie: »Ja, ist denn das möglich? Die Cary ist wieder mal in Deutschland…«
Cary Hartmann sah auf die vermummte Figur der Besucherin, und in