Wir tragen dich auf Händen: Fürstenkinder 16 – Adelsroman
Von Regine König
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Über dieses E-Book
Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit.
Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann.
»Hallo, he! Hab' ich dich endlich!« Janos Graf Hohenhorsts Stimme dröhnte über die Weite der Koppeln und Wiesen bis hin an den angrenzenden Wald. Seit über drei Wochen bemühte er sich nun schon, jenem seltsamen Dieb auf die Spur zu kommen, der ihm alltäglich seinen Rapphengst Türk, den er um die Mittagsstunde an der Fohlenweide anzukoppeln pflegte, wegritt, um ihn allerdings nach zwei Stunden wieder zurückzubringen. Ein Dieb im engeren Sinn war der bis jetzt unbekannte Reiter also nicht. Trotzdem handelte es sich um eine höchst unangebrachte und strafbare Handlung. Und jetzt, in diesem Augenblick, da der Mittag quälend heiß über dem weiten Land stand, hatte Graf Janos den Fremden zum ersten Male gesehen. Er jagte jetzt schon dem Wald zu. Der Mann sah nur einen sehr hellen wehenden Schopf und eine Gestalt, die so schmal sein mußte, daß sie sich kaum vom Pferderücken abhob. Und Türk läßt es sich gefallen! dachte Graf Janos. Türk reagiert sonst allein auf mich, ist übernervös, wenn ein Fremder ihm auch nur einen Schritt zu nahe kommt. Irgendwie imponierte ihm dieser Reiter, den er nicht kannte. Heute aber werde ich ihn stellen! Der Mann schwang sich auf den Rücken des bereitstehenden Astor. Astors Schnelligkeit war weltberühmt, ein Pferd, das mehrere Rennen gewonnen hatte. »Los, komm!« flüsterte Graf Janos dem Fuchshengst ins Ohr. Da flog das schöne Tier wie im Sturm dahin. »Hallo, he!«
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Fürstenkinder
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Wir tragen dich auf Händen - Regine König
Fürstenkinder
– 16 –
Wir tragen dich auf Händen
Kein Leid soll dich mehr treffen, kleine Mama
Regine König
»Hallo, he! Hab’ ich dich endlich!«
Janos Graf Hohenhorsts Stimme dröhnte über die Weite der Koppeln und Wiesen bis hin an den angrenzenden Wald.
Seit über drei Wochen bemühte er sich nun schon, jenem seltsamen Dieb auf die Spur zu kommen, der ihm alltäglich seinen Rapphengst Türk, den er um die Mittagsstunde an der Fohlenweide anzukoppeln pflegte, wegritt, um ihn allerdings nach zwei Stunden wieder zurückzubringen. Ein Dieb im engeren Sinn war der bis jetzt unbekannte Reiter also nicht. Trotzdem handelte es sich um eine höchst unangebrachte und strafbare Handlung.
Und jetzt, in diesem Augenblick, da der Mittag quälend heiß über dem weiten Land stand, hatte Graf Janos den Fremden zum ersten Male gesehen. Er jagte jetzt schon dem Wald zu. Der Mann sah nur einen sehr hellen wehenden Schopf und eine Gestalt, die so schmal sein mußte, daß sie sich kaum vom Pferderücken abhob.
Und Türk läßt es sich gefallen! dachte Graf Janos. Türk reagiert sonst allein auf mich, ist übernervös, wenn ein Fremder ihm auch nur einen Schritt zu nahe kommt.
Irgendwie imponierte ihm dieser Reiter, den er nicht kannte. Heute aber werde ich ihn stellen!
Der Mann schwang sich auf den Rücken des bereitstehenden Astor. Astors Schnelligkeit war weltberühmt, ein Pferd, das mehrere Rennen gewonnen hatte.
»Los, komm!« flüsterte Graf Janos dem Fuchshengst ins Ohr.
Da flog das schöne Tier wie im Sturm dahin.
»Hallo, he!« Der dahinjagende Mann strengte die Stimme erneut an.
»Türk!« Und dann ein Fluch: »Zum Teufel, heute entwischst du mir nicht!«
Im Wald war es trotz der seit Tagen herrschenden Hitze, die das Gras auf den Wiesen verdorren ließ, kühler als in der offenen Ebene. Nur aus dem Unterholz brodelte es schwül. Der Boden war moorig.
Nervös machte das Wetter! Graf Janos fuhr sich mit der Hand über die Stirn, die schweißglänzend war wie Astors Flanken.
Der Teufel soll dich holen, blondmähniger Pferdedieb! Aber ich schwöre dir, das geht dir nicht ungestraft dahin. Ich werde…
In diesem Augenblick tauchte auf dem breiten Hauptweg des Waldes, auf dem Graf Janos von Hohenhorst den unbekannten Reiter verfolgte, ein grellrotes Cabriolet auf. Ein Auto! Das hat noch gefehlt! durchfuhr es Graf Janos. Er kannte Türks Abneigung gegen Motorengeräusche. Es war der Grund, weshalb das schnellste Pferd des Gestütes Hohenhorst nicht bei Rennen eingesetzt wurde, sondern ausschließlicher Privatbesitz des jungen Grafen Hohenhorst geblieben war.
»Daß dich...« In Graf Janos’ Kehle blieb der Fluch stecken. Er sah, wie Türk sich aufbäumte, er sah einen wehenden Haarschopf plötzlich nicht mehr eins werden mit der nachtschwarzen Mähne des Rapphengstes. Staub wirbelte auf...
Wenige Sekunden später schon sprang der Mann von Astors Rücken. Zitternd, bebend mit den Nüstern schnappend, drängte sich der aufgeregte Türk gegen seines Herrn Schulter.
»Ruhig, ruhig, mein Alter!« Graf Janos, dem man nachsagte, daß er tagsüber nur auf der Weide und im Stall zu finden sei und nachts ausschließlich von seinen Pferden träume, beruhigte das aufgeregte Tier. Gleichzeitig fiel sein Blick auf den abgeworfenen Reiter. Ein Junge! Blondschopfig! Schmal! Ein Kind noch. Kaum älter als zwölf Jahre mochte er sein, der mit geschlossenen Augen auf dem Waldboden lag und jetzt langsam und mühsam die Augen öffnete.
»Na, wie ist dir denn der heutige Ritt bekommen?« fragte Graf Janos. Spott schwang in seiner Stimme.
»Ich... ich...« Der Junge stammelte noch halb betäubt, fuhr sich verwirrt über Stirn und Augen. Allmählich kehrte das Blut in sein vorher noch so blasses Gesicht zurück.
»Passiert ist mir nichts!« murmelte er dann trotzig, während er die großen blauen Augen zu dem Mann aufschlug. »Und wenn der blöde Benzinkasten nicht gekommen wäre, hätte ich...«
»Mein widerrechtliches Reiten auch heute wieder genossen!« vervollständigte der Mann den begonnenen Satz.
Er stützte jetzt den Jungen. »Bist du verletzt?«
Der Junge biß die Zähne zusammen. »Halten Sie mich für einen Schlappschwanz?« Er knurrte beinahe böse.
»Ich weiß noch nicht recht, wofür ich dich halten soll!« Der Mann betrachtete die schmale Gestalt, die sich jetzt von seiner schützenden Fürsorge befreite. »Es gibt da so mancherlei...«
Graf Janos’ dunkle Augen im schmalgeschnittenen bräunlichen Gesicht umfaßten die Kindergestalt. Mein Gott, wenn das meiner wäre! durchfuhr es den Mann. Für diesen Jungen würde ich mein Leben einsetzen, gleich, wer es ist. Aber in diesen kleinen Burschen muß man ja auf den ersten Blick vernarrt sein. Vor allem einer, der keinen besitzt!
Graf Janos fuhr sich über die Augen. Aber er konnte nicht das wegwischen, was sein Leben beschattete.
Da war die kurze Ehe mit der zauberhaften schönen Julika, einer Verwandten seiner früh verstorbenen ungarischen Mutter. Aber Julika erinnerte nur in ihrer äußeren Schönheit an die Mutter, die er schon bei der Geburt verloren hatte. Julika hatte wohl doch mehr die unermeßlich reichen Besitzungen der Grafen Hohenhorst geliebt. Der ersten kurzen Leidenschaft war eine Enttäuschung nach der anderen gefolgt. Plötzlich stand dem Mann dies alles vor Augen, während er den hellhaarigen kleinen Pferdedieb vor sich betrachtete.
So alt, nein, ein paar Jahre älter könnte meiner jetzt auch sein! Eine wehe Stelle in seinem Herzen zuckte.
Aber der, der so alt hätte sein können, lebte schon seit langem nicht mehr. Gräfin Julika, eine leidenschaftliche Autosportlerin, war mit dem damals kaum zweijährigen kleinen Manfred tödlich verunglückt. Leichtsinn, eigene Schuld? Sie konnte das Rasen selbst in den Kurven nicht lassen. So lautete das Urteil aller.
Es gab keinen Erben mehr für Hohenhorst.
Und es wird nie einen geben! hatte sich Graf Janos all die Jahre über dem Vater gegenüber versteift. Frauen sind alle gleich. Ich kenne sie.
Er fuhr manchmal in die Landeshauptstadt, kehrte nach kaum mehr als einer Woche stets wieder zurück.
Die Umwelt sprach von kurzfristigen Bindungen. Eine neue junge Gräfin Hohenhorst hatte es nicht mehr gegeben.
»Ein Kind von einer Frau, die bei einer Umarmung an die Hohenhorster Besitzungen denkt?« fragte er den Vater, der auf die Pflicht hinwies, für einen Erben auf Hohenhorst zu sorgen.
Nein!
»Keine Frau braucht dich wegen deiner Besitzungen zu heiraten!« erklärte der weißhaarige Graf Albert von Hohenhorst. »Du selbst hast als Mann ausreichend in die Waagschale zu werfen.«
»Vielleicht!« räumte Graf Janos ein, dessen Schläfen vorzeitig grau geworden waren in den letzten Jahren. »Aber ich will auch nicht geheiratet werden, weil ich gut aussehe, weil ich zu küssen verstehe. Frauen sind oberflächlich. Nicht eine von denen, die ich kenne, könnte ich mir als Mutter eines Erben vorstellen.«
Bei dieser Einstellung war der Mann geblieben.
Man konnte ihm Liaisons nachzählen, flüchtige Begegnungen. Nichts mehr.
Der Graf mit dem steinernen Herzen, nannte man ihn in den Gesellschaftskreisen, denen er angehörte. Oder – besitzt er überhaupt ein Herz, wenigstens für Menschen? fragte man sich. Für Pferde sagte man ihm allerdings ein Herz zu.
Graf Janos fühlte den Rapphengst Türk an seiner Schulter schnuppern. Aber seltsam – der Mann schob die weichen Nüstern zurück. Er sah nur den schmalen, blondhaarigen Burschen, der ihn seit drei Wochen überlistet hatte.
»Das hat mir noch keiner geboten!« erklärte er. Es klang beinahe wie eine Anerkennung.
In diesem Augenblick begann Türk wieder etwas unruhig zu werden. Graf Janos sah das kleine rote Cabriolet, das den Unfall verursacht hatte, auf dem Hauptweg wenden, auf die Unfallstelle zuhalten. Eine Frau stieg dann aus.
»Ist etwas geschehen?« erkundigte sich die elegant gekleidete Frau. »Aber ich fuhr...«
»Sie fuhren auf einem für Autos unerlaubten Weg!« erklärte Graf Janos barsch. »Der gesamte Wald, auch die Hauptallee ist für den motorisierten Verkehr gesperrt. Und nur Analphabeten...«
»Seien Sie nicht so ungalant!« bat die Frau. »Ich habe mich selber so entsetzlich erschrocken.«
»So?« Graf Janos kniff die Augen ein wenig zusammen, prüfte diese Erscheinung aus dem roten Cabriolet, kam dann zu der Überzeugung: »Sehr erschrocken sehen Sie nicht aus, Gnädigste!«
»Man muß sich beherrschen lernen!« erwiderte die Frau.
»Sollte man!« räumte der Mann ein.
»Und der Weg durch den Wald ist eben der nächste nach Schloß Seeburg!«
»Schloß Seeburg?« Der kleine Bursche mit der blonden Mähne zuckte zusammen. »Nach Schloß Seeburg wollen Sie?«
»Interessiert es dich?« Die Frau machte ein hochmütiges Gesicht. Graf Janos fand, daß dies Gesicht vielleicht klug war, vielen Lebenslagen gewachsen, aber für einen Mann wenig anziehend.
Für mich wenigstens ist es unsympathisch! korrigierte der Mann sein spontanes Urteil.
In seine Gedanken hinein erklärte jetzt der Blondschopf: »Na, Seeburg kenne ich schließlich. Ich bin doch von dorther.«
Ein wenig unsicher schaute der Junge von einem zum anderen. »Na ja, ich bin Sebastian von Seeburg. Ist ja nicht unbedingt nötig, daß Sie es wußten, Graf. Aber nachdem Sie mich geschnappt haben mit Türk...«
»Der kleine Seeburg!«
Graf Janos betrachtete das Kind intensiver. Seeburg war der Hohenhorst benachbarte Besitz. Er