Was Mathilde sagt...: Mami Bestseller 33 – Familienroman
Von Nina Nicolai
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Mami ist als Familienroman-Reihe erfolgreich wie keine andere! Seit über 40 Jahren ist Mami die erfolgreichste Mutter-Kind-Reihe auf dem deutschen Markt!
Constanze Hermann strich sich die blonden Locken aus der Stirn. Ihre Wangen waren vom schnellen Laufen gerötet. Vorsichtig schaute sie hinüber zu der großen Normaluhr, die im Vestibül des Hotels »Zum goldenen Anker« die Angestellten zur Pünktlichkeit mahnte. Zwei Minuten vor acht, sie hatte es wieder einmal geschafft. Aufatmend setzte sie sich an ihren Arbeitsplatz. Constanze war Empfangssekretärin in dem renommierten Hotel, obwohl sie gerade erst einundzwanzig Jahre alt war. Ihre guten Zeugnisse und Empfehlungen, die sie vorweisen konnte, hatten ihr diese begehrte Stellung verschafft. Vielleicht hatten auch ihre hübsche Erscheinung und ihr offenes, freundliches Wesen eine gewisse Rolle bei der Einstellung gespielt. Die Hoteleigentümerin, Dorothea Klinger, war nämlich der Meinung, daß die Rezeption immer von einer hübschen und gescheiten Person besetzt sein sollte. Der erste Eindruck, den die Gäste beim Betreten der Hotelhalle hatten, war so wichtig für das Ansehen des ganzen Hauses. Eckehard Braun, Hotelkaufmann und rechte Hand der Direktorin, schlenderte mit spitzbübischem Gesicht vorbei. »Na, Conni, konntest du mal wieder nicht aus den Federn kommen?« neckte er das junge Mädchen. »Ich war ja pünktlich«, gab sie zurück. »Punkt acht saß ich an meinem Schreibtisch, wie mein gestrenger Boß wohl bemerkt haben dürfte. Und im übrigen..., mein Arbeitstag hat schon vor drei Stunden begonnen.« Nachdenklich und mit verhaltener Zärtlichkeit betrachtete Eckehard Braun ihr Gesicht, über das jetzt ein Schatten gefallen war.
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Was Mathilde sagt... - Nina Nicolai
Mami Bestseller
– 33 –
Was Mathilde sagt...
Wenn die Mami richtig zuhören würde
Nina Nicolai
Constanze Hermann strich sich die blonden Locken aus der Stirn. Ihre Wangen waren vom schnellen Laufen gerötet. Vorsichtig schaute sie hinüber zu der großen Normaluhr, die im Vestibül des Hotels »Zum goldenen Anker« die Angestellten zur Pünktlichkeit mahnte. Zwei Minuten vor acht, sie hatte es wieder einmal geschafft. Aufatmend setzte sie sich an ihren Arbeitsplatz.
Constanze war Empfangssekretärin in dem renommierten Hotel, obwohl sie gerade erst einundzwanzig Jahre alt war. Ihre guten Zeugnisse und Empfehlungen, die sie vorweisen konnte, hatten ihr diese begehrte Stellung verschafft. Vielleicht hatten auch ihre hübsche Erscheinung und ihr offenes, freundliches Wesen eine gewisse Rolle bei der Einstellung gespielt. Die Hoteleigentümerin, Dorothea Klinger, war nämlich der Meinung, daß die Rezeption immer von einer hübschen und gescheiten Person besetzt sein sollte. Der erste Eindruck, den die Gäste beim Betreten der Hotelhalle hatten, war so wichtig für das Ansehen des ganzen Hauses.
Eckehard Braun, Hotelkaufmann und rechte Hand der Direktorin, schlenderte mit spitzbübischem Gesicht vorbei.
»Na, Conni, konntest du mal wieder nicht aus den Federn kommen?« neckte er das junge Mädchen.
»Ich war ja pünktlich«, gab sie zurück. »Punkt acht saß ich an meinem Schreibtisch, wie mein gestrenger Boß wohl bemerkt haben dürfte. Und im übrigen..., mein Arbeitstag hat schon vor drei Stunden begonnen.«
Nachdenklich und mit verhaltener Zärtlichkeit betrachtete Eckehard Braun ihr Gesicht, über das jetzt ein Schatten gefallen war.
»Die Tante?« fragte er. Er kannte Constanzes häusliche Situation und wußte, wie schwierig das Leben für Constanze manchmal war.
»Ja«, antwortete sie kurz. Eine steile Falte stand auf ihrer Stirn.
»Was gab es denn heute wieder?«
»Das übliche. Sie hält mich wohl für ihre Zofe, Hausdame, Gesellschafterin, Zugehfrau. Sie läßt mir Tag und Nacht keine Ruhe. Sobald ich das Haus betrete, hat sie irgendwelche Aufgaben für mich. Der Beruf ist die reinste Erholung für mich.«
»Du solltest ausziehen, Constanze. Du bist längst mündig. Finanziell
stehst du auf eigenen Füßen. Du wirst aufatmen, wenn du dich endlich von der Tante befreit hast.« Eckehard sprach nicht weiter, doch Constanze wußte, woran er dachte.
Die beiden jungen Leute waren befreundet, und beide wünschten sich, daß mehr aus dieser Freundschaft werden würde. Sie hatten sich vom ersten Tag an gemocht, seit Constanze ihre Arbeit im »Goldenen Anker« aufgenommen hatte. Im Laufe der Zeit war diese Beziehung immer enger und herzlicher geworden. Aber… sie trafen sich selten außerhalb der gemeinsamen Dienststunden, denn Connis Tante ließ der Nichte keine freie Zeit.
»Du hast ja recht, Eckehard«, sagte Constanze traurig. »Aber ich kann mich nicht bei ihr durchsetzen. Sobald ich nur ein Wort fallenlasse, daß ich mir eine Wohnung nehmen will, reagiert sie hysterisch. Sie bekommt Herzanfälle, wird rot vor Zorn und beschimpft mich. Ich sei undankbar, das ist noch das Mindeste, was sie mir an den Kopf wirft. Sicher muß ich ihr dankbar sein. Sie hat mich aufgenommen, als meine Eltern verunglückt waren. Nur…«
»Wenn du ihr je Dank geschuldet hast, dann hast du ihn längst abgetragen, Conni. Aber da kommt mir ein Gedanke.«
»Ja?« fragte Constanze. Ihre Stimme klang wenig begeistert. Sie kannte die Vorschläge des Freundes. Wie oft hatte er ihr schon vorgeschlagen, eine kleine Wohnung in der Nähe zu mieten. Er übersah dabei immer, daß jeder Umzug zugleich die Trennung von der Tante bedeuten wurde. Constanze fürchtete sich vor dem Kampf, den sie dann durchstehen mußte.
»Hier im Haus sind ein paar Zimmer unter dem Dach frei«, fuhr Eckehard unbeirrt fort, »sie sind spartanisch eingerichtet, denn sie stammen noch aus der Zeit, als die Mitarbeiter freies Logis im Hotel erwarteten. Heute wohnen fast alle außerhalb. Du kannst deiner Tante sagen, daß eine Kollegin erkrankt wäre und du daher Überstunden machen müßtest. Der Einfachheit halber würdest du für kurze Zeit ins Hotel übersiedeln. Der Absprung wäre geglückt, und hinterher kehrst du nicht zur Tante zurück. Na, wie findest du das?«
Constanze fand, daß dieser Vorschlag des Freundes besser war als alle früheren.
»Ich werde darüber nachdenken«, versprach sie. »Im Augenblick muß ich die Rechnungen schreiben. Mindestens zwanzig Gäste wollen spätestens um neun abreisen.«
Mit einem Lächeln verabschiedete sich Eckehard von der Freundin und suchte sein eigenes Büro auf.
Fast eine Stunde lang konzentrierte sich Constanze auf ihre Arbeit. Mit flinken Fingern tippte sie eine Rechnung nach der anderen. Es kam auch keine Störung, kein Telefonanruf, keine Unterbrechung durch Hotelgäste, die irgendeine Auskunft erbaten. Ein ruhiger Tag, dachte Constanze zufrieden. Die neuen Gäste wurden erst für den späten Nachmittag erwartet. Ein ruhiger Vormittag also?
Die Hotelsekretärin hatte es kaum gedacht, als ein Zimmermädchen in höchster Aufregung aus dem Lift stürzte.
»Fräulein Hermann!« stammelte es.
»Wo brennt es denn?« fragte Constanze, die ihre Hoffnung auf einen friedlichen, arbeitsamen Morgen dahinschwinden sah. Sie seufzte ein wenig. Warum gab es so viele unerwartete Ereignisse in einem Hotel?
»Da ist ein Kind, ein weinendes Kind in Zimmer 216.«
Constanze blickte flüchtig in ihr Gästebuch. »Ja, die Mutter traf gestern abend hier ein und wollte mit der kleinen Tochter drei Tage bleiben.«
»Aber da ist keine Mutter. Ich habe überall gesucht. Nur das schreiende Kind sitzt auf dem Bett.«
»Ich komme gleich mit Ihnen. Die Sache wird sich aufklären. Vielleicht schlief das Kind fest, und die Mutter wollte es nicht wecken. Die Mutter könnte im Frühstücksraum sein. Haben Sie dort schon nachfragen lassen?«
»Ich weiß nicht, wo ich noch suchen könnte. Bitte, Fräulein Hermann, übernehmen Sie die Suche. Ich werde sonst mit meinen Zimmern nicht fertig.«
»Haben Sie das Kind einmal selbst gefragt?«
»Es versteht kein Deutsch.«
Auch das noch! Ein ausländisches weinendes Kind, das seine Mutter verloren hatte. Constanze wurde nun doch nervös. Sie fand, daß die Sache weit über ihre Kompetenzen hinausging und benachrichtigte Eckehard. Dieser war alles andere als entzückt. Er sah Komplikationen für das Hotel voraus.
»Geh nur schon voraus in Zimmer 216, Conni. Ich mobilisiere inzwischen ein paar Kolleginnen, die das Hotel systematisch absuchen sollen. Vielleicht finden sie die Mutter ja doch noch. Ich muß auch Frau Klinger informieren. Wir sehen uns gleich, ja?«
Das Gebrüll des Kindes war schon von weitem zu hören. Constanze beschleunigte ihren Schritt. Als sie das Zimmer betrat, bot sich ihr ein herzzerreißender Anblick. Ein kleines Mädchen hockte in einem rosa Nachthemd auf dem Bett. Es blickte Constanze aus rotgeweinten Augen furchtsam an. Dann schluchzte es auf und stieß einen schrillen Schrei aus. Es folgten ein paar verzweifelte Worte.
»Where is my Mummy?«
Obwohl diese Worte im Schluchzen kaum zu verstehen waren, Constanze hatte sie doch gehört. Ein englisch sprechendes kleines Mädchen also. Sie atmete auf. Sie hatte oft mit Gästen aus England oder Amerika zu tun und beherrschte ihre Sprache sehr gut. Sie nahm das zitternde Kind in die Arme und strich ihm beruhigend über die dunklen Locken. Sie redete ihm gut zu, und wirklich, die Kleine ließ sich trösten. Sie schmiegte sich an die Fremde, die es doch offenbar gut mit ihr meinte. Sie zeigte Vertrauen, weil sie freundliche Worte in der eigenen Sprache vernahm.
»Ich bleibe bei dir, bis deine Mami wiederkommt«, versprach Constanze. »Wie heißt du eigentlich?«
»Jenny. Jenny Burchardt.«
»Wo wohnt ihr denn? Ich meine, dein Daddy, deine Mummy und du?«
»Ich weiß nicht genau. In Amerika.«
In diesem Augenblick betraten die Hotelbesitzerin und ihr Assistent Eckehard Braun das Zimmer. Sofort brach Jenny wieder in Tränen aus. Sie klammerte sich hilfesuchend an Constanzes Arm.
»Sie sollen mich nicht holen. Ich will bei dir bleiben, bis meine Mami wiederkommt.«
»Niemand will dich holen, kleine Jenny«, tröstete Constanze das weinende Kind. »Sie alle wollen dir helfen, deine Mutter wiederzufinden.«
»Aber warum ist sie denn fortgegangen?«
»Das wissen wir nicht, Kleines. Danach fragst du sie selber, wenn sie erst wieder da ist.«
Mit wenigen Worten klärte Constanze die Hotelbesitzerin auf. Eckehard bestätigte, daß die Suche nach der Mutter im ganzen Haus vergeblich geblieben war.
»Die Suche muß so diskret wie möglich durchgeführt werden«, sagte Frau Klinger. »Man kann schließlich sogar ein Verbrechen nicht ausschließen. Die Folgen für unser Hotel wären nicht auszudenken.«
»Und was wird mit dem Kind?« fragte Constanze.
Als ahnte Jenny, daß von ihr die Rede war, fing sie in diesem Augenblick wieder laut zu brüllen an. Kopfschüttelnd ordnete Frau Klinger an, daß sich Constanze ausschließlich um das Kind kümmern solle.
»Und meine Arbeit?« fragte das junge Mädchen.
»Ich übernehme die Rezeption«, erklärte sich Eckehard bereit.
»Ich werde die Polizei informieren. Damit uns niemand ein Versäumnis vorwerfen kann«, meinte die Hotelbesitzerin.
Und so kam es, daß Constanze an diesem Vormittag eine ganz ungewohnte Tätigkeit ausübte. Sie spielte mit einem Kind, das sie niemals zuvor gesehen hatte, das ihr ganz fremd war.
*
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