Liebeswahn: Der Bergpfarrer 220 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Über dieses E-Book
Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
Auf dem Bergmoserhof herrschte seit Tagen ein reges Treiben. Kathi, die Bäuerin, und Burgl, die alte Magd, hatten alle Hände voll zu tun, um neben der üblichen Arbeit, die auf einem Bauernhof anfällt, auch das große Ereignis vorzubereiten, das am Wochenende stattfinden sollte. Zehnjähriger Hochzeitstag! Es sollte eine Rosenhochzeit geben, wie sie im ganzen Wachnertal noch nicht gefeiert worden war! Inzwischen waren die Vorbereitungen abgeschlossen, der große Tag gekommen. In der Speisekammer standen die gebackenen Kuchen und Torten bereit, die Suppe war gekocht, und Wolfgang Bergmoser hatte die große Scheune ausgeräumt und mit Hilfe des Nachbarn für die Feier hergerichtet. Bäuerin und Magd legten letzte Hand an die Braten und Beilagen, die Brauerei hatte nicht nur die Bierfässer geliefert, sondern auch Tresen, Gläser und Zapfanlage, und hilfreiche Hände packten überall mit an, um dem Ganzen den letzten Schliff zu geben. Wolfgang suchte nervös nach seiner Frau. Es war wirklich allerhöchste Zeit, schließlich konnten sie den Pfarrer nicht warten lassen. Der Bauer schaute in die Küche, aber dort war Kathi nicht, ebenso wenig wie in der Wohnstube oder im Schlafzimmer. »Herr im Himmel, wo steckt sie denn?«, rief der Bauer, jetzt in der Scheune nachsehend, ungeduldig. Burgl, die gerade dabei war, noch einmal die Gläser und Bestecke auf Sauberkeit und Glanz zu überprüfen, was sie allerdings bereits zum zweiten Mal in diesem Morgen tat, schmunzelte. »Bist ja grad so nervös wie vor zehn Jahren«, meinte die Magd. »Man könnt denken, du heiratest heut' das erste Mal und hättest Angst, die Kathi könnt' dir das Jawort verweigern.« »Unsinn«, brummte Wolfgang. »Aber wenn wir net bald losfahren, kommen wir zu spät. Was soll denn Hochwürden von uns denken!«
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Buchvorschau
Liebeswahn - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 220–
Liebeswahn
Das Drama an der Bergmoserhütte
Toni Waidacher
Auf dem Bergmoserhof herrschte seit Tagen ein reges Treiben. Kathi, die Bäuerin, und Burgl, die alte Magd, hatten alle Hände voll zu tun, um neben der üblichen Arbeit, die auf einem Bauernhof anfällt, auch das große Ereignis vorzubereiten, das am Wochenende stattfinden sollte.
Zehnjähriger Hochzeitstag! Es sollte eine Rosenhochzeit geben, wie sie im ganzen Wachnertal noch nicht gefeiert worden war!
Inzwischen waren die Vorbereitungen abgeschlossen, der große Tag gekommen. In der Speisekammer standen die gebackenen Kuchen und Torten bereit, die Suppe war gekocht, und Wolfgang Bergmoser hatte die große Scheune ausgeräumt und mit Hilfe des Nachbarn für die Feier hergerichtet. Bäuerin und Magd legten letzte Hand an die Braten und Beilagen, die Brauerei hatte nicht nur die Bierfässer geliefert, sondern auch Tresen, Gläser und Zapfanlage, und hilfreiche Hände packten überall mit an, um dem Ganzen den letzten Schliff zu geben.
Wolfgang suchte nervös nach seiner Frau. Es war wirklich allerhöchste Zeit, schließlich konnten sie den Pfarrer nicht warten lassen. Der Bauer schaute in die Küche, aber dort war Kathi nicht, ebenso wenig wie in der Wohnstube oder im Schlafzimmer.
»Herr im Himmel, wo steckt sie denn?«, rief der Bauer, jetzt in der Scheune nachsehend, ungeduldig.
Burgl, die gerade dabei war, noch einmal die Gläser und Bestecke auf Sauberkeit und Glanz zu überprüfen, was sie allerdings bereits zum zweiten Mal in diesem Morgen tat, schmunzelte.
»Bist ja grad so nervös wie vor zehn Jahren«, meinte die Magd. »Man könnt denken, du heiratest heut’ das erste Mal und hättest Angst, die Kathi könnt’ dir das Jawort verweigern.«
»Unsinn«, brummte Wolfgang. »Aber wenn wir net bald losfahren, kommen wir zu spät. Was soll denn Hochwürden von uns denken!«
Endlich kam seine Frau in die Scheune, den kleinen Thomas, neun Jahre alt und ihr beider Sohn, an der Hand. Der Bauer sah sie verliebt an. Kathrin Bergmoser war noch genauso schön wie damals, als sie vor den Traualtar getreten waren. Und sie trug dasselbe Kleid von damals; es saß wie angegossen.
»Du schaust wunderschön aus!«, sagte Wolfgang mit belegter Stimme und gab ihr einen Kuss.
Dann nahm er einen Blumenstrauß, den er zuvor abgelegt hatte, und überreichte ihn der ›Rosenbraut‹. Der Strauß entsprach exakt dem, den Kathi auch seinerzeit zur Hochzeit bekommen hatte. Sie roch daran und lächelte ihren Mann an.
»Können wir?«
Kathi nickte.
Draußen wartete bereits Alois Brunner, Freund und Nachbar, der das Paar in seinem mit Rosen geschmückten Auto ins Dorf fuhr. Thomas saß stolz vorne, neben dem Fahrer.
Während auf dem Hof Burgl darüber wachte, dass nichts mehr schiefgehen konnte, wollten Kathi und Wolfgang sich Pfarrer Trenkers Segen für diesen besonderen Tag holen.
Vor der Kirche warteten auch die Gäste auf das Paar. Sebastian begrüßte die Gesellschaft und hielt einen Gottesdienst ab. Danach fuhren alle gemeinsam zum Bergmoserhof.
Der gute Hirte von St. Johann war ebenso eingeladen, wie seine Haushälterin, sein Bruder Max und Familie, sowie Elena und Toni Wiesinger mit ihrer kleinen Tochter Antonia.
Alles in allem waren es knapp hundert geladene Gäste, die es sich bei Essen und Trinken, Musik und Gaudi gut gehen ließen. Die Stimmung hätte besser nicht sein können, bis am späten Abend ein weiterer Gast auftauchte, mit dem niemand gerechnet hatte …
Wolfgang hatte einen befreundeten Discjockey damit beauftragt, dafür zu sorgen, dass niemand auf seinem Stuhl sitzen blieb, und Sepp Rödinger tat sein Bestes. Ob Jung oder Alt – als der Bursche sein Programm abspielte, waren alle auf der Tanzfläche zu finden.
»So, Leute, jetzt macht mal ein bissel Platz«, rief Sepp, als die Stimmung ihren Höhepunkt erreicht hatte. »Wie schon vor zehn Jahren, so soll die Kathi auch heut’ ihren Brautstrauß opfern. Ich bin schon gespannt, welches Madel ihn fangen wird.«
Die Gäste bildeten einen Kreis um das Jubelpaar. Jemand verband Kathi die Augen und drehte die Bäuerin einige Male um die eigene Achse.
»Ein, zwei drei!«, rief Sepp.
Kathi warf den Strauß im hohen Bogen über ihren Kopf. Alle Augen richteten sich darauf, Hände fuhren hoch, um ihn zu fangen.
Der Strauß war in Richtung Scheunentor geflogen. Hinter den Gästen reckte sich eine Hand in die Höhe und griff nach den Blumen. Laute Ahs und Ohs ertönten, und alle drehten sich nach dem Fänger um.
Das Staunen der Gäste vergrößerte sich noch, als sie den Mann endlich erkannten, der dort stand, den Blumenstrauß an seine Brust gepresst, ein sonderbares Lächeln auf den Lippen.
»Seid gegrüßt, alle miteinand’«, rief Andreas Bergmoser.
Niemand erwiderte den Gruß. Kathi riss sich überrascht die Binde von den Augen und starrte ihren Schwager an, während Wolfgang wie erstarrt seinen Bruder anblickte, der sich nun langsam einen Weg durch die Gäste bahnte.
»Grüß euch«, wiederholte er, als er vor ihnen stand, diesmal mit einigem Nachdruck. »Oder bin ich’s net wert, dass man meinen Gruß erwidert?«
Kathi erholte sich zuerst von der Überraschung.
»Doch, freilich«, nickte sie hastig. »Grüß dich, Andreas. Schön, dass du da bist …«
Ihr Mann schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab und trat einen Schritt vor. Brust an Brust standen sich die Brüder gegenüber. Die Atmosphäre war geladen, die Luft zwischen ihnen
schien zu knistern, Thomas drängte sich ängstlich an die Mutter. Instinktiv erahnte der Bub die Gefährlichkeit der Situation.
»Was willst du hier?«, fragte der Bauer.
Andreas lächelte maliziös. Er war genauso groß wie sein Bruder, schlank von Gestalt, mit einem markant geschnittenen Gesicht. Man hätte die beiden durchaus für Zwillinge halten können, doch war Andreas ein Jahr älter als Wolfgang.
»Was ich will?«, fragte er zurück und hob den Kopf, um den Bruder von oben herab anzusehen, was beinahe arrogant wirkte. »Was für eine Frag’! Hab’ ich net das Recht, mein Elternhaus zu betreten?«
Wolfgang Bergmoser schürzte die Lippen.
»Zehn Jahre lang hat’s dich net geschert«, sagte er, »und ausgerechnet heut’ zieht’s dich heim? Das ich net lache!«
Kathi nahm seine Hand.
»Keinen Streit«, bat sie leise. »Net heut’, an unsrem Tag!«
Ihr Mann erwiderte den Händedruck.
»Keine Sorge«, antwortete er. »Er soll nur sagen, was er will und dann wieder dahin verschwinden, woher er gekommen ist.«
Andreas verzog das Gesicht zu einer finsteren Grimasse und ballte die rechte Hand zur Faust, während die Linke immer noch den Blumenstrauß hielt.
»Du jagst mich net fort!«, brüllte er aufgebracht. »Du net!«
*
Sebastian Trenker hatte, wie alle anderen, erst einmal erstaunt auf Andreas Bergmoser gesehen. In Sekunden liefen die Ereignisse von damals wie ein Film vor ihm ab.
Woran der Streit zwischen den Brüdern entbrannt war, wusste niemand genau, und auch später blieb der Grund für das Zerwürfnis immer unter dem Mantel der Verschwiegenheit verborgen. Bis zu jenem Tag hatte augenscheinlich stets bestes Einvernehmen zwischen Andreas und Wolfgang geherrscht. Dann verließ der Ältere von heute auf morgen sein Elternhaus, und niemand hörte wieder etwas von ihm, bis eines Tages der Brief eines Notars auf den Bergmoserhof kam. Darin teilte man Wolfgang mit, dass sein älterer Bruder auf sein ihm zustehendes Erbrecht verzichte und ihm stattdessen die Abfindung ausgezahlt werden solle, die im umgekehrten Fall sonst Wolfgang zugestanden hätte.
Der junge Bauer suchte seinerzeit Rat bei Pfarrer Trenker, und der Geistliche setzte sich mit dem Notar, der in München ansässig war, in Verbindung. Tatsächlich war alles so, wie es in dem Schreiben stand. Indes verweigerte