Des Schloßbauers Vefele
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Über dieses E-Book
Berthold Auerbach
Berthold Auerbach, eigentlich Moses Baruch Auerbacher, (geboren am 28. Februar 1812 in Nordstetten (heute Ortsteil von Horb); gestorben am 8. Februar 1882 in Cannes) war ein deutscher Schriftsteller. (Wikipedia)
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Buchvorschau
Des Schloßbauers Vefele - Berthold Auerbach
1.
Wenige werden erraten, wie der obenstehende Name eigentlich im Kalender heißt, und doch ist er allgemein bekannt und erinnert das Schicksal deren, die ihn trug, leider nur zu sehr an das ihrer Patronin Genovefa.
Das vornehmste Haus des ganzen Dorfes, das eine so breite Fronte nach der Straße zu macht, daß alle Handwerksburschen, die durch das Dorf wandern, hineingehen und um einen Zehrpfennig bitten, das gehörte einst dem Vater des Vefele; die beiden rechts und links stehenden Häuser, das waren seine Scheunen. Der Vater ist tot, die Mutter ist tot, die Kinder sind tot. In dem großen Hause ist eine Leinweberei. Die Scheunen sind zu Häusern verbaut, und das Vefele ist spurlos verschwunden.
Nur das eine steht noch fest, und wird es wohl immer bleiben, im ganzen Dorfe heißt das große Haus noch immer »des Schloßbauern Haus«; denn der alte Zahn, der Vater Vefeles, wurde der Schloßbauer genannt. Er war nicht aus dem Dorfe gebürtig, sondern aus dem zwei Stunden entfernten Baisingen herübergezogen. Baisingen gehört zu dem kornreichen sogenannten »Strohgäu«, und die Baisinger werden spottweise »die Strohgänger« genannt, weil im ganzen Dorfe fast alle Gassen mit Stroh bestreut sind. Dies dient sowohl dazu, um der Mühe der Straßenreinigung überhoben zu sein, als auch, um auf diese Weise mit dem zertretenen Stroh neuen Dünger zu gewinnen; denn die Baisinger haben so viele Äcker, daß sie dessen nicht genug habhaft werden können. Dreißig Jahre wohnte der Schloßbauer im Dorfe, aber so oft er einen Streit hatte, wurde er der Baisinger Strohgänger und seine Frau die krumme Baisingerin geschimpft. Die Frau Zahn war aber keineswegs krumm, sie war noch in ihrem Alter eine schöne, schlanke Frau mit grader Haltung; nur war ihr linker Fuß etwas zu kurz, und daher kam's, daß sie beim Gehen hinkte. Dieser Körperfehler war aber auch mit die Ursache ihres ungewöhnlichen Reichtums. Ihr Vater, Staufer mit Namen, sagte einmal öffentlich im Wirtshause, daß der kurze Fuß seiner Tochter nichts schade, er stelle als Heiratsgut ein gestrichenes Simri Kronentaler darunter und da wolle er sehen, ob das nicht grade mache.
Der alte Staufer hielt Wort, und als der Zahn dessen Tochter heiratete, ließ er ihn ein Simri mit Kronentaler füllen und so viel hineintun, als hineinging; drauf strich er mit dem Streichbengel darüber und sagte: »So, was drin ist, ist dein!« Seine Tochter mußte zum Spaß ihren linken Fuß darauf stellen, und das mit dem Gelde gefüllte Kornmaß prangte als schöne Schüssel auf dem Hochzeitstische.
Der Zahn kaufte sich bald darauf mit dem Gelde das Gräflich-Schleitheimische Schloßgut, baute das schöne große Haus, und darum hieß er der Schloßbauer. Von neun Kindern, die ihm geboren wurden, blieben fünf am Leben, drei Söhne und zwei Töchter. Das jüngste Kind war Vefele. Es war so schön und zart gebaut, daß man es, halb spöttisch, halb anerkennend, das »Fräle« hieß. Halb aus Mitleid, halb aus Schadenfreude bemerkte fast jeder, wenn von ihm die Rede war, es sei eben doch eine »Gezeichnete«, denn