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Das Haus Zamis 56 - Der Teufel in mir
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Das Haus Zamis 56 - Der Teufel in mir
eBook233 Seiten3 Stunden

Das Haus Zamis 56 - Der Teufel in mir

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Über dieses E-Book

Auch nach dem Ende Baalthasar Zebubs herrscht weiterhin Unruhe in Wien. Asmodi, der Fürst der Finsternis, ist darüber nicht sehr erbaut. Zusammen mit dem neuen Schiedsrichter, Hieronymus Toth, schmiedet er einen finsteren Plan, um Michael Zamis endlich zu entmachten. Und auch das Café Zamis ist ihm ein Dorn im Auge.

Der 56. Band von "Das Haus Zamis".

"Okkultismus, Historie und B-Movie-Charme - ›Dorian Hunter‹ und sein Spin-Off ›Das Haus Zamis‹ vermischen all das so schamlos ambitioniert wie kein anderer Vertreter deutschsprachiger pulp fiction." Kai Meyer

enthält die Romane:
127: "Des Teufels Exorzist"
128: "Der Teufel in mir"
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum7. Dez. 2018
ISBN9783955722562
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    Buchvorschau

    Das Haus Zamis 56 - Der Teufel in mir - Michael Marcus Thurner

    Fußnoten

    Was bisher geschah:

    Die junge Hexe Coco Zamis ist das weiße Schaf ihrer Familie. Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht sie den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Auf einem Sabbat soll Coco endlich zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an. Doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut – umso mehr, da Cocos Vater Michael Zamis ohnehin mehr oder minder unverhohlen Ansprüche auf den Thron der Schwarzen Familie erhebt.

    Nach jahrelangen Scharmützeln scheint endlich wieder Ruhe einzukehren: Michael Zamis und seine Familie festigen ihre Stellung als stärkste Familie in Wien, und auch Asmodi findet sich mit den Gegebenheiten ab. Coco Zamis indes hat sich von ihrer Familie offiziell emanzipiert. Das geheimnisvolle »Café Zamis«, dessen wahrer Ursprung in der Vergangenheit begründet liegt und innerhalb dessen Mauern allein Cocos Magie wirkt, ist zu einem neutralen Ort innerhalb Wiens geworden. Menschen wie Dämonen treffen sich dort – und manchmal auch Kreaturen, die alles andere als erwünscht sind.

    Michael Zamis, seine Frau Thekla und Coco reisen nach Rumänien. Dort, auf der Temeschburg, findet die Testamentseröffnung der Fürstin Bredica statt, einer Großtante Michaels. Hier trifft er seine ehemalige Geliebte Florentina wieder – und seine uneheliche Tochter Juna, die er bisher verschwiegen hat. Juna hat eine grausame Vergangenheit hinter sich – die sie auf der Temeschburg einzuholen droht.

    Das in Aussicht gestellte Erbe der Fürstin erweist sich als Lockvogel, damit diese ihre Jugend wiedererlangen kann. Michael, Thekla und Coco Zamis sowie Juna und auch Skarabäus Toth entkommen der tödlichen Intrige nur knapp. Der Rückweg nach Wien führt durch den sagenumwobenen, dämonenverseuchten Hoia-Baciu-Wald. Dort werden sie von einem unsichtbaren Gegner attackiert. Jeder Einzelne muss fortan um sein Leben kämpfen: Coco Zamis gelangt in ein Dorf, das von der Außenwelt abgeschnitten scheint. Bei dem verzweifelten Versuch, daraus zu fliehen, wird sie von Schwärmen von Fliegen attackiert. Ihr Vater, Michael Zamis, hat unterdessen in demselben Dorf eine Unterredung mit einem Dämon namens Beelzebub, der über die Ansiedlung herrscht. Der Dämon versucht Michael dazu zu gewinnen, mit ihm gegen Asmodi vorzugehen, doch Michael lehnt ab …

    Unterdessen wird klar, dass Skarabäus Toth, der Schiedsrichter der Schwarzen Familie, einmal mehr ein doppeltes Spiel betreibt: Er bereitet für Beelzebub dessen Herrschaft in Wien vor.

    Die verbliebenen Zamis-Sprösslinge Adalmar, Lydia und vor allem Georg, der das Erbe seines für tot erklärten Vaters Michael anzutreten anstrebt, halten dagegen.

    Georg hat jedoch keinen leichten Stand. Er wird von den Wiener Dämonen nicht akzeptiert. Da tauchen Coco und ihre Eltern unverhofft wieder auf. Michael Zamis nimmt das Zepter wieder in die Hand, und es gelingt der vereinten Familie, Baalthasar Zebub zu schlagen …

    Erstes Buch: Des Teufels Exorzist

    Des Teufels Exorzist

    von Michael Marcus Thurner

    nach einem Exposé von Uwe Voehl

    1.

    Die Zeitung lag nicht auf dem Tisch. Sie lag nicht bereit.

    Aber sie hatte hier zu sein, wenn er sein Abendessen einnahm.

    »Magda!«, rief er, »wo ist die Rundschau?«

    »Dort, wo sie immer ist, Friedrich«, erklang die fröhliche Stimme seiner Frau aus der Küche.

    »Ist sie nicht!«, sagte er laut, weniger verärgert denn verwundert. Seitdem sie verheiratet waren, seit einundzwanzig glückselig machenden Jahren, hatte Magda erst zweimal Zeitungsverfehlungen begangen. Sie wusste ganz genau, dass ihm Routinen heilig waren. Dass ein derartiger Fauxpas schlecht für seine Laune war, und wenn seine Laune schlecht war, wirkte sich das auf die Harmonie ihres Ehelebens aus.

    Friedrich hörte ein Klappern in der Küche. Es war das Backofenblech. Seine Frau nahm eben das Fleisch aus der Backröhre und stellte es auf dem Carrara-Marmor der Küchentischplatte ab. Viel zu laut, viel zu ungeschickt.

    Er seufzte. Manche Dinge würden sich nie ändern.

    Magda kam mit kurzen, trippeligen Schritten ins Wohnzimmer. Sie wischte sich die Hände an der Küchenschürze ab und wollte auf den Platz vor ihm deuten, stoppte in der Bewegung aber abrupt ab.

    Ihr Gesicht wurde bleich. Gut so. Sie verstand, dass sie einen schwerwiegenden Fehler begangen hatte.

    »Das … das verstehe ich nicht!«, sagte sie. »Verzeih mir, Fritz. Ich war mir hundertprozentig sicher, dass ich sie bereitgelegt hätte.«

    »Ist schon gut, Magda. Man kann ja mal etwas vergessen, nicht wahr? Lass uns nachdenken, wo du die Rundschau hingelegt haben könntest. Vielleicht ist sie noch in deinem Einkaufskorb, in der Transportfolie?«

    Natürlich wurde die Rundschau sorgfältig und mit spitzen Fingern aus dem Briefkasten gefischt und augenblicklich in eine Hochglanzfolie gesteckt, bevor sie auf dem Essenstisch landete. Friedrich mochte keine Risse oder Eselsohren. Es war schlimm genug, mitzuerleben, wie sorglos die Zusteller mit der Tageszeitung umgingen. Er hatte bereits mehrmals Knicke und Flecken zu beklagen gehabt.

    Vor vier Jahren hatte er sogar ein Exemplar geliefert bekommen, dessen Seiten vom Regen völlig aufgeweicht gewesen waren.

    Der zuständige Mitarbeiter war entlassen worden. Der Chef vom Dienst der Rundschau hatte eine Ermahnung vom Aufsichtsratsvorsitzenden erhalten. Schließlich besaß Friedrich Gajdusik ein Aktienpaket, das ihn Einfluss auf die Geschäftsgebarung nehmen ließ.

    Magda lief aufgeregt in der Wohnung umher. Sie durchsuchte ihre Handtasche und den Einkaufsstrohkorb, den bereits Friedrichs Mutter, Gott sei ihrer Seele gnädig, benutzt hatte. Anschließend sah sie auf der Ablagefläche im Vorzimmer nach. Das Holz des Parkettbodens knirschte unter ihren Schuhen. Sie vergaß völlig darauf, sachte aufzutreten, so wie er es ihr anbefohlen hatte, damals, am 15. August vor einundzwanzig Jahren, als sie in die Wohnung seiner Eltern eingezogen waren.

    »Das gibt’s doch nicht!«, hörte er Magda sagen. Immer wieder, immer verzweifelter, immer weinerlicher: »Das gibt’s doch nicht!«

    Friedrich wartete. Er lauschte ihren Tritten. Ergötzte sich an der steigernden Nervosität.

    Das Gefühl, seine Zeitung nicht bei der Hand zu haben, wenn das Essen serviert wurde, machte ihn unruhig. Andererseits erregte es ihn. Diese Durchbrechung der Routine war eine Unbekannte in der Rechnung seines Lebens, die sich anfühlte wie ein rauschender Windstoß, der alles durcheinanderwirbelte.

    Und Magda war schuld daran. Oh, wie sehr sie daran schuld hatte …

    Sie begann zu schluchzen. Seine Frau war nahe am Wasser gebaut. Nicht einmal die geringste Belastung war ihr zuzumuten. Es war gut, dass sie vor einundzwanzig Jahren ihren Brotberuf aufgegeben hatte und ausschließlich zu Hause blieb, um sich auf das Wichtigste in ihrem Leben zu konzentrieren.

    Auf ihn.

    Die Türe des Kinderzimmers öffnete sich leise quietschend. Friedrich hätte längst verlangen können, dass die Klinke geölt wurde. Doch er hatte davon abgesehen. Er wollte hören, wann sein Sohn das Zimmer verließ und wieder betrat.

    Justus ging mit schlurfenden Schritten den kleinen Vorzimmergang entlang, klopfte schüchtern gegen die Esszimmertür und trat ein, nachdem Friedrich es ihm gestattet hatte.

    »Guten Abend, Vater.«

    »Guten Abend, mein Junge. Ist in der Schule alles in Ordnung?«

    »Ja, Vater.«

    »Hat mein Telefonat mit der Direktorin etwas genützt?«

    »Ja, Vater. Sie ist sich nunmehr sicher, dass ich einen Einser im Altgriechisch-Unterricht bekommen werde.«

    »Das ist erfreulich. Es ist schön zu wissen, dass deine Direktorin eine einsichtige Person ist. Setz dich doch.«

    »Was ist denn mit Mama los, Vater? Warum weint sie?«

    »Sie ist ein wenig aufgeregt wegen meiner Rundschau. Sie scheint sie verlegt zu haben. Du weißt ja, dass ich zum Abendessen meine Zeitung lesen möchte.«

    »Die Zeitung …« Justus, der sich eben erst gesetzt hatte, sprang auf, wurde blass, begann sinnloses Zeugs zu stottern.

    »Was ist los, mein Junge?«

    »Die Rundschau …«

    »Ja?«

    »Sie lag hier auf dem Tisch, und auf dem Titelbild war ein Bild, das mich interessierte, und … und …« Justus verbeugte sich hastig und viel zu schlampig, bevor er davonlief, hin zu seinem Zimmer. Erneut war das Quietschen der Tür zu hören, dann weitere eilige Schritte. Ein verzweifeltes Glucksen.

    Friedrich schloss die Augen. Das war nicht gut, das war gar nicht gut. Er drohte die Kontrolle zu verlieren, außer Fassung zu geraten.

    Justus kehrte zurück. Mit deutlich langsamerem Schritt. Zögerlich und verängstigt. Weder klopfte er an, noch sagte er ein Wort, als er auf Friedrich zukam und die Zeitung vor ihm hinlegte.

    Sie war falsch gefaltet, und sie hatte einen Knick. Oben rechts zeigten sich Spuren von Druckerschwärze, die einen winzigen Fingerabdruck nachzeichneten.

    »Was hast du dir dabei gedacht, Sohn?«, fragte Friedrich.

    »Ich weiß es nicht, Vater«, antwortete Justus mit kläglicher Stimme. »Ich wollte diesen Artikel über Jugendkulturen lesen. Es hat … hat mich interessiert.« Fast trotzig fügte er hinzu: »Du möchtest doch immer, dass ich mich fürs Zeitunglesen interessiere.«

    »Ganz richtig, Junge«, sagte Friedrich sanft. »Ich will, dass du dich für das Zeitgeschehen interessierst, dich informierst und dich nicht von technischem Schabernack wie Handys oder dem Internet ablenken lässt.« Er klopfte mit den Fingern der Rechten auf den Tisch. »Aber ich will nicht, dass meine Routinen durchbrochen werden.« Friedrich erhob sich. »Dass mein Tagesablauf durcheinandergerät. Dass ich keine ZEITUNG ZUM ABENDESSEN LESEN KANN!«, brüllte er die letzten Worte seinem Sohn ins Gesicht, diesem kleinen Widerling, diesem verfickten Hurenbalg, diesem verdammten Scheißgesicht.

    Magda betrat den Raum. Die Tränen hatten ihre Schminke verschmiert und eine Spur dunklen Mascaras von den Lidern bis zu den Kieferknochen gezogen.

    Auch das noch. Dieser Abend war wirklich ein Desaster.

    »Geh dich waschen, Magda«, sagte Friedrich, der sich rasch wieder beruhigte. »Mach dich fesch. Anschließend kannst du das Essen kredenzen. Justus wird heute nicht mit uns speisen. Er hat keinen Appetit und wird in seinem Zimmer darüber nachdenken, warum das so ist. – Hast du an dieses wunderbare Rezept für einen Zimt-Nuss-Apfelstrudel gedacht, das ich dir heute Morgen gezeigt habe? Ja?«

    Friedrich musste heute selbst das Gebet sprechen, nachdem Justus in sein Zimmer zurückgekehrt war. Er dankte dem Herrn für seine Güte und Barmherzigkeit und dafür, dass er den Fleiß der Gajdusik-Familie zu würdigen wusste.

    Auch heute noch, in der zwölften Generation, nach beinahe dreihundert Jahren und mehreren schrecklichen Kriegen, nach dieser abscheulichen bürgerlichen Revolution im Jahre 1848 und dem Schock der Entmachtung der Habsburger, besaßen die Gajdusiks Bedeutung. Er als Familienoberhaupt saß an dem einen oder anderen Schalthebel der Republik. Still und leise, wie es bereits seine Vorfahren gehalten hatten. Unbemerkt von stetig wechselnden Regierungen, die den schwachsinnigen Idealen einer Demokratie nachhingen.

    Justus würde das dreizehnte Familienoberhaupt werden, dessen war sich Friedrich sicher. Er benötigte bloß eine harte Hand und musste lernen, was Zucht und Ordnung war. Friedrichs Vater hatte ihm diese Tugenden eingeprügelt, und so hatte es zuvor der Großvater mit seinem Vater gemacht. Manche Mechanismen waren nicht einfach so zu verstehen und zu verinnerlichen. Sie mussten mit Nachdruck verdeutlicht werden.

    »Hat … hat dir der Apfelstrudel geschmeckt?«, fragte Magda. »Und die Wachtel? War das Fleisch zart genug für dich? Ich habe mir wirklich alle Mühe gegeben …«

    »Es war alles ausgezeichnet, meine Liebe. Du hast dir wirklich viel Mühe gegeben.« Er griff nach dem kleinen Kristallglas, in dem sich das Dunkelrot des Digestifs mehrfach gebrochen widerspiegelte. »Ich bin zufrieden mit dir.«

    »Das freut mich zu hören, Friedrich.«

    Ein winziger Splitter war am Glas ausgebrochen. Seine Urgroßmutter hatte den Schaden durch eine Unbedachtsamkeit verursacht. Urgroßvater war nicht sonderlich zimperlich mit ihr umgegangen, als er den Bruch entdeckt hatte.

    Friedrich musste lächeln, als er an diese alte Geschichte dachte, die vom Vater an den Sohn weitergetragen worden war.

    Er nahm den Digestif in den Mund, spürte den bitteren Geschmack, ließ die Flüssigkeit durch den Rachenraum kreisen und schluckte dann hinunter. Ein leichtes Brennen blieb zurück. Eine Hitze, die fünf oder sechs Minuten anhalten würde.

    »Allerdings …«

    »Ja, Friedrich?« Magda schreckte aus ihrer hausmütterlichen Lethargie hoch. Sie streckte ihr Kreuz durch, die Blicke irrten wild umher. Sie ahnte, was er sagen wollte.

    »Du hättest Justus von der Zeitung fernhalten müssen, Magda. Du weißt doch, wie sensibel er ist. Er liest Dinge, für die er noch nicht bereit ist. Ich wünschte, ich könnte mehr Einfluss nehmen auf die Blattlinie. Aber leider müssen die Redakteure eine gewisse Rücksicht auf den wechselnden Geschmack der Leser nehmen. Wenn ich wollte, wie ich könnte, hätte ich einen Bericht über das schamlose Verhalten einiger Jugendlicher verhindert.«

    »Ich weiß, Friedrich.«

    »Du hast nicht aufgepasst, Magda. Du hast nicht verhindert, dass Justus mit derartigen Schundberichten in Berührung kommt.«

    »Ich weiß, Friedrich.« Seine Gattin senkte den Kopf. Schicksalsergeben und devot.

    »Du hast einen unentschuldbaren Fehler begangen. Wer weiß schon zu sagen, was diese dummen Ideen mit unserem lieben Justus anrichten? Was meinst du, Magda?«

    »Sie … sie werden ihm schaden. Sie werden ihn ein Stückchen weit die alten Traditionen vergessen lassen. Sie werden ihm vom … vom …«

    »… vom Weg abbringen. Richtig, Magda. Und ich werde größte Schwierigkeiten haben, ihn dorthin zurückzuführen. Auf den Pfad der christlichen Rechtschaffenheit.«

    »Verzeih mir, Friedrich«, sagte seine Frau leise.

    Er hob die Rechte und streichelte ihre Wange. Sie hatte die Spuren ihrer Tränen beseitigt. Doch er meinte, sie noch spüren zu können, heiß und feucht. »Ich verzeihe dir natürlich. Wie immer. Du wirst Buße tun, und alles ist wieder gut.«

    »Können wir es vielleicht bei Gebeten und Rosenkränzen belassen, Friedrich? Ist die Buße denn wirklich notwendig?«

    »Aber Liebes, das weißt du doch. Es ist notwendig. Wie sollst du sonst etwas lernen? Wie sonst soll Gott der Allerhöchste wissen, dass du seinem Willen gehorchst? Diese Logik verstehst du doch. Nicht wahr?«

    Er umfasste ihr Kinn und drückte zu. Fest, aber nicht brutal. Friedrich ließ seine Frau wissen, dass er in dieser Hinsicht keinerlei Widerspruch duldete. Also presste er mit einem Daumen gegen jenen kleinen Haarriss an der linken Seite des Unterkiefers, den seine Frau unglücklicherweise bei der letzten Buße erlitten hatte.

    Ihre Augenlieder zuckten, der Blick wurde unstet. Magda wollte sich zurückziehen, er hielt sie fest.

    »Räum doch schon mal das Geschirr ab, Liebste. Anschließend machst du dich bereit. Ich richte indes alles her und warte auf dich im Schlafzimmer.«

    Friedrich erhob sich, blieb abrupt stehen und lauschte.

    Nein, es war nichts zu hören. Keine quietschende Türschnalle. Justus hielt sich an seine Anweisungen. Er würde es nicht wagen, das Kinderzimmer zu verlassen.

    Friedrich betrat das Schlafzimmer und öffnete den Strafkasten. Er betrachtete seine Schätze liebevoll. Sie stellten einen beträchtlichen Wert dar. Viele dieser Werkzeuge galten anderswo als wertvolle Antiquitäten. Im Hause Gajdusik hingegen waren sie Gebrauchsgegenstände, die sorgfältig gewartet und einsatzbereit gehalten wurden.

    In jungen Jahren, damals, als er die Bedeutung seines Lebens noch nicht richtig erfasst und die Traditionen seines Geschlechts ignoriert hatte, war er heimlich zu einem Psychotherapeuten geschlichen und hatte mit einem vorgeblichen Fachmann über die Traditionen der Gajdusiks gesprochen. Über die alten Erblinien. Über heimliche Heiratszeremonien und Vertuschungen, die hatten stattfinden müssen, um gewisse Vorkommnisse nicht an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Um Rituale.

    Der Therapeut war zu seinem Erstaunen blass und blasser geworden. Er hatte viele Dinge nicht verstanden und sie mit seinem kleinen Geist als »falsch« oder gar als »pervertiert« abgetan.

    Der Doktor hatte von Persönlichkeitsstörungen, Schizophrenie, erheblichen erblichen Belastungen und sonstigem Krimskrams gesprochen, sprich: Er hatte nichts verstanden. Gar nichts.

    Danach war alles anders gewesen. Friedrich hatte seine Bedeutung als Gajdusik akzeptiert. Als einen Menschen, der dank altem, tradiertem Wissen über Krethi und Plethi zu herrschen hatte und der sich mit dem gemeinen Volk nicht abgeben durfte.

    Er hatte dem Vater seine Verfehlungen gebeichtet und die Strafe dankbar angenommen. Anschließend hatte der alte Herr dafür gesorgt, dass dieser vorgeblich so kompetente Psychotherapeut einen raschen Absturz hingelegt und sich wenige Monate später selbst gerichtet hatte.

    Friedrich lächelte. Ein Schauder überkam ihn bei diesen Erinnerungen. Sein Besuch bei dem Seelendoktor hatte ihn … erweckt. Seine Schandtat war zur Initiation geworden, und so war aus der Sünde etwas Gutes entsprungen. Weil er gebeichtet und die Strafe akzeptiert hatte.

    Bald darauf hatte er geheiratet, hatte seinem Vater in jedem Belang nachgeeifert und vor zehn Jahren dessen Stelle als Familienoberhaupt eingenommen.

    Er hörte Magda über den Flur kommen. Sie

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