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Frankfurt am Main: Zwischen Goethe-Klassik und Bankenhauptstadt
Frankfurt am Main: Zwischen Goethe-Klassik und Bankenhauptstadt
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eBook320 Seiten5 Stunden

Frankfurt am Main: Zwischen Goethe-Klassik und Bankenhauptstadt

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Über dieses E-Book

Frankfurt am Main hat viel mehr zu bieten als Banken, Hochhäuser und einen riesigen Flughafen. Dieses von F.A.Z.-Ressortleiter Matthias Alexander herausgegebene eBook zeigt die Vielseitigkeit der Mainmetropole und seiner Bewohner und stellt die Frage nach dem Charakter der Stadt: Überwiegt das internationale Flair, ist die Stadt urban und glamourös, kann sie mit anderen aufregenden Metropolen mithalten - oder geht es hier eher gemütlich zu, ist Frankfurt ein gar großes Dorf? Die Geschichten über historische, kulturelle, städtebauliche und "typisch frankforderische" Themen lassen den Leser auf rd. 340 Seiten mit 42 Abbildungen die ganze Bandbereite der Stadt erleben.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum11. Dez. 2014
ISBN9783898433747
Frankfurt am Main: Zwischen Goethe-Klassik und Bankenhauptstadt

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    Buchvorschau

    Frankfurt am Main - Frankfurter Allgemeine Archiv

    Frankfurt am Main

    Zwischen Goethe-Klassik

    und Bankenhauptstadt

    F.A.Z.-eBook 36

    Frankfurter Allgemeine Archiv

    Herausgeber: Dr. Matthias Alexander

    Redaktion und Gestaltung: Birgitta Fella

    Key Account Management Archivpublikationen:

    Christine Pfeiffer-Piechotta, c.pfeiffer-piechotta@faz.de

    Projektleitung: Franz-Josef Gasterich

    eBook-Produktion: rombach digitale manufaktur, Freiburg

    Alle Rechte vorbehalten. Rechteerwerb: Content@faz.de

    © 2014 F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main.

    Titelfoto: © Claudio Divizio / Fotolia.de

    ISBN: 978-3-89843-374-7

    Willkommen in Frankfurt

    Unsere ganz normale Stadt

    Inszenierung dringend gesucht – Frankfurt und der Glanz

    Von Brigitte Scherer

    Ist Frankfurt glamourös, aufregend, international? Ist es gemütlich, liebenswert, pittoresk? Was sonst jeder Besucher einer Großstadt wissen will, musste hier niemand mehr fragen seit der Währungsreform. Keine andere deutsche Stadt hat zu mehr Rezensionen ihrer Befindlichkeit animiert, keine andere Stadt war seit einem halben Jahrhundert so oft Objekt gleichbleibend bitterer Porträts, ob wie zuletzt im taktischen Spiel mit dem angedrohten Umzug der Buchmesse ins vorgeblich billigere München oder wie nach dem Auszug der Jungbanker im Crash der New Economy. Was alles wird Frankfurt vor die Füße geschleudert, Kleinbürgermief und Großmannssucht, Rotlichtmilieu und kalte Hochhauspracht, Kapitalistenkapitale, Selbstvernichtung: schlimmer kann es im Leben nicht kommen.

    Was um Himmels willen macht diese Stadt falsch, dass es für Zeitungen und Magazine aus dem restlichen Deutschland offenbar nichts Schöneres gibt, als sich subtile Sottisen auszudenken, von »zentrale Randlage« bis »Vom Parvenu zum Paria«? Mal schmeckt einer der Frankfurt-Kundschafter beim Kaffeetrinken im Schatten der Kapitalistentürme die untergegangene DDR heraus; mal schreibt einer von der Menükarte eines Ausflugslokals penibel die Nummer des Konservierungsmittels im Kartoffelsalat ab, um aller Welt zu beweisen, welch mieser Schuppen in einer miesen Stadt das sei. Wer wollte es Zugezogenen unter diesem Trommelfeuer verdenken, dass sie sich für etwas Besseres halten, wenn sie noch nach Jahrzehnten ihren Lebensort verleugnen und gönnerhaft anfügen: »Aber die Umgebung, die ist ja schön.«

    Kaum einer der Vorwürfe hält einem zweiten Blick stand – doch daran, dass keiner genauer hinschaut, ist Frankfurt selber schuld. Genauer gesagt, sein Bürgerstolz. Eine freie Reichsstadt zu sein, in die Kaiser und Könige nur zu ihrer Krönung, aber nicht zum Herrschen kamen, hat seinen Preis. Hätten die Frankfurter sich zuzeiten unter die Obhut absolutistischer Fürsten begeben, wie rasch wären da Schneisen geschlagen worden durch ihr kleinteiliges mittelalterliches Herz, großartige Alleen wären entstanden, gesäumt von eleganten Palästen und gekrönt von einem prächtigen Schloss, mit dem man heute die Welt beeindrucken könnte, denn der erste Eindruck zählt. Nun haben die anderen die repräsentativen Straßen und respektgebietenden Plätze, die eindrucksvollen Gebäude – und auch noch die Promis mit den adeligen Namen, Nachfahren der glanzvollen Verschwender.

    Doch in dieser Liga hielt der Frankfurter Patrizierstand stets mit. Frau Rat Goethe etwa, als Tochter des Schultheißen und Frau eines der wohlhabendsten Männer der Stadt selbst Bürgeradel, verkehrte durchaus auf Augenhöhe mit Fürsten von Geblüt. Ihre Gäste empfing sie in der roten Stube ihres Hauses im Hirschgraben, nicht in einem Schloss. Statt eines Hofstaats reichten ihr zwei Mägde für den Komfort. So grundsolide ist die Mentalität der Bürgerstadt Frankfurt bis heute. Adorno und Ackermann statt Bohlen und Naddel, Frankfurter Schule statt Bussi-Gesellschaft. Hamburgs feinsten Kreisen entstieg das strahlendste Exemplar der Spezies Partyluder, München prunkt mit einem Fußballkaiser, und in Berlin blühen die Agenturen, die gesellschaftlichen Anlässen gegen Honorar Stars, Sternchen und andere Menschen mit Glamourfaktor zuführen. Wo »die Gesellschaft« in Frankfurt sich versteckt, treibt nur den Rest der Welt um.

    Eine Königin des Salons wie die Industriellengattin Gabriele Henkel in Düsseldorf gibt es in Frankfurt nicht. Das gesellschaftliche Leben wird von Bankern und Managern bestimmt, bei aller hohen Bezahlung in der Mehrzahl zeitarme Angestellte ohne jeden Ehrgeiz, öffentlich einen üppigen Lebensstil zu repräsentieren. Juwelier Friedrich, einer der Feinsten und Berühmtesten seiner Zunft, kann ein Lied davon singen. Eher hängt in einem Bankerwohnsitz im Taunus ein veritabler Rembrandt an der Wand, als dass ein Kunstwerk der Haute Joaillerie das Dekolleté der Dame des Hauses schmückt. Dennoch haben die Brüder Christoph und Stephan Friedrich als einzige der berühmten Nachkriegsjuweliere überlebt und sind sogar in die Weltelite aufgestiegen. Dreimal wurde ihnen der »Diamond Award«, der Oscar der Juweliere, verliehen.

    So etwas wirkt bei der internationalen Klientel in Paris, in London, in New York und neuerdings auch in Moskau, von Frankfurt allerdings könnten sie nicht leben. Das liege am Frankfurter Protestantismus, meint Stephan Friedrich, aber auch daran, dass die potentielle Klientel nicht wisse, wo man in Frankfurt Kleinodien mit Anspruch zeigen solle. Dafür macht in ihrem Stammgeschäft in der Goethestraße das Schaufenster mit den Secondhand-Okkasionen Furore. Für die Ehefrauen von Unternehmern, Topmanagern oder anderer Hautevolee aber ist das kein Grund, um des Vergnügens willen nach Frankfurt zu reisen. »Komm bald zurück«, nicht »Ich komme mit« laute ihre Reaktion bei Dienstreisen des Ehemanns nach Frankfurt.

    Einkaufen in Frankfurt, das ist tatsächlich ein Kapitel für sich. Zum Einkaufen nach Frankfurt, das war die elektrisierendste Aufforderung meiner Kinderzeit. Wenn die Großmutter mit verschwörerischem Blick das Lavabelkleid hervorholte – Nonplusultra der frühen Fünfziger –, sich den Sommerhut schräg ins Gesicht drückte und ihre Geheimkasse in der Meissener Dose ausräumte, überkam mich prickelnde Erwartung wie vor etwas Verbotenem. Tatsächlich ging es bei diesem umständlichen Ausflug vom Dorf in die Großstadt ja nur vorgeblich um Bedarfsdeckung, etwa den Kauf einer Garnitur Bettwäsche im Kaufhaus Schneider. Danach kam, im sündigsten Gefühl der Verschwendung, die Hauptsache: das Anprobieren von Kleidern, Hüten, Lackschuhen – und zum Schluss, als krönender Abschluss des Frankfurt-Rituals, die Einkehr im »Kranzler« oder dem Dachgarten eines Kaufhauses. Mit seiner hochmodernen Kühltruhe, den Bistro-Tischen im Freien über den Dächern der Stadt und den lachenden, essenden, durcheinanderredenden Menschen kam mir das alles wie der Inbegriff von Großstadtflair vor.

    Wer heute mit dem Vorsatz des Lustkaufs gen Frankfurt aufbricht, hat die Unschuld der frühen Jahre verloren. Als erstes fällt ihm auf, dass auch der Inszenierung eines großstädtischen Einkaufsambientes zwischen Konstablerwache und Opernplatz die weitgehende Abwesenheit glanzvoller historischer Architektur entgegensteht. Neidisch muss der Frankfurter Shopper zugeben, dass die herausgeputzten alten Fassaden in Hamburg oder München noch dem üblichsten Lädchen einen großartigen Rahmen verleihen. Bei der Metamorphose der Kaufhausmagistrale Zeil in ein Paradiesgärtlein multikultureller Happenings wären allerdings pompöse alte Häuser deplaziert. Und wohin dann mit dem putzigen Platanenhain, der die Innenstadt mit Wäldchestag-Stimmung wärmt? Überhaupt überkommt noch den willigsten Konsumenten mitunter das Gefühl, ein sparsamer Kaufmannsgeist über der Stadt wolle ihn vor unbedachter Verschwendung bewahren. Auf der populären Zeil vergisst er das Geldausgeben vor lauter Staunen und Schauen zwischen Zauberkünstlern, lebenden Standbildern und Musikanten, im Fall des eleganten Gegenpols Goethestraße beklagt er das Gegenteil: Im Streben nach einer Fifth-Avenue-Karriere ist dicht an dicht nun zwar alles da von Chanel bis Tiffany, doch kein Platz zum Sitzen, Gesehenwerden und Flanieren. In fünfzehn Minuten ist man durch die große Markenwelt durch.

    Seit einem Vierteljahrhundert lebt Rainer Brenner in seinem Palast für feine Brillen mittendrin. Der Optiker und Initiator der Aktionsgemeinschaft Goethestraße ist schon von Berufs wegen gespalten in seinem Blick auf Frankfurter Einkaufsglanz. Einerseits liebt er das Frankfurter Klein-Klein, die Ordnung in Einkaufen hier und Essen dort, die winzigen Läden, das Kleinstadtgefühl. Andererseits geht dabei jede Großzügigkeit verloren. Das ist in der Goethestraße wörtlich zu nehmen. Wie soll man auf vierzig Quadratmeter Ladenfläche Einkaufserlebnisse organisieren? Prada zum Beispiel schafft es auf diesem Platz nur, Handtaschen, Sonnenbrillen und Schuhe zu präsentieren, nicht die eigentliche Mode. Und wo soll eine Frau ihr Versace-Kleid aus der Goethestraße ausführen, wenn selbst auf dieser teuersten Straße der Stadt alle nur durchhuschen, um eilig etwas zu erledigen, aber nicht verweilen, weil es keinen Ort dafür gibt?

    »Frankfurt ist ein Dorf. Mein Dorf«, sagt Manfred Pasenau in seinem großbürgerlichen Westend-Büro mit dem mediterranen Gartenblick und lehnt sich bequemer zurück. Pasenau organisiert große »Events«, Frank Sinatras letztes Konzert in Europa etwa oder die Jubiläumsfeier der Frankfurter Messe; aber sein liebster Auftrag ist seit vielen Jahren der Opernball. Lebte Manfred Pasenau in Wien, wäre er mindestens so prominent wie die Patronin des »Sacher«, die beim Wiener Opernball die gleiche Rolle spielt wie er in Frankfurt, doch stets im Visier der öffentlichen Aufmerksamkeit. Frankfurt aber ist kein Pflaster, das Klatschkolumnisten nähren könnte, so beständig, bodenständig, wie es selbst in seinen nobelsten Ecken ist.

    Seit Jahrzehnten wohnt Pasenau im Stadtteil Sachsenhausen, kauft samstags sein Brot immer beim selben Bäcker (»der beste«), das Lammkarree bei Metzger Bumb (einer aus der legendären Frankfurter Fleischboutiquen-Zunft), wandert über den Eisernen Steg ans andere Mainufer zur Kleinmarkthalle für Käse und Grünzeug und beendet den Morgen, zeitunglesend bei »Meyer's« im Freien sitzend, auf der »Freßgass'«, dem Defilee seiner Bekannten entgegensehend, die auch immer hier vorbeikommen. Und wenn er nachmittags dann endlich ein Stück weiter die Bockenheimer hoch im Literaturhaus angekommen ist, jedes Mal mit dem Gefühl »Hier bin ich richtig«, klingt das ziemlich sentimental für einen Unternehmer, der auch schon in Afrika und in Japan gearbeitet hat. So wunderbar normal ist das Leben in Frankfurt, wo alles so bleibt, wie es ist: ob die Europäische Zentralbank kommt oder die Abendkleider beim Opernball immer eleganter werden oder die Wolkenkratzer-Skyline in »einem Gegensatz wie nirgendwo sonst« vor der Alten Oper in den Himmel wächst.

    Wie man Frankfurt erlebt, wird vor allem davon bestimmt, wo man lebt, ob in Sachsenhausen oder in Bornheim, ob im Westend oder weit draußen in den Vororten der Taunushöhen. Schon das übernächste Viertel ist eine Weltreise entfernt, transporttechnisch und soziologisch. Das klingt übertrieben in einer nur mittelgroßen Stadt und ihrem engen Zentrum. Aber alle Karrees werden von Verkehrsachsen durchschnitten, die Verbindungswege sind schmuddelig und kompliziert, an der Alten Oper, dem schönsten Platz, lässt man es zu, dass nach dem Abriss des berühmten Zürich-Hochhauses mehr als zwei Jahre eine riesige Baubrache klaffte. Und überall herrscht das Prinzip Nadelöhr. Kaum findet der Fremde den versteckten Zugang zu Bar und Restaurant im monumentalen Main-Plaza-Tower; direkt vor der Eingangstür des Hotels »Metropolitan« gähnt das Loch, das ins Parkhaus unter dem Hauptbahnhof führt; und Frankfurts In-Viertel auf dem Gelände der ehemaligen Union Brauerei im Ostend mit Clubs, Restaurants und einem Schneider versteckt sich vollends hinter der Fassade eines Autohauses und einem bewachten Schlagbaum. Selbst dem Bürokomplex »Frankfurter Welle« unmittelbar neben der Alten Oper gelang es, seine spektakuläre Plaza mit Läden und Lokalen an einem künstlichen Flüsschen zu verbergen. Mit Investitionen in die Lebensqualität, die nicht direkt zum Geldverdienen taugen, tut man sich in Frankfurt offensichtlich schwer, und die Stadtentwicklung bleibt augenscheinlich dem Zufall überlassen: überall weitverstreute, interessante Solitäre, die jedoch zu keinem Ganzen verbunden sind.

    So wird das wahre Frankfurt von Besuchern überhaupt nicht oder am falschen Ort gesucht. In Restaurants, die man nicht findet, kann man auch nicht essen, so einfach ist das. Mit dem Ergebnis, dass eine folkloristische Petitesse wie »Handkäse mit Musik« zum Inbegriff des kulinarischen Frankfurt avancierte, obwohl der magere Rundling diese Rolle auch für Mainz spielen muss. Alles nur, weil die Spezies »Apfelweinwirtschaft« in jedem Frankfurt-Reiseführer vorkommt. Dabei ist das für Frankfurt idealtypische Lokal »der Italiener«. »Isola Bella« war sogar der erste in ganz Deutschland, der schon vor der Gründung der Bundesrepublik 1948 am Frankfurter Theaterplatz eröffnete. Damit war der Grundstein gelegt für die »Toskana-Fraktion«. Auch die Wegbereiter der Frankfurter Schule des Genießens sind bis heute von der Gourmetwelt unbeachtet geblieben. Wer weiß als Fremder schon, dass sich hinter den auffällig zahlreichen, auffällig schimmernden Feinkosttempeln der Freßgass' alte Frankfurter Metzgerstradition versteckt?

    So viele ehrgeizige Metzger wie in einem einzigen Stadtteil Frankfurts gibt es sonst nicht in einer ganzen Stadt. Star unter diesen Stars der gehobenen Feinkost ist der stets spitzbübisch wirkende rothaarige Willy Meyer aus dem Stadtteil Sachsenhausen, der 1970, just zur Zeit der Studentenrevolution, im Gegenentwurf die »Fleischboutique« erfand. Genau gesagt, war es die Idee seiner Frau und das Ganze ein Urlaubssouvenir aus Belgien. Auch die Wettbewerber, damals alle Freunde, machten als Frankfurter Avantgarde mit; Metzger Bumb führte den Musterprozess, seitdem darf ihr Gewerbe Brot verkaufen. Was »Käfer« in München bedeutet, ist »Meyer« jetzt in Frankfurt, wo er mit In-Lokalen und einem siebten Sinn für den Zeitgeist an der Lebensqualität seiner Stadt baut.

    Diese nie versiegende Investitions- und Innovationslust erlebt der Besucher nur in Form von Baustellen, Baukränen und Staus. Denn nicht einmal das sich ununterbrochen wandelnde Stadtbild, das die Novitäten der Architektur sammelt wie in einer Ausstellung, wiegt auf, was Frankfurt seit seiner Zerstörung immer fehlte: die Inszenierung.

    Die Skyline bestimmt das Bild von Frankfurt, auf das Leben der Frankfurter hat sie keinen so großen Einfluss, sie lieben »ihr Dorf«. F.A.Z.-Foto: Helmut Fricke

    Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.11.2003

    Von Franconofurt bis Mainhattan

    Die Frankfurter Pfalz war dem Anspruch nach mit Aachen und Ingelheim vergleichbar

    Hannoveraner Bauhistoriker stellt seine Überlegungen zur Königshalle vor

    Von Cord Meckseper

    In Frankfurt steht die Neubebauung des Archäologischen Gartens zur Diskussion. Einer völlig modernen Formensprache ohne Berücksichtigung der historischen Gegebenheiten steht ein für Frankfurt und Deutschland wichtiges historisches Denkmal im Wege: Die Grundmauern einer karolingischen Königshalle in der einstigen Frankfurter Pfalz. Die Pfalz war Ausgang der Stadt Frankfurt und im 9. Jahrhundert ein Vorort des ostfränkischen Reichs. Es stellt sich die Frage, ob nunmehr eine »moderne« Zweckbebauung entstehen soll, die das einstige Bauwerk nicht mehr erkennen lässt, oder eine, die weiterhin dessen historische Bedeutung zu vermitteln vermag. Ebenso wäre ein räumlicher Bezug zum Nachfolger der einstigen Pfalzkapelle, dem heutigen Dom, zu bedenken.

    Seit fränkischer Zeit und bis in das hohe Mittelalter war das mittelalterliche Königtum ein Reisekönigtum. Die Könige residierten mit ihrem bis zu 500 Personen umfassenden Gefolge in regelmäßigem Wechsel auf zahlreichen über das Reich verstreuten, in vielen Fällen nun auch auf ländlichem Boden angelegten Pfalzen. Einige hatten als bevorzugte Festtags-, Weihnachts- oder Jagdpfalzen besonderen Rang. Auf ostfränkischem Boden vermitteln Überreste in Aachen, Ingelheim und Paderborn, nicht zuletzt aber in Frankfurt ein genaueres Bild.

    Die Frankfurter Pfalz war aus einem königlichen Hofgut an der Stelle eines einstigen römischen Landguts auf der hochwasserfreien Anhöhe zwischen dem Braubach und einer Mainfurt entstanden. 794 wurde es unter dem Namen »Franconofurd« erstmals erwähnt. Damals tagte dort unter dem Vorsitz Karls des Großen eine Synode von Bischöfen aus nahezu dem ganzen westlichen Europa.

    Kaiser Ludwig I., der Fromme, Sohn Karls des Großen, ließ um 818 bis 822 in »Franconofurt« »neue Gebäude errichten«. Dies wird von der heutigen Forschung auf die sichtbaren Überreste der Königshalle bezogen. Bereits 822 verbrachte der Kaiser die Winterzeit dort. 843 teilten die Söhne Ludwigs I. im Vertrag von Verdun das fränkische Großreich unter sich auf. Ludwig II., der erst in neuerer Zeit den Beinamen »der Deutsche« erhielt, übernahm das östliche Reichsgebiet. Während seiner langen Regierungszeit 840/43–876 hielt er sich nahezu jährlich in Frankfurt auf, das damals sogar als »Hauptsitz des östlichen Reichs (principalis sedes orientalis regni)« benannt wurde. Gesichert ist für Ludwig I. der Neubau einer dreischiffigen, 852 geweihten Pfalzkapelle, die durch eine Galerie mit der Königshalle verbunden war. Die Bedeutung der Pfalz »Franconofurt« im 9. Jahrhundert ermisst sich daran, dass sie bei den ständigen Aufständen von Söhnen Kaiser Ludwigs I. und König Ludwigs II. stets im Zentrum der Auseinandersetzungen lag. Der König eilte immer zuerst nach Frankfurt, um es als Vorort des Reiches mit seinem großen, im Rhein-Main-Gebiet liegenden fruchtbaren Königsland zu sichern. Zur Baugeschichte der Pfalz in der folgenden Zeit erfahren wir – einzigartig für die deutsche und französische Pfalzenforschung – aus einer im 12. Jahrhundert gefertigten Kopie einer im Original nicht mehr erhaltenen Urkunde, dass Kaiser Otto II. 979 dem Bischof von Worms eine »porticus« mit einer Treppe zum Obergeschoss der Königshalle schenkte und ihm erlaubte, an die »porticus« ein Haus (»domus«) anzubauen.

    Spätestens am Ausgang des 13. Jahrhunderts hatte die Frankfurter Pfalz ihre Aufgabe verloren. In der Folge wurde sie mit bürgerlichen Häusern überbaut. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, 1955 bis 1970, brachten die Bodenuntersuchungen des verdienten Stadtarchäologen Otto Stamm die heute im Archäologischen Garten sichtbaren Fundamente der karolingischen Königshalle und deren Anbauten zutage. Teile ihrer Grundmauern zwischen den Gebäudeecken wurden von Stamm neu eingesetzt.

    Im Zuge der Sanierung um 1985/86 wurden die Mauerkronen und der große Pfeiler in der Gebäudemitte zum Schutz gegen die Witterung gesichert und weiter aufgemauert. Neu wurde auch der Fußboden zur besseren didaktischen Verdeutlichung der Halle eingebaut. Die beiden in bescheidenen Resten erhaltenen römischen Hypokausten wurden fast vollständig mit neuen Steinen rekonstruiert.

    Stamms Grabungsbefunde fügten sich mit zuletzt 1991/93 durch Andrea Hampel vom Denkmalamt der Stadt Frankfurt im Dom durchgeführten Bodenuntersuchungen zusammen. Schon 1985/96 stellte im Wesentlichen die Historikerin Elsbet Orth die Schriftquellen zur Frankfurter Pfalz für das »Repertorium der deutschen Königspfalzen« zusammen. Caspar Ehlers bearbeitet am Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte in Frankfurt das Repertorium weiter. 2008 legte das Archäologische Museum Frankfurt den Versuch einer kritischen Gesamtschau der bisherigen Forschungsergebnisse von Magnus Wintergerst vor, der großenteils in die im Museum gezeigte und dort auch auf CD erwerbbare Videovisualisierung einging.

    Zur Gestalt der Frankfurter Pfalz unter Karl dem Großen erlauben die bisherigen Forschungsergebnisse nur Vermutungen. Erst für die Zeit zwischen Ludwig I. dem Frommen und seinem Sohn Ludwig II. zeichnet sich ein etwas genaueres Bild ab; allerdings nur für den repräsentativen Kern der Pfalz, dagegen nicht zu den umliegenden weiteren Bauten. Insgesamt erweckt der kompakte, etwa 122 Meter lange und etwa 35 Meter breite Kernkomplex den Eindruck einer architektonisch einheitlichen Planung. Er wurde zuletzt von einem weltlichen Pol, der Königshalle im Westen, und einem geistlichen Pol, der Pfalzkirche im Osten, geprägt. Beide Pole waren mit einer Galerie verbunden.

    Die Königshalle hatte die wichtige Aufgabe, das Königtum zu repräsentieren. In ihr sprach der König Recht, wurden Gesandte empfangen und wichtige Staatsakte vollzogen. Gesichert ist ihre Außengröße von 29,3 mal 14,7 Metern. Die Dicke der aufgehenden Mauern von etwa 1,06 bis 1,20 Metern spricht für eine Zweigeschossigkeit, ebenso der noch inmitten der Halle stehende, große Pfeiler. Bezieht sich die zuvor genannte Kopialurkunde von

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